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Beständeübersicht

Bestand

20858 Franz Mosenthin, Stahlbaufabrik und Eisengießerei, Leipzig

Datierung1874 - 1953
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)2,81

Bestand enthält auch 2 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Geschichte der Fa. Franz Mosenthin

Noch heute sind im Leipziger Stadtteil Eutritzsch Spuren des Unternehmens Franz Mosenthins, Stahlbau und Eisengießerei, Leipzig zu finden. Die Mosenthinstraße befindet sich nicht weit vom einstigen Sitz entfernt. In jenem Viertel gründete 1864 Franz Louis Mosenthin seine Firma. Anfangs wurde in gemieteten Räumen produziert. Bereits vier Jahre nach Beginn konnte aber eigener Grund in der Delitzscher Straße erworben werden, um die bis 1892/93 auf ca. 180 Beschäftigte angewachsene Belegschaft unterzubringen. [01]
Der Betrieb, welcher sich zunächst als "Älteste Spezialfabrik für Gewächshäuser, Palmenhäuser und Wintergärten" [02] verstand, wies ein breitgefächertes Angebot auf. Verschiedenste eiserne Gegenstände wurden gefertigt: Balkone, Pferdestalleinrichtungen, Veranden, schmiedeeiserne Tore, Telefonhäuschen und Stahlbauten für den Bergbau. Als herausragendes Beispiel für das Schaffen sei das Palmenhaus genannt, welches für den Landschaftsgarten, den Palmengarten, in Leipzig-Lindenau namensgebend war. [03] Dieses Objekt wurde 1928 auf der Leipziger Frühjahrsbaumesse für die Bildausstellung des Deutschen Stahlbau-Verbands ausgewählt. Leider kann man die 160 Tonnen [04] schwere Stahl-Glas-Konstruktion heute nicht mehr betrachten, da sie 1939 von den Nationalsozialisten gesprengt wurde.

1911 ließ Curt Mosenthin, der Sohn von Franz Louis Mosenthin, ein neues Fabrikgelände mit einem Verwaltungsgebäude, einer Eisengießerei sowie einer Eisenkonstruktionswerkstatt und einem Tischlereigebäude in der Zschortauer Str. 74/76 errichten. [05] Während des Ersten Weltkriegs beteiligte sich die Firma an Lieferungen für das Heer. [06] Die Weltwirtschaftskrise wirkte sich stark auf den Betrieb aus. Von den rund 450 Mitarbeitern 1928 [07] blieben bis 1932 [08] nur noch 124 übrig. Bis 1939 stieg die Beschäftigtenzahl jedoch wieder auf das Dreifache an [09] . Das Unternehmen nahm wiederum an der Kriegsproduktion teil, lieferte und montierte zum Beispiel U-Bootteile [10] oder versorgte die Wehrmacht in Norwegen mit Eisenkonstruktionen [11] . 1942 arbeiteten ca. 35 Kriegsgefangene für die Firma. [12] Nach dem Kriegsende konnte die Produktion rasch wieder aufgenommen werden, da die Firma laut Aktenlage keine nennenswerten Schäden erlitt. Von 1945 (284 Beschäftigte) [13] auf 1946 [14] verdoppelte sich die Arbeiterschaft beinahe wieder. Aufträge waren keine Mangelware. Die Firma beteiligte sich am Wiederaufbau in Sachsen. Beim provisorischen Brückenschluss der Elstertalbrücke im Vogtland [15] war sie ebenso involviert wie bei der Instandsetzung des Neuen Rathauses und des Hauptbahnhofs in Leipzig [16] . Eine weitere Einnahmequelle stellte die Mitarbeit bei Demontagen und Reparationsaufträgen dar. Ein Jahr nach dem Ende des Kriegs wurden wieder 70% der Produktionskapazität von 1939 erreicht [17] und der Umsatz stieg in den nächsten vier Jahren von über 2 Millionen auf über 7 Millionen an [18] . Das Familienunternehmen entwickelte sich in dieser Zeit zum größten Privatbetrieb der Metallindustrie in der DDR. [19] Im Mai 1953 wurde er an das Ministerium für Hüttenwesen und Erzbergbau verkauft und seine Aufträge wurden vom VEB Montan, Leipzig übernommen. [20]
	

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

1983 wurde ein Teil des Bestands vom Archiv des Nachfolgebetriebs der Firma, dem VEB Montan, an das Staatsarchiv übergeben. Ein zweiter, wesentlich kleinerer Teil, folgte 1986. Beide Ablieferungen sind auf dem Abgabeverzeichnis vermerkt. 1986 erfolgte die Revision im Staatsarchiv Leipzig. 2008 wurde der Bestand erschlossen und in diesem Zusammenhang auch technisch geteilt und neusigniert. Kassationen wurden dabei nicht vorgenommen.

