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Beständeübersicht

Bestand

10702 Staatskanzlei, Nachrichtenstelle

Datierung1918 - 1942
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)263,60
Einleitung 10702 Staatskanzlei, Nachrichtenstelle

1. Behördengeschichte
Die sächsische Staatskanzlei bildete von 1919 bis 1945 das Zentrum der sächsischen Staatsregierung. Sie führte die Geschäfte für den Ministerpräsidenten und bearbeitete Angelegenheiten des gesamten Ministeriums. Insbesondere vermittelte sie den Verkehr des Ministerpräsidenten mit dem Landtag und mit den einzelnen Fachministerien. Sie bearbeitete die Verfassungs-, Wahl- und Presseangelegenheiten, redigierte die sächsischen Gesetzblätter und gab das sächsische Staatshandbuch heraus, das nur noch 1921 und 1927 erschien. Da der Ministerpräsident seit 1918 stets auch Außenminister war und der Leiter der Staatskanzlei zugleich Ministerialdirektor im Außenministerium, bestand zwischen beiden Dienststellen eine enge Verbindung, zumal das Außenministerium nur noch die Zentralstelle für den Verkehr der Staatsregierung mit den Reichsministerien war. 1934 wurde das Außenministerium aufgelöst; seine noch verbleibenden Funktionen übernahm die Staatskanzlei. Besondere Abteilungen der Staatskanzlei waren das Personalamt, die Nachrichtenstelle, die Statistische Abteilung und die Gemeinsame Ministerialbücherei. Sitz der Behörde war das Gemeinschaftliche Ministerialgebäude, Dresden-Neustadt, Königsufer 2, I, seit 1935 daneben das Landtagsgebäude, Dresden-Altstadt, Schlossplatz 1 als Sitz des Reichsstatthalters. – Der Staatskanzlei unterstanden die Disziplinargerichte (Disziplinarkammer als 1. Instanz und Disziplinarhof als 2. Instanz), der Kompetenzgerichtshof, das Hauptstaatsarchiv, die Oberrechnungskammer, das Oberverwaltungsgericht und die Sächsische Staatszeitung (bis 1933), seit 1935 noch die Sächsischen Staatstheater und wegen Reichsstatthalter Mutschmanns Jagdinteressen auch die Landesforstverwaltung, das Forsteinrichtungsamt und die Forstkasse.

Die politische Funktion der Staatskanzlei hat sich in den 26 Jahren ihres Bestehens erheblich verändert. Von Ende 1918 bis März 1923 sowie von Oktober 1923 bis Januar 1924 wurde die Regierung des Freistaates Sachsen unter dem Ministerpräsidenten Lipinski von der USPD und SPD, unter Gradnauer, Buck und Fellisch von der SPD gebildet; einzelne Minister gehörten zeitweise auch der USPD und den Demokraten an. Von März bis Oktober 1923 regierte eine von Erich Zeigner geführte Volksfrontregierung aus Sozialdemokraten und zwei Kommunisten (Fritz Heckert und Paul Böttcher). Diese gewählte Regierung wurde durch eine von der Reichsregierung Cuno veranlaßte Reichsexekution der Reichswehr gewaltsam beseitigt. Von Januar 1924 bis Februar 1930 folgten vier vorwiegend bürgerliche Kabinette unter dem "Altsozialisten" Heldt und dem Vertreter der Deutschen Volkspartei Bünger. Dann führte Ministerpräsident Schieck von Februar 1930 bis März 1933 eine Regierung von parteilosen Verwaltungsfachleuten, da im Landtag keine der drei hauptsächlichen Parteigruppen die Mehrheit besaß.
Seit 1933 war die Staatskanzlei die Zentrale der faschistischen Regierung Sachsens. Neben dem faschistischen Ministerpräsidenten von Killinger (März 1933 – Februar 1935) stand seit 30.1.1934 der Reichsstatthalter Mutschmann. Dieser wurde im Februar 1935 Leiter der sächsischen Landesregierung. Er nannte sich in dieser Funktion nicht Ministerpräsident, sondern weiterhin Reichsstatthalter und machte die Staatskanzlei zu seiner Verwaltungsbehörde, wodurch sich ihre Tätigkeit, Funktion und Bedeutung erheblich verändert haben.

