Hauptinhalt

Beständeübersicht

Bestand

11508 Generalsekretär der landwirtschaftlichen Vereine

Datierung1835 - 1869
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)9,20
1. Behördengeschichte

Mit dem Eintritt Sachsens in die Reihe der bürgerlichen deutschen Verfassungsstaaten im Jahre 1831 wurde auch der sächsische Bauer zu einem verfassungsmäßig gleichberechtigten und in seiner Stellung als "Ernährer des Landes" wohl respektierten Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.
Ausdruck seiner errungenen Freiheit war das Recht der freien Vereinigung in berufsständischen Körperschaften. So diente auch der Aufbau eines den ganzen sächsischen Staat umfassenden landwirtschaftlichen Vereinswesens, neben den verschiedenen Agrarreformgesetzen der Jahre zwischen 1832 und 1851, seiner völligen Emanzipation von noch bestehenden feudalen Abhängigkeitsverhältnissen. Jetzt erhielt auch die Masse der größeren und kleineren Bauern die Gelegenheit zu eigenen Organisationsformen, nachdem sich der sächsische Großgrundbesitz in der Leipziger Ökonomischen Sozietät 1764 und der Ökonomischen Gesellschaft im Königreich Sachsen 1817 Foren des landwirtschaftlichen Fortschritts geschaffen hatte. Die vereinzelt schon vor 1831 und vor allem danach im ganzen Lande entstandenen landwirtschaftlichen Vereine, deren Ziel vor allem die Durchsetzung der rationellen und intensiven Landwirtschaft in Sachsen war, bedurften jedoch immer mehr auch einer organisatorischen Zusammenfassung. Es sollte eine Zersplitterung der Kräfte, ein Gegeneinanderarbeiten der einzelnen Vereine und Vereinsgruppen vermieden und eine bessere, wissenschaftliche Anleitung aller dieser Bestrebungen erreicht werden.
Dazu halfen sich die Vereine selbst. Aus der Vereinigung des 1810 gegründeten landwirtschaftlichen Vereins zu Zedtlitz bei Borna mit dem landwirtschaftlichen Verein Nossen entstand 1834 die erste Zentralvereinigung der sächsischen Landwirte in Gestalt der Wandergesellschaft sächsischer Landwirte und Naturforscher, aus der sich dann im Jahre 1839 der Zentralverein zur Beförderung der Landwirtschaft im Königreich Sachsen entwickelte. Zum anderen griff auch der sächsische Staat schon frühzeitig organisierend in die losen Vereinigungen der landwirtschaftlichen Vereine ein. Von staatlicher Seite aus kam es so zur Bildung amtshauptmannschaftlicher Komitees, die unter dem Vorsitz der Amtshauptleute sich aus Vertretern der landwirtschaftlichen Vereine zusammensetzen und dem Ministerium des Innern direkt unterstellt waren.
Diese Komitees waren die ersten berufsständischen Vertretungskörperschaften der sächsischen Landwirte.
In der weiteren Arbeit wurde jedoch immer wieder der Mangel eines sachverständigen zentralen Organs, das auch die Regierung in landwirtschaftlichen Fragen sachkundig beraten konnte, verspürt. Daher und weil sich in der Organisation der amtshautpmannschaftlichen Komitees selbst Mängel herausstellten, wurden sie 1843 in landwirtschaftliche Bezirksvereine umgestaltet, die auf dem Prinzip der freien Wahl ihrer Mitglieder und Vorstände beruhten. Als Zentralorgan wurde der landwirtschaftliche Hauptverein geschaffen, der sich aus den Vertretern der Bezirksvereine, der Leipziger Ökonomischen Sozietät, der Ökonomischen Gesellschaft und Vertretern der Regierung zusammensetzte. Die ständige Vertretung des Hauptvereins wurde von einem aus fünf Mitgliedern gewählten Direktorium wahrgenommen, dessen Geschäftsführer von der Regierung bestimmt wurde. Diese Organisation des landwirtschaftlichen Vereinswesens in Sachsen wurde ab 1844 wirksam. Die Funktion eines Geschäftsführers des landwirtschaftlichen Hauptvereins wurde dem eigens dazu nach Sachsen berufenen Dr. Theodor Reuning übertragen. In der Stelle des Geschäftsführers sind auch die Anfänge des Generalsekretärs als spätere Behörde zu sehen. In dieser Funktion als vermittelndes Organ zwischen Regierung und landwirtschaftlichen Bezirksvereinen wurde Reuning zu einer Schlüsselfigur bei der weitern Entwicklung der sächsischen Landwirtschaft. Aber dieser Organisation hafteten in der Praxis ebenfalls noch recht erhebliche Mängel an, so dass bereits 1848/1850 nach Vorschlägen Reunings und des landwirtschaftlichen Hauptvereins eine nochmalige Umorganisation vorgenommen wurde.
Dieser Neuorganisation lag die Aufgabenstellung zugrunde: a) den landwirtschaftlichen Vereinen die zu ihrer Entwicklung erforderliche freie Bewegung zu sichern; b) der Landwirtschaft in den Kreisvereinen eine genügende Vertretung gegenüber der Regierung zu verschaffen; c) für die Regierung ein exekutives, allein verantwortliches Organ zu schaffen.
Durch Verordnung vom 2. Februar 1850 trat die neue Organisation des landwirtschaftlichen Vereinswesens in Sachsen ins Leben. An die Stelle der landwirtschaftlichen Bezirksvereine traten die fünf landwirtschaftlichen Kreisvereine Dresden, Chemnitz, Leipzig, Bautzen und Reichenbach, denen sich die lokalen landwirtschaftlichen Vereine als Zweigvereine anschließen konnten. Der landwirtschaftliche Hauptverein wurde durch den Landeskulturrat ersetzt, der aus Vertretern der Kreisvereine und mehreren Sachverständigen gebildet wurde. Die Stelle des Geschäftsführers wurde in die eines Generalsekretärs der landwirtschaftlichen Vereine umgewandelt. Diese Funktion wurde damit aus dem landwirtschaftlichen Hauptverein herausgelöst und als selbständige Behörde organisiert, die dem Ministerium des Inneren nachgeordnet wurde. Im Landeskulturrat vertrat er die Interessen der Regierung und hatte gegenüber den landwirtschaftlichen Vereinen Weisungsbefugnis. Zur Erledigung seiner Geschäftstätigkeit waren ihm einige Bürohilfskräfte zugeordnet, die das Büro des Generalsekretärs bildeten. Aus der Stellung des Generalsekretärs ergaben sich auch seine Aufgaben. Er bildete das Zentralorgan der Regierung für die Kreisvereine und hatte als solches die Regierung in den Kreisvereinen und die landwirtschaftlichen Vereine in der Regierung zu vertreten. Er war Mitglied und Regierungskommissar im Landeskulturrat, vortragender Rat in Landeskultursachen im Ministerium des Inneren und Regierungskommissar bei den landwirtschaftlichen Kreisvereinen. Der Generalsekretär war gleichzeitig das Organ der landwirtschaftlichen Vereine in allen die Ausführung betreffenden gemeinschaftlichen Angelegenheiten. Mit der Ernennung Reunings zum Generalsekretär wurde dieser Mann "zum geistigen Mittelpunkt aller Bestrebungen zur Förderung der sächsischen Landwirtschaft."
Reuning schied 1869 aus der Funktion des Generalsekretärs aus, ein neuer Generalsekretär wurde nicht mehr ernannt.
So spiegelt auch der vorliegende Bestand das Schaffen dieses Mannes wider, dessen Bedeutung für die sächsische Landwirtschaft jener Jahre nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Ein neuer Generalsekretär wurde deshalb nicht berufen, weil schon zu dieser Zeit Bestrebungen zu einer nochmaligen Umorganisation des Landeskulturrates liefen, wodurch die Funktion eines Generalsekretärs der landwirtschaftlichen Vereine überflüssig wurde. Seine Aufgaben wurden von dem durch Gesetz vom 9. April 1872 reorganisierten Landeskulturrat als ein mit Budgetrecht ausgestattetes Sachverständigenorgan des landwirtschaftlichen Berufsstandes übernommen.
In den folgenden Jahrzehnten bildete sich der Landeskulturrat immer mehr zu einer Landwirtschaftskammer nach dem Vorbild der Handels- und Gewerbekammer um, bis durch das Gesetz vom 30. April 1906 über die nochmalige Umgestaltung des Landeskulturrates und das Landwirtschaftskammergesetz vom 15. April 1925 diese Entwicklung zum Abschluss gebracht wurde. In gewisser Weise wurde die Behörde eines Generalsekretärs auch hinfällig durch die einsetzende genossenschaftliche Bewegung des bäuerlichen Grundbesitzes, verkörpert durch Schulze-Delitzsch und Raiffeisen und die später entstehenden Bauernvereine.
Die Behörde des Generalsekretärs der landwirtschaftlichen Vereine erscheint damit als das Ergebnis des bürgerlichen Staates auf der Suche nach geeigneten Organisationsformen des landwirtschaftlichen Vereinswesens in einer Zeit des Übergangs zum Kapitalismus, einer Zeit, in der sich auch in Sachsen eine intensiv betriebene Landwirtschaft voll durchsetzte.


2. Bestandsgeschichte

Der Bestand des Generalsekretärs ist eine aus der Geschäftstätigkeit dieser Behörde erwachsene eigene Registratur. Nachdem aber 1872 mit der Reorganisation des Landeskulturrates diese Behörde ihre Tätigkeit einstellte, gelangten ihre Akten an das Ministerium des Innern als ihrer vorgesetzten Dienststelle, da es ja auch keinen Nachfolger im eigentlichen Sinne gab. Im Ministerium des Inneren gerieten diese Akten in Vergessenheit und wurden erst 1904 beim Umzug des Ministeriums in das neuerbaute Ministerialgebäude wiederentdeckt und an das damalige Hauptstaatsarchiv abgegeben. Da sich zu jener Zeit im sächsischen Archivwesen das Provenienzprinzip noch nicht voll durchgesetzt hatte, wurde auch der Bestand des Generalsekretärs aufgrund der abgebenden Behörde den bereits früher erfolgten Aktenabgaben des Ministeriums des Inneren zugeordnet. Der Bestand erhielt die Nummern 2236-2950 des MdI und verblieb bis zu seiner Herausnahme durch den Unterzeichneten in diesem Zusammenhang.
Der Bestand des Generalsekretärs wurde aus dem Fonds des Ministerium des Inneren herausgetrennt und als selbständiger Bestand dem Ministerium des Innern unter der neuen Repositurnummer XXII, 37 nachgeordnet. Die Neuordnung, der eine Neuverzeichnung vorausging, erfolgte nach dem regulierenden Registraturprinzip. Da der Bestand des Generalsekretärs unter den Signaturen des Ministeriums des Innern vielfach in der Literatur zitiert ist, musste eine Konkordanz angefertigt werden.

3. Bestandsbeschreibung

Für die Erforschung der sächsischen Agrargeschichte des 19. Jahrhunderts besitzt der Bestand des Generalsekretärs mit seinen 733 Akteneinheiten eine große Bedeutung.
Neben der ausführlichen Behandlung des landwirtschaftlichen Vereinswesens, seiner Organisation und seiner Bedeutung für die Entwicklung der Landwirtschaft (127 Akten) spiegelt sich im Bestand die Rolle der gesetzgeberischen Tätigkeit des Staates, des landwirtschaftlichen Unterrichtswesens, der landwirtschaftlichen Versuchsstationen, der landwirtschaftlichen Ausstellungen und der Publikationstätigkeit bei der weiteren Entwicklung der Landwirtschaft in starkem Maße wider (124 Akten). Aus den Akten über das landwirtschaftliche Kreditwesen (17 Akten), über das landwirtschaftliche Maschinenwesen (26 Akten), über den Wiesenbau (8 Akten) und über andere landwirtschaftliche Nebengewerbe wie Obstbau, Weinbau, Seidenbau, Fischerei und auch Forstwesen ist ein recht umfassendes und eingehendes Bild von den Bestrebungen innerhalb der sächsischen Landwirtschaft im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts zu gewinnen. Umfangreiches Quellmaterial gibt darüber hinaus Aufschluss über die Bemühungen im Ackerbau (141 Akten) und der Viehzucht (83 Akten) um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Insgesamt gesehen stellt der Bestand des Generalsekretärs der landwirtschaftlichen Vereine neben den Akten des Ministeriums des Innern den wohl wichtigsten Bestand zu Fragen der Entwicklung der sächsischen und auch der deutschen Landwirtschaft im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts dar, der sich zur Zeit im Sächsischen Landeshauptstaatsarchiv befindet.
4. Literatur

1. Th. Reuning, Die Entwicklung der sächsischen Landwirtschaft in den Jahren 1845- 1854. Dresden 1856
2. O. Ebersbach, Die Entwicklung und Organisation des landwirtschaftlichen Vereins- wesens einschließlich der Bauernvereine in Deutschland. Diss. Leipzig 1925 (Masch.-Schr.)
3. Schöne, Theodor Reuning, in: Sächs. Lebensbilder Bd. 1, Leipzig 1930, S. 333-344

4. Schöne, Karl Alexander von Langsdorff. In: Sächs. Lebensbilder Bd. 1, Leipzig 1930, S. 188-194
5. H. Pönicke, Dr. Theodor Reuning, der Pionier der sächs. Landwirtschaft. In: NafSG 56 (1935), S. 169-200

Oktober 1963 Reiner Groß
Reuning, Th.: Die Entwicklung der sächsischen Landwirtschaft in den Jahren 1845 - 1854. Dresden, 1856

Ebersbach, O.: Die Entwicklung und Organisation des landwirtschaftlichen Vereinswesens einschließlich der Bauvereine in Deutschland. Leipzig, 1925. - Dissertation, maschinenschriftlich

Schöne, B.: Theodor Reuning. In: Sächsische Lebensbilder. Bd 1. Leipzig, 1930, S. 333 - 344

Schöne, B.: Karl Alexander v. Langsdorff. In: Sächsische Lebensbilder. Bd 1. Leipzig 1930, S. 188 - 194

Pönicke, H.: Dr. Theodor Reuning, der Pionier der sächsischen Landwirtschaft. In: Neues Archiv für sächsische Geschichte. Bd. 56. 1935, S. 169 - 200
Landwirtschaftliches Vereinswesen.- Förderung der sächsischen Landwirtschaft.- Landwirtschaftliche Kreditanstalten und Versicherungsanstalten.- Landwirtschaftliche Arbeitskräfte.- Ernährungsfragen.- Einfuhr und Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse.- Transportwesen.- Steuersachen.- Statistik.- Bauwesen.- Landwirtschaftliches Maschinenwesen.- Ackerbau, Wiesenbau, Gartenbau, Obstbau und Weinbau.- Forstwesen.- Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschäden.- Tierzucht.- Seidenbau.- Fischerei.- Veterinärwesen.- Cavillereiwesen.- Ländliches Gewerbewesen.- Jagd.- Handelswesen und Gewerbewesen.- Anorganische Düngemittel.
Die nach 1831 in größerer Zahl gegündeten landwirtschaftlichen Vereine wurden 1839 im Zentralverein zur Beförderung der Landwirtschaft im Königreich Sachsen vereint. Die daneben entstehenden berufsständischen Vertretungskörperschaften der Bauern wurden 1843 mit ihm zum Landwirtschaftlichen Hauptverein zusammengefast. Mit der Geschäftsführung wurde ein Generalsekretär betraut. Daraus entstand 1852 eine eigenständige Behörde. Durch Gesetz vom 09.04.1872 wurden die Aufgaben vom Landeskulturrat übernommen.

Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
  • 1963, Konversion 2005 | Findbuch / elektronisches Findmittel
  • 2024-02-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
Sitemap-XML zurück zum Seitenanfang