Überlieferungsschwerpunkte

Leider sind keine Unterlagen aus den ersten zehn Jahren nach der Firmengründung vertreten. Allgemein sind Schriftstücke des 19. Jahrhunderts in der Minderheit, der zeitliche Schwerpunkt liegt im 20. Jahrhundert. Thematisch gesehen bilden die Grundstücksangelegenheiten unter Klassifikationspunkt 3.4 mit rund 30% des Bestands den am dichtesten überlieferten Bereich. Ebenfalls gut dargestellt sind die Geschäfts- und die Betriebsbuchhaltung unter Punkt 3.2. Nahezu lückenlos lässt sich an ihnen die ökonomische Entwicklung von 1874, zehn Jahre nach Beginn, bis 1953 verfolgen. Eine Lücke von 1939 bis 1945 weisen wiederum die ansonsten umfassenden Lohn- und Gehaltsunterlagen auf. An ihnen und an den weiteren Archivalien unter Punkt 2 Personal- und Sozialangelegenheiten lassen sich Informationen zu den bei der Fa. Mosenthin Beschäftigten ablesen. Zum Beispiel werden in den Nummern 59 und 60 u. a. die möblierten Mietwohnungen der jeweiligen Zeit beschrieben.

In der Betriebsgeschichtlichen Sammlung (Punkt 1.6) befinden sich zwei Werke zur Wirtschaft in Sachsen [21] , welche einen zeitgenössischen Einblick in die Industrie Deutschlands und in die Großindustrie Leipzigs am Ende des 19. Jahrhunderts gewähren. Unter demselben Punkt wird durch Fotographien des ersten Betriebs der Firma und eine Sammlung von Prospekten und Zeitungsannoncen [22] außerdem die Stahlbaufabrik und Eisengießerei Franz Mosenthin anschaulicher geschildert. Die bereits in der Geschichte des Bestandsbildners angesprochenen Kriegsgefangenen werden in lediglich drei Archivalieneinheiten erwähnt. Zweimal ist von ihnen im Zusammenhang mit Neu- oder Erweiterungsbauten während des Krieges [23] die Rede und einmal werden sie im Kontext der Versorgung genannt [24] . Namenslisten sind jedoch nicht vorhanden. Bis auf einen französischen Zivilarbeiter wird kein "ausländischer Arbeiter" beim Namen genannt.
Eine Besonderheit des Bestands stellen die Zeichnungen der Handschwengelbrunnen dar, welche neben einem Modellbuch den Punkt 4 Forschung, Entwicklung und Technik bilden.
Die Aufträge des Unternehmens sowie die Auftragsgeber und die Materialbeschaffung stellen wesentliche Bestandteile des letzten, 17 Archivalieneinheiten umfassenden Klassifikationspunktes. Von etwa 1909 bis 1953 wird die Produktion hier abgebildet.
Da zur Rechtsstellung lediglich Nr. 7 weitergehende, aber dennoch lückenhafte Angaben enthält, sollte für ausführlichere Daten zu dem jeweiligen Eigentümer bzw. zu den Teilhabern und der Rechtsform des Unternehmens die Handelsregisterakte [25] hinzugezogen werden.
Neben den Akten des Privatbetriebs Mosenthin enthält der Bestand außerdem einen marginalen Anteil des Schriftguts seines Nachfolgeunternehmens, dem VEB Montan. Dieser umfasst geringfügige Teile der Nummern 136 (Reaktion der Belegschaft auf die Verstaatlichung) und 111 bis 113 (Verträge mit staatlichen Betrieben).

