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Beständeübersicht

Bestand

21794 Nachlass Kurt Herrmann

Datierung1902 - 1950
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)3,50
Zur Biografie von Kurt Herrmann

Kurt Herrmann wurde am 20. Mai 1888 in Leipzig als Sohn eines Handwerksmeisters geboren. Er besuchte die Volksschule, wurde Maurer und erhielt 1908 an der Kgl. Sächs. Baugewerkenschule Leipzig seinen Abschluss als Baumeister. Die Ausbildung musste er zum großen Teil selbst finanzieren. Nachdem Herrmann zunächst als Architekt bei verschiedenen Baufirmen tätig war, machte er sich 1912 mit einem eigenen Architekturbüro selbständig. [01] Er baute zahlreiche Geschäftshäuser in Leipzig, auch die Verlagsgebäude des Kommerzienrates und Verlagsbuchhändlers Bernhard Meyer sowie die Deutschen Flugzeugwerke Leipzig, deren Gesellschafter ebenfalls Bernhard Meyer war. [02]

1914 heiratete Herrmann die älteste Tochter Bernhard Meyers, Erna Agnes Meyer (1893 - 1972). [03] Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Als Bernhard Meyer 1917 starb, hinterließ er ein Vermögen von 17,6 Millionen Mark. Neben seinem Verlag, dessen Alleineigentümer er war (Jahresgewinn 1916 über 1,5 Millionen Mark) umfasste sein Vermögen Geschäftsanteile in führenden Rüstungsunternehmen: Deutsche Flugzeugwerke Leipzig (Gewinn 1.1. - 30.4.1917 über 2,5 Millionen Mark), National-Flugzeugwerke Leipzig-Großzschocher, Wasserflugzeugwerke Travemünde, Deutsche Motorenbaugesellschaft Berlin-Marienfeld u. a. [04] Nach dem Testament sollte der Besitz zunächst auf die Witwe übergehen und erst nach deren Tod auf die drei Töchter der Meyers als Nacherben. Herrmanns Frau verzichtete auf ihr Nacherbe und forderte ihren Pflichterbteil ein, der 1/18 der Nachlassmasse ausmachte (die Differenz zum ihr sonst zugestandenen Nacherbe ging auf die Kinder über). Alle diese Gelder blieben aber bis mindestens 1922 in der Nachlasskasse und es wurden nur die Zinsen jährlich ausgezahlt, wovon Herrmanns Frau 1/18 erhielt. [05] Herrmann erhielt das Nutznießerrecht über den Erbteil seiner Frau, nicht aber über den Erbteil seiner Kinder [06] und wurde 1917 auf Gehalts- und Gewinnbeteiligungsbasis Generaldirektor der Deutschen Flugzeugwerke Leipzig [07] und des Verlages Bernhard Meyer. [08] Die Beteiligungen an der Flugzeugwerft Travemünde wurden durch die Meyerschen Erben am 20. Aug. 1917 ebenso abgetreten wie die an der Deutschen Motorenbaugesellschaft am 10. Okt. 1917. [09] 1918 erwarb Herrmann das Rittergut Kobershain, Kreis Torgau für ca. 700 000 RM. [10]

1920 gründete er nach der Liquidation des Flugzeugbaus aus den Deutschen Flugzeugwerken Leipzig die ATG (Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft) mit dem Spezialgebiet Braunkohlen-Abraum-Förderbrücken, Elektro-Hängebrücken und Transport-Einrichtungen, die er 1932 an Flick veräußerte. [11]

Seit 1925 bezeichnete sich Herrmann als Verlagsbuchhändler, denn es gelang ihm, den bis dahin größten Konkurrenten des Verlages Bernhard Meyer für die Meyerschen Erben aufzukaufen, die Vobach & Co. GmbH, eine Tochtergesellschaft des Buch- und Zellstoffgewebekonzerns (Buz-Konzern) aus dem Stinnes-Konzern. [12] 1927 kam die Hamelsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt GmbH Berlin hinzu. [13] 1926 bis 1930 erwarb Herrmann die mecklenburgischen Rittergüter Federow, Schwarzenhof, Speck und Dambeck. Nach eigenen Angaben beliefen sich die Erwerbs- und Ausbaukosten auf 7 Millionen Mark und die Besitzungen, deren Bewirtschaftungen er als Landwirt selbst anleitete, umfassten 8000 ha. [14] 1929 verlegte er auch seinen Wohnsitz nach Mecklenburg, Gut Federow. [15]

