Beständeübersicht
Bestand
11021 Oberappellationsgericht Dresden
Datierung | 1835 - 1880 |
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Benutzung im | Hauptstaatsarchiv Dresden |
Umfang (nur lfm) | 41,75 |
1. Behördengeschichte
Die Neuorganisation des Gerichtswesens stellte ein Resultat der Entstehung eines bürgerlichen Verfassungsstaates in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in Sachsen dar. Nachdem im Jahre 1831 die Bildung der sechs Fachministerien erfolgt war, konnten anschließend die nachgeordneten Organe eingerichtet werden. Am 1. Mai 1835 wurde für die Rechtsprechung das Oberappellationsgericht (im folgenden OAG) als höchste Instanz des gesamten Landes Sachsen gebildet[01] . Es trat die Nachfolge für mehrere feudale Gerichte (Landesjustizkollegium, kursächsisches Appellationsgericht, Oberamtsregierung als Justizbehörde und Schöppenstuhl in Leipzig) an und war wie das gleichzeitig aufgelöste kursächsische Appellationsgericht im Hinterhaus des Kanzleihauses auf der Großen Meißner Gasse in Dresden untergebracht. Für alle Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten bildete es die höchste (dritte und vierte) Instanz. Jedoch stand es wie alle anderen Gerichte der Zeit unter der Oberaufsicht des Ministeriums der Justiz[02] .
Als dem OAG nachgeordnete Gerichte fungierten in zweiter Instanz die vier Appellationsgerichte in Dresden, Bautzen, Leipzig und Zwickau sowie in erster Instanz die zunächst aus der Feudalzeit übernommenen Ämter und Patrimonialgerichte bzw. seit 1856 die neu eingerichteten Gerichtsämter. Damit konnte seit dem Jahre 1835 in der sächsischen Gerichtsverfassung ein fester Instanzenzug wirksam werden, der von der Mehrzahl der rechtsuchenden eingehalten werden musste, denn privilegierte Gerichtsstände waren weitestgehend aufgehoben worden[03] . Das im Gegensatz zu dem bisherigen Gerichtsbrauch stehende neue territoriale Prinzip erforderte, dass … "als erste Instanz bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich das für den Wohnort zuständige Untergericht wirksam wurde"[04] . Neben der Festlegung eines Instanzenzuges stellte auch die Aufstellung eines fest umrissenen Geschäftskreises für die Obergerichte eine Neuerung in der Gerichtsverfassung seit 1835 dar.
Die sachliche Zuständigkeit des OAG beruhte auf gesetzlicher Grundlage[05] , und sie umfasste vor allem folgende allgemeine und spezielle Aufgaben[06]
* Schiedsgericht im Deutschen Bund
* Erstellung von Gutachten über Gesetzgebungsgegenstände für das Ministerium der Justiz
* Entscheidungen bei Ablösungen und Gemeinheitsteilungen unter Hinzuziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen aus der Generalkommission
* Entscheidungen in Ehesachen bei evangelischer Konfession in zweiter Instanz unter Zuziehung von Geistlichen, bei katholischer Konfession in erster Instanz gegen Urteile des Vikariatsgerichts
* Entscheidungen in Bergsachen (bis 1856)
* Entscheidungen in beim Oberkriegsgericht anhängigen Zivil- und Kriminalsachen unter Hinzuziehung des Generalauditeurs
* Entscheidungen in Handelssachen
* Entscheidungen in Strafsachen.
Darüber hinaus hatte das OAG das Recht, mit Genehmigung des Ministeriums der Justiz im Gesetz- und Verordnungsblatt Rechtssätze zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlichen zu lassen[07] . Die freiwillige Gerichtsbarkeit übte das OAG nur für die bei ihm selbst verhandelten Rechtssachen aus.
Sollte das OAG in dritter Instanz wirksam werden, so durften keine Bagatellsachen vorliegen, sondern es musste ein Mindeststreitwert von 50 bzw. 200 Talern bei den Zivilangelegenheiten und eine Mindeststrafe von acht Wochen Gefängnis bei Strafangelegenheiten gegeben sein.
Die innere Organisation des OAG regelte zusätzlich zum Gesetz die Instruktion des Justizministeriums vom 15. April 1835[08] . Danach gliederte man das OAG in drei Senate. Die genannten Arbeitsaufgaben wurden jedoch teils in Senaten und teils in voller Sitzung (in pleno) verhandelt, die Arbeitsweise war sowohl büromäßig als auch kollegialisch. Im Plenum kamen vor allem Gesetzgebungs- und Verfassungsdinge sowie wichtige Anordnungen des Justizministeriums zur Sprache[09] . Der Erste Senat bearbeitete die Kriminalangelegenheiten in zwei Subsenaten. Der Zweite Senat entschied die Zivilangelegenheiten einschließlich der Ehe- und Bergsachen. Er arbeitete wegen ständiger Geschäftsüberlastung seit 1875 in drei Unterabteilungen. Der Dritte Senat bestand zum ersten als sogenannter Extrajudicialsenat, der sich aus drei Mitgliedern zusammensetzte und vor allem über Appellationen gegen das Verfahren entschied. Zum anderen bestand er als sogenannter Läuterungssenat, der durch Zuziehung weiterer Mitglieder aus den beiden anderen Senaten mit sieben Räten arbeitete und die Erkenntnisse über Läuterungen (nochmalige Prüfungen) und Appellationen (Berufungen gegen Urteile) des Zweiten Senats abfasste. Hieran wird deutlich, dass auch die Entscheidungen des OAG angefochten werden konnten und es eine vierte gerichtliche Instanz in Sachsen gab, die aber vom OAG (vorwiegend vom Dritten Senat, zum Teil auch vom Plenum) selbst wahrgenommen wurde. Im 19. Jahrhundert war das prozessverfahren noch außerordentlich kompliziert, denn sowohl gegen die Entscheidungen als auch gegen das Verfahren konnte durch den Kläger prozessiert und mit den Rechtsmitteln der Läuterung oder Appellation an dem Obergericht weitergeführt werden.
Die personelle Zusammensetzung des OAG wies eine strenge Hierarchie auf und gliederte sich in einen Präsidenten, zwei Vizepräsidenten, vierzehn bis zwanzig OAG-Räte, vier Sekretäre, vier Registratoren, acht Kanzlisten, drei Boten und einen Fiskal (Anwalt der Staatskasse). Die Ernennung des Präsidenten und der Räte erfolgte durch den König, die des Kanzleipersonals durch das Ministerium der Justiz. Den Ersten und Zweiten Senat leitete je ein Spezialdirigent (Vizepräsident), dem sechs bzw. sieben Räte beigegeben waren. Im Dritten Senat wurden die Erkenntnisse unter dem Vorsitz des Präsidenten abgefasst. Dem Präsidenten oblagen darüber hinaus der Vorsitz im Plenum, die Verteilung der Pleni-Aufgaben unter den Räten und die Beaufsichtigung der Sitzungen der beiden anderen Senate. Das Amt des Oberappellationsgerichtspräsidenten bekleideten
1835 – 1846 Dr. G. E. Schumann
1846 – 1868 Dr. F. A. von Langenn
1868 – 1872 Dr. C. Sickel
1873 – 1879 A. von Weber (war bis 1889 noch Oberlandesgerichtspräsident)
Dr. von Langenn und Dr. Sickel hatten große Verdienste bei der Herausgabe der Annalen des Oberappellationsgerichts Dresden[10] .
Ein Reglement legte die Rechte und Pflichten der Mitglieder des OAG fest. Rang- und Titelverleihungen für die höheren Räte, festes Gehalt und Aufrücken in den Gehaltsklassen, Freistellungen für die Bearbeitung weitläufiger Rechtsfälle einerseits sowie Beschränkungen in der privaten Sphäre andererseits durch Verbote zur Erstellung von privaten Gutachten, der Übernahme von Vormundschaften und zum Verreisen (nur mit Genehmigung des Königs für den Präsidenten und die Vizepräsidenten) kennzeichneten die Richter in der damaligen Zeit[11] .
Außer ihrer Tätigkeit am OAG hatten die Räte wichtige Nebenämter in staatlichen Behörden oder anderen Gerichten zu bekleiden, in die sie durch Gesetze, Anordnungen und Genehmigung des Königs kamen und in denen sie öffentlich wirksam wurden. Diese Nebenfunktionen erstreckten sich unter anderem auf:
* die Kommission für Entscheidung über Kompetenzzweifel zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden, in der der OAG-Präsident den Vorsitz hatte und drei OAG-Räte mitwirkten
* die Prüfungskommission für die Probeschriften wegen Zulassung zur juristischen Praxis (vier OAG-Räte)
* das Ministerium des Innern (ein OAG-Rat)
* das Ministerium der Finanzen (ein OAG-Rat)
* das Ministerium des Kultus (ein OAG-Rat)
* das Ministerium des Kriegs (ein OAG-Rat)
* das Oberkriegsgericht (zwei OAG-Räte)
* das Vikariatsgericht (zwei OAG-Räte)
* den Staatsrat (OAG-Präsident)[12] .
