Beständeübersicht
Bestand
10034 Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen in Dresden
Datierung | 1831 |
---|---|
Benutzung im | Hauptstaatsarchiv Dresden |
Umfang (nur lfm) | 0,80 |
Die Aprilunruhen 1831 in Dresden
1830 wurde die Lage im Königreich Sachsen zunehmend bestimmt von drückenden Steuerlasten, Verschlechterung der Lebensbedingungen v.a. für Handwerker und Tagelöhner und der politischen Unterdrückung des Volkes, so dass Forderungen nach mehr Selbstständigkeit und politischer Mitbestimmung des Bürgertums immer lauter wurden und eine revolutionäre Situation entstand.
Im Juni kam es anlässlich der Feiern zur 300. Wiederkehr der Augsburger Konfession zu ersten Unruhen. Als Anfang Juli der Landtag vom König geschlossen wurde, ohne dass die allgemein erwarteten Reformmaßnahmen in Angriff genommen wurden, wuchs die gegen die Regierung gerichtete Stimmung, die durch die Nachrichten von der Julirevolution in Frankreich weiter angeheizt wurde. Am Beginn der revolutionären Ereignisse in Sachsen standen die Septemberunruhen in Leipzig. Dort führte das harte Vorgehen der Leipziger Polizei gegen lärmende Schmiedegesellen bei einem Polterabend zu einem allgemeinen Volksaufstand zwischen dem 2. und 6. September, der am 9. September auch auf Dresden übergriff und schließlich ganz Sachsen erfasste. Diese Aufstände konnten von der Obrigkeit unterdrückt werden, wobei auch Reformzusagen wie die Ausarbeitung einer Verfassung und die Aufhebung oder Minderung einiger Abgaben gemacht wurden. Diese Zugeständnisse führten zunächst zu einer Beruhigung, bis erkennbar wurde, dass durchgreifende Reformen nicht zu erwarten waren.
Im Dezember 1830 kam es in Dresden anlässlich der Auflösung der Nationalgarde erneut zu Unruhen, worauf sich in Dresden eine demokratisch gesinnte Opposition zu formieren begann. Sie organisierte sich im "Bürgerverein", der im Dezember 1830 aus dem radikalen Flügel der soeben aufgelösten Nationalgarde gegründet wurde, ursprünglich zum Zweck der Neugründung der Nationalgarde. Ab März 1831, zeitgleich mit dem Beginn der Landtagsverhandlungen über die Staatsreform, änderte sich der Charakter des Bürgervereins. Er ging in seinen Beratungen über Nationalgardeangelegenheiten hinaus in alle wichtigen Bereiche des öffentlichen Lebens. Unter der Führung des Rechtsanwalts Bernhard Moßdorf und des Nudelfabrikaten Anton Bertholdy fand er vor allem im Kleinbürgertum viele Mitglieder. Moßdorf und Bertholdy forcierten das politische Engagement des Bürgervereins. So verfasste Moßdorf einen Gegenentwurf zu der vom König versprochenen Verfassung mit dem Titel "Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht". Dieser Entwurf enthielt das künftige Aufgehen Sachsens in einem deutschen Nationalstaat, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, unentgeltliche Aufhebung der Feudallasten und Trennung von Staat und Kirche. Das Motto dieses Verfassungsentwurfs lautete: "Und wird sie nicht gewährt, so pochen wir mit Flintenkolben an." Diese Radikalisierung des Bürgervereins sowie Proteste von Arbeitern und Gesellen gegen Missstände veranlassten die Regierung zu Gegenmaßnahmen. So wurde die Zahl der Kommunalgardisten auf 6000 Mann verdoppelt und Truppen um die Hauptstadt konzentriert.
