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Beständeübersicht

Bestand

13404 Zentralstelle für deutsche Flurnamenforschung

Datierung1900 - 1957
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)2,80
1. Geschichte des Registraturbildners

Zur Förderung und Unterstützung der deutschen Flurnamenforschung beschloss die Hauptversammlung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 1920 in Weimar die Bildung eines Flurnamenausschusses. Mit der Leitung des Ausschusses, dem zunächst fünf Mitglieder angehörten, wurde der Dresdner Staatsarchivar Hans Beschorner betraut, der eine führende Stellung in der deutschen Flurnamen- und Wüstungsforschung einnahm. Als Geschäftsstelle des Ausschusses richtete Beschorner im Sächsischen Hauptstaatsarchiv die Zentralstelle für deutsche Flurnamenforschung ein.

In den ersten Jahren seines Bestehens konzentrierten sich der Ausschuss und seine Zentralstelle auf die Überarbeitung der zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Gesamtverein veröffentlichten "Ratschläge für das Sammeln von Flurnamen". Die Realisierung anderer Vorhaben begegnete erheblichen finanziellen und personellen Schwierigkeiten. So reichte für die angestrebte Vernetzung mit den Flurnamenausschüssen bzw. -stellen der Länder und Regionen die personelle Stärke des Ausschusses nicht aus. Für Publikationen fehlte das Geld, so dass das 1928 von Hans Beschorner herausgegebene "Handbuch der deutschen Flurnamenliteratur bis Ende 1926" nicht im Auftrag des Flurnamenausschusses des Gesamtvereins, sondern im Auftrag des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde erschien.

1930 wurden die Arbeitsgrundlagen des Flurnamenausschusses und der Zentralstelle durch den Gesamtverein deutlich verbessert. Mit der Aufnahme der bestehenden Länder-Flurnamenausschüsse in den Ausschuss erweiterte sich dieser personell stark; außerdem begannen die Länder-Flurnamenausschüsse seit 1930 Jahresbeiträge zur Finanzierung der Zentralstelle zu entrichten. Der 1930 wiedergewählte Ausschussvorsitzende Hans Beschorner wurde nun durch Johannes Leipoldt (der bereits seit 1928 freier Mitarbeiter der Zentralstelle war) als Zentralstellen-Geschäftsführer und Mitglied des Flurnamenausschusses unterstützt. Personell und finanziell verstärkt führte der Ausschuss bis 1938 alle zwei Jahre Tagungen durch. In seinem Auftrag gab die Zentralstelle von 1932 bis 1944 dreimal jährlich das "Nachrichtenblatt für deutsche Flurnamenkunde" heraus. Außerdem setzte sich die Zentralstelle für eine möglichst einheitliche Sammlung, Sichtung und Auswertung der Flurnamen ein, regte die Gründung weiterer Flurnamenausschüsse bzw. Flurnamenstellen in den Ländern an, unterhielt eine Spezialbibliothek zur Flurnamenforschung, aus der sie Publikationen entlieh, und erteilte Auskünfte.

Nach seiner Pensionierung im Jahr 1937 behielt Beschorner die Leitung des Flurnamenausschusses und der Zentralstelle bei. Durch den Wechsel von Leipoldt nach Reichenbach (Vogtland) an das dortige Museum und Stadtarchiv im Jahr 1939 stellte sich allerdings die Frage der personellen Kontinuität an der Spitze beider Einrichtungen sowie der institutionell-organisatorischen Bewahrung ihrer Forschungs- und Sammlungsarbeit. Gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern hatte die deutsche Flurnamenforschung frühzeitig ihren Nutzen für das "deutsche Volkstum" und die "enge Verbundenheit zu Blut und Boden" betont. Damit wurde sie interessant für NS-Stellen wie das von Heinrich Himmler gegründete "Ahnenerbe", das als Forschungseinrichtung der SS die angebliche rassische Überlegenheit des "arischen Menschen" wissenschaftlich nachweisen sollte. Auf Betreiben des Volkskundlers und NS-Wissenschaftspolitikers Prof. Dr. Heinrich Harmjanz (der dem SS-Ahnenerbe angehörte) wurde 1942 entschieden, die Zentralstelle dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung anzugliedern und sie an das Universitätsinstitut von Harmjanz nach Frankfurt/Main zu verlegen, wozu es wegen politischer Konflikte um Harmjanz und der Zerstörung seines Frankfurter Instituts durch Bombenangriff allerdings nicht kam. Seit 1942 erhielt die Zentralstelle vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung eine jährliche finanzielle Beihilfe.

