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Beständeübersicht

Bestand

10033 Kommission zur Untersuchung der bei Auflösung der Bürger-Nationalgarde in Dresden stattgefundenen Unruhen

Datierung1830 - 1831
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)0,10
Unruhen bei der Auflösung der Bürger-Nationalgarde in Dresden

1830 wurde die Lage im Königreich Sachsen zunehmend bestimmt von drückenden Steuerlasten, Verschlechterung der Lebensbedingungen v.a. für Handwerker und Tagelöhner und der politischen Unterdrückung des Volkes, so dass Forderungen nach mehr Selbstständigkeit und politischer Mitbestimmung des Bürgertums immer lauter wurden und eine revolutionäre Situation entstand.
Im Juni kam es anlässlich der Feiern zur 300. Wiederkehr der Augsburger Konfession zu ersten Unruhen. Als Anfang Juli der Landtag vom König geschlossen wurde, ohne dass die allgemein erwarteten Reformmaßnahmen in Angriff genommen wurden, wuchs die gegen die Regierung gerichtete Stimmung, die durch die Nachrichten von der Julirevolution in Frankreich weiter angeheizt wurde. Am Beginn der revolutionären Ereignisse in Sachsen standen die Septemberunruhen in Leipzig. Dort führte das harte Vorgehen der Leipziger Polizei gegen lärmende Schmiedegesellen bei einem Polterabend zu einem allgemeinen Volksaufstand zwischen dem 2. und 6. September, der am 9. September auch auf Dresden übergriff und schließlich ganz Sachsen erfasste. Diese Aufstände konnten von der Obrigkeit unterdrückt werden, wobei auch Reformzusagen wie die Ausarbeitung einer Verfassung und die Aufhebung oder Minderung einiger Abgaben gemacht wurden. Diese Zugeständnisse führten zunächst zu einer Beruhigung, bis erkennbar wurde, dass durchgreifende Reformen nicht zu erwarten waren.
Die Auflösung der Nationalgarde führte im Dezember 1830 in Dresden erneut zu Unruhen. 1809 musste sich Sachsen im Rahmen seiner Bündnispflicht am Feldzug Frankreichs gegen Österreich beteiligen, so dass im Land nur eine geringe Anzahl von Truppen verblieb, wovon auch die Garnison in Dresden betroffen war. Daraufhin beantragten Vertreter des städtischen Großbürgertums am 21. April 1809, zum militärischen Schutz und zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit eine Bürgergarde auf freiwilliger Grundlage zu bilden. Dem Gesuch wurde sofort stattgegeben. Auf Druck Napoleons wurde die Truppe, die auch nach französischem Vorbild den Namen Nationalgarde erhielt, in eine ständige Einrichtung umgewandelt und aufgestockt.
Bald entledigte sich das Großbürgertum der lästigen Dienstpflicht, so dass seit den 20er Jahren vor allem Kleinbürgerliche gegen Lohn in der Garde dienten. Während der Septemberunruhen 1830 sympathisierten diese mit den Revolutionären und stellte damit ihre Untauglichkeit als Unterdrückungsinstrument unter Beweis. Hinzu kam, dass Dresdner Bürger wiederholt die Auflösung der Nationalgarde forderten, so dass die Regierung am 29. November 1830 das Kommunalgardengesetz erließ, das neben der Auflösung der Bürgernationalgarde die gleichzeitige Dienstpflicht in der Kommunalgarde beinhaltete.
Am 4. Dezember 1830 befahl der Gouverneur der Stadt Dresden, General Heinrich Adolph von Gablenz, bei einem Appell der Nationalgarde im Ostragehege deren Auflösung. Die Nationalgardisten, die bestimmte Privilegien wie z.B. feste Besoldung und Gratifikationen genossen, verweigerten die Abgabe der Waffen und protestierten gegen die Auflösung ihrer Truppe. Beim Abmarsch wurde mehrfach von der Kappelle die Marseillaise gespielt. Die Öffentlichkeit sympathisierte mit den Protesten.
Die Regierung ging entschieden gegen die aufständischen Nationalgardisten vor. Alle Befehlsverweigerer, immerhin mehr als 500 Gardisten, wurden als unwürdig für den Dienst in der Kommunalgarde eingestuft und sollten vor ein Ehrengericht gestellt werden. Außerdem wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt und drei Gardisten zu mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Die Auflösung der Nationalgarde war für liberal gesinnte Dresdner der Anlass, sich zum Bürgerverein mit bis zu 2000 eingeschriebenen Mitgliedern zusammenzuschließen, der der Regierung einen alternativen liberalen Verfassungsentwurf des Anwalts Bernhard Moßdorf vorlegte. Daraufhin wurden die Zusammenkünfte des Vereins verboten und Mitglieder verhaftet. Die daraus resultierende revolutionäre Erhebung wurde mit Waffengewalt unterdrückt. Im Gegensatz zum September griffen diese Unruhen nicht auf ganz Sachsen über.
Vor der Übergabe der Verfassung am 4. September 1831, die zwar einen Fortschritt darstellte und vom Beamten- und reichen Bürgertum mit Begeisterung aufgenommen wurde, aber bei den breiten Volksschichten Enttäuschung und Verbitterung auslöste, kam es in Leipzig noch einmal zu gewaltsamen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Konflikt um ein Kommunalgarde-Wachlokal, die aber von der Obrigkeit ebenfalls schnell unterdrückt werden konnten.
Nach der Niederschlagung der revolutionären Kräfte und der Verabschiedung der Verfassung bekam die Regierung Bernhard August von Lindenau die Möglichkeit, eine umfangreiche liberale Staatsreform durchzusetzen.