Nachdem der Bürgerverein, der sich mit bis zu 2000 eingeschriebenen Mitgliedern als Interessensvertreter aller Bürger verstand, Ende März 1831 die Dresdner Kommunerepräsentanten zu einer gemeinsamen Beratung bürgerlicher Angelegenheiten eingeladen hatte und sogar zum Eintritt in den Verein aufforderte, verschärfte sich die Konfrontation mit der Regierung. Es wurde dem Verein als einem "Privat-Verein" abgesprochen, die Interessen aller Bürger vertreten zu dürfen. Am 6. April erklärte der Stadtrat den Bürgerverein für aufgelöst.
Dieser setzte seine Tätigkeit dennoch fort, verbreitete Moßdorfs Verfassungsentwurf und lud alle Bürger für den 15. April in das Kaffeehaus Kreutz ein, wo der Verfassungsentwurf unter Beifall verlesen wurde. Außerdem gelobten die Anwesenden, den Verein zu erhalten und der Regierung gegenüber standhaft zu bleiben.
Daraufhin verfügte die Regierung umgehend die Schließung des Versammlungslokals und die Verhaftung der Kaufleute Schramm und Müller als führende Vertreter der Vereinsspitze. Man warf ihnen die Verbreitung staatsgefährdender und verbrecherischer Druckschriften vor.
Die beiden Verhafteten wurden am 17. April von Dresdner Bürgern befreit. Die Gefangenenbefreiung wurde zum Anlass für ein militärisches Eingreifen genommen. Noch am gleichen Abend wurden 21 Mitglieder des Bürgervereins verhaftet, darunter die beiden nachmittags befreiten Kaufleute Schramm und Müller sowie Moßdorf und Bertholdy. Die trotzdem beginnende revolutionäre Erhebung am 18. April wurde mit Waffengewalt unterdrückt. Dieser Militäreinsatz forderte drei Tote und 13 Verletzte.
Die Ereignisse in Dresden wurden durch Adressen aus ganz Sachsen verurteilt.
Da die Regierung sich veranlasst sah, den Ruhezustand für die gleichzeitig tagende Ständeversammlung zu garantieren, kam es als Folge der Aprilunruhen zu Verhaftungen, Versammlungs- und Ausgehverboten, Verstärkung der Garnison in Dresden und zur Einsetzung einer Untersuchungskommission. Die lange Reihe von Zuchthaus- und Gefängnisstrafen wurde mit der Verurteilung von Moßdorf und Bertholdy zu 15 Jahren Festungshaft abgeschlossen.
Vor der Übergabe der Verfassung am 4. September 1831, die zwar einen Fortschritt darstellte und vom Beamten- und reichen Bürgertum mit Begeisterung aufgenommen wurde, aber bei den breiten Volksschichten Enttäuschung und Verbitterung auslöste, kam es in Leipzig noch einmal zu gewaltsamen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Konflikt um ein Kommunalgarde-Wachlokal, die aber von der Obrigkeit ebenfalls schnell unterdrückt werden konnten.
Nach der Niederschlagung der revolutionären Kräfte und der Verabschiedung der Verfassung bekam die Regierung Bernhard August von Lindenau die Möglichkeit, eine umfangreiche liberale Staatsreform durchzusetzen.
Behördengeschichte
Die Kommission wurde durch Reskript vom 18. April 1831 von König Anton eingesetzt.
Als Mitglieder wurden benannt:
Hof- und Justizrat Dr. Karl Gustav Adolf Gruner
Appellationsrat Karl Georg Julius von Mangold
Hofgerichtsrat Friedrich Albert von Langen
Hof- und Justizrat Dr. Wilhelm Ferdinand Steinacker
Hof- und Justizrat Dr. Ferdinand Zschinsky
Appellationsrat Dr. Christian Ernst Weiß.
Den Vorsitz der Kommission übernahm Dr. Gruner. Der liberale bürgerliche Beamte war in Leipzig Rechtsanwalt und Handlungskonsulent. Er galt als Vertreter des Leipziger Handlungsbürgertums im Kreis der Reformer um Bernhard August von Lindenau. Nachdem er in der Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreis tätig gewesen war, wurde er im März 1831 zum Oberkonsistorialpräsidenten ernannt. Nach Beendigung der Tätigkeit in der Untersuchungskommission sollte er den Posten des Kultusministers übernehmen. Er starb aber am 8. Oktober 1831, also noch vor der Auflösung dieser Kommission.