Nachdem er 1926 und 1927 bereits zwei ausländische Versicherungsgesellschaften gegründet hatte, die Internationale Verlags AG (Ivag) mit Sitz in Zürich und die Securitas AG mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein [16] , erwarb er 1928 die Braunschweigische Lebensversicherungs-Bank AG mit einem Versicherungsbestand von ca. 100 Millionen Mark. [17]

Als Dachgesellschaft für die drei großen Verlagskonzerne Bernhard Meyer, Vobach & Co., Curt Hamel wurde 1927 die Uvag (Universalverlag GmbH) mit Sitz in Berlin, einige Abteilungen in Leipzig, gegründet. Herrmann war mit 45% beteiligt und Delegierter der Gesellschafter. Er sicherte sich die doppelte Stimmenzahl in Personal- und Bilanzangelegenheiten. In der Folgezeit flossen sämtliche Zeitschriftenverlage und Vertriebsfirmen Herrmanns bzw. der Erben in die Uvag ein, aber auch die Braunschweigische Lebensversicherungs-Bank AG, Braunschweig. [18] Seit Juli 1941 war er Alleininhaber dieses riesigen Unternehmens Uvag [19] mit einem Jahresumsatz von 70 Millionen Mark. [20]
Sein Architekten- und Ingenieurbüro verlegte er 1926/1927 von Connewitz an den Augustusplatz 8. [21]

"Dankbar für die hochherzige Förderung" ernannte ihn 1927 die Technische Hochschule Dresden zum Ehrensenator. Im selben Jahr bekam er von verschiedenen Universitäten Doktortitel "verliehen", so von der Brüsseler Université Philotechnique, der Pariser Université Technique de France. 1928 verlieh ihm die Technische Hochschule Braunschweig die Würde eines Dr.-Ing. ehrenhalber "in Anerkennung seiner Verdienste um die Entwicklung der Abraumförderanlagen". [22] 1929 wurde Herrmann ins Buch "Deutsche Wirtschaftsführer. Lebensgänge Deutscher Wirtschaftspersönlichkeiten" aufgenommen. [23]

1931 nahm Herrmann die Liechtensteiner Staatsangehörigkeit an [24] , nachdem er zuvor wegen einer Verordnung zur Kapital- und Steuerflucht vom 18. Juli 1931 das Landesfinanzamt über seine Vermögensverhältnisse aufklären musste. Ohne Einspruch zahlte er für die Jahre 1924 - 1929 1,4 Millionen Mark Steuern nach. [25]

Am 1. Juni 1936 erfolgt seine Ernennung zum Deutschen Reichsjagdrat. [26] Im September desselben Jahres wurde er wegen Steuerhinterziehung verhaftet und ins Gefängnis Berlin-Altmoabit gebracht. Durch persönliches Einschalten Hermann Görings wurde das Verfahren dem Landesfinanzamt Leipzig entzogen, dem Reichsfinanzministerium übertragen und dort niedergeschlagen. [27]

Am 4. Mai 1938 verlieh ihm "der Führer" das Ehrenabzeichen des Roten Kreuzes 1. Klasse und ernannte ihn am 20. Mai 1938 zum Preußischen Staatsrat. [28] Am 17. Nov. 1938 erwarb er "zur Arisierung" den Leipziger C. F. Petersverlag, den größten Musikalienverlag Deutschlands [29] , nachdem er bereits im Sommer 1938 mit maßgeblicher Unterstützung Hermann Görings die Juwelierfirma Gebr. Friedländer in Berlin, Unter den Linden, ebenfalls ein jüdisches Unternehmen, übernommen hatte, welches dann Deutsche Goldschmiedekunst-Werkstätten Inh. Kurt Herrmann hieß. [30]
Als Geschäftsinhaber dieses Unternehmens hat er, vermittelt und unterstützt durch seinen persönlichen Freund Hermann Göring, während des Krieges in den besetzten Ländern, v. a. in Frankreich und Holland für Millionenbeträge Diamanten, Edelsteine und Geschmeide aufkaufen lassen und sie über sein Berliner Geschäft veräußert. [31]

Nach Kriegsende ging Herrmann nach Liechtenstein, wo er 1959 starb. [32] Sein Vermögen in der Sowjetischen Besatzungszone wurde nach Befehl 124 der SMAD vom 30. Okt. 1945 enteignet. [33]