Die Nachrichtenstelle bei der Staatskanzlei bestand von Dezember 1918 bis 1945. Sie wurde vor allem durch den Ministerpräsidenten Dr. Gradnauer (SPD), der jahrzehntelang Redakteur gewesen war, geschaffen und ausgebaut. In ihrer Funktion knüpfte sie dabei an die zuvor beim Ministerium des Innern ressortierende Pressebeobachtung an. Die Nachrichtenstelle beobachtete die bedeutendere Presse des Reiches und die gesamte Presse Sachsens, darunter namentlich auch die zahlreichen, damals in fast jeder kleinen Stadt erscheinenden Lokalzeitungen. Morgens trug der Pressereferent etwa ½ bis 1 Stunde dem Ministerpräsidenten bzw. dem Ministerialdirektor vor, was die Zeitungen meldeten. Zeitungsartikel, die für wichtig gehalten wurden, schnitten die Mitarbeiter aus und setzten sie innerhalb der Staatskanzlei in Umlauf. Diese Artikel wurden später nach Sachbetreffen in die Mappen einsortiert, die den Bestand der Zeitungsausschnittsammlung bilden. Die Nachrichtenstelle gab Mitteilungen an die einzelnen Ministerien über Artikel, die für sie wichtig sein konnten. Jeden Mittag gab die Pressestelle eine Zeitung "Das Nachrichtenblatt" heraus. Diese erhielten nur die Ministerialräte zu ihrer Information. Wenn eine Zeitung etwas veröffentlichte, was nicht stimmte bzw. was der Regierung nicht genehm war, so gab die Nachrichtenstelle amtliche Berichtigungen heraus. Es wurde dann im einzelnen festgestellt, was nach Ansicht der Regierung "wahr" und was "unwahr" war. Der Pressereferent Dr. Boehm hatte die Absicht, solche Informationen durch Rundtelefon an die Büros der Zeitungen zu geben, damit alle nicht mehr nach und nach, sondern gleichzeitig unterrichtet würden. Ab und zu, zeitweise auch fast täglich, wurden von der Nachrichtenstelle Pressekonferenzen mit Vertretern der Zeitungsredaktionen abgehalten.

Mitarbeiter der Nachrichtenstelle waren 1919 ihr Leiter Oberregierungsrat Dr. Boehm als Pressereferent; als journalistische Mitglieder Dr. Purlitz (früher Redakteur des Dresdner Anzeigers) und der sozialdemokratische Schriftsteller Albert; als Lektoren Professor Platzbecker, Freiherr von Hoyningen – Huene, Rechtsanwalt Dr. Dr. Jäckel und der Komponist Nino Neidhardt. Die beiden letzteren waren offenbar nur kurze Zeit beschäftigt, da sie in den Adressbüchern und Staatshandbüchern nicht angegeben sind. 1920 trat an Hoyningens Stelle Pröhl. Unter dem Ministerpräsidenten Zeigner wurden Boehm und auch Albert (gegen den vor 1918 etwa 25 Prozesse wegen Majestätsbeleidigung gelaufen waren) aus ihren Ämtern entfernt; Albert wurde Direktor der A. G. Sächsische Werke. 1923 – 1929 leitete Oberregierungsrat Block die Nachrichtenstelle; seine Mitarbeiter waren nur noch Regierungsrat Purlitz als Schriftleiter und das journalistische Mitglied Pröhl. Der dritte Leiter der Nachrichtenstelle war von 1929 – 1945 der Oberregierungsrat, seit 1937 Regierungsdirektor Arthur Graefe. Seine Mitarbeiter waren bis 1931 noch Purlitz und Pröhl, 1931 – 1933 Regierungsrat Dr. Klauber als Lektor. Von da an war Graefe allein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Nachrichtenstelle. Dieser Journalist (anfangs Redakteur am Leipziger Tageblatt, 1920 Dresdner Schriftleiter der Leipziger Neuesten Nachrichten) passte sich an den Faschismus an, wurde am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP und arbeitete später Mutschmanns Reden aus, denen dieser selbst noch Hetztiraden gegen die Juden einfügte. Graefe bearbeitete auch die Volkstums- und Heimatpflege, schrieb einige von der faschistischen Ideologie bestimmte Bücher über Sachsen (u. a. "Grenzmark Sachsen"), war erst stellvertretender Leiter und später Leiter des "Heimatwerkes Sachsen" und hatte noch zahlreiche kulturelle Nebenämter inne. Ab 1.9.1944 wurde Graefe zur Abteilung IV der Landesregierung - Ministerium für Volksbildung – versetzt, wo er die Unterabteilungen 6 (Kunsthochschulen, Kunstunterricht, Pflege kultureller Einrichtungen, Erwachsenenbildung) und 7 (Staatliche Sammlungen für Kunst und Wissenschaft, Schlösser und Gärten, Museen) leitete. Daneben war Graefe weiterhin bis 1945 Leiter der Nachrichtenstelle der Staatskanzlei.
Die in den Jahren 1923, 1931 und 1933 von anfangs fünf bis sieben wissenschaftlichen Mitarbeitern auf zwei bis drei und schließlich auf einen abnehmende Personalstärke zeigt deutlich die ständig verringerte journalistische Tätigkeit der sächsischen Regierung, bis Graefe die Nachrichtenstelle 1944/45 nur noch neben anderen Aufgaben verwaltete.

