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Beständeübersicht

Bestand

32704 Volkspolizeikreisamt Glauchau

Datierung1945 - 1990
Benutzung im Staatsarchiv Chemnitz
Umfang (nur lfm)22,20

Bestand enthält auch 137 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

1. Geschichte des Volkspolizeikreisamtes Glauchau
Die ab 1949 dem Ministerium des Inneren unterstehende Volkspolizei, wurde 1945 auf Anweisung der SMAD, zunächst als Länderpolizei gegründet. 1948 erfolgte die Aufstellung und Kasernierung von 40 Bereitschaften der VP, welche den Kern der späteren NVA bildeten. Nach der Verwaltungsreform des Jahres 1952 und der de facto Abschaffung der Länder, gliederte sich die Deutsche Volkspolizei in die Bezirksbehörden der DVP (BDVP) in allen Bezirksstädten und die Volkspolizeikreisämter (VPKA) in den Kreisstädten. Die Volkspolizei gliederte sich zuletzt in folgende Dienstzweige: Schutzpolizei, einschließlich Wasserschutzpolizei und Betriebsschutz; Verkehrspolizei; Kriminalpolizei; Transportpolizei; Pass- und Meldewesen; VP-Bereitschaften und Feuerwehr.
Rechtsgrundlage für die Volkspolizei war das Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der DVP vom 11. Juni 1968.

2. Bestandsgeschichte
Der Bestand wurde am 7. Dezember 2001 durch die Polizeidirektion Zwickau an das Staats-archiv Chemnitz abgegeben. Nur ein Teil der Akten war durch ein Ablieferungsverzeichnis grob erschlossen, ein Teil blieb lange unerschlossen. Der Bestand wurde vom 23. März 2014 bis 12. Juni 2014 in er Software Augias 8.3 erschlossen. Personensammelakten wurden detail-liert pro Person verzeichnet.

3. Bestandsanalyse
Der Bestand gliedert sich in 399 Verzeichniseinheiten Der Aktenumfang beträgt 23 Laufmeter. Inhaltlich kann der Bestand in vier Hauptkategorien eingeteilt werden.
I. Operative Planung: Enthält Aufgabenstellungen und Dienstpläne zu Feiertagen/öffentlichen Anlässen usw. sowie die Genehmigung von Bauvorhaben.
II. Kriminalistische Ermittlungsarbeit: Enthält hauptsächlich Ermittlungstätigkeit zu Diebstählen, Beleidigungen und in seltenen Fällen Körperverletzung sowie sexuelle Belästigung Minderjähriger. Der Großteil der Ermittlungsakten wurde nach § 143 (1) oder § 96 (1) Strafprozessordnung eingestellt oder, etwas seltener, nach erfolgter Ermittlungstätigkeit an die zuständigen Stellen der Justiz weitergeleitet. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Mordfall Schumann (Nr. 238) aufgrund der in diesem Bestand einzigartigen Schwere der Straftat und des Umfangs der Ermittlungsakte.
III. Allgemeines Berichtswesen: Enthält Rapporte, Dienstbücher und Statistiken zur Arbeit des VPKA Glauchau. Die sehr hohe Informationsdichte der Dienstbücher, Rapporte und Statistiken ermöglicht ein umfassenderes Verständnis der Arbeit des VPKA Glauchau als es mit der weitaus langwierigeren Sichtung der Kriminalakten möglich wäre.
IV. Personenakten. Dieser umfangreiche Bestand enthält Personenakten zu ungewöhnlichen Todesfällen (A), Ausländern (B), Rückkehrern/Zuzüglern/Aussiedlern (C) und Überwachungsakten von ehemaligen Strafgefangenen (D).