Verweise auf korrespondierende Bestände

20124 Amtsgericht Leipzig HRA Nr. 158 - Handelsregisterakte
21033 Reichsbankhauptstelle Leipzig mit Nebenstellen Nr. 1059 - Fundstelle für Kreditwürdigkeit, Wirtschaftsdaten (Gewinn der jeweiligen Jahre, Belastung des Grundstücks) und allgemeine Einschätzung durch Bank
20860 Grohmann und Frosch Nr. 46 - Vorkalkulation und Gemeinkosten der Fa. Mosenthin; Lieferung und Montage von U-Bootteilen
20873 VVB Stahlbau Leipzig Nr. 47 - Fa. Mosenthin genannt bei Firmenkarten zu Aufträgen, Material und Arbeitskräften
20206 Oberfinanzpräsident Leipzig Nr. 122 - Garantien für Firmen und Sonderkonten bei der Commerzbank, Leipzig
zur Gefolgschaftseinrichtung:
20031 Polizeipräsidium Leipzig PP-V 2301 (1940 – 1948) und PP-V 4695 (1941)
20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig (Juni 1951 - Dez. 1952) Nr. 3499


Hinweis zur Benutzung

Der Bestand enthält personenbezogene Daten, die der Schutzfrist nach § 10 S. 3 SächsArchivG unterliegen. Für die Benutzung dieser Akten ist ein Antrag auf Schutzfristenverkürzung zu stellen.

Christiane Helmert

September 2008




[01] Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsens in Wort und Bild. Eine Ehrenausgabe für S. Maj. König Albert von Sachsen gewidmet von den dankbaren Groß-Industriellen, Leipzig, [1892/93], Bd. 1, Bl. [216], überw. III (Hist. Sax. M. 36 v-1).
[02] 20858 Franz Mosenthin, Stahlbau und Eisengießerei, Leipzig, Nr. 68.
[03] http://de.wikipedia.org/wiki/Lindenau_%28Leipzig%29; Bezug auf: Hädicke, Hans-Joachim: Von der Viehweide zum Landschaftsgarten. Die Geschichte des Palmengartens begann mit der Internationalen Jubiläumsgartenbauausstellung 1893. In: Leipziger Blätter 37(2000), S. 40-45.
[04] 20 858 Franz Mosenthin, Stahlbau und Eisengießerei, Leipzig, Nr. 47.
[05] Ebenda, Nummern 40, 75, 77, 85.
[06] Ebenda, Nr. 61.
[07] Ebenda, Nr. 62.
[08] Ebenda, Nr. 94.
[09] Ebenda, Nr. 99.
[10] 20860 Grohmann & Frosch, Nr. 46.
[11] 20206 Oberfinanzpräsident Leipzig, Nr. 122.
[12] 20 858 Franz Mosenthin, Stahlbau und Eisengießerei, Leipzig, Nr. 27.
[13] Ebenda, Nr. 97.
[14] Ebenda, Nr. 99.
[15] Ebenda, Nummern 120 und 121.
[16] Ebenda, Nummern 106 bis 108.
[17] Ebenda, Nr. 99.
[18] Ebenda, Nr. 105.
[19] Ebenda, Nr. 136.
[20] 20124 Amtsgericht Leipzig HRA Nr. 158 (Handelsregisterakte).
[21] 20 858 Franz Mosenthin, Stahlbau und Eisengießerei, Leipzig, Nummern 140 und 142.
[22] Ebenda, Nr. 6 sowie Nr. 68.
[23] Ebenda, Nummern 76 und 79.
[24] Ebenda, Nr. 27.
[25] 20124 Amtsgericht Leipzig HRA Nr. 158

Bilanzen.- Steuern.- Prüfberichte.- Grundstücke.- Verträge.- Konzessionen.- Produktion.- Lohn.- Reparationen.- Demontagen.
Die Firma Franz Mosenthin wurde im Jahr 1864 gegründet. Sie produzierte und vertrieb unter anderem Kräne und Förderanlagen, Tore und Türen sowie Weichen. Zu ihrem Produktionsprofil gehörten außerdem der Bau und die Reparatur von Hallenindustriebauten, Glasdächern, Brücken und sonstigen Stahlkonstruktionen. Im Auftrag der Sowjetischen Militäradministration führte die Firma ab 1945 Reparationsaufträge und Demontagen aus. Im Mai 1953 wurde sie an das Ministerium für Hüttenwesen und Erzbergbau verkauft und ihre Aufträge übernahm der VEB Montan, Leipzig.
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