2. Bestandsgeschichte
Die Zeitungsausschnittsammlung der Pressestelle der Staatskanzlei wurde vom Dezember 1918 an angelegt und reicht bis Ende 1942. Sie umfasst 2264 Einlegemappen, die nach sachthematischen Gesichtspunkten gebildet wurden. Der Bestand umfasst210 lfd m. Er gelangte in den Jahren 1921, 1922, 1924, 1927, 1931, 1939 und 1944 in acht Abgaben in das Hauptstaatsarchiv Dresden. Zeitungsausschnitte aus den Jahren 1943 – 1945 wurden von der Staatskanzlei nicht mehr abgegeben; sie sind 1945 vernichtet worden. Die acht Abgabeverzeichnisse wurden im Archiv gebunden und bis 1971 als Findbehelf verwendet. Das hatte zur Folge, dass zur Ermittlung eines Sachbetreffs alle acht Abgaben durchgesehen werden mussten. Archivalienreihen mit gleichem Titel und gleicher Signatur waren auseinander gerissen. Durch die Neuverzeichnung ist ein sachlich gegliedertes und daher schnell benutzbares Findbuch entstanden. Eine systematische Ordnung der Behördenregistratur war nicht erkennbar, so dass die alten Signaturen keinen Einfluss auf die Neuordnung hatten. Die Neuordnung führte 1971 Gerhard Schmidt durch.