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

1962 hat das Staatsarchiv Leipzig sechs laufende Meter Akten aus dem VEB Interdruck übernommen, aus denen in den sechziger Jahren vorliegender Bestand "Nachlass Dr. Kurt Herrmann" formiert wurde. Aus heutiger Sicht ist die Bestandsbildung wenig zweckmäßig, da es sich eigentlich um einen Firmenbestand handelt (Konzern Uvag), der auch, wie viele andere Firmenbestände, private Dinge des Firmenbesitzers enthält, nämlich die, die dieser in seinem Firmenbüro aufbewahrt hat und erledigen ließ. Da der Bestand bereits als Nachlass mit genauen Angaben in Mommsen, Die Nachlässe in den deutschen Archiven, Boppard am Rhein 1971, aufgenommen und auch benutzbar ist, soll von einer Abänderung abgesehen werden. Anhand eines überlieferten Aktenverzeichnisses [34] ist ersichtlich, dass nur knapp die Hälfte der Akten überliefert ist.

Die Verzeichnung erfolgte 1967 im Rahmen eines Praktikums. Für die innere Ordnung des Bestandes war das Verzeichnis unbrauchbar, so dass diese vom damaligen Bearbeiter neu erstellt wurde. Kassiert wurde nicht. Zahlreiche im Bestand vorhandene Kopien stammen aus der Nachkriegszeit, als Belastungsmaterial gegen Herrmann gesammelt wurde und sind so bereits ins Staatsarchiv Leipzig übernommen worden.

Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Konversion des maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1967. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Verzeichnungsangaben ohne inhaltliche Veränderungen in die digitale Form überführt. Auch die 1997 verfasste Findbucheinleitung wurde inhaltlich unverändert übernommen.


Überlieferungsschwerpunkte

Der Bestand "Nachlass Dr. Kurt Herrmann" setzt sich zusammen aus 1. Persönliche Angelegenheiten (darunter viele Finanz- und Rechtssachen), 2. Unterlagen der Uvag, einschließlich der dazugehörigen Versicherungsgesellschaften und 3. der Goldschmiedekunst-Werkstätten Berlin (hier ist nicht klar, ob diese auch zur Uvag gehörten, da nur ein Strukturplan von 1933 vorliegt, aber die Goldschmiedekunst-Werkstätten erst 1938 in Herrmanns Besitz kamen).
Von den übernommenen Akten ausgesondert und nicht in den Bestand "Nachlass Dr. Kurt Herrmann" aufgenommen, wurden überlieferte Akten des Verlages C. F. Peters, die man dem gleichnamigen Bestand im Staatsarchiv Leipzig zuordnete und sechs Akten der Allgemeinen Transportanlagen GmbH, die als gesonderter Bestand verzeichnet wurden (Findbuch). Ein eigener Bestand "Universalverlag GmbH Leipzig" ist auch für die Akten des Universalverlages nach 1945 gebildet worden (Findbuch).


Hinweise zur Benutzung

Die Erfassung erfolgte mit der Archivsoftware AUGIAS. Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 21794, NL Kurt Herrmann, Nr. (fettgedruckte Zahl).