Als Schöffen fungierten:
Johannes Gottlieb Andrä
Carl Gottlieb Heinrich Ballack
Johannes Gottfried Bielitz
Moritz Gottlob Edlinger
Ludwig Wilhelm Hennig
Karl August Heinrich Herzig
Friedrich Samuel Krüger
Ernst Julius Eduard Laurin
Johann Gottlieb Schneider I.
Friedrich Wilhelm Sieber
Johann Gottfried Wunsch.
Als Sekretäre arbeiteten:
Johann Gottlieb Brunner
Friedrich August Witschel.
Als Assessoren wirkten in der Kommission:
Dr. Karl Julius Stübel
Carl Eduard Gurrfarth.
In Fortschreibung der Aufgaben der Kommissionen zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen sowie im Leipziger und Meißnischen Kreis war eine schnelle Untersuchung der Unruhen und eine schleunige Verurteilung der Angeklagten vorgesehen.
Meistens wurde die Kommission aufgrund von Anzeigen aktiv. Dann erfolgte die Zeugenanhörung sowie Vorladung und Verhör des Beschuldigten. Teilweise kam es auch zu Gegenüberstellungen mit Zeugen. In einigen Akten finden sich noch Briefe von Freunden und Kollegen an die Kommission, um den guten Leumund bzw. die Unschuld der Untersuchten zu bezeugen. Dann wurde das Urteil gefällt. Zum Teil finden sich auch Gnadengesuche in den Akten.
Die höchsten verhängten Strafen betrugen 15 Jahre Festungshaft für den Rechtsanwalt Bernhard Moßdorf und Anton Bertholdy. In diesen beiden Fällen wurde eine umfangreiche Urteilsbegründung verfasst, was sich aus der Schwere der verhängten Strafe erklärt.
Durch Reskript vom 10. November 1831 wurde die Arbeit der Kommission beendet. Noch zu bearbeitende Bittschriften und Gnadengesuche sollten von der Landesregierung erledigt werden.
Ein Abschlussbericht der Kommission konnte in den Beständen des Hauptstaatsarchivs Dresden nicht ermittelt werden. Der Kommissionsvorsitzende hatte vor seinem Tode schon mit Vorarbeiten begonnen. Nach einigen Diskussionen wurde schließlich eine der Kommission nicht angehörende Person mit der Erstellung dieses Berichtes betraut, nämlich der Hof- und Justizrat Dr. Maximilian Karl August Petschke.
Bestandsgeschichte und -verzeichnung
Die Akten der Kommission gelangten bei Aktenabgaben des Oberlandesgerichts Dresden seit 1923 an das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden. Bei der Verzeichnung des Bestandes Oberlandesgericht wurde aus den Akten der Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen 1831 in Dresden ein eigener Bestand gebildet und dieselben auf Karteikarten verzeichnet, verblieben aber im Bestand Oberlandesgericht. Im Zuge der vorliegenden EDV-gestützten Neuverzeichnung erfolgte deren Herauslösung und neue Nummerierung. Eine Konkordanz zu den Signaturen der alten Verzeichnung befindet sich am Ende des Findbuchs.
Der Bestand umfasst 73 Akteneinheiten (0,70 lfm) und enthält v.a. Untersuchungen gegen einzelne Personen. Die personenbezogenen Untersuchungsakten wurden alphabetisch nach Namen gereiht. Die Personen, gegen die sich die Untersuchungen richteten, sind in den Akten z.T. nur mit Familiennamen benannt, deshalb konnte nicht bei allen Aktentiteln der Vorname und die Berufsbezeichnung angeführt werden.