A: Besonders auffallend ist hier die ungewöhnlich hohe Anzahl an Selbstmordfällen. Für die Jahre 1982 bis 1988 ergeben sich für den mit ca. 70.000 Einwohnern recht kleinen Kreis Glauchau folgende Werte:

1982 - 52
1983 - 42
1984 - 33
1985 - 30
1986 - 34
1987 - 16
1988 - 22

Der niedrige Wert des Jahres 1987 ergibt sich aus den lediglich für das zweite Halbjahr verfügbaren Daten. Selbst der niedrigste vorhandene Wert von 1982 ist um ca. 40% höher als der BRD Durchschnitt von etwa 22/100.000 Personen im Jahr. In den vorhandenen Abschiedsbriefen sowie den Ermittlungsberichten werden nahezu keine politischen Gründe für die Taten angeführt. Der Rest der in diesen Abschnitt enthaltenen Todesfälle ist das Resultat von Unfällen, wobei die Häufung von unbeabsichtigten Gasvergiftungen und Sturzverletzungen auffällig ist.

B: Die Ausländerakten scheinen dem normalen, DDR-typischen Profil zu entsprechen. Die Herkunftsländer sind bis auf einige wenige Ausnahmen sozialistisch oder sozialistisch orientiert und auch die Tätigkeiten (Studium, Ausbildung, Vertragsarbeiter) sind keinesfalls ungewöhnlich.

C: Auffällig ist hier, zumindest für die 50er und 60er Jahre, die relativ hohe Anzahl an Wirtschaftsflüchtlingen aus der BRD. Im besonderem die Arbeits- und Wohnungsverhältnisse schienen, neben familiären Gründen, eine der Hauptmotivationen für die Übersiedlung oder Rückkehr in die DDR gewesen zu sein. Ebenfalls auffällig ist die relative hohe Anzahl an Republikflucht/ erneuten Republikfluchten in dieser Gruppe. Die zuweilen extrem langen Überwachungszeiträume ermöglichen teilweise die Verfolgung nahezu kompletter Biographien. Es ist ebenfalls zu Bemerken, dass die Polizeibehörden scheinbar kein großes Interesse an der Überprüfung von Personen mit teils auffälligen/verdächtigen SS / Wehrmachtshintergrund zu haben schien (z.B. Nr. 121/2/7).

D: Es sind mehrere Hinweise auf Fälle von schweren Kriegsverbrechen/ Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorhanden (Aufgrund der teils wenig zufriedenstellenden Rechtsstaatlichkeit von DDR Kriegsverbrecherprozessen ist hier etwas Vorsicht anzumahnen). Der Großteil der Häftlinge wurde Mitte der 50er Jahre, meist lange vor der vollständigen Verbüßung ihrer Haftstrafen/Todesstrafen amnestiert. Ebenfalls vorhanden ist eine Reihe von Fällen politischer Häftlinge, die wegen angeblicher Agitation, "Boykotthetze" oder Terrorismus zu Strafen verurteilt wurden, die jenen der Kriegsverbrecher oftmals nicht nachstanden.
In geringem Umfang sind auch Unterlagen des Polizeiamtes Glauchau aus den 30er und 40er Jahren enthalten.

5. Benutzungshinweise
Viele personenbezogene Angaben sind in Augias in der 2. Ebene verzeichnet worden. Es han-delt sich dabei nicht um physische Einheiten. Zu bestellen sind sie über die Signatur der Akte in der 1. Ebene.

6. Abkürzungsverzeichnis
GSSD Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland
VD Vertrauliche Dienstsache
WDSS Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte

7. Quellen und Literatur (Auswahl)
Bessel, Richard: Establishing Order in Postwar Eastern Germany. In: Past and Present, 2011, Vol. 210 (suppl.6), pp.139-157.
Lindenberger, Thomas: Volkspolizei; Herrschaftspraxis und öffentliche Ordnung im SED-Staat 1952 - 1968. Köln ; Weimar ; Wien: Böhlau, 2003.
Grashoff, Udo: In einem Anfall von Depression ...; Selbsttötungen in der DDR. Berlin: Ch. Links Verlag, 2006.
Zwengel, Almut (Hrsg.): Die "Gastarbeiter" der DDR; politischer Kontext und Lebenswelt. Berlin ; Münster : LIT Verl., 2011.
Eingaben.- Parteiunterlagen.- Diensttagebücher Stab.- Rapporte.- Lageeinschätzungen.- Lagefilme.- Operative Einsätze.- Organisation.- Kriminalpolizei.- Anzeigetagebücher.- Einstellung von Ermittlungen gemäß § 143 StPO.- Ausländerakten.- Rückkehrer/Zuzüge.
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