Behördengeschichte

Durch die Widersetzlichkeiten der Gardisten bei der Auflösung der Bürger-Nationalgarde sah sich die Regierung veranlasst, durch ein Reskript König Antons vom 6. Dezember 1830 eine Untersuchungskommission einzusetzen.
Als Mitglieder wurden benannt:

Hof- und Justizrat Dr. Maximilian Karl August Petschke
Appellationsrat Dr. Gustav Samuel Theodor Baumgarten-Crusius
Artillerie-Major Carl Heinrich Aster sowie
ein Mitglied des Dresdner Stadtrats und
zwei Dresdner Kommunerepräsentanten.

An den Dresdner Gouverneur, Generalleutnant Heinrich Adolph von Gablenz, erging die Anweisung, die Kommission über nötigen Fakten zu informieren. Auch die Regierung übergab die bereits an sie gelangten Berichte der Kommission.

Am 6. Dezember wurden der Vize-Stadtrichter Carl Friedrich Ayrer und der Aktuar Friedrich Otto Vater als Dresdner Kommunerepräsentanten in die Kommission berufen. Am folgenden Tag nominierte der Dresdner Stadtrat dafür Dr. med. Carl August Rublack sen. und den Obersteuerprokurator Andreas Christian Gottlieb Eisenstuck. Als Protokollant wirkte Friedrich Otto Vater, Aktuar beim Stadtgericht. Der Tagungsort war das Rathaus Dresden-Neustadt.

Mit Reskript vom 26. Januar wurde die Kommission angewiesen, die Mitglieder der 2. bis 8. Kompanie der Nationalgarde bei der Untersuchung auszulassen, falls kein gravierender Verdacht vorliege. Nur die Angehörigen der 1. Kompanie sollten auf jeden Fall weiter in die Untersuchungen einbezogen werden.

In einem weiteren Reskript vom 2. März 1831 wurde der Kommission auferlegt, ihre Untersuchung auch auf den ehemaligen Kommandanten der Garde, den Major von Gößnitz, und seinen Adjutanten, den Kaufmann Lasius, auszudehnen. Alle anfallenden Kosten sollten aus der Staatskasse bezahlt werden. Außerdem drängte man die Kommission auf den Abschluss ihrer Arbeit und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse.

Bereits sieben Tage später griff die Regierung durch ein Reskript erneut in die Tätigkeit der Kommission ein. Dieses enthielt die Weisung, eine Umformulierung im zu veröffentlichenden Abschlussbericht vorzunehmen und die Anordnung, die verhängten Gefängnisstrafen einzelner zu mildern.
Die unbeteiligten ehemaligen Gardisten sollten in einer Bekanntmachung beruhigt werden, das verordnete Ehrengericht sei nur zum Erweis der Unschuld eingesetzt worden und nicht zur Fällung von Urteilen. Damit sollte ihnen der Weg zur Aufnahme in die Kommunalgarde geebnet werden.