Unterlagen zur Tätigkeit der Kommission befanden sich in zwei Akteneinheiten (Nr. 71 und 73), die Schriftstücke aus dem Nachlass Gruner enthielten Sie wurden im Bestand belassen und im Gliederungspunkt Geschäfts- und Handakten zur Tätigkeit der Kommission zusammengefasst. Bei den ohne Zusammenhang zu einer Untersuchungsakte überlieferten Druckschriften wurden die Doppelstücke entfernt und die Druckschriften zu einer Akteneinheit vereinigt. Des weiteren wurden die unter dem alten Aktentitel Nachlass Moßdorf und Bertholdy versammelten Schriftstücken den beiden Betreffenden zugeordnet. Es ist nicht auszuschließen, dass die vorhandene Überlieferung unvollständig ist, da Abschlussberichte o.ä. fehlen. Enthalten ist auch eine Akte zur Untersuchung der Septemberunruhen in Dresden.
Vereinzelte Akten zu den Aprilunruhen 1831 in Dresden befinden sich auch in folgenden Beständen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden: Geheimes Kabinett, Landesregierung, Ministerium der Justiz und Amt Dresden.
Mit den genannten Aktenabgaben gelangten auch die Akten der Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreis, der Kommission zur Untersuchung der bei der Auflösung der Bürger-Nationalgarde in Dresden stattgefundenen Unruhen und der Kommission zur Untersuchung der Augustunruhen 1831 in Leipzig an das Sächsische Hauptstaatsarchiv, die ebenfalls zu separaten Beständen formiert wurden und zu denen eigene Findbücher vorhanden sind.
Literatur
Dautz, Adrian: Bernhard Moßdorfs radikal-demokratischer Verfassungsentwurf, in: Dresdner Hefte 26, 2/1991, S. 41-46. [AA 420 c] [01]
Groß, Rainer: Geschichte Sachsens, Leipzig 2001. [Sa 615 f]
Hammer, Michael: Kleinstaatliche Revolution in Sachsen. Volksbewegung und Obrigkeiten (Ein Beitrag zur sächsischen Landesgeschichte), Diss. masch., Dresden 1994. [Sa 1201 g]
Reinhardt, Paul: Die sächsischen Unruhen der Jahre 1830-1831 und Sachsens Übergang zum Verfassungsstaat, Halle 1916. [Sa 1194]
Ruhland, Volker: Die bürgerliche Revolution von 1830/31 und Sachsens Übergang zum Verfassungsstaat, in: Dresdner Hefte 26, 2/1991, S. 5-12. [AA 420 c]
ders.: Untersuchungen zur Rolle und Formen der Bürgermilizen im Prozess der bürgerlichen Umwälzung in Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung der Kommunalgarden im Königreich Sachsen, Diss. masch., Dresden 1982. [Sa 1198]
[01] Bei den in eckigen Klammern stehenden Angaben handelt es sich um die Bibliothekssignaturen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden
1830 wurde die Lage im Königreich Sachsen zunehmend bestimmt von drückenden Steuerlasten, Verschlechterung der Lebensbedingungen v.a. für Handwerker und Tagelöhner und der politischen Unterdrückung des Volkes, so dass Forderungen nach mehr Selbstständigkeit und politischer Mitbestimmung des Bürgertums immer lauter wurden und eine revolutionäre Situation entstand.