Nach Kriegsende setzte der inzwischen 73-jährige Beschorner seine Arbeit in der Zentralstelle fort und mühte sich darum, die Kontakte zu den Landes-Flurnamenstellen zu erneuern und aufrechtzuerhalten, was angesichts der politischen Entwicklung aber immer schwieriger wurde. Dass nur noch von wenigen Landes-Flurnamenstellen Geldbeiträge eingingen, stellte die Zentralstelle vor große finanzielle Probleme. Ein gesamtdeutscher Flurnamenausschuss wurde nicht wieder gebildet, so dass der Zentralstelle die bisherige organisatorische Anbindung fehlte. Zunächst von der Landesverwaltung Sachsen bewilligte Haushaltsmittel wurden 1946 wieder gestrichen, außerdem wurden die als NS-belastet eingestuften Mitarbeiter der Zentralstelle (darunter Beschorner) Anfang 1948 entlassen. Die Wiederherausgabe des "Nachrichtenblatts für deutsche Flurnamenkunde" gelang nicht. Ende Dezember 1949 wurde die Zentralstelle (zusammen mit der Sächsischen Flurnamenstelle) kurzzeitig dem Ministerium für Land- und Forstwirtschaft des Landes Sachsen angegliedert und der Leitung des Oberregierungsrates Walter Herden unterstellt. Beschorner legte die ehrenamtlich beibehaltene Leitung der Zentralstelle offiziell nieder, blieb aber Herdens Stellvertreter. Ab 1950 kam die Tätigkeit der Zentralstelle mehr und mehr zum Erliegen.


2. Bestandsgeschichte und -inhalt

Die Zentralstelle hatte ihren Sitz im Sächsischen Hauptstaatsarchiv (seit 1945: Sächsisches Landeshauptarchiv). Die vom Archiv und der Sächsischen Flurnamenstelle getrennt geführten Akten wurden in einem gesonderten Aktenschrank gelagert. Aus den später im Archiv mit dem Nachlass von Hans Beschorner vereinigten Unterlagen der Zentralstelle wurde im Zuge einer Bearbeitung des Nachlasses 2003/04 ein eigener Bestand gebildet.

Die Tätigkeit des Flurnamenausschusses und der Zentralstelle für deutsche Flurnamenforschung wird von den überlieferten Unterlagen umfassend widergespiegelt. Es sind u. a. Unterlagen zu den Ausschusstagungen, zur Fachdiskussion, zur Herausgabe von Veröffentlichungen, zur Auskunftstätigkeit und zur Bibliothek der Zentralstelle überliefert. Zum Bestand gehören auch Materialsammlungen zur Flurnamenforschung. Die Zeitungs- und Zeitschriftenaufsatzsammlung ist erfasst in den Veröffentlichungen: Hans Beschorner: Handbuch der deutschen Flurnamenliteratur bis Ende 1926, Frankfurt/Main 1928 (Signatur Bibliothek Hauptstaatsarchiv Dresden: R 801 b), und Hans Beschorner: Die deutsche Flurnamenliteratur der Jahre 1927-1943. Anschlussberichte 1-5 zu dem Handbuch der deutschen Flurnamenliteratur bis Ende 1926, Dresden 1927-1943 (Signatur Bibliothek Hauptstaatsarchiv Dresden: R 801 c).

Bei der von ihm geführten Korrespondenz hat Hans Beschorner mitunter Kurzschrift verwendet, wodurch die Lesbarkeit seiner Briefkonzepte z. T. eingeschränkt wird.


3. Verweis auf andere Bestände im Hauptstaatsarchiv Dresden

Folgende Bestände des Hauptstaatsarchivs Dresden liefern korrespondierende Informationen: 13403 Sächsische Flurnamenstelle, 12652 Personennachlass Hans Beschorner.
Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. versch. Jg. - insb. Beiträge von Beschorner, Hans

Beschorner, Hans ; Leipold, Johannes (beides Hrsg. i. A. des Deutschen Flurnamenausschusses): Nachrichtenblatt für deutsche Flurnamenkunde. Dresden, versch. Jg.

Beschorner, Hans (Hrsg.) ; Vereine für Volkskunde (Hrsg.): Handbuch der deutschen Flurnamenkunde bis Ende 1926. Frankfurt /M. : Diesterweg, 1928

Die deutsche Flurnamenliteratur der Jahre 1927 - 1943 : Nebst Nachtrag. Dresden : Verlag des deutschen Flurnamenausschusses, 1927 - 1943 (Beilage zum Nachrichtenblatt für Flurnamenkunde)
Organisation und Personal.- Haushalt.- Schriftverkehr.- Veröffentlichungen.- Sammlungen.- Bibliothek.- Deutscher Flurnamenausschuss.
Die Zentralstelle für [deutsche] Flurnamenforschung bestand seit 1920 als Geschäftsstelle des Deutschen Flurnamenausschusses, der im gleichen Jahr anlässlich der Tagung des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine gegründet wurde. Der Ausschuss hatte den Anspruch, in sich sämtliche deutschen - einschließlich der nichtreichsdeutschen - Stellen und Verbände zu vereinigen, die sich der Sammlung und Erforschung der Flurnamen widmeten. Ihren Sitz hatte die Zentralstelle im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.

Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
  • 2012 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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