Mit den Ergebnissen um die Kodifizierung des sächsischen Strafrechts traten einige Veränderungen in der Gerichtsverfassung ein, die auf das OAG Auswirkungen hatten. Die wichtigste bildete die Einrichtung der Staatsanwaltschaft (später Generalstaatsanwaltschaft) beim OAG durch die am 1. Oktober 1856 in Kraft getretene Strafprozessordnung vom 13. August 1855[13] .
Die Zusammenarbeit zwischen OAG und Staatsanwaltschaft war zunächst sehr locker, Staatsanwälte wurden zu gewissen Verhandlungsterminen hinzugezogen. Seit dem Gesetz über die Abkürzung und Vereinfachung des bürgerlichen Prozessverfahrens aus dem Jahr 1861 wurde die Teilnahme der Staatsanwaltschaft präzisiert und der Staatsanwalt durfte "nicht nur den Beratungen sondern auch den Beschlussfassungen des Gerichtshofes beiwohnen"[14] . Die revidierte Strafprozessordnung vom 1. Oktober 1868 brachte hierin keine Änderung.
Seit etwa 1870 minderten Bundes- und Reichseinrichtungen die Kompetenz des OAG beträchtlich und kündigten sein Ende als höchstes territorialstaatliches Gericht Sachsens an. So nahm am 5. August 1870 das Bundesoberhandelsgericht in Leipzig als oberster Gerichtshof für den Norddeutschen Bund in Handelssachen seine Tätigkeit auf, womit dem OAG ein Teil seiner Zuständigkeit verloren ging. Am 2. September 1871 erfolgte die Ausdehnung der Geschäfte auf das gesamte neu gegründete reich unter der Bezeichnung Reichsoberhandelsgericht.
Ferner fand im Jahr 1874 die Aufhebung der vom OAG ausgeübten vierten Gerichtsinstanz statt, indem es gesetzlich für unzulässig erklärt wurde, gegen Erkenntnisse der dritten Instanz Berufung oder Läuterung einzulegen[15] . Damit waren die Voraussetzungen für den Dreiinstanzenzug im Landesrecht geebnet, über dem später als vierte Instanz das Reichsgericht wirksam werden sollte. Durch das Gesetz vom 1. März 1879 wurde das OAG per 30. September 1879 schließlich aufgehoben und – wie in allen Ländern des Deutschen Reichs – ein Oberlandesgericht eingerichtet, das seinen Sitz in Dresden hatte[16] , so war es in der Reichsgerichtsverfassung aus dem Jahr 1877 bereits angekündigt worden.
2. Bestandsgeschichte
Die Akten des OAG wurden 1879 von seiner Nachfolgeinstitution Oberlandesgericht übernommen und sind von dort teils mit dem Archivgut des kursächsischen Appellationsgerichts und anderen Gerichtsakten, teils separat an das damalige Hauptstaatsarchiv Dresden übergeben worden. Die erste Aktenübernahme von Bestandteilen erfolgte am 13. Dezember 1919[17] , die zweite am 22. Mai 1929 mit dem "Aktenkraftwagen des Ministeriums des Innern"[18] und die letzte große am 13. Februar 1931, die den wichtigen Bestandteil der "Verfassungsakten" des OAG enthielt[19] . Weitere große Aktenzugänge konnten anhand der Geschäftsakten des Staatsarchivs nicht ermittelt werden. Über das übernommene Archivgut des Bestands scheint Anfang der dreißiger Jahre unter Leitung des Oberarchivrats Dr. Naumann ein zusammenfassendes Aktenverzeichnis angefertigt worden zu sein, das durch den Mangel an einer Einleitung und das Weglassen jeglicher Sachgruppenbildung archivwissenschaftlichen Anforderungen nicht genügen konnte, aber dennoch fünfzig Jahre lang als Findhilfs- oder besser Nachweismittel für den Bestand gedient hat[20] .
Im Laufe der Zeit waren durch die Bearbeitung der Bestände der mittleren und höheren Justizbehörden, den Appellationsgerichten, dem Ministerium der Justiz und schließlich dem Oberlandesgericht etwa 5 lfm Akten OAG erwachsen, die dort als Fremdprovenienzen ausgesondert worden waren und bei der Neuerschließung in den Bestand eingearbeitet werden mussten. Da diese Bestandszugänge zum Teil sehr wertvolles Material enthielten, wie z.B. die Urteilsserie gegen die an der bürgerlich-demokratischen Revolution beteiligten Demokraten der Jahre 1848/1849, die bisher fehlte, konnten mit diesen Ergänzungen nicht nur die Überlieferungsgeschichte des Bestands OAG, sondern auch seine Aussagekraft hinsichtlich wesentlicher Zeitereignisse bedeutend erhöht werden.
Die Bearbeitung des Bestands einschließlich der Arbeitsgänge Erschließung, Register und Findbucheinleitung wurde von Kollegin I. Grohmann durchgeführt.
3. Bestandserschließung
3.1. Bewertung und Kassation
Aufgrund der geschilderten hohen Stellung des OAG im bürgerlichen sächsischen Staat des 19. Jahrhunderts und seiner Funktionen und Aufgaben im gesellschaftlichen Leben der Zeit ergibt sich, dass auch der Wert des aus seiner Tätigkeit entstandenen Schriftguts nicht gering sein kann. Das heute überlieferte Archivgut bietet ein Abbild über die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung Sachsens in diesem Zeitabschnitt unter spezifisch juristischen Aspekten.
Der etwa 31 lfm Archivgut umfassende bestand wies drei größere Teile von etwa je 10 lfm auf:
* den Verfassungsakten, die grundsätzliche Sachbetreffe aus dem Justizwesen des 19. Jahrhunderts und die internen Angelegenheiten des OAG enthielten
* den Prozessakten, die vor allem zivile Streitigkeiten differenzierter sozialer Bevölkerungsschichten und des Fiskus dokumentierten und die anfänglich im Zusammenhang mit der Aufhebung feudaler Bindungen und später mit der Entfaltung des Kapitalismus der freien Konkurrenz standen
* den Urteilsbänden, die die Entscheidung des OAG in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten enthalten und in komprimierter Form ähnlichen sachlichen Inhalt besitzen wie die Prozessakten.
Da die Urteilsbände im Gegensatz zu den erstgenannten Verfassungs- und Prozessakten eine schwer zu benutzende Aktengruppe darstelle, folgen einige notwendige Erklärungen zu ihrer Spezifik.
Innerhalb dieser Aktenbände liegen die Urteile des OAG eines Monats oder halben Jahres in willkürlicher Folge aneinandergereiht. Die prozessführenden Parteien sind über Namenverzeichnisse in den Akteneinheiten bzw. über gesonderte Registranden mühelos ersichtlich. Die Streitgegenstände jedoch müssen aus den stets beigefügten Entscheidungsgründen ermittelt werden. Diese Ermittlungen werden erschwert durch das Juristendeutsch der Zeit und das Fehlen von Beweisakten, die nach Abschluss der Angelegenheit an die Untergerichte zurückgesandt worden und nicht mehr beim OAG zugänglich sind. In den Urteilsbänden werden neben vor- und nachbereitenden Schriftstücken aus dem Instanzenweg nur die Konzepte der Urteile und Entscheidungsgründe überliefert, die Originale befinden sich in den Unterlagen der lokalen Gerichte.
Bei der Bestandsbearbeitung konnte die Kassationsrate niedrig gehalten werden. Lücken in der Überlieferung oder nicht mehr nachweisbare vorarchivische Kassationen scheinen für eine ansprechende Dokumentation gesorgt zu haben, so dass lediglich 4,20 lfm Archivgut makuliert werden mussten. Die Kassationen betrafen in besonderem Maße Duplikate, die vor allem für die Rechtssätze (verbindliche Rechtsnormen für Einzelfälle eines Senats) und die Thesen (für die einzelnen Senate verbindliche Beschlüsse des Plenums) überliefert waren, da ursprünglich jedem OAG-Rat diese gleichlautenden und verbindlichen Rechtsnormen für seine Arbeitsaufgaben vorgelegen hatten. Ausgesondert wurden ferner einige Prozessakten über Wegedifferenzen wegen ihres unbedeutenden Streitgegenstandes.
