08.01.2019

Archivale im Fokus

Gedicht, in dem Wallenstein als Herzog von Friedland bezeichnet wird (Quelle: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 08312/17, Bl. 2) 
© gemeinfrei

Vor etwas mehr als 400 Jahren begann mit dem Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618 der Böhmische Ständeaufstand, der den Beginn des Dreißigjährigen Krieges markiert.

Zur umfangreichen Überlieferung des Sächsischen Staatsarchivs über diesen für das Heilige Römische Reich deutscher Nation und auch für das dazu gehörige Kurfürstentum Sachsen folgenschwersten Krieg der frühen Neuzeit gehört ein Band mit Schmähgedichten und fingierten Grabinschriften auf Albrecht von Waldstein (bzw. in seiner tschechischen Muttersprache Valdštejn), genannt Wallenstein. Dessen steiler Aufstieg von einem vergleichsweise wenig bedeutenden Mitglied des böhmischen Herrenstandes zum kaiserlichen Feldherren, erfolgreichen Kriegsunternehmer sowie letztlich zum Herzog in Friedland, Sagan und Mecklenburg wie auch dessen jäher Fall hängen eng mit diesem Krieg zusammen.

Die Umstände von Wallensteins Aufstieg, beginnend mit der Tatsache, dass er sich als Adliger tschechischer Herkunft entgegen der Mehrheit seiner Standesgenossen demonstrativ gegen den Böhmischen Ständeaufstand auf die Seite der katholischen Habsburger stellte, schufen ihm viele Feinde. Schon zu Lebzeiten und insbesondere kurz nach seiner Ermordung am 25. Februar 1634 in Eger war Wallenstein Gegenstand von Schmähschriften und Schmähgedichten. Einige davon sind in der Akte mit dem Titel »Epitaphium ducis Fridlandii comitis de Wallenstein, allerhand Carmina und Inscriptiones, so auf Wallensteins Tod gemacht worden« dokumentiert.

Das in der oberen Abbildung gezeigte Gedicht, in dem Wallenstein als Herzog von Friedland bezeichnet wird, ist typisch für den Inhalt des Bandes und soll deshalb hier im Wortlaut wiedergegeben werden:

 

Valet des Herzog von Friedtland

Hinweg der Albertus fehrt,
Den große Hertzogthümer tzugehört,
Der das ganz Teuzschland außgezehrt,
Viell Städte undt Schlößer zerstört,
Vonn frembden gutern sich ernehrt,
Kayser, König undt Fursten betört,
Graffn undt Herrn betlen gelehrt,
Den Feindt gesterckt undt gemehrt,
Viell Bäumb undt galgen beschwert,
Sich tzu Altheismo bekehrt,
Die Weldt ist sein nicht werth,
Itzt sey er dem Hencker verehrt,
Zum galgen, fewer undt schwerdt,
Der Teuffel sein mit Verlangen begehrt,
Weiln Er Ihm (sic) inn Anfang beschert.

 

Bild: Titelblatt einer kleinen Druckschrift mit fingierten abwertenden Grabinschriften für Wallenstein in Form von Anagrammen (Quelle: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 08312/17, Bl. 6)
Titelblatt einer kleinen Druckschrift mit fingierten abwertenden Grabinschriften für Wallenstein in Form von Anagrammen (Quelle: SächsStA-D, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 08312/17, Bl. 6)   © gemeinfrei

Die untere Abbildung zeigt das Titelblatt der hier enthaltenen kleinen Druckschrift mit fingierten abwertenden Grabinschriften für Wallenstein in Form von Anagrammen. In einem der Anagramme wird der Name »ALBRECHT VON WALENSTEIN« beispielsweise durch Buchstabenumstellung unter Weglassung des Buchstaben H und Trennung des Buchstaben W in zwei Buchstaben V (hier durchweg als u zu sprechen) in den lateinischen Spruch »EN CANIS, TV BELLVA, TV NERO« (Siehe da, Hund, Du Bestie, Du Nero.) umgewandelt. Der Spruch auf dem hier gezeigten Titelblatt unten spielt auf den Aufstieg und Fall Wallensteins an: »Hic jacet ALBERTUS, cum quo fortuna cucurrit, De parvo Magnus, Maximus, inde Nihil.« An anderer Stelle (Bl. 12) findet sich dazu handschriftlich eine freie deutsche Übersetzung: »Hier liegt Albertus nun, mit den (sic) das Glück gelauffen. Klein, groß, der größ (sic) und nichts, liegt über einen Hauffen.«

Wallenstein wird im hier vorgestellten Band durchweg als verabscheuungswürdiger Emporkömmling dargestellt, dessen Sturz und Ermordung als gerechte Strafe. Das Bedürfnis der Verfasser der Schmähschriften, die Schuld an Krieg und Elend undifferenziert an dieser Person festzumachen, wird deutlich. Eine differenziertere Sicht auf diese sehr widersprüchliche Persönlichkeit, mit der neben rücksichtslosem Karrierismus und Kriegsgräueln beispielsweise auch erfolgreiche Bemühungen um einen fairen Friedensschluss mit Dänemark 1629 und eine für die damalige Zeit vorbildliche Verwaltung seiner Länder verbunden war, blieb späteren Generationen vorbehalten

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