Im Juni kam es anlässlich der Feiern zur 300. Wiederkehr der Augsburger Konfession zu ersten Unruhen. Als Anfang Juli der Landtag vom König geschlossen wurde, ohne dass die allgemein erwarteten Reformmaßnahmen in Angriff genommen wurden, wuchs die gegen die Regierung gerichtete Stimmung, die durch die Nachrichten von der Julirevolution in Frankreich weiter angeheizt wurde. Am Beginn der revolutionären Ereignisse in Sachsen standen die Septemberunruhen in Leipzig. Dort führte das harte Vorgehen der Leipziger Polizei gegen lärmende Schmiedegesellen bei einem Polterabend zu einem allgemeinen Volksaufstand zwischen dem 2. und 6. September, der am 9. September auch auf Dresden übergriff und schließlich ganz Sachsen erfasste. Diese Aufstände konnten von der Obrigkeit unterdrückt werden, wobei auch Reformzusagen wie die Ausarbeitung einer Verfassung und die Aufhebung oder Minderung einiger Abgaben gemacht wurden. Diese Zugeständnisse führten zunächst zu einer Beruhigung, bis erkennbar wurde, dass durchgreifende Reformen nicht zu erwarten waren.
Im Dezember 1830 kam es in Dresden anlässlich der Auflösung der Nationalgarde erneut zu Unruhen, worauf sich in Dresden eine demokratisch gesinnte Opposition zu formieren begann. Sie organisierte sich im "Bürgerverein", der im Dezember 1830 aus dem radikalen Flügel der soeben aufgelösten Nationalgarde gegründet wurde, ursprünglich zum Zweck der Neugründung der Nationalgarde. Ab März 1831, zeitgleich mit dem Beginn der Landtagsverhandlungen über die Staatsreform, änderte sich der Charakter des Bürgervereins. Er ging in seinen Beratungen über Nationalgardeangelegenheiten hinaus in alle wichtigen Bereiche des öffentlichen Lebens. Unter der Führung des Rechtsanwalts Bernhard Moßdorf und des Nudelfabrikaten Anton Bertholdy fand er vor allem im Kleinbürgertum viele Mitglieder. Moßdorf und Bertholdy forcierten das politische Engagement des Bürgervereins. So verfasste Moßdorf einen Gegenentwurf zu der vom König versprochenen Verfassung mit dem Titel "Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht". Dieser Entwurf enthielt das künftige Aufgehen Sachsens in einem deutschen Nationalstaat, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, unentgeltliche Aufhebung der Feudallasten und Trennung von Staat und Kirche. Das Motto dieses Verfassungsentwurfs lautete: "Und wird sie nicht gewährt, so pochen wir mit Flintenkolben an." Diese Radikalisierung des Bürgervereins sowie Proteste von Arbeitern und Gesellen gegen Missstände veranlassten die Regierung zu Gegenmaßnahmen. So wurde die Zahl der Kommunalgardisten auf 6000 Mann verdoppelt und Truppen um die Hauptstadt konzentriert.
Nachdem der Bürgerverein, der sich mit bis zu 2000 eingeschriebenen Mitgliedern als Interessensvertreter aller Bürger verstand, Ende März 1831 die Dresdner Kommunerepräsentanten zu einer gemeinsamen Beratung bürgerlicher Angelegenheiten eingeladen hatte und sogar zum Eintritt in den Verein aufforderte, verschärfte sich die Konfrontation mit der Regierung. Es wurde dem Verein als einem "Privat-Verein" abgesprochen, die Interessen aller Bürger vertreten zu dürfen. Am 6. April erklärte der Stadtrat den Bürgerverein für aufgelöst.
Dieser setzte seine Tätigkeit dennoch fort, verbreitete Moßdorfs Verfassungsentwurf und lud alle Bürger für den 15. April in das Kaffeehaus Kreutz ein, wo der Verfassungsentwurf unter Beifall verlesen wurde. Außerdem gelobten die Anwesenden, den Verein zu erhalten und der Regierung gegenüber standhaft zu bleiben.
Daraufhin verfügte die Regierung umgehend die Schließung des Versammlungslokals und die Verhaftung der Kaufleute Schramm und Müller als führende Vertreter der Vereinsspitze. Man warf ihnen die Verbreitung staatsgefährdender und verbrecherischer Druckschriften vor.