Die Zeitungsausschnittsammlung der Nachrichtenstelle der Staatskanzlei ist ihrer Provenienz nach ein integrierender Teil des Bestandes der Staatskanzlei. Dass sie wie bisher weiterhin als ein besonderer Bestand geführt, mit eigener Nummerierung gezählt und für sich gelagert wird, liegt nicht an einer Wesensverschiedenheit zum Bestand der Staatskanzlei. Es wurde vielmehr berücksichtigt, dass die Akten der Staatskanzlei in allen Abteilungen dieser Behörde entstanden sind, die Zeitungsausschnittsammlung nur in einer besonderen Abteilung. Ferner waren die Registraturen schon in der Staatskanzlei getrennt. Vor allem sind die äußere Form und der Inhalt der Zeitungsausschnittmappen von denen der Geschäftsakten wesentlich verschieden. Daher bildet die Zeitungsausschnittsammlung weiterhin einen getrennten Teilbestand mit eigenem Findbuch und eigener Signaturenzählung.
Im Zuge seiner Neubearbeitung wurde der Bestand im Januar 2006 auf der Grundlage des Findbuches von 1971 in eine Datenbank konvertiert. Die vorgefundenen Verzeichnungsangaben wurden dabei beibehalten, die Klassifikation wurde hingegen ergänzt und erweitert.
Der Quellenwert des Bestandes ist ungewöhnlich vielseitig. Die Pressemappen betreffen alle Angelegenheiten des politischen, wirtschaftlichen Lebens, alle Bereiche der Verfassung und Politik im Deutschen Reich und in Sachsen sowie Angelegenheiten aller Fachverwaltungen. Sie dokumentieren auf außergewöhnlich dichte Weise aus dem Blickwinkel der damals die Pressearbeit betreuenden Handlungsträger in der Staatskanzlei die Geschichte der Zeit von 1918 bis 1942, auch außerhalb von Sachsen. Für Forschungen zur Geschichte Sachsens ist der Bestand deshalb von besonderer Bedeutung, weil die meisten anderen Bestände der sächsischen Ministerialverwaltung ab 1935 bis auf wenige Reste verloren gegangen sind.

3. Verweise und Literatur
Übersicht über die Bestände des Sächsischen Landeshauptarchivs und seiner Landesarchive. Leipzig 1955, S. 262 f.
Dresdner Adressbücher 1919 – 1943/44.
Staatshandbuch für den Freistaat Sachsen 1921, 1925, 1927.
Hans-Stephan Brather: Registraturgut – Archivgut – Sammlungsgut.
Beiträge zu einer Diskussion. In: Archivmitteilungen, 12. Jg. (1962), S. 158 – 167.
Hauptstaatsarchiv Dresden, Findbuch zum Bestand 10701 Staatskanzlei.
Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Berlin 1930, 1. Bd., S. 579: (Graefe mit Bild).

Dresden, Mai 1971	Gerhard Schmidt


Bemerkung zum Online-Findbuch
Um die Erschließungsangaben auch elektronisch nutzen zu können, wurden sie 2005/2006 in einem Fremdkräfteprojekt unter Anleitung und Kontrolle von Nils Brübach retrokonvertiert. 2009 wurden technische Restarbeiten erledigt und das Findmittel online gestellt.

Dresden, Januar 2009
Michael Merchel


Reichsverfassung und Organe des Deutschen Reiches.- Länder des Deutschen Reiches.- Friedensvertrag von Versailles.- Außenpolitik und internationale Angelegenheiten.- Verfassung, Landtag und Regierung des Freistaates Sachsen.- Ehemalige Herrscherhäuser.- Innere Verwaltung.- Presse.- Parteien.- Novemberrevolution.- Bevölkerungspolitik.- Justizangelegenheiten.- Finanzangelegenheiten.- Wirtschaft.- Messen und Ausstellungen.- Verkehr.- Post, Rundfunk und Telegraphie.- Arbeitsangelegenheiten.- Sozialfürsorge.- Wohnungswesen und Siedlungswesen.- Gesundheitswesen.- Sozialversicherung.- Sport.- Kultur und Kunst.- Wissenschaft.- Heimatschutz.- Kirchen.- Schulwesen.
Die Nachrichtenstelle der Staatskanzlei bestand von Dezember 1918 bis 1945. Sie wurde von Ministerpräsident Georg Gradnauer eingerichtet. Ihre Aufgabe bestand in der täglichen Auswertung der wichtigsten deutschen Tageszeitungen und der gesamten Presse des Freistaates Sachsen, darunter auch der in fast jeder Stadt erscheinenden Lokalzeitungen. Die Nachrichtenstelle gab Mitteilungen an die einzelnen Ministerien heraus und veröffentlichte jeden Mittag "Das Nachrichtenblatt". Die Presseartikel wurden nach Sachbetreffen geordnet und abgelegt. Daraus entstand die Zeitungsausschnittsammlung, die als einziger Registraturteil überliefert ist.

Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
  • 1971, Retrokonversion 2006 | Findbuch / elektronisches Findmittel
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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