Schließlich wurde am 13. März 1831 der Abschlußbericht der Kommission veröffentlicht. Darin wurde auch betont, dass die verhängte Höchststrafe nur vier Monate Gefängnis betrug.
Mit Reskript vom 14. März 1831 wurden zwei ehemalige Gardisten begnadigt. Aber nach einer bereits erfolgten Milderung der Strafen sollten nun alle weiteren Gnadengesuche durch den Stadtrat abgelehnt werden.

Bestandsgeschichte und -verzeichnung

Die Akten der Kommission gelangten bei Aktenabgaben des Oberlandesgerichts Dresden seit 1923 an das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden. Bei der Verzeichnung des Bestandes Oberlandesgericht wurde aus den Akten der Kommission zur Untersuchung der bei der Auflösung der Bürger-Nationalgarde in Dresden stattgefundenen Unruhen ein eigener Bestand gebildet und dieselben auf Karteikarten verzeichnet, verblieben aber im Bestand Oberlandesgericht. Im Zuge der vorliegenden EDV-gestützten Neuverzeichnung erfolgte deren Herauslösung und neue Nummerierung. Eine Konkordanz zu den Signaturen der alten Verzeichnung befindet sich am Ende des Findbuchs.
Der Bestandsumfang ist sehr gering und bestand ursprünglich nur aus zwei Akteneinheiten. Allerdings befanden sich in zwei Akten, die unter der Provenienz "Nachlass Dr. Gruner" verzeichnet worden waren, ebenfalls Unterlagen zur Arbeit der Kommission. Sie wurden diesem Bestand zugeordnet, so dass der Bestand insgesamt vier Akteneinheiten (0,10 lfm) umfasst.
Enthalten sind Vorgänge zur Arbeit der Kommission wie z.B. Einsetzung und Abschlussbericht. Es ist davon auszugehen, dass die Überlieferung unvollständig ist, da Untersuchungsakten gegen Personen fehlen.
Mit den genannten Aktenabgaben gelangten auch die Akten der Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreis, der Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen 1831 in Dresden und der Kommission zur Untersuchung der Augustunruhen 1831 in Leipzig an das Sächsische Hauptstaatsarchiv, die ebenfalls zu separaten Beständen formiert wurden und zu denen eigene Findbücher vorhanden sind.

Literatur

Groß, Rainer: Geschichte Sachsens, Leipzig 2001. [Sa 615 f] [01]

Hammer, Michael: Kleinstaatliche Revolution in Sachsen 1830/1831. Volksbewegung und Obrigkeiten (Ein Beitrag zur sächsischen Landesgeschichte), Diss. masch., Dresden 1994. [Sa 1201 g]

Ruhland, Volker: Untersuchungen zur Rolle und Form der Bürgermilizen im Prozess der bürgerlichen Umwälzung in Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung der Kommunalgarden im Königreich Sachsen, Dis. masch., Dresden 1982. [Sa 1198]




[01] Bei den in eckigen Klammern stehenden Angaben handelt es sich um die Bibliothekssignaturen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.

Hammer, Michael: Kleinstaatliche Revolution in Sachsen : Volksbewegung und Obrigkeiten : Ein Beitrag zur sächsischen Landesgeschichte. Dresden, 1994

Ruhland, Volker: Untersuchungen zur Rolle und Form der Bürgermilizen im Prozess der bürgerlichen Umwälzung in Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung der Kommunalgarden im Königreich Sachsen. Dresden, 1982
Untersuchungsakten.
Die Dresdner Nationalgarde sympathisierte während der Septemberunruhen 1830 mit den Revolutionären. Daher befahl am 04.12.1830 der Gouverneur der Stadt Dresden, General Heinrich Adolph von Gablenz, bei einem Appell der Nationalgarde im Ostragehege deren Auflösung. Die Nationalgardisten verweigerten die Abgabe der Waffen und protestierten gegen die Auflösung ihrer Truppe. Durch diese Widersetzlichkeiten sah sich die Regierung veranlasst, am 06.12.1830 eine Untersuchungskommission einzusetzen, bestehend aus Maximilian Karl August Petschke, Gustav Samuel Theodor Baumgarten-Crusius, Carl Heinrich Aster sowie einem Mitglied des Dresdner Stadtrats und zwei Dresdner Kommunerepräsentanten. Der Abschlussbericht über die Untersuchung wurde am 13.03.1831 veröffentlicht.

Weitere Angaben siehe 1.5 Behörden und Einrichtungen der Erblande
  • 2003 | Findbuch / elektronisches Findmittel
  • 2024-02-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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