H. Reich (1967)
D. Herrmann (1997)
M. Wermes (2013)


[01] Sächs. StAL, Nachlass Kurt Herrmann, Nr. 321: Zeugnisse, Berufungen und Ernennungsurkunden K. Hermanns und ebenda, Nr. 320: Von K. Herrmann 1941 selbst verfasster Lebenslauf.
[02] Ebenda, Nr. 326.
[03] Ebenda.
[04] Das Nachlassverzeichnis ist überliefert, in: Ebenda, Nr. 11.
[05] Ebenda.
[06] Vgl. den Teilungsvertrag und den dazugehörigen Vertrag zwischen Herrmanns Frau und der Witwe Meyer, in: Ebenda, Nr. 11.
[07] Als Herrmann in das Deutsche Führerlexikon aufgenommen wird, muss er dazu 1938 einen Fragebogen ausfüllen und die Frage beantworten: Bei welchen politischen Geschehnissen hatten sie persönlichen Anteil? Er gibt hier den 1. Weltkrieg an und seine Tätigkeit als Generaldirektor der Deutschen Flugzeugwerke. In: Ebenda, Nr. 326.
[08] Ebenda.
[09] Siehe Teilungsplan, S. 11f., in: Ebenda, Nr. 11.
[10] Ebenda, Nr. 320.
[11] Nach eigenen Angaben, in: Ebenda. Siehe auch Sächs. StAL, Allgemeine Transportanlagen GmbH Maschinenfabrik Leipzig: 6 Akten von 1923 - 1933.
[12] Ebenda, Nachlass Herrmann, Nr. 320.
[13] Ebenda, Nr. 26.
[14] Ebenda, Nr. 326.
[15] Im Leipziger Adressbuch ist er nur bis 1928 als in Leipzig wohnhaft eingetragen, 1929 gar nicht und seit 1930 wegen seines Architekturbüros in Leipzig, mit dem Vermerk: wohnhaft in Federow.
[16] Sächs. StAL, Nachlass Herrmann, Nr. 326.
[17] Ebenda, Nr. 320.
[18] Ebenda, Nr. 18. Strukturpläne der Uvag, in: Nr. 1.
[19] Handelsregisterauszüge in: Ebenda, Nr. 8. Strukturplan der Uvag in: Ebenda, Nr. 1.
[20] Nach eigenen Angaben im selbst verfassten Lebenslauf. In: Ebenda, Nr. 320.
[21] So im Leipziger Adressbuch seit 1927 eingetragen.
[22] Alle Beurkundungen in: Ebenda, Nr. 321.
[23] Deutsche Wirtschaftsführer. Lebensgänge Deutscher Wirtschaftspersönlichkeiten, bearb. von Georg Wenzel, Hamburg 1929.
[24] So belegt in: Henryk M. Broder, Diamanten für den Reichsmarschall, in: Der Spiegel 8/97, S. 44.
[25] Sächs. StAL, Nachlass Herrmann, Nr. 126 - 130.
[26] Ebenda.
[27] Ebenda, Nr. 131 - 137.
[28] Ebenda, Nr. 326.
[29] Handelsregisterauszug in: Ebenda, Nr. 8. Als Mitinhaber ist Dr. Johannes Petschull, Musikverleger Leipzig eingetragen. Siehe auch: Sächs. StAL, Musikverlag C. F. Peters Leipzig, Nr. 4100.
[30] Beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages in: Ebenda, Nachlass Herrmann, Nr. 230.
[31] Ebenda, Nr. 355.
[32] Ebenda.
[33] Ebenda.
[34] Ebenda, Nr. 360.
Fotos zum Thema Jagd (Elche, Schild- und Kapitalhirsche, Jagd in Ostpreußen, Engadin und Italien).- Fotomappe zur Verschrottung von Flugzeugen [Deutsche Flugzeugwerke Leipzig].- Gründung der Universalverlag GmbH.- Kontroverse um die Testamentsvollstreckung Bernhard Meyer.- Geschäftsunterlagen und Grundstücksangelegenheiten (Arisierung).- Beteiligung Herrmanns an der Danziger Heringsfischerei GmbH.- Transaktionen nach Liechtenstein.- Reisen Herrmanns nach Amsterdam, Paris und in die Schweiz.- "Erwerb" von Kunstgegenständen.- Herrmanns Villa "Madonna della Ruota" und ihre Nutzung durch die italienische Königin.
Kurt Herrmann (1888 - 1959) wurde am 20. Mai 1888 in Leipzig geboren. 1908 erhielt er an der Königlich Sächsischen Baugewerkenschule Leipzig einen Abschluss als Baumeister. Der gesellschaftliche Aufstieg gelang ihm durch die Heirat mit Erna Agnes Meyer, Tochter des Leipziger Verlegers Bernhard Meyer. 1917 wurde Herrmann Generaldirektor der Deutschen Flugzeugwerke Leipzig und Direktor des Verlags Bernhard Meyer Leipzig. 1920 gründete er die Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft Leipzig, die er 1933 an Flick verkaufte. 1927 bildete er aus den Verlagen Bernhard Meyer Leipzig, W. Vobach & Co. GmbH Leipzig-Berlin und Curt Hamel die Universalverlag GmbH Berlin. Bereits 1931 nahm er die Liechtensteiner Staatsangehörigkeit an. Hermann profitierte von den Arisierungen und galt als reichster Leipziger. So wurde er 1938 Inhaber der Juwelierfirma Gebr. Friedländer Berlin und des Musikalienverlages C. F. Peters Leipzig. Für Hermann Göring beschaffte er zahlreiche Kunstschätze. Von der sowjetischen Besatzungsmacht wurde er in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Hermann lebte bis zu seinem Tod 1959 in Liechtenstein und konnte auf sein in die Schweiz transferiertes Vermögen zurückgreifen. Die Unterlagen wurden 1962 aus dem Bestand Universalverlag Leipzig herausgelöst.
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