Akten der seit 1856 dem OAG angeschlossenen Staatsanwaltschaft bzw. Generalstaatsanwaltschaft sind im Bestand nicht überliefert.
3.2. Verzeichnung
Entsprechend dem historischen Wert des Archivguts kamen sowohl die einfache als auch die erweiterte Verzeichnungsmethode zur Anwendung. Die erweiterte Verzeichnung erfolgte prinzipiell bei wichtigen politischen Zeitereignissen, bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kunst und besonderen Archivaliengattungen wie Broschüren, Zeitungen und Siegeln.
Die große Gruppe der Zivilprozessakten konnte im Wesentlichen mit der einfachen Verzeichnungsmethode abgedeckt werden. Es ist dabei angestrebt worden, den Titel der Akteneinheit, der ursprünglich nur die Namen des Klägers und Beklagten enthielt, zu ergänzen, indem die soziale Stellung beider, der Wohnort und vor allem der Prozessgegenstand in den neuen Aktentitel aufgenommen worden sind. Diese inhaltlichen Ergänzungen durch die Verzeichnung gegenüber der Vorgabe aus der Registratur ermöglichen ein weitaus größeres Informationsangebot an den Nutzer als bisher bezüglich sozial-, orts- und justizgeschichtlicher Fragestellungen.
Bei der Bezeichnung der Urteilsbände ist die Aktientitelaussage ebenfalls hinsichtlich Zivil- oder Strafrechtsangelegenheiten und der Monatsangaben ergänzt worden. Die in den Urteilsbänden in willkürlicher Folge und großer Anzahl aufgetretenen unterschiedlichen Streitgegenstände konnten nicht im Einzelnen sondern nur über einen "Gruppen-Enthält-Vermerk" summarisch aufgezählt und damit inhaltlich verdeutlicht werden.
Aufgrund der bestandsspezifischen Situation, die bedingt wird durch die Registraturverhältnisse, die Aussagekraft der überlieferten Aktentitel und der Akteninhalte, sind differenzierte Verzeichnungsmethoden zur Anwendung gekommen.
3.3. Ordnung
Der seit der Übernahme des Bestandes in das damalige Hauptstaatsarchiv bestehende unbefriedigende Ordnungszustand nach dem Bärschen Prinzip und die damit verbundene Strukturlosigkeit mussten durch eine Neuordnung behoben werden. Dazu war es in erster Linie nötig, eine exakte Bestandsabgrenzung zur den Vorgänger- und Nachfolgeeinrichtungen durchzuführen. Alle Akteneinheiten, die vor dem 1. Mai 1835 abschließen, sind den kursächsischen Appellationsgericht und, die nach dem 30. September 1879 enden, dem Oberlandesgericht zugeordnet worden. Im Einzelnen konnten 0,30 lfm kursächsisches Appellationsgericht, 0,70 lfm Oberlandesgericht und 0,20 lfm Appellationsgericht Dresden (ab 1835) als Fremdprovenienzen ausgesondert werden. In die Bestandsbildung einbezogen wurden 5 lfm OAG-Akten, die aus anderen Justizbehörden herausgelöst worden waren. Nach Abschluss der Bearbeitung betrug der Gesamtumfang des Bestandes 31 lfm.
Eine Analyse der Registraturverhältnisse ergab, dass den drei Registraturteilen Verfassungsakten, Prozessakten und Urteile abweichende Ordnungsgesichtspunkte zugrunde gelegt worden waren
* Die Verfassungsakten waren nach dem Hauptschlagwort des Aktentitels litteriert und eine laufende Nummer schloss sich als untergeordnetes Element an. Diese Registraturordnung war völlig durcheinander geraten.
* Die Prozessakten waren nicht nach Prozessgegenständen sondern nach zwei miteinander kombinierten Zahlen unterteilt, wobei die erste Zahl ständige Wiederholungen aufwies. Es kann vermutet werden, dass dieser Numerus-currens-Registratur ursprünglich eine Lokateinteilung und deren innere Folge zugrunde gelegen hat. Auch diese Ordnung war "aus der Reihe" geraten.
* Die Urteilsbände besaßen weder eine Litterierung noch eine Nummerierung, sondern lediglich eine chronologische Reihung, die im Wesentlichen erhalten geblieben war.
Eine Rekonstruktion der differenzierten Registraturordnung wäre sehr aufwendig gewesen und hätte überdies kein einheitlich überschaubares und sinnvolles Ergebnis erbracht. Daher erfolgte die Neuordnung des Gesamtbestandes in Anlehnung an die innere Struktur des OAG. Das neu erarbeitete Ordnungsschema symbolisiert über Hauptgruppen, Gruppen und z. T. Untergruppen das Aktenmaterial mehrstufig und lässt Funktionen und Aufgaben des OAG deutlich werden.
* In der Hauptgruppe 1 sind die ursprünglichen "Verfassungsakten" enthalten, die das OAG selbst betreffen und seine Organisation sowie das Gerichtsverfahren in der damaligen Zeit dokumentieren.
* Die Hauptgruppe 2 beinhaltet das Strafrecht, soweit es vom Ersten Senat wahrgenommen worden ist.
* Die Hauptgruppe 3 dokumentiert das vom Zweiten Senat bearbeitete Zivilrecht. Da in diesem Bereich der Schwerpunkt des Bestandes liegt, musste eine detaillierte Untergliederung vorgenommen werden. Die Zivilprozessakten sind nach dem rechtlichen und sozialen Status der prozessführenden Parteien strukturiert, jedoch nicht zusätzlich nach den Prozessgegenständen. Diese können über das Register zum Bestand mühelos ermittelt werden.
* Die Hauptgruppe 4 enthält die gering überlieferten Dokumente des Dritten Senats in seinen drei Varianten und vor allem Revisionsurteile der vierten Instanz.
* Die Hauptgruppe 5 beinhaltet wichtige Sachverhalte, die im Plenum verhandelt worden sind.
4. Auswertungsmöglichkeiten
Die im Archivgut des Bestandes widergespiegelten Tatsachen und Prozesse vermitteln – entsprechend der Funktion des OAG als höchstes sächsisches Gericht in dem bürgerlichen Territorialstaat und der Aufgabenstellung – ein historisch-klassenmäßig bedingtes Abbild des Geschichtsprozesses. Es sind Quellen aus dem Bereich des Rechts, die unter diesem Kennzeichen gesellschaftspolitische Entwicklungslinien in Sachsen reflektieren. Die Dokumente belegen darüber hinaus die nationale Situation in den verschiedenen historischen Phasen und informieren sowohl über die politisch-staatliche Zersplitterung Deutschlands als auch über die Versuche zu ihrer Überwindung 1848/49 und der Schaffung des bürgerlichen Nationalstaats im Jahr 1871.
Aufgrund der Aktenüberlieferungen kristallisieren sich drei größere Sachkomplexe heraus, zu deren Aussage- und Nutzungsmöglichkeiten sich einige Hinweise anschließen.
4.1. Zur sächsischen Geschichte
Hierzu wird umfangreiches Quellenmaterial aus der Wirtschaft, der sozialen Entwicklung, der Politik und der Personengeschichte archiviert, so dass gute Nutzungsmöglichkeiten für diese Teilgebiete unter regional- und ortsgeschichtlichen Aspekten bestehen.
Die große Gruppe der Zivilprozessakten, die etwa ¼ der Bestandsüberlieferung beinhaltet, dokumentiert beispielsweise anhand der verschiedenartigsten individuellen Streitfälle die Auflösung der feudalen Bindungen auf dem Land. Dabei werden die Klassenauseinandersetzungen zwischen Grundherrschaft einerseits und bäuerlicher Bevölkerung andererseits vor bzw. im Zusammenhang mit den Ablösungen bis etwa Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts deutlich, denn so lange schleppten sich die Prozesse bis in die höchste Instanz hin. Differenzen um Frondienste, Hutungsansprüche, Holzbefugnisse, Mahlzwänge und Lehngelder entstanden kurz vor ihrer Ablösung bzw. im Zusammenhang mit ihrer Ablösung neu, als bei der exakten Fixierung Gewohnheitsrecht und maximale Ansprüche aufeinander stießen. In den historischen Quellen werden daher detaillierte Angaben über Dienste und Abgaben der bäuerlichen Schichten und der Gewerbetreibenden auf dem Land aus allen Teilen Sachsens ebenso überliefert wie die differenzierten Strukturen der Dorfbevölkerung selbst. Prozesse sozial besser gestellter gegen schlechter gestellte Dorfbewohner bildeten keine Seltenheit, auch wenn die der vereinigten bäuerlichen Bevölkerung eines Dorfs bzw. mehrerer Dörfer gegen ihre Grundherrschaft überwogen. In der Überlieferung dominierend sind allerdings die zivilen Streitigkeiten, in denen der Fiskus als Grundbesitzer und die Grundherrschaften gegen ihre Untertanen prozessierten, sie umfassen mehr als die Hälfte aller Prozessakten.