Die beiden Verhafteten wurden am 17. April von Dresdner Bürgern befreit. Die Gefangenenbefreiung wurde zum Anlass für ein militärisches Eingreifen genommen. Noch am gleichen Abend wurden 21 Mitglieder des Bürgervereins verhaftet, darunter die beiden nachmittags befreiten Kaufleute Schramm und Müller sowie Moßdorf und Bertholdy. Die trotzdem beginnende revolutionäre Erhebung am 18. April wurde mit Waffengewalt unterdrückt. Dieser Militäreinsatz forderte drei Tote und 13 Verletzte.
Die Ereignisse in Dresden wurden durch Adressen aus ganz Sachsen verurteilt.
Da die Regierung sich veranlasst sah, den Ruhezustand für die gleichzeitig tagende Ständeversammlung zu garantieren, kam es als Folge der Aprilunruhen zu Verhaftungen, Versammlungs- und Ausgehverboten, Verstärkung der Garnison in Dresden und zur Einsetzung einer Untersuchungskommission. Die lange Reihe von Zuchthaus- und Gefängnisstrafen wurde mit der Verurteilung von Moßdorf und Bertholdy zu 15 Jahren Festungshaft abgeschlossen.
Vor der Übergabe der Verfassung am 4. September 1831, die zwar einen Fortschritt darstellte und vom Beamten- und reichen Bürgertum mit Begeisterung aufgenommen wurde, aber bei den breiten Volksschichten Enttäuschung und Verbitterung auslöste, kam es in Leipzig noch einmal zu gewaltsamen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Konflikt um ein Kommunalgarde-Wachlokal, die aber von der Obrigkeit ebenfalls schnell unterdrückt werden konnten.
Nach der Niederschlagung der revolutionären Kräfte und der Verabschiedung der Verfassung bekam die Regierung Bernhard August von Lindenau die Möglichkeit, eine umfangreiche liberale Staatsreform durchzusetzen.
Behördengeschichte
Die Kommission wurde durch Reskript vom 18. April 1831 von König Anton eingesetzt.
Als Mitglieder wurden benannt:
Hof- und Justizrat Dr. Karl Gustav Adolf Gruner
Appellationsrat Karl Georg Julius von Mangold
Hofgerichtsrat Friedrich Albert von Langen
Hof- und Justizrat Dr. Wilhelm Ferdinand Steinacker
Hof- und Justizrat Dr. Ferdinand Zschinsky
Appellationsrat Dr. Christian Ernst Weiß.
Den Vorsitz der Kommission übernahm Dr. Gruner. Der liberale bürgerliche Beamte war in Leipzig Rechtsanwalt und Handlungskonsulent. Er galt als Vertreter des Leipziger Handlungsbürgertums im Kreis der Reformer um Bernhard August von Lindenau. Nachdem er in der Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreis tätig gewesen war, wurde er im März 1831 zum Oberkonsistorialpräsidenten ernannt. Nach Beendigung der Tätigkeit in der Untersuchungskommission sollte er den Posten des Kultusministers übernehmen. Er starb aber am 8. Oktober 1831, also noch vor der Auflösung dieser Kommission.
Als Schöffen fungierten:
Johannes Gottlieb Andrä
Carl Gottlieb Heinrich Ballack
Johannes Gottfried Bielitz
Moritz Gottlob Edlinger
Ludwig Wilhelm Hennig
Karl August Heinrich Herzig
Friedrich Samuel Krüger
Ernst Julius Eduard Laurin
Johann Gottlieb Schneider I.
Friedrich Wilhelm Sieber
Johann Gottfried Wunsch.
Als Sekretäre arbeiteten:
Johann Gottlieb Brunner
Friedrich August Witschel.
Als Assessoren wirkten in der Kommission:
Dr. Karl Julius Stübel
Carl Eduard Gurrfarth.
In Fortschreibung der Aufgaben der Kommissionen zur Wiederherstellung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen sowie im Leipziger und Meißnischen Kreis war eine schnelle Untersuchung der Unruhen und eine schleunige Verurteilung der Angeklagten vorgesehen.
Meistens wurde die Kommission aufgrund von Anzeigen aktiv. Dann erfolgte die Zeugenanhörung sowie Vorladung und Verhör des Beschuldigten. Teilweise kam es auch zu Gegenüberstellungen mit Zeugen. In einigen Akten finden sich noch Briefe von Freunden und Kollegen an die Kommission, um den guten Leumund bzw. die Unschuld der Untersuchten zu bezeugen. Dann wurde das Urteil gefällt. Zum Teil finden sich auch Gnadengesuche in den Akten.
Die höchsten verhängten Strafen betrugen 15 Jahre Festungshaft für den Rechtsanwalt Bernhard Moßdorf und Anton Bertholdy. In diesen beiden Fällen wurde eine umfangreiche Urteilsbegründung verfasst, was sich aus der Schwere der verhängten Strafe erklärt.
Durch Reskript vom 10. November 1831 wurde die Arbeit der Kommission beendet. Noch zu bearbeitende Bittschriften und Gnadengesuche sollten von der Landesregierung erledigt werden.
Ein Abschlussbericht der Kommission konnte in den Beständen des Hauptstaatsarchivs Dresden nicht ermittelt werden. Der Kommissionsvorsitzende hatte vor seinem Tode schon mit Vorarbeiten begonnen. Nach einigen Diskussionen wurde schließlich eine der Kommission nicht angehörende Person mit der Erstellung dieses Berichtes betraut, nämlich der Hof- und Justizrat Dr. Maximilian Karl August Petschke.
Bestandsgeschichte und -verzeichnung
Die Akten der Kommission gelangten bei Aktenabgaben des Oberlandesgerichts Dresden seit 1923 an das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden. Bei der Verzeichnung des Bestandes Oberlandesgericht wurde aus den Akten der Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen 1831 in Dresden ein eigener Bestand gebildet und dieselben auf Karteikarten verzeichnet, verblieben aber im Bestand Oberlandesgericht. Im Zuge der vorliegenden EDV-gestützten Neuverzeichnung erfolgte deren Herauslösung und neue Nummerierung. Eine Konkordanz zu den Signaturen der alten Verzeichnung befindet sich am Ende des Findbuchs.
Der Bestand umfasst 73 Akteneinheiten (0,70 lfm) und enthält v.a. Untersuchungen gegen einzelne Personen. Die personenbezogenen Untersuchungsakten wurden alphabetisch nach Namen gereiht. Die Personen, gegen die sich die Untersuchungen richteten, sind in den Akten z.T. nur mit Familiennamen benannt, deshalb konnte nicht bei allen Aktentiteln der Vorname und die Berufsbezeichnung angeführt werden.
Unterlagen zur Tätigkeit der Kommission befanden sich in zwei Akteneinheiten (Nr. 71 und 73), die Schriftstücke aus dem Nachlass Gruner enthielten Sie wurden im Bestand belassen und im Gliederungspunkt Geschäfts- und Handakten zur Tätigkeit der Kommission zusammengefasst. Bei den ohne Zusammenhang zu einer Untersuchungsakte überlieferten Druckschriften wurden die Doppelstücke entfernt und die Druckschriften zu einer Akteneinheit vereinigt. Des weiteren wurden die unter dem alten Aktentitel Nachlass Moßdorf und Bertholdy versammelten Schriftstücken den beiden Betreffenden zugeordnet. Es ist nicht auszuschließen, dass die vorhandene Überlieferung unvollständig ist, da Abschlussberichte o.ä. fehlen. Enthalten ist auch eine Akte zur Untersuchung der Septemberunruhen in Dresden.
Vereinzelte Akten zu den Aprilunruhen 1831 in Dresden befinden sich auch in folgenden Beständen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden: Geheimes Kabinett, Landesregierung, Ministerium der Justiz und Amt Dresden.
