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Beständeübersicht

Bestand

10706 Disziplinargerichte

Datierung1876 - 1944
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)1,20
1. Geschichte des Bestandsbildners

Mit dem Gesetz über einige Abänderungen der gesetzlichen Bestimmungen über die Verhältnisse der Zivilstaatsdiener vom 3. Juni 1876 wurden in Sachsen zwei Disziplinargerichte eingerichtet: die Disziplinarkammer und der Disziplinarhof. Sie führten Verfahren gegen Staatsbeamte durch, die wegen schwerer amtlicher oder privater Verfehlungen aus dem Dienst entlassen werden sollten. Entscheidungen in erster Instanz fällte die Disziplinarkammer, Entscheidungen in zweiter Instanz (bzw. über Berufungen) der Disziplinarhof. Sitz beider Gerichte war Dresden.

Die Disziplinarkammer bestand zunächst aus fünf Mitgliedern, von denen wenigstens drei Richter sein mussten, der Disziplinarhof aus sieben Mitgliedern, mit mindestens vier aktiven oder in den Ruhestand versetzten Richtern. Im August 1878 bzw. März 1880 wurde die Zuständigkeit der Disziplinargerichte auf Verfahren gegen Kommunalbeamte bzw. Professoren der Universität Leipzig erweitert. Daraufhin wurden beide Gerichte durch je zwei Professoren der Universität Leipzig und je zwei Oberbürgermeister verstärkt. Nach dem Ersten Weltkrieg führten die Disziplinargerichte auch Verfahren gegen Lehrer an öffentlichen höheren Schulen sowie gegen Volksschullehrer durch, so dass die Gerichtsmitglieder durch Lehrer ergänzt wurden. Bei Disziplinarverfahren gegen höhere, mittlere und untere Gemeindebeamte wirkten Kommunalvertreter der jeweiligen Laufbahnebene mit.

In den 1920er-Jahren musste besonders die Disziplinarkammer einen starken Anstieg der Verfahren bewältigen, deren Zahl sich von jährlich 5 - 10 in der Zeit vor 1914 auf über 50 in der Mitte der 1920er-Jahre erhöhte. Da alle Mitglieder der Disziplinarkammer und des Disziplinarhofes nebenamtlich tätig waren, kam es zu einer starken Arbeitsbelastung und zu erheblichen Verzögerungen im Verfahrensablauf.

Im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung wurden die sächsischen Disziplinargerichte umgebildet. Mit der Landesdienststrafordnung vom 19. Juni 1933 erfolgte die Umbenennung in Dienststrafkammer und Dienststrafhof. Mitglieder der beiden Gerichte konnten nur noch berufsrichterliche Beamte sein. Die Vertretung der Beschäftigtengruppen entfiel, die Zahl der Richter wurde reduziert, wobei die Dienststrafkammer erstmals drei hauptamtliche Mitglieder erhielt. Im Zusammenhang mit der Entlassung politisch unerwünschter Beamter kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Verfahren. Bei der Dienststrafkammer stieg die Zahl der durchgeführten Untersuchungen von 95 im Jahr 1933 auf 348 im Folgejahr, die der Anklagen von 129 auf 203.

Im Jahr 1937 erfolgte eine reichsweite Neuregelung der Dienststrafverfahren. Durch die Reichsdienststrafordnung vom 26. Januar 1937 und die Verordnung zur Durchführung der Reichsdienststrafordnung vom 29. Juni 1937 wurden die bisherigen Dienststrafkammern und Dienststrafhöfe der Länder aufgelöst. Über erstinstanzliche Verfahren in Sachsen entschied ab 1. Juli 1937 die neue Dienststrafkammer Dresden beim Oberverwaltungsgericht Dresden, als übergeordnete Instanz fungierte der Reichsdienststrafhof in Berlin. Die Tätigkeit der nationalsozialistischen Dienststrafkammern endete mit der Auflösung des Dritten Reiches im Frühjahr 1945.

2. Bestandsgeschichte und -inhalt

Die Disziplinarkammer und der Disziplinarhof unterhielten keine eigenen Geschäftsstellen. Die Akten, Register und den sonstigen Schriftverkehr führte das Kanzleipersonal anderer Gerichte bzw. Behörden (für die Disziplinarkammer anfänglich die Kanzlei des Appellationsgerichts, später des Landgerichts, Polizeipräsidiums und des Justizministeriums). Die Registraturen blieben dabei getrennt. Im Zuge der Neuorganisation der Disziplinargerichte im Jahr 1933 erhielten die Dienststrafkammer und der Dienststrafhof eigene Geschäftsstellen.

Nach der Geschäftsordnung der Disziplinarkammer von 1918 war 30 Jahre nach Einleitung der Verfahren von den jeweils zuständigen Ministerien zu entscheiden, ob die Verfahrensakten weiter aufbewahrt oder vernichtet werden sollten. Demgemäß erfolgte seit Beginn der 1920er-Jahre die Bewertung bzw. Kassation von Verfahrensakten, die älter als 30 Jahre waren. 1940 überließen die Ministerien des Innern und für Volksbildung die ihnen von der Dienststrafkammer Dresden übergebenen älteren Verfahrensakten dem Hauptstaatsarchiv zur Aufbewahrung. Das Hauptstaatsarchiv vereinbarte daraufhin mit der Dienststrafkammer ein geordnetes Anbietungsverfahren, in dessen Verlauf es 1944 die älteren Generalakten der sächsischen Disziplinarkammer und des Disziplinarhofes sowie Akten einzelner Disziplinarverfahren erhielt, die bis 1914 eingeleitet worden waren.

Das Oberverwaltungsgerichtsgebäude, in dem die Dienststrafkammer Dresden ab 1935 untergebracht war, wurde im Februar 1945 durch Bomben zerstört. Dabei gingen offenbar auch die dort vorhandenen Akten der Dienststrafkammer verloren. Im April 1946 erhielt das Hauptstaatsarchiv von der Abwicklungsstelle der ehemaligen Staatskanzlei 15 Mappen mit Entscheidungen der sächsischen Dienststrafgerichte (möglicherweise Zweitschriften der Urteile), die allerdings kurze Zeit später dem Chef der Polizei in Sachsen übergeben wurden. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt.

Durch den überlieferten Aktenbestand im Umfang von 1,20 lfm wird die Tätigkeit der Disziplinarkammer und des Disziplinarhofes bzw. der Dienststrafkammer und des Dienststrafhofes nur fragmentarisch wiedergespiegelt. Für die allgemeine Geschäftsführung und die Berufung von Mitgliedern liegen bis 1937 weitgehend vollständige Akten vor. Dagegen fehlen fast alle Verfahrensakten des Disziplinar- bzw. Dienststrafhofes, während bei der Disziplinar- bzw. Dienststrafkammer im Wesentlichen nur Verfahrensakten der Jahre 1904 - 1915 überliefert sind. Besonders bedauerlich sind diese Überlieferungslücken für die Zeit ab 1933, als Disziplinarverfahren gezielt gegen politische und weltanschauliche Gegner der Nationalsozialisten eingeleitet wurden. Einen gewissen Ersatz bieten Dienststrafakten des Ministeriums des Innern aus den 1920er- und 1930er-Jahren, die im Bestand 19116 Personalakten sächsischer Behörden überliefert sind.
Organisation und Geschäftsführung.- Disziplinarverfahren.
Für Verfahren gegen Beamte, die wegen schwerer amtlicher oder privater Verfehlungen aus dem Dienst entlassen werden sollten, wurden 1876 in Sachsen zwei Disziplinargerichte mit Sitz in Dresden eingerichtet: die Disziplinarkammer und der Disziplinarhof. Entscheidungen in erster Instanz fällte die Disziplinarkammer, Entscheidungen in zweiter Instanz (bzw. über Berufungen) der Disziplinarhof. 1933 wurden die beiden Disziplinargerichte in Dienststrafkammer bzw. Dienststrafhof umbenannt. 1937 erfolgte eine reichsweite Neuregelung der Dienststrafverfahren. Über erstinstanzliche Verfahren entschied in Sachsen ab 1. Juli 1937 die Dienststrafkammer Dresden, als zweite Instanz fungierte der Reichsdienststrafhof in Berlin. Die Tätigkeit der Dienststrafgerichte endete 1945.
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