Neben den sozialen Spannungen, die aus dem feudalen Auflösungsprozess in den dreißiger bis vierziger Jahren resultierten, werden auch politische Spannungen in dem Quellengut des Bestandes deutlich.
Das politisch herausragende Ereignis in der Zeit des Bestehend des OAG bildete die bürgerlich-demokratische Revolution der Jahre 1848/49. Sie ist vor allem bezüglich folgender Tatsachen überliefert:
* Bestrafung von "Pressevergehen" allzu freiheitlich gesinnter Redakteure
* Entlassung der am Aufstand in Baden beteiligten sächsischen Untertanen aus der Haft in der Festung Rastatt
* Urteile des OAG gegen an den Unruhen in Dresden und anderen Orten Beteiligte aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und –schichten. Ihnen wurden vor allem Hoch- und Landesverrat, Majestätsbeleidigung und auch Angriffe auf staatliches und privates Eigentum vorgeworfen. Diese von der Geschichtswissenschaft bisher kaum genutzten Quellen erlauben Rückschlüsse auf die Konflikte in der Revolution und das widersprüchliche Verhalten der beteiligten entsprechend ihrer spezifischen Situation.
In den in der Periode der politischen Reaktion nach 1850 aufgetretenen Prozessen und gerichtlichen Entscheidungen dominierten Konkurs-, Testaments-, Ehe- und Erbschaftsauseinandersetzungen sowie Wechselklagen, d. h. es wurden privatrechtliche, den entfalteten kapitalistischen Produktionsverhältnissen entsprechende Prozesse geführt. Quellen über das Anwachsen der Sozialdemokratie und Klassenauseinandersetzungen in den sechziger und siebziger Jahren sind nicht im Bestand enthalten.
Weiterhin können Details aus dem Leben einiger für die sächsische Geschichte bedeutender Persönlichkeiten aktenkundig belegt werden. Dies betrifft beispielsweise besoldungsfragen der Minister Oberländer, Braun, von der Pfordten und Georgi, den Nachlass des Grafen Moszinsky und das Testament des ersten sächsischen Innenministers bzw. Vorsitzenden des Gesamtministeriums Bernhard von Lindenau. Dieser verdienstvolle Staatsmann und Kunstmäzen errichtete 1854 in seinem Testament die von Lindenau-Zachsche-Stiftung für das Herzoglich Sachsen-Altenburgische Land und legte dazu u. a. fest, dass Streitigkeiten … "durch das königlich sächsische Oberappellationsgericht zu Dresden schiedsrichterlich in erster und letzter Instanz entschieden werden möchten"[21] . Das OAG brauchte diesbezüglich nicht einzugreifen.
4.2. Zur Geschichte der Justiz
Zur Geschichte der Justiz im 19. Jahrhundert ist naturgemäß umfangreiches Quellenmaterial überliefert, denn der Bestandsbildner stellte eine Institution aus der Rechtssphäre dar. Die sächsische Justizverfassung wird in ihren Phasen Neuorganisation, innere Entwicklung in den Folgejahren und Überwindung durch die Reichsgerichtsverfassung widergespiegelt. Ein den bürgerlichen Rechtsvorstellungen entsprechendes Organisationssystem wurde in den Jahren 1831 – 1835 ausgearbeitet, das seine theoretischen Wurzeln bei Montesquieu und seine praktische Verwirklichung bereits in Frankreich, in den Rheinbundstaaten und in einzelnen Staaten des Deutschen Bundes erfahren hatte[22] .
Für das Land Sachsen bedeuteten die nach 1831 einsetzende Trennung der Justiz- und Verwaltungsbehörden in der zentralen und regionalen Ebene, die Etablierung der Gerichte als "selbständige Organe des Staates zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Rechtsordnung durch Rechtsprechung"[23] . Der feste Instanzenweg bei den Gerichtsbehörden, die Ausübung der richterlichen Tätigkeit durch mit festem Gehalt versehene, studierte Richter und anderes mehr fundamentale Neuerungen gegenüber der bisherigen feudalen Gerichtsorganisation[24] .
Die Gerechtigkeitspflege der damaligen Zeit kann durch gesetzliche Regelungen und den Gerichtsbrauch selbst nachgewiesen werden[25] . Der vom bürgerlichen recht geforderte Grundsatz der Gleichheit wurde – wie bereits erwähnt – weiterhin mit Ausnahmen praktiziert. Die aus lehnsrechtlichen Verhältnissen resultierenden privilegierten Gerichtsstände blieben weiterhin unter anderem für den König und die königliche Familie, den Fiskus, das Domkapitel Meißen und die Mitglieder des Hauses Schönburg bestehen. Somit wirkten feudale Rudimente bis in das 19. Jahrhundert hinein und ließen das proklamierte bürgerliche Prinzip der (Rechts-)Gleichheit nicht voll wirksam werden.
Wichtiges Quellengut ist ferner die über die einzelnen Schritte zur Kodifizierung des sächsischen Rechts bzw. das des Norddeutschen Bundes und das des Reiches überliefert, da die Mitglieder des OAG in den ausarbeitenden und begutachtenden Kommissionen tätig waren. Das mit sächsischen historischen Besonderheiten und Traditionen behaftete recht musste stets den sich verändernden ökonomischen Verhältnissen des Kapitalismus angepasst und damit vervollkommnet werden.
Es wurde zunehmend darauf orientiert, kapitalistische Produktions- und Lebensverhältnisse zu regulieren, d. h. in erster Linie das Privateigentum in all seinen Formen zu schützen und in zweiter Linie die Klassenverhältnisse im bürgerlichen Sinne zu festigen, was auch durch die Unterdrückung des Widerstandes "von unten" erfolgte.
Auf eine rechtsgeschichtliche Besonderheit soll abschließend noch hingewiesen werden, die sich aus der Mitgliedschaft Sachsens im Deutschen Bund ergab. Nach der Deutschen Bundesakte[26] war kein oberstes Bundesgericht für alle Bundesstaaten vorgesehen, sondern das oberste Gericht eines unbeteiligten Bundesstaates fungierte bei Streitigkeiten zwischen den Bundesländern als Schiedsgericht oder Austrägalinstanz (Austrageinstanz). Die Übernahme eines solchen Auftrags und der Gehorsam gegen die Entscheidung des Austrägalgerichts galten als Bundespflicht. Im Zeitraum von 1844 bis 1870 übte das OAG in einigen Austrägalsachen schiedsrichterliche Funktion aus. Folglich sind Unterlagen über diese Tätigkeit und über preußische, nassauische und sachsen-weimarische Angelegenheiten im Bestand archiviert, besonders umfangreich der Domänenstreit in Sachsen-Meiningen.
4.3. Zur Geschichte des OAG
Zahlreiche Dokumente vermitteln außerordentlich konkrete Einblicke in die Arbeitsorganisation, die Arbeitsweise, die personelle Zusammensetzung und räumliche Unterbringung des OAG selbst. Ferner lassen vergleichende Aufstellungen über Stellenbesetzung und Arbeitslast mit anderen deutschen obersten Gerichten der Zeit deutlich werden, dass das OAG das am meisten mit Arbeit belastete Obergericht im Deutschen Bund darstelle[27] .
Von Bedeutung sind außerdem die Quellen, die die Einordnung des OAG in das damalige Staatsgefüge verdeutlichen. Sie dokumentieren das Recht zur Veröffentlichung von Rechtssätzen, die Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Justiz und mit den nachgeordneten Mittel- und Untergerichten sowie die offizielle Mitarbeit einzelner OAG-Räte in anderen Gremien und Behörden. Für dieses Tätigkeitsfeld müssten ergänzend Unterlagen anderer archivalischer Bestände wie Ministerium der Justiz, Appellationsgerichte und lokale Gerichte sowie das gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen und das Staatshandbuch herangezogen werden.