Mit den genannten Aktenabgaben gelangten auch die Akten der Kommission zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe im Erzgebirgischen und Vogtländischen Kreis, der Kommission zur Untersuchung der bei der Auflösung der Bürger-Nationalgarde in Dresden stattgefundenen Unruhen und der Kommission zur Untersuchung der Augustunruhen 1831 in Leipzig an das Sächsische Hauptstaatsarchiv, die ebenfalls zu separaten Beständen formiert wurden und zu denen eigene Findbücher vorhanden sind.
Literatur
Dautz, Adrian: Bernhard Moßdorfs radikal-demokratischer Verfassungsentwurf, in: Dresdner Hefte 26, 2/1991, S. 41-46. [AA 420 c] [01]
Groß, Rainer: Geschichte Sachsens, Leipzig 2001. [Sa 615 f]
Hammer, Michael: Kleinstaatliche Revolution in Sachsen. Volksbewegung und Obrigkeiten (Ein Beitrag zur sächsischen Landesgeschichte), Diss. masch., Dresden 1994. [Sa 1201 g]
Reinhardt, Paul: Die sächsischen Unruhen der Jahre 1830-1831 und Sachsens Übergang zum Verfassungsstaat, Halle 1916. [Sa 1194]
Ruhland, Volker: Die bürgerliche Revolution von 1830/31 und Sachsens Übergang zum Verfassungsstaat, in: Dresdner Hefte 26, 2/1991, S. 5-12. [AA 420 c]
ders.: Untersuchungen zur Rolle und Formen der Bürgermilizen im Prozess der bürgerlichen Umwälzung in Deutschland, unter besonderer Berücksichtigung der Kommunalgarden im Königreich Sachsen, Diss. masch., Dresden 1982. [Sa 1198]
[01] Bei den in eckigen Klammern stehenden Angaben handelt es sich um die Bibliothekssignaturen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden
Hammer, Michael: Kleinstaatliche Revolution in Sachsen : Volksbewegung und Obrigkeiten : Ein Beitrag zur sächsischen Landesgeschichte. Dresden, 1994
Reinhardt, Paul: Die sächsischen Unruhen der Jahre 1830 - 1831 und Sachsens Übergang zum Verfassungsstaat. Halle, 1916
Reinhardt, Paul: Die sächsischen Unruhen der Jahre 1830 - 1831 und Sachsens Übergang zum Verfassungsstaat. Halle, 1916
Untersuchung gegen Einzelpersonen.- Beschlagnahmte Dokumente und Druckerzeugnisse von Bernhard Moßdorf und Anton Bertholdy.- Bürgerverein in Dresden.- Nachlassunterlagen Dr. Gruner.
Während der revolutionären Unruhen der Jahre 1830/1831 organisierte sich die demokratisch gesinnte Opposition in Dresden im "Bürgerverein", der am 06.04.1831 vom Stadtrat für aufgelöst erklärt wurde. Als er seine Tätigkeit dennoch fortsetzte, kam es zu Verhaftungen. Die Verhafteten wurden am 17. April von Dresdner Bürgern befreit, was als Anlass für ein militärisches Eingreifen genommen wurde. Die am 18. April trotzdem beginnende Erhebung wurde mit Waffengewalt unterdrückt und eine Untersuchungskommission noch am selben Tag eingesetzt. Mitglieder waren Karl Gustav Adolf Gruner, Karl Georg Julius von Mangold, Friedrich Albert von Langen,Wilhelm Ferdinand Steinacker, Ferdinand Zschinsky und Christian Ernst Weiß. Durch Reskript vom 10.11.1831 wurde die Arbeit der Kommission beendet. Noch zu bearbeitende Bittschriften und Gnadengesuche sollten von der Landesregierung erledigt werden.
Weitere Angaben siehe 1.5 Behörden und Einrichtungen der Erblande
Weitere Angaben siehe 1.5 Behörden und Einrichtungen der Erblande
- 2003 | Findbuch / elektronisches Findmittel
- 2024-10-29 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5