04.01.2018

Archivale im Fokus

Der Mayoral Andrés García Moreno bittet um die Änderung seiner und der Beköstigung seines Gehilfen in Stolpen, September (?) 1765 (SächsStA-D, 10036 Finanzarchiv, Loc. 35366, Rep. 2, Lit. S, Nr. 247, Bl. 94) 
© Sächsisches Staatsarchiv

Im Juli 1765 trafen 220 spanische Merinoschafe in Sachsen ein und wurden zum Ausgangspunkt für eine europaweit beachtete Veredlung der sächsischen Schafbestände.

Bei der eher geringen wirtschaftlichen Bedeutung, die die Schafhaltung heute hat, erscheint die Ankunft dieser Herde auf den ersten Blick kaum beachtenswert. Doch war Schafwolle für die gewerbliche Wirtschaft der Frühen Neuzeit, besonders für die weit verbreitete Tuch- und Zeugmacherei, ein strategischer Rohstoff, dessen Verfügbarkeit, Qualität und Preis die wirtschaftliche Prosperität ganzer Gewerbelandschaften beeinflussten.

Nachdem der spanische König Karl III. im Juli 1764 der Bitte um Überlassung einer Anzahl von Merinoschafen zugestimmt hatte, bereiteten sächsischen Beamte die Auswahl der Tiere in Spanien und ihren Transport nach Sachsen sorgfältig vor. Die Herde wurde im April 1765 in Cádiz eingeschifft, erreichte einige Wochen später Hamburg und traf im Juli 1765 auf dem Landweg in Sachsen ein. Letzte Reisestation war Stolpen, wo die Tiere im sogenannten Tiergarten untergebracht wurden.

Über die Frage, ob die Nachzucht spanischer Merinoschafe in Sachsen gelingen werde, gab es unter den damaligen Fachleuten unterschiedliche Auffassung. Zur Freude derjenigen, die die Nachzucht für möglich hielten, konnte durch Kreuzung sächsischer Landschafe mit spanischen Merinoböcken die Wollqualität bereits in der ersten Generation deutlich verbessert werden. Bei späteren Generationen waren kaum noch Unterschiede zu den ursprünglich spanischen Merinoschafen festzustellen. Durch eine großzügige Abgabe von Zuchttieren an die großen, meist adligen Schafherdenbesitzer wurde innerhalb weniger Jahrzehnte ein Großteil des etwa zwei Millionen Tiere zählenden sächsischen Schafbestands veredelt.

Eine wichtige Voraussetzung für diesen Zuchterfolg war, dass die Herde von zwei spanischen Schäfern begleitet wurde, dem Mayoral (Oberschäfer) Andrés García Moreno und seinem Gehilfen Manuel Jazarena. Um die Eingewöhnung der Tiere in Sachsen zu begleiten und den sächsischen Schäfern Kenntnisse über die Merinoschafe zu vermitteln, blieben beide für ein Jahr in Stolpen. Hier kamen sie mit ihrer Arbeitsaufgabe und dem Alltag gut zurecht, klagten aber über das deutsche Essen. In einer spanischsprachigen Bittschrift an den Kurfürsten schlug der Mayoral vor, die von den Behörden festgelegte Beköstigung bei einer Gastwirtin in Stolpen durch ein Verpflegungsgeld zu ersetzen, damit er die Nahrungsmittel selbst beschaffen und in ihrer Unterkunft auf eigene Weise zubereiten könnte.

Die Sprachbarriere zwischen spanischen und sächsischen Schäfern wurde durch den Legationssekretär Ludwig Talon überbrückt, der über zehn Jahre als Diplomat in Madrid gelebt hatte und während der Schaftrift nach Sachsen sowie in der Anfangszeit in Stolpen als Dolmetscher fungierte; später behalf man sich wohl mit Gesten und Zeichen. Dank der Unterstützung durch García Moreno und Jazarena konnten die spanischen Merinoschafe, die vorher nie in Ställen gehalten worden waren und keine Fütterung mit Heu und Stroh kannten, rasch an die neuen Bedingungen in Sachsen gewöhnt werden. Zur »Bezeigung gnädigster Zufriedenheit über die von ihnen seit mehr, als Jahr, und Tag durch fleißige, und treue Obsicht über das Spanische Schaaf-Vieh zu Stolpen geleistete ersprießliche Dienste« erhielten die beiden Ende Juli 1766 eine goldene Prämienmedaille im Wert von 24 bzw. 12 Dukaten, reisten kurz danach in ihre Heimat zurück und hinterließen eine Merinoherde in sichtbar gutem Zustand.

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