Verallgemeinernd lässt sich das OAG als ein Bestandteil des Überbaus im bürgerlichen Territorialstaat Sachsen charakterisieren, das die oberste Spruchbehörde zwischen 1835 und 1879 darstellte und zur Konsolidierung des Kapitalismus beugetragen hat. Innere und äußere staatliche und wirtschaftliche Faktoren, wie die Entwicklung kapitalistischer Produktionsverhältnisse in der sächsischen Industrie und Landwirtschaft sowie die zunehmend gesamtnationalen Bestrebungen in Deutschland haben Einfluss auf seine Funktion und sein Tätigkeitsfeld genommen. Nachdem es zunächst als antifeudales Gericht des bürgerlichen Verfassungsstaats gebildet worden war und auf höchster regionalstaatlicher Ebene und mit Bundeskompetenz gewirkt hatte, verlor es mit der Bildung des deutschen bürgerlichen Nationalstaats 1871 und der daraus resultierenden Gerichtsverfassung des Deutschen Reichs nicht nur seinen hohen Status, sondern gleichzeitig auch seine Existenzberechtigung. Es wurde durch das den entfalteteren kapitalistischen Produktionsverhältnissen adäquatere Oberlandesgericht abgelöst, über dem das Reichsgericht als vierte Instanz stand.
Das OAG war ein Gericht in der Zeit des Übergangs und das Quellengut des Bestands spiegelt das Auslaufen feudaler und die Entfaltung bürgerlich-kapitalistischer Produktions- und Lebensverhältnisse in Sachsen in reichem Maße wider.
gez. Ingrid Grohmann
Retrokonversion
Das Findmittel des Bestandes ist 2016 durch Dr. Mathias Ullmann für eine Überführung in das Archivprogramm Augias abgeschrieben worden. Die bisherige Klassifikation wurde dabei geringfügig geändert. Gefördert wurde die Überführung des analogen Findmittels in ein digitales aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
[01] B-Gesetz, die höheren Justizbehörden und den Instanzenzug in Justizsachen betr. Vom 28. Jan. 1835, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Dresden 1835, S. 62 und Ausführungsverordnung vom 28. März 1835, ebenda, S. 213.
[02] B-Gesetz, die höheren Justizbehörden …, ebenda, S. 62 und Gerhard Schmidt, Die Staatsform in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Weimar 1966, S. 213f.
[03] C-Gesetz über privilegierte Gerichtsstände und einige damit zusammenhängende Gegenstände vom 28. Jan. 1835, in: ebenda, S. 75 – 87.
[04] Karlheinz Blaschke, Das kursächsische Appellationsgericht 1559 – 1835 und sein Archiv, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Weimar 1967, S. 345.
[05] A-Gesetz über Kompetenzverhältnisse zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden vom 28. Jan. 1835, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, S. 55 – 61.
[06] B-Gesetz, die höheren Justizbehörden …, S. 64ff und Karl Magnus Pöschmann, Das königlich sächsische Oberappellationsgericht. Ein Vorwort zu dessen Annalen, in: Annalen des königlich sächsischen Oberappellationsgerichtes, hrsg von A. v. Langenn, C. Sickel und K. M. Pöschmann, Leipzig 1860, Bd. 1, S. 1 – 7.
[07] ebenda, S. 8.
[08] Oberappellationsgericht (folgend OAG) Nr. 1.
[09] Adolf Lobe, Ursprung und Entwicklung der höchsten sächsischen Gerichte, Leipzig 1905, S. 108.
[10] Vgl. Anmerkung 6 (Annalen).
[11] A. Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 106 – 107.
[12] Pöschmann, Das königlich sächsische …, S. 12f.
[13] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1855, S. 319ff und 1856, S. 242.
[14] Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 119.
[15] Gesetz, einige prozessrechtliche Bestimmungen betreffend, vom 19. Februar 1874, in: Gesetz- und Verordnungsblatt …, 1874, S. 14.
[16] Gesetz, Bestimmungen zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 und über die Zuständigkeit der Gerichte in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit enthaltend, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1879, S. 59.
[17] Geschäftsakten des Hauptstaatsarchivs Dresden, Kap. III, Nr. 3, Vol. VII, S. 195.
[18] ebenda, Vol. X, S. 200 – 201.
[19] ebenda, Vol. XI, S. 2.
[20] OAG, Nr. 872.
[21] OAG, Nr. 694, S. 1 und Pöschmann, Das königliche sächsische …, S. 9.
[22] Richard Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Leipzig 1898, S. 864 und Hans Fehr, Deutsche Rechtsgeschichte, Berlin 1948, S. 240f.
[23] Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 105.
[24] Vgl. zur kursächsischen Gerichtsverfassung Blaschke, Das kursächsische Appellationsgericht …, S. 330ff.
[25] Staatshandbuch für das Königreich Sachsen, 1841, S. XXVII.
[26] Vgl. Schröder, Lehrbuch …, S. 862.
[27] Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 116.
Die Neuorganisation des Gerichtswesens stellte ein Resultat der Entstehung eines bürgerlichen Verfassungsstaates in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts in Sachsen dar. Nachdem im Jahre 1831 die Bildung der sechs Fachministerien erfolgt war, konnten anschließend die nachgeordneten Organe eingerichtet werden. Am 1. Mai 1835 wurde für die Rechtsprechung das Oberappellationsgericht (im folgenden OAG) als höchste Instanz des gesamten Landes Sachsen gebildet[01] . Es trat die Nachfolge für mehrere feudale Gerichte (Landesjustizkollegium, kursächsisches Appellationsgericht, Oberamtsregierung als Justizbehörde und Schöppenstuhl in Leipzig) an und war wie das gleichzeitig aufgelöste kursächsische Appellationsgericht im Hinterhaus des Kanzleihauses auf der Großen Meißner Gasse in Dresden untergebracht. Für alle Zivil- und Strafrechtsangelegenheiten bildete es die höchste (dritte und vierte) Instanz. Jedoch stand es wie alle anderen Gerichte der Zeit unter der Oberaufsicht des Ministeriums der Justiz[02] .
Als dem OAG nachgeordnete Gerichte fungierten in zweiter Instanz die vier Appellationsgerichte in Dresden, Bautzen, Leipzig und Zwickau sowie in erster Instanz die zunächst aus der Feudalzeit übernommenen Ämter und Patrimonialgerichte bzw. seit 1856 die neu eingerichteten Gerichtsämter. Damit konnte seit dem Jahre 1835 in der sächsischen Gerichtsverfassung ein fester Instanzenzug wirksam werden, der von der Mehrzahl der rechtsuchenden eingehalten werden musste, denn privilegierte Gerichtsstände waren weitestgehend aufgehoben worden[03] . Das im Gegensatz zu dem bisherigen Gerichtsbrauch stehende neue territoriale Prinzip erforderte, dass … "als erste Instanz bis auf wenige Ausnahmen grundsätzlich das für den Wohnort zuständige Untergericht wirksam wurde"[04] . Neben der Festlegung eines Instanzenzuges stellte auch die Aufstellung eines fest umrissenen Geschäftskreises für die Obergerichte eine Neuerung in der Gerichtsverfassung seit 1835 dar.
Die sachliche Zuständigkeit des OAG beruhte auf gesetzlicher Grundlage[05] , und sie umfasste vor allem folgende allgemeine und spezielle Aufgaben[06]
* Schiedsgericht im Deutschen Bund
* Erstellung von Gutachten über Gesetzgebungsgegenstände für das Ministerium der Justiz
* Entscheidungen bei Ablösungen und Gemeinheitsteilungen unter Hinzuziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen aus der Generalkommission
* Entscheidungen in Ehesachen bei evangelischer Konfession in zweiter Instanz unter Zuziehung von Geistlichen, bei katholischer Konfession in erster Instanz gegen Urteile des Vikariatsgerichts
* Entscheidungen in Bergsachen (bis 1856)
* Entscheidungen in beim Oberkriegsgericht anhängigen Zivil- und Kriminalsachen unter Hinzuziehung des Generalauditeurs
* Entscheidungen in Handelssachen
* Entscheidungen in Strafsachen.
Darüber hinaus hatte das OAG das Recht, mit Genehmigung des Ministeriums der Justiz im Gesetz- und Verordnungsblatt Rechtssätze zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlichen zu lassen[07] . Die freiwillige Gerichtsbarkeit übte das OAG nur für die bei ihm selbst verhandelten Rechtssachen aus.
Sollte das OAG in dritter Instanz wirksam werden, so durften keine Bagatellsachen vorliegen, sondern es musste ein Mindeststreitwert von 50 bzw. 200 Talern bei den Zivilangelegenheiten und eine Mindeststrafe von acht Wochen Gefängnis bei Strafangelegenheiten gegeben sein.
