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Beständeübersicht

Bestand

20781 Bleichert Transportanlagen GmbH, Leipzig

Datierung1874 - 1956 (2004)
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)10,93
Zur Geschichte der Bleichert Transportanlagenbau GmbH [01]

Am 1. Juli 1874 gründeten die Ingenieure Adolf Bleichert und Theodor Otto in Schkeuditz bei Leipzig ein Ingenieurbüro für den Bau von Drahtseilbahnen. Noch im gleichen Jahr verlegten sie ihren Firmensitz nach Leipzig. Bekannt wurde das Unternehmen mit der Ausführung eines Auftrages der damals angesehensten Firma der Stahlindustrie in Deutschland, Friedrich Krupp in Essen. Für dieses Unternehmen konstruierten und bauten Bleichert und Otto 1875 in Sayn an der Lahn die erste größere Drahtseilbahn. 1876 schied Theodor Otto aus und gründete eine eigene Firma.

Am 1. Oktober 1881 wurde in Leipzig-Gohlis ein neues Fabrikgebäude gebaut. Die Ingenieure der Firma entwickelten die Konstruktionen für Drahtseilbahnen immer weiter. Neue Kuppler ermöglichten beispielsweise die Überwindung von großen Steigungen und somit die Beförderung von Bodenschätzen und Gesteinen in Gebirgen. Nur wenige Spezialteile wurden in den eigenen Produktionshallen hergestellt. Die anderen Teile kaufte der Firmeninhaber dazu und ließ sie zu den Baustellen liefern. Nachdem das Unternehmen bekannt war, erhielt es weltweit Aufträge. 1895 wurde das Produktionsprogramm durch den Bau von Kranen, Schiffsverladeanlagen und Lagerplatzbrücken erweitert. Die 1000. Drahtseilbahn wurde im Jahre 1899 in Noumea, Neukaledonien, errichtet. Hauptauftraggeber für Bleichert-Drahtseilbahnen waren Unternehmen der Bergbau- und Hüttenindustrie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Transporte zunehmend von Lastkraftwagen, Förderbrücken und Pipelines übernommen und damit ging die Nachfrage nach Drahtseilbahnen zurück.

Nach dem Tod des Firmengründers Adolf Bleichert im Jahre 1901 übernahmen dessen Söhne Max und Paul Bleichert die Leitung der Firma. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelten und bauten sie mit ihren Ingenieuren und Arbeitern auch Kabelkrane, Seil- und Kettengleisbahnen, Becherwerke, Gurtförderanlagen und Elektrohängebahnen für Transporte. So konnten die Firmeninhaber für ihre Kunden komplette Verlade- und Transportanlagen liefern und montieren. Außerdem wurden Drahtseilbahnen für die Personenbeförderung entwickelt und Personenschwebebahnen, beispielsweise die Zugspitzbahn, sowie Skischleppanlagen, gebaut. Da die Fabrikanlagen in Leipzig-Gohlis nicht mehr erweitert werden konnten, errichteten die Firmeninhaber von 1919 – 1922 in Leipzig-Eutritzsch das Werk II. Ab 1923 stellte das Unternehmen auch Elektrofahrzeuge her. Diese wurden vor allem für Transporte in der kommunalen Wirtschaft und beim Be- und Entladen von Reichsbahnwaggons eingesetzt. Bekannt war der unter dem Namen "Eidechse" entwickelte batteriebetriebene Elektrokarren mit patentierter Trittbrettlenkung.

Im Dezember 1926 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und firmierte als Adolf Bleichert & Co. AG. Die Weltwirtschaftskrise zwang die Firma zur Betriebseinstellung. Am 5. März 1932 wurde das Liquidationsverfahren eingeleitet. Das Unternehmen Felten & Guilleaume Carlswerke AG, Köln, übernahm die Produktionsanlagen und gründete die Auffanggesellschaft Bleichert Transportanlagen GmbH, die am 23. Juni 1932 ins Handelsregister eingetragen wurde. Die Firma trug zwar noch den Namen Bleichert, es bestanden aber keinerlei Beziehungen mehr zu der Familie. Die neugegründete Firma entwickelte sich wieder zu einem bedeutenden Unternehmen des Schwermaschinenbaus in Deutschland.

1939 kam der erste Kugelschaufler, eine Neuentwicklung, die sich in der Praxis allerdings nicht bewährte, zum Einsatz. Außerdem wurden Kabelkranbagger für den Braunkohlentagebau hergestellt. Während des Zweiten Weltkrieges ging die zivile Produktion zurück und es wurden u. a. Granathülsen hergestellt. Nach der Beendigung des Krieges wurde die Bleichert Transportanlagen GmbH Leipzig zunächst unter Sequester gestellt und am 1. Juli 1946 in eine Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) umgewandelt [02] .Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Seit 1977 befinden sich Unterlagen der Bleichert Transportanlagen GmbH mit einem Umfang von 4,5 lfm und die dazugehörende Findkartei im Staatsarchiv Leipzig. Im April und Mai 1993 wurde dem Staatsarchiv Leipzig Schriftgut des VEB Verlade- und Transportanlagen (VTA) Leipzig sowie seiner Vorgänger von der VTA Leipzig GmbH übergeben. Eine erste Bearbeitung, Auflistung der Unterlagen, erfolgte im Oktober und November 1998. Im Februar und März 2003 wurden die im Jahre 1993 übernommenen Akten und Prospekte sowie die 10.925 Fotos mit einem Umfang von 4 lfm erschlossen. [03] Es handelt sich um Dokumente der Firma Adolf Bleichert & Co., der ab 1926 gegründeten Aktiengesellschaft, der Bleichert Transportanlagen GmbH und der SAG Bleichert. Der Überlieferungszeitraum erstreckt sich von (1874) 1875 bis 1945, vereinzelt bis 1951.

Grundlage für die Erschließung waren die Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätze von 1964. Angewandt wurde die einfache und erweiterte Verzeichnung. Bei der Verzeichnung der Fotos wurden der Titel oder die Beschreibung der Aufnahme, der Ort und/oder die Firma, der zeitliche Umfang, die Datierung des Fotos, die Fotonummer, sowie die Registraturen und Kartonnummern des Ablieferungsverzeichnisses aufgenommen. Überliefert sind Fotomappen, geordnet nach bestimmten Erzeugnissen. Die darin enthaltenen Fotos wurden in Katalogen oder Prospekten veröffentlicht. Außerdem ist eine große Fotosammlung vorhanden. Es handelt sich um ca. 10.500 Fotos, die von dem Unternehmen projektierte Anlagen sowie Erzeugnisse der Firma dokumentieren. Des Weiteren sind Aufnahmen von anderen Firmen (Konkurrenzanlagen), von technischen Zeichnungen, von Messen und Ausstellungen, von Produktionsgebäuden sowie von Arbeitern und Angestellten überliefert. Der überwiegende Teil der Fotos dokumentiert Transport- und Verladeanlagen. Sie wurden sortiert nach:
1. dem Ort (alphabetisch), wenn der Ort nicht aufgeführt ist nach der Firma oder der Grubenbezeichnung,
2. der Firma (alphabetisch) für die diese Anlage errichtet wurde bzw. die die Konkurrenzanlage baute,
3. nach Fotonummern.
Fragezeichen hinter Angaben kennzeichnen nicht eindeutig identifizierbare Namen von Orten bzw. Firmen, z. B. Frankfurt (Oder?). Es ist nicht immer zweifelsfrei erkennbar, ob es sich bei der Fotobeschriftung um einen Ort oder eine Firma handelt. Nach einigen Ortsangaben stehen Namen von Ländern (Bezeichnung des Landes zum Entstehungszeitpunkt der Aufnahme bzw. heute). Wenn mehrere Fotoabzüge von einem Negativ [04] vorhanden waren und diese erkennbare Unterschiede aufwiesen (zeitliche Überlieferung, Material, Erhaltungszustand, Beschriftung der Vorder- und Rückseite), wurden auch zwei Exemplare archiviert. Die älteren Aufnahmen entstanden etwa um 1900, der überwiegende Teil etwa 1920 - 1930. Viele der Fotos waren auf Papier aufgeklebt, wurden dann vor der Übergabe an das Staatsarchiv abgerissen und auf der Rückseite beschriftet. Dadurch entstanden zum Teil erhebliche Beschädigungen. Negative der Fotos sind nicht überliefert. Die Aufnahmen der Erzeugnisse Elektrokarren (EK) und Elektrolieferfahrzeuge (EL) sowie andere Automobile wurden extra sortiert. Hier erfolgte die Ordnung nach den gleichen, oben angeführten Kriterien. Es sind auch Fotos überliefert, auf denen nur Einzelteile von Erzeugnissen oder Anlagen abgebildet sind. Diese wurden nach der Art des Erzeugnisses, z. B. Greifer, Backenzähne (für Drahtseilbahnen), Anhänger und nach den Fotonummern geordnet. Die Fotos sind summarisch in Verzeichnungseinheiten (ca. 100 bis 330 Fotos) erfasst und innerhalb dieser durchnummeriert, z. B. 454/1, 454/2, ...
Außerdem wurden Archivalien aus der Übergabe von Schriftgut zur Unternehmensgeschichte der IHK zu Leipzig im Juli 2003, speziell Nr. UG 72, eingearbeitet. (Signaturen 393, 395, 514 – 516). Dabei wurden den beiden erstgenannten Akten nur einzelne Prospekte beigefügt.Überlieferungsschwerpunkte

Die Fotosammlung (Fotos und andere Bildquellen) ist eine bedeutende, wenn auch nicht vollständig überlieferte Bilddokumentation der von dem Unternehmen weltweit gebauten Verlade- und Transportanlagen, Personenschwebebahnen und Elektrofahrzeugen. Da nicht nur die Anlagen, sondern zum Teil auch Produktionsgebäude, Fabriken und andere Gebäude von Orten abgebildet sind, hat diese Sammlung eine überregionale Bedeutung. Die Fotos dokumentieren auch die Geschichte von Firmen und Orten. Allein von Hamburg sind 193 Fotos überliefert. Interessant sind beispielsweise die Bildinformationen zum Schiffsneubau auf der Deutschen Werft AG, Hamburg-Finkenwerder, um 1920 und die Ent- bzw. Beladung von kleineren Schiffen der Lagerhausgesellschaft Hamburg. [05] Es sind Fotoserien überliefert, die Gesamtansichten von Fabriken sowie einzelne Maschinen und Geräte von Anlagen und/oder Arbeitsprozesse mit Arbeitern und Angestellten abbilden. Die Aufnahmen der kommunalen Müllsortierung der Stadt Frankfurt [06] zeigen anschaulich die Arbeiter und ihre Tätigkeiten vor ungefähr 80 Jahren. Auf einigen Fotos sind auch Einwohner und Landschaften zu sehen, z. B. beim Drahtseilbahnbau von Noumea, Neukaledonien.

Neben den Verlade- und Transportanlagen sind u. a. Aufnahmen zur Geschichte der Seilbahn, vom Firmengründer Adolf Bleichert, von den Produktionsstätten sowie Arbeiterinnen und Arbeitern des Unternehmens vorhanden. Bemerkenswert sind auch die Fotos von Kinderfesten der Firma Bleichert um 1910. Da die ersten technischen Zeichnungen von Teilen für den Bau von Drahtseilbahnen nicht im Original vorliegen, stellen die fotografischen Aufnahmen dieser Unterlagen eine wertvolle Bestandsergänzung dar.

Außerdem wurden weitere Archivalien, u. a. Bilanzen und Buchungsunterlagen von 1923 bis 1926, 1939, 1942 und 1943, bearbeitet. Erwähnenswert sind technische Dokumentationen, Prospekte und Kataloge von Kabelkranen, Drahtseilbahnanlagen, Elektrofahrzeugen sowie von einzelnen Geräten und Anlagen. In einer Vertreterakte sind Schreiben von 1941 und 1942 zur versuchten Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines italienischen Vertreters jüdischer Abstammung überliefert.Hinweise für die Benutzung

Bei einer Bestellung von Reproduktionen von Fotos ist die auf der Rückseite stehende Nummer anzugeben, z. B. 454/1. Die 454 ist die Nummer der Verzeichnungseinheit, die 1 die Nummer des Fotos (durchlaufender Zähler). Sind mehrere kleine Fotos auf einem Blatt aufgeklebt, muss auch die Fotonummer angegeben werden, z. B. 454/1/5423 A.

Für die Benutzung der Unterlagen muss der Datenschutz, speziell Nr. 386, Überprüfung der Vertreter auf jüdische Abstammung, und für die Nr. 432, Aufnahmen von privaten Fotografen, das Urheberrecht beachtet werden.

Marion Fechner

Juni 2003



[01] Vgl. Adolf Bleichert und sein Werk: Unternehmerbiografie, Industriearchitektur, Firmengeschichte, hrsg. von Manfred Hötzel und Stefan W. Krieg, Beucha 2002. Das Buch enthält u. a. eine Bibliographie der Veröffentlichungen über die Firma Bleichert und deren Nachfolgebetriebe.
[02] Siehe Bestand "SAG Bleichert Leipzig" im StAL.
[03] Die 1977 übergebenen Archivalien sind weiter nur über die Findkartei zugänglich.
[04] Negative sind nicht überliefert.
[05] SächsStAL, Bleichert Transportanlagen GmbH, Nr. 464.
[06] SächsStAL, ebenda, Nr. 459. Es handelt sich wahrscheinlich um Frankfurt/Oder. Die Fotos sind nicht eindeutig beschriftet.
Bleichert, Max: Die Entwicklung und das Arbeitsgebiet der Firma Adolf Bleichert & Co., Leipzig-Gohlis. Leipzig 1908.- Koehler, C. W.: Werden und Wirken der Firma (Adolf Bleichert & Co., Leipzig). Rückschau und Umschau aus Anlass des 50jährigen Bestehens am 1. Juli 1924. München und Köthen 1924 (L).- Bleichert Transportanlagen GmbH: 75 Jahre Bleichert 1874 - 1949. Leipzig 1949 (L).- Werner, Oliver: Produktionswunder rückwärts. Ein Leipziger Maschinenbaubetrieb in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft, in: Unternehmer in Sachsen. Aufstieg - Krise - Untergang - Neubeginn, hrsg. von Heß, Ulrich, Schäfer, Michael u. a., Leipzig 1998, S. 205 ff. Hrsg: M. Hötzel und Stefan W. Krieg. Adolf Bleichert und sein Werk. Sax-Verlag Beucha, 2002.(A 2003/164); Stefan W. Krieg: Max und Paul Bleichert. Unternehmer und ihre Villen. Sax-Verlag Beucha, 2004, A 2004/192
Leitung und Organisation.- Besitzverhältnisse.- Betriebsgeschichtliche Sammlung.- Unterlagen der Familie Bleichert.- Buchhaltung.- Pläne.
Adolf Bleichert und Theodor Otto gründeten 1874 die Firma. In den Betriebsteilen in Leipzig-Gohlis und Leipzig-Eutritzsch wurden Drahtseilbahnen, Krane, Schiffsverladeanlagen, Elektrohängebahnen, Lagerplatzbrücken und Elektrofahrzeuge hergestellt. Die Bleichert Vertriebsgesellschaft mbH Berlin organisierte den Absatz der Erzeugnisse. 1943 erfolgte die Gründung einer Bleichert-Stahlbau- und -Maschinenfabrik in Lázy (heute Polen), die bis Anfang 1945 existierte. Im Februar 1946 wurde das Unternehmen in Leipzig sequestriert und per 1. Juli 1946 die SAG Bleichert Leipzig gebildet.
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