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Beständeübersicht

Bestand

10722 Sächsische Gesandtschaft für Bayern, München

Datierung1817 - 1930
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)16,95
1. Geschichte des Bestandsbildners

Eine ständige sächsische Gesandtschaft in Bayern, mit Sitz in München, bestand seit 1723. Sie diente der Unterhaltung diplomatischer Beziehungen zwischen Sachsen und Bayern, der Beobachtung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse vor Ort, der Sammlung und Übermittlung entsprechender Informationen sowie der Wahrnehmung sächsischer Belange in Bayern bzw. Süddeutschland. Geprägt wurden die sächsisch-bayerischen Beziehungen des 18. - 20. Jahrhunderts insbesondere durch die gemeinsame Landesgrenze und den daraus erwachsenden Regelungsbedarf, durch die engen dynastischen Verbindungen zwischen Wettinern und Wittelsbachern sowie durch teilweise gleichgelagerte Staatsinteressen als Kurfürstentum, Königreich und Mittelstaat in Deutschland. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 und der nachfolgenden Einschränkung des diplomatischen Spielraums der Bundesstaaten bestand die Gesandtschaft München als wichtige innerdeutsche Vertretung weiter. Von 1852 bis 1918 war der Gesandte zugleich in Stuttgart akkreditiert, von 1867 bis 1918 zugleich in Darmstadt und von 1877 bis 1918 zugleich in Karlsruhe. Nach der Novemberrevolution wurde die Gesandtschaft in München zunächst beibehalten, 1923 vorübergehend (Abbruch der diplomatischen Beziehungen bis 1925) und 1930 endgültig geschlossen. Bei ihrer Neueinrichtung 1925 wurde sie zugleich diplomatische Vertretung Sachsens für Baden, Hessen und Württemberg. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Dresden und München endeten im Dezember 1932, als Bayern seinen bislang in Dresden koakkreditierten Gesandten in Berlin in den Ruhestand versetzte.

Die Geschäfte der Gesandtschaft München leiteten folgende sächsische Diplomaten:
1724-1727: Joseph Anton Gabaleon Graf Wackerbarth-Salmour, außerordentlicher Gesandter
1727-1731: Gabriel von der Lith, Geschäftsträger
1733: Friedrich Karl Graf von Watzdorf, außerordentlicher Gesandter
1740-1741: Johann Adolph Graf von Loß, Gesandter
1741: Christian Graf von Loß, bevollmächtigter Minister
1741-1742: Heinrich Graf von Bünau, außerordentlicher Gesandter
1745: Christian Graf von Loß, bevollmächtigter Minister
1745-1748: Nikolaus Willibald Freiherr von Gersdorff, bevollmächtigter Minister
1749-1751: Ludwig Siegfried Graf Vitzthum von Eckstädt, bevollmächtigter Minister
1752-1764: August Reinecke Graf von Callenberg, außerordentlicher Gesandter
1764-1778: Christian Gottlieb Unger, Geschäftsträger, Resident
1778-1794: Andreas Graf von Riaucour, außerordentlicher Gesandter
1795-1801: Karl Heinrich Johann Wilhelm Graf von Schlitz genannt Görtz
1802-1831: Carl Graf von Einsiedel, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
1832-1841: Rudolph von Könneritz, Geschäftsträger, Ministerresident
1841-1846: Friedrich Ferdinand Freiherr von Beust, Geschäftsträger
1846-1850: Carl Adolph Graf von Hohenthal, Geschäftsträger
1850-1864: Karl Gustav Adolf von Bose, Ministerresident
1864-1866: Hans von Könneritz, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
1867-1874: Richard Leo Graf von Könneritz, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
1874-1898: Oswald von Fabrice, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
1898-1914: Heinrich August Luitbert von Friesen, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
1914-1918: Robert von Stieglitz, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister
1918-1923: Maximilian von Dziembowski, Geschäftsträger
1925-1927: Johannes Georg Schmidt, Gesandter
1928-1930: Johannes Erich Gottschald, Gesandter

Neben den Gesandten, Ministerresidenten bzw. Geschäftsträgern gehörten weitere Bedienstete zur Gesandtschaft München, wie Attachés, Legationssekretäre, Kanzlisten und Schreibkräfte. Im Jahr 1918 umfasste das Gesandtschaftspersonal fünf Mitarbeiter.

2. Geschichte des Bestands

Seit 1712 waren die sächsischen Gesandten zur Führung eines Gesandtschaftsarchivs verpflichtet, in dem das anfallende Schriftgut aufbewahrt wurde. Den Umgang mit dem gesandtschaftlichen Schriftverkehr und dem Gesandtschaftsarchiv regelte das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten im 19. Jahrhundert durch spezielle Kanzlei- und Archivordnungen.

Die Akten der Gesandtschaft München sind wie die der meisten anderen diplomatischen Vertretungen Sachsens bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts serien- und jahresweise geführt worden. Das Anwachsen der gesandtschaftlichen Aufgaben führte von 1850 bis 1863 zur Anlage von Sachakten. Wohl wegen des Bedeutungsverlustes der Gesandtschaft nach der Gründung des Norddeutschen Bundes bzw. des Deutschen Reiches erfolgte die Ablage der Akten von 1864 bis 1913 wieder jahrgangsweise. Eine neuerliche Bildung von Sachakten setzte ab 1914 ein, als sich die gesandtschaftliche Aktivität unter den Nöten des Ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit erheblich steigerte. Ein Aktenplan scheint bis zur Schließung der Gesandtschaft im Jahr 1930 nicht verwendet worden zu sein.

Im November 1898 übergab das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten dem Hauptstaatsarchiv eine größere Zahl von Akten der Gesandtschaft München. Zu einer weiteren Abgabe kam es vermutlich nach der endgültigen Schließung der Gesandtschaft. Der ältere, im Wesentlichen bis 1830 reichende Teil des Gesandtschaftsarchivs war offenbar bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Archivbestand des Geheimen Kabinetts eingegliedert worden, wo er sich auch jetzt noch befindet.

Die jüngeren, ab 1830 entstandenen Akten der Gesandtschaft München erschloss Horst Schlechte 1939 als eigenen Bestand. 2018 erfolgte eine erweiterte Verzeichnung.

3. Inhalt des Bestands

Der Bestandsinhalt bildet die vielseitige Tätigkeit der sächsischen Diplomaten in München gut ab. Sein weitgefächertes thematisches Spektrum reicht von bayerischen bzw. süddeutschen Hof-, Adels- und Ordensangelegenheiten über militärische, wirtschaftliche und juristische Fragen bis hin zu Kunst, Kultur, Kirchen- und Vereinswesen in Bayern und Süddeutschland. Besonders dicht ist die Überlieferung während der Weltkriegs- und Nachkriegszeit, als Kriegswirtschaft, Verwundetenbetreuung, die Versorgung Sachsens mit bayerischen Lebensmitteln und die politisch-wirtschaftlichen Krisen der Nachkriegszeit hohe Anforderungen an die Tätigkeit der sächsischen Gesandtschaft München stellten. Nicht zuletzt enthält der Bestand auch Unterlagen über das alltägliche Leben der Gesandten und Gesandtschaftsmitarbeiter und eröffnet detaillierte Einblicke in die Funktionsweise einer innerdeutschen Gesandtschaft.

Jörg Ludwig
Januar 2019
  • 2019 | Elektronisches Findmittel
  • 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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