Die innere Organisation des OAG regelte zusätzlich zum Gesetz die Instruktion des Justizministeriums vom 15. April 1835[08] . Danach gliederte man das OAG in drei Senate. Die genannten Arbeitsaufgaben wurden jedoch teils in Senaten und teils in voller Sitzung (in pleno) verhandelt, die Arbeitsweise war sowohl büromäßig als auch kollegialisch. Im Plenum kamen vor allem Gesetzgebungs- und Verfassungsdinge sowie wichtige Anordnungen des Justizministeriums zur Sprache[09] . Der Erste Senat bearbeitete die Kriminalangelegenheiten in zwei Subsenaten. Der Zweite Senat entschied die Zivilangelegenheiten einschließlich der Ehe- und Bergsachen. Er arbeitete wegen ständiger Geschäftsüberlastung seit 1875 in drei Unterabteilungen. Der Dritte Senat bestand zum ersten als sogenannter Extrajudicialsenat, der sich aus drei Mitgliedern zusammensetzte und vor allem über Appellationen gegen das Verfahren entschied. Zum anderen bestand er als sogenannter Läuterungssenat, der durch Zuziehung weiterer Mitglieder aus den beiden anderen Senaten mit sieben Räten arbeitete und die Erkenntnisse über Läuterungen (nochmalige Prüfungen) und Appellationen (Berufungen gegen Urteile) des Zweiten Senats abfasste. Hieran wird deutlich, dass auch die Entscheidungen des OAG angefochten werden konnten und es eine vierte gerichtliche Instanz in Sachsen gab, die aber vom OAG (vorwiegend vom Dritten Senat, zum Teil auch vom Plenum) selbst wahrgenommen wurde. Im 19. Jahrhundert war das prozessverfahren noch außerordentlich kompliziert, denn sowohl gegen die Entscheidungen als auch gegen das Verfahren konnte durch den Kläger prozessiert und mit den Rechtsmitteln der Läuterung oder Appellation an dem Obergericht weitergeführt werden.
Die personelle Zusammensetzung des OAG wies eine strenge Hierarchie auf und gliederte sich in einen Präsidenten, zwei Vizepräsidenten, vierzehn bis zwanzig OAG-Räte, vier Sekretäre, vier Registratoren, acht Kanzlisten, drei Boten und einen Fiskal (Anwalt der Staatskasse). Die Ernennung des Präsidenten und der Räte erfolgte durch den König, die des Kanzleipersonals durch das Ministerium der Justiz. Den Ersten und Zweiten Senat leitete je ein Spezialdirigent (Vizepräsident), dem sechs bzw. sieben Räte beigegeben waren. Im Dritten Senat wurden die Erkenntnisse unter dem Vorsitz des Präsidenten abgefasst. Dem Präsidenten oblagen darüber hinaus der Vorsitz im Plenum, die Verteilung der Pleni-Aufgaben unter den Räten und die Beaufsichtigung der Sitzungen der beiden anderen Senate. Das Amt des Oberappellationsgerichtspräsidenten bekleideten
1835 – 1846 Dr. G. E. Schumann
1846 – 1868 Dr. F. A. von Langenn
1868 – 1872 Dr. C. Sickel
1873 – 1879 A. von Weber (war bis 1889 noch Oberlandesgerichtspräsident)
Dr. von Langenn und Dr. Sickel hatten große Verdienste bei der Herausgabe der Annalen des Oberappellationsgerichts Dresden[10] .
Ein Reglement legte die Rechte und Pflichten der Mitglieder des OAG fest. Rang- und Titelverleihungen für die höheren Räte, festes Gehalt und Aufrücken in den Gehaltsklassen, Freistellungen für die Bearbeitung weitläufiger Rechtsfälle einerseits sowie Beschränkungen in der privaten Sphäre andererseits durch Verbote zur Erstellung von privaten Gutachten, der Übernahme von Vormundschaften und zum Verreisen (nur mit Genehmigung des Königs für den Präsidenten und die Vizepräsidenten) kennzeichneten die Richter in der damaligen Zeit[11] .
Außer ihrer Tätigkeit am OAG hatten die Räte wichtige Nebenämter in staatlichen Behörden oder anderen Gerichten zu bekleiden, in die sie durch Gesetze, Anordnungen und Genehmigung des Königs kamen und in denen sie öffentlich wirksam wurden. Diese Nebenfunktionen erstreckten sich unter anderem auf:
* die Kommission für Entscheidung über Kompetenzzweifel zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden, in der der OAG-Präsident den Vorsitz hatte und drei OAG-Räte mitwirkten
* die Prüfungskommission für die Probeschriften wegen Zulassung zur juristischen Praxis (vier OAG-Räte)
* das Ministerium des Innern (ein OAG-Rat)
* das Ministerium der Finanzen (ein OAG-Rat)
* das Ministerium des Kultus (ein OAG-Rat)
* das Ministerium des Kriegs (ein OAG-Rat)
* das Oberkriegsgericht (zwei OAG-Räte)
* das Vikariatsgericht (zwei OAG-Räte)
* den Staatsrat (OAG-Präsident)[12] .
Mit den Ergebnissen um die Kodifizierung des sächsischen Strafrechts traten einige Veränderungen in der Gerichtsverfassung ein, die auf das OAG Auswirkungen hatten. Die wichtigste bildete die Einrichtung der Staatsanwaltschaft (später Generalstaatsanwaltschaft) beim OAG durch die am 1. Oktober 1856 in Kraft getretene Strafprozessordnung vom 13. August 1855[13] .
Die Zusammenarbeit zwischen OAG und Staatsanwaltschaft war zunächst sehr locker, Staatsanwälte wurden zu gewissen Verhandlungsterminen hinzugezogen. Seit dem Gesetz über die Abkürzung und Vereinfachung des bürgerlichen Prozessverfahrens aus dem Jahr 1861 wurde die Teilnahme der Staatsanwaltschaft präzisiert und der Staatsanwalt durfte "nicht nur den Beratungen sondern auch den Beschlussfassungen des Gerichtshofes beiwohnen"[14] . Die revidierte Strafprozessordnung vom 1. Oktober 1868 brachte hierin keine Änderung.
Seit etwa 1870 minderten Bundes- und Reichseinrichtungen die Kompetenz des OAG beträchtlich und kündigten sein Ende als höchstes territorialstaatliches Gericht Sachsens an. So nahm am 5. August 1870 das Bundesoberhandelsgericht in Leipzig als oberster Gerichtshof für den Norddeutschen Bund in Handelssachen seine Tätigkeit auf, womit dem OAG ein Teil seiner Zuständigkeit verloren ging. Am 2. September 1871 erfolgte die Ausdehnung der Geschäfte auf das gesamte neu gegründete reich unter der Bezeichnung Reichsoberhandelsgericht.
Ferner fand im Jahr 1874 die Aufhebung der vom OAG ausgeübten vierten Gerichtsinstanz statt, indem es gesetzlich für unzulässig erklärt wurde, gegen Erkenntnisse der dritten Instanz Berufung oder Läuterung einzulegen[15] . Damit waren die Voraussetzungen für den Dreiinstanzenzug im Landesrecht geebnet, über dem später als vierte Instanz das Reichsgericht wirksam werden sollte. Durch das Gesetz vom 1. März 1879 wurde das OAG per 30. September 1879 schließlich aufgehoben und – wie in allen Ländern des Deutschen Reichs – ein Oberlandesgericht eingerichtet, das seinen Sitz in Dresden hatte[16] , so war es in der Reichsgerichtsverfassung aus dem Jahr 1877 bereits angekündigt worden.
2. Bestandsgeschichte
Die Akten des OAG wurden 1879 von seiner Nachfolgeinstitution Oberlandesgericht übernommen und sind von dort teils mit dem Archivgut des kursächsischen Appellationsgerichts und anderen Gerichtsakten, teils separat an das damalige Hauptstaatsarchiv Dresden übergeben worden. Die erste Aktenübernahme von Bestandteilen erfolgte am 13. Dezember 1919[17] , die zweite am 22. Mai 1929 mit dem "Aktenkraftwagen des Ministeriums des Innern"[18] und die letzte große am 13. Februar 1931, die den wichtigen Bestandteil der "Verfassungsakten" des OAG enthielt[19] . Weitere große Aktenzugänge konnten anhand der Geschäftsakten des Staatsarchivs nicht ermittelt werden. Über das übernommene Archivgut des Bestands scheint Anfang der dreißiger Jahre unter Leitung des Oberarchivrats Dr. Naumann ein zusammenfassendes Aktenverzeichnis angefertigt worden zu sein, das durch den Mangel an einer Einleitung und das Weglassen jeglicher Sachgruppenbildung archivwissenschaftlichen Anforderungen nicht genügen konnte, aber dennoch fünfzig Jahre lang als Findhilfs- oder besser Nachweismittel für den Bestand gedient hat[20] .
Im Laufe der Zeit waren durch die Bearbeitung der Bestände der mittleren und höheren Justizbehörden, den Appellationsgerichten, dem Ministerium der Justiz und schließlich dem Oberlandesgericht etwa 5 lfm Akten OAG erwachsen, die dort als Fremdprovenienzen ausgesondert worden waren und bei der Neuerschließung in den Bestand eingearbeitet werden mussten. Da diese Bestandszugänge zum Teil sehr wertvolles Material enthielten, wie z.B. die Urteilsserie gegen die an der bürgerlich-demokratischen Revolution beteiligten Demokraten der Jahre 1848/1849, die bisher fehlte, konnten mit diesen Ergänzungen nicht nur die Überlieferungsgeschichte des Bestands OAG, sondern auch seine Aussagekraft hinsichtlich wesentlicher Zeitereignisse bedeutend erhöht werden.
Die Bearbeitung des Bestands einschließlich der Arbeitsgänge Erschließung, Register und Findbucheinleitung wurde von Kollegin I. Grohmann durchgeführt.
3. Bestandserschließung
3.1. Bewertung und Kassation
Aufgrund der geschilderten hohen Stellung des OAG im bürgerlichen sächsischen Staat des 19. Jahrhunderts und seiner Funktionen und Aufgaben im gesellschaftlichen Leben der Zeit ergibt sich, dass auch der Wert des aus seiner Tätigkeit entstandenen Schriftguts nicht gering sein kann. Das heute überlieferte Archivgut bietet ein Abbild über die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung Sachsens in diesem Zeitabschnitt unter spezifisch juristischen Aspekten.
Der etwa 31 lfm Archivgut umfassende bestand wies drei größere Teile von etwa je 10 lfm auf:
* den Verfassungsakten, die grundsätzliche Sachbetreffe aus dem Justizwesen des 19. Jahrhunderts und die internen Angelegenheiten des OAG enthielten
* den Prozessakten, die vor allem zivile Streitigkeiten differenzierter sozialer Bevölkerungsschichten und des Fiskus dokumentierten und die anfänglich im Zusammenhang mit der Aufhebung feudaler Bindungen und später mit der Entfaltung des Kapitalismus der freien Konkurrenz standen
* den Urteilsbänden, die die Entscheidung des OAG in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten enthalten und in komprimierter Form ähnlichen sachlichen Inhalt besitzen wie die Prozessakten.
Da die Urteilsbände im Gegensatz zu den erstgenannten Verfassungs- und Prozessakten eine schwer zu benutzende Aktengruppe darstelle, folgen einige notwendige Erklärungen zu ihrer Spezifik.
Innerhalb dieser Aktenbände liegen die Urteile des OAG eines Monats oder halben Jahres in willkürlicher Folge aneinandergereiht. Die prozessführenden Parteien sind über Namenverzeichnisse in den Akteneinheiten bzw. über gesonderte Registranden mühelos ersichtlich. Die Streitgegenstände jedoch müssen aus den stets beigefügten Entscheidungsgründen ermittelt werden. Diese Ermittlungen werden erschwert durch das Juristendeutsch der Zeit und das Fehlen von Beweisakten, die nach Abschluss der Angelegenheit an die Untergerichte zurückgesandt worden und nicht mehr beim OAG zugänglich sind. In den Urteilsbänden werden neben vor- und nachbereitenden Schriftstücken aus dem Instanzenweg nur die Konzepte der Urteile und Entscheidungsgründe überliefert, die Originale befinden sich in den Unterlagen der lokalen Gerichte.
Bei der Bestandsbearbeitung konnte die Kassationsrate niedrig gehalten werden. Lücken in der Überlieferung oder nicht mehr nachweisbare vorarchivische Kassationen scheinen für eine ansprechende Dokumentation gesorgt zu haben, so dass lediglich 4,20 lfm Archivgut makuliert werden mussten. Die Kassationen betrafen in besonderem Maße Duplikate, die vor allem für die Rechtssätze (verbindliche Rechtsnormen für Einzelfälle eines Senats) und die Thesen (für die einzelnen Senate verbindliche Beschlüsse des Plenums) überliefert waren, da ursprünglich jedem OAG-Rat diese gleichlautenden und verbindlichen Rechtsnormen für seine Arbeitsaufgaben vorgelegen hatten. Ausgesondert wurden ferner einige Prozessakten über Wegedifferenzen wegen ihres unbedeutenden Streitgegenstandes.
Akten der seit 1856 dem OAG angeschlossenen Staatsanwaltschaft bzw. Generalstaatsanwaltschaft sind im Bestand nicht überliefert.
3.2. Verzeichnung
Entsprechend dem historischen Wert des Archivguts kamen sowohl die einfache als auch die erweiterte Verzeichnungsmethode zur Anwendung. Die erweiterte Verzeichnung erfolgte prinzipiell bei wichtigen politischen Zeitereignissen, bedeutenden Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kunst und besonderen Archivaliengattungen wie Broschüren, Zeitungen und Siegeln.
Die große Gruppe der Zivilprozessakten konnte im Wesentlichen mit der einfachen Verzeichnungsmethode abgedeckt werden. Es ist dabei angestrebt worden, den Titel der Akteneinheit, der ursprünglich nur die Namen des Klägers und Beklagten enthielt, zu ergänzen, indem die soziale Stellung beider, der Wohnort und vor allem der Prozessgegenstand in den neuen Aktentitel aufgenommen worden sind. Diese inhaltlichen Ergänzungen durch die Verzeichnung gegenüber der Vorgabe aus der Registratur ermöglichen ein weitaus größeres Informationsangebot an den Nutzer als bisher bezüglich sozial-, orts- und justizgeschichtlicher Fragestellungen.
Bei der Bezeichnung der Urteilsbände ist die Aktientitelaussage ebenfalls hinsichtlich Zivil- oder Strafrechtsangelegenheiten und der Monatsangaben ergänzt worden. Die in den Urteilsbänden in willkürlicher Folge und großer Anzahl aufgetretenen unterschiedlichen Streitgegenstände konnten nicht im Einzelnen sondern nur über einen "Gruppen-Enthält-Vermerk" summarisch aufgezählt und damit inhaltlich verdeutlicht werden.
Aufgrund der bestandsspezifischen Situation, die bedingt wird durch die Registraturverhältnisse, die Aussagekraft der überlieferten Aktentitel und der Akteninhalte, sind differenzierte Verzeichnungsmethoden zur Anwendung gekommen.
3.3. Ordnung
Der seit der Übernahme des Bestandes in das damalige Hauptstaatsarchiv bestehende unbefriedigende Ordnungszustand nach dem Bärschen Prinzip und die damit verbundene Strukturlosigkeit mussten durch eine Neuordnung behoben werden. Dazu war es in erster Linie nötig, eine exakte Bestandsabgrenzung zur den Vorgänger- und Nachfolgeeinrichtungen durchzuführen. Alle Akteneinheiten, die vor dem 1. Mai 1835 abschließen, sind den kursächsischen Appellationsgericht und, die nach dem 30. September 1879 enden, dem Oberlandesgericht zugeordnet worden. Im Einzelnen konnten 0,30 lfm kursächsisches Appellationsgericht, 0,70 lfm Oberlandesgericht und 0,20 lfm Appellationsgericht Dresden (ab 1835) als Fremdprovenienzen ausgesondert werden. In die Bestandsbildung einbezogen wurden 5 lfm OAG-Akten, die aus anderen Justizbehörden herausgelöst worden waren. Nach Abschluss der Bearbeitung betrug der Gesamtumfang des Bestandes 31 lfm.
Eine Analyse der Registraturverhältnisse ergab, dass den drei Registraturteilen Verfassungsakten, Prozessakten und Urteile abweichende Ordnungsgesichtspunkte zugrunde gelegt worden waren
* Die Verfassungsakten waren nach dem Hauptschlagwort des Aktentitels litteriert und eine laufende Nummer schloss sich als untergeordnetes Element an. Diese Registraturordnung war völlig durcheinander geraten.
* Die Prozessakten waren nicht nach Prozessgegenständen sondern nach zwei miteinander kombinierten Zahlen unterteilt, wobei die erste Zahl ständige Wiederholungen aufwies. Es kann vermutet werden, dass dieser Numerus-currens-Registratur ursprünglich eine Lokateinteilung und deren innere Folge zugrunde gelegen hat. Auch diese Ordnung war "aus der Reihe" geraten.
* Die Urteilsbände besaßen weder eine Litterierung noch eine Nummerierung, sondern lediglich eine chronologische Reihung, die im Wesentlichen erhalten geblieben war.
Eine Rekonstruktion der differenzierten Registraturordnung wäre sehr aufwendig gewesen und hätte überdies kein einheitlich überschaubares und sinnvolles Ergebnis erbracht. Daher erfolgte die Neuordnung des Gesamtbestandes in Anlehnung an die innere Struktur des OAG. Das neu erarbeitete Ordnungsschema symbolisiert über Hauptgruppen, Gruppen und z. T. Untergruppen das Aktenmaterial mehrstufig und lässt Funktionen und Aufgaben des OAG deutlich werden.
* In der Hauptgruppe 1 sind die ursprünglichen "Verfassungsakten" enthalten, die das OAG selbst betreffen und seine Organisation sowie das Gerichtsverfahren in der damaligen Zeit dokumentieren.
* Die Hauptgruppe 2 beinhaltet das Strafrecht, soweit es vom Ersten Senat wahrgenommen worden ist.
* Die Hauptgruppe 3 dokumentiert das vom Zweiten Senat bearbeitete Zivilrecht. Da in diesem Bereich der Schwerpunkt des Bestandes liegt, musste eine detaillierte Untergliederung vorgenommen werden. Die Zivilprozessakten sind nach dem rechtlichen und sozialen Status der prozessführenden Parteien strukturiert, jedoch nicht zusätzlich nach den Prozessgegenständen. Diese können über das Register zum Bestand mühelos ermittelt werden.
* Die Hauptgruppe 4 enthält die gering überlieferten Dokumente des Dritten Senats in seinen drei Varianten und vor allem Revisionsurteile der vierten Instanz.
* Die Hauptgruppe 5 beinhaltet wichtige Sachverhalte, die im Plenum verhandelt worden sind.
4. Auswertungsmöglichkeiten
Die im Archivgut des Bestandes widergespiegelten Tatsachen und Prozesse vermitteln – entsprechend der Funktion des OAG als höchstes sächsisches Gericht in dem bürgerlichen Territorialstaat und der Aufgabenstellung – ein historisch-klassenmäßig bedingtes Abbild des Geschichtsprozesses. Es sind Quellen aus dem Bereich des Rechts, die unter diesem Kennzeichen gesellschaftspolitische Entwicklungslinien in Sachsen reflektieren. Die Dokumente belegen darüber hinaus die nationale Situation in den verschiedenen historischen Phasen und informieren sowohl über die politisch-staatliche Zersplitterung Deutschlands als auch über die Versuche zu ihrer Überwindung 1848/49 und der Schaffung des bürgerlichen Nationalstaats im Jahr 1871.
Aufgrund der Aktenüberlieferungen kristallisieren sich drei größere Sachkomplexe heraus, zu deren Aussage- und Nutzungsmöglichkeiten sich einige Hinweise anschließen.
4.1. Zur sächsischen Geschichte
Hierzu wird umfangreiches Quellenmaterial aus der Wirtschaft, der sozialen Entwicklung, der Politik und der Personengeschichte archiviert, so dass gute Nutzungsmöglichkeiten für diese Teilgebiete unter regional- und ortsgeschichtlichen Aspekten bestehen.
Die große Gruppe der Zivilprozessakten, die etwa ¼ der Bestandsüberlieferung beinhaltet, dokumentiert beispielsweise anhand der verschiedenartigsten individuellen Streitfälle die Auflösung der feudalen Bindungen auf dem Land. Dabei werden die Klassenauseinandersetzungen zwischen Grundherrschaft einerseits und bäuerlicher Bevölkerung andererseits vor bzw. im Zusammenhang mit den Ablösungen bis etwa Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts deutlich, denn so lange schleppten sich die Prozesse bis in die höchste Instanz hin. Differenzen um Frondienste, Hutungsansprüche, Holzbefugnisse, Mahlzwänge und Lehngelder entstanden kurz vor ihrer Ablösung bzw. im Zusammenhang mit ihrer Ablösung neu, als bei der exakten Fixierung Gewohnheitsrecht und maximale Ansprüche aufeinander stießen. In den historischen Quellen werden daher detaillierte Angaben über Dienste und Abgaben der bäuerlichen Schichten und der Gewerbetreibenden auf dem Land aus allen Teilen Sachsens ebenso überliefert wie die differenzierten Strukturen der Dorfbevölkerung selbst. Prozesse sozial besser gestellter gegen schlechter gestellte Dorfbewohner bildeten keine Seltenheit, auch wenn die der vereinigten bäuerlichen Bevölkerung eines Dorfs bzw. mehrerer Dörfer gegen ihre Grundherrschaft überwogen. In der Überlieferung dominierend sind allerdings die zivilen Streitigkeiten, in denen der Fiskus als Grundbesitzer und die Grundherrschaften gegen ihre Untertanen prozessierten, sie umfassen mehr als die Hälfte aller Prozessakten.
Neben den sozialen Spannungen, die aus dem feudalen Auflösungsprozess in den dreißiger bis vierziger Jahren resultierten, werden auch politische Spannungen in dem Quellengut des Bestandes deutlich.
Das politisch herausragende Ereignis in der Zeit des Bestehend des OAG bildete die bürgerlich-demokratische Revolution der Jahre 1848/49. Sie ist vor allem bezüglich folgender Tatsachen überliefert:
* Bestrafung von "Pressevergehen" allzu freiheitlich gesinnter Redakteure
* Entlassung der am Aufstand in Baden beteiligten sächsischen Untertanen aus der Haft in der Festung Rastatt
* Urteile des OAG gegen an den Unruhen in Dresden und anderen Orten Beteiligte aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und –schichten. Ihnen wurden vor allem Hoch- und Landesverrat, Majestätsbeleidigung und auch Angriffe auf staatliches und privates Eigentum vorgeworfen. Diese von der Geschichtswissenschaft bisher kaum genutzten Quellen erlauben Rückschlüsse auf die Konflikte in der Revolution und das widersprüchliche Verhalten der beteiligten entsprechend ihrer spezifischen Situation.
In den in der Periode der politischen Reaktion nach 1850 aufgetretenen Prozessen und gerichtlichen Entscheidungen dominierten Konkurs-, Testaments-, Ehe- und Erbschaftsauseinandersetzungen sowie Wechselklagen, d. h. es wurden privatrechtliche, den entfalteten kapitalistischen Produktionsverhältnissen entsprechende Prozesse geführt. Quellen über das Anwachsen der Sozialdemokratie und Klassenauseinandersetzungen in den sechziger und siebziger Jahren sind nicht im Bestand enthalten.
Weiterhin können Details aus dem Leben einiger für die sächsische Geschichte bedeutender Persönlichkeiten aktenkundig belegt werden. Dies betrifft beispielsweise besoldungsfragen der Minister Oberländer, Braun, von der Pfordten und Georgi, den Nachlass des Grafen Moszinsky und das Testament des ersten sächsischen Innenministers bzw. Vorsitzenden des Gesamtministeriums Bernhard von Lindenau. Dieser verdienstvolle Staatsmann und Kunstmäzen errichtete 1854 in seinem Testament die von Lindenau-Zachsche-Stiftung für das Herzoglich Sachsen-Altenburgische Land und legte dazu u. a. fest, dass Streitigkeiten … "durch das königlich sächsische Oberappellationsgericht zu Dresden schiedsrichterlich in erster und letzter Instanz entschieden werden möchten"[21] . Das OAG brauchte diesbezüglich nicht einzugreifen.
4.2. Zur Geschichte der Justiz
Zur Geschichte der Justiz im 19. Jahrhundert ist naturgemäß umfangreiches Quellenmaterial überliefert, denn der Bestandsbildner stellte eine Institution aus der Rechtssphäre dar. Die sächsische Justizverfassung wird in ihren Phasen Neuorganisation, innere Entwicklung in den Folgejahren und Überwindung durch die Reichsgerichtsverfassung widergespiegelt. Ein den bürgerlichen Rechtsvorstellungen entsprechendes Organisationssystem wurde in den Jahren 1831 – 1835 ausgearbeitet, das seine theoretischen Wurzeln bei Montesquieu und seine praktische Verwirklichung bereits in Frankreich, in den Rheinbundstaaten und in einzelnen Staaten des Deutschen Bundes erfahren hatte[22] .
Für das Land Sachsen bedeuteten die nach 1831 einsetzende Trennung der Justiz- und Verwaltungsbehörden in der zentralen und regionalen Ebene, die Etablierung der Gerichte als "selbständige Organe des Staates zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Rechtsordnung durch Rechtsprechung"[23] . Der feste Instanzenweg bei den Gerichtsbehörden, die Ausübung der richterlichen Tätigkeit durch mit festem Gehalt versehene, studierte Richter und anderes mehr fundamentale Neuerungen gegenüber der bisherigen feudalen Gerichtsorganisation[24] .
Die Gerechtigkeitspflege der damaligen Zeit kann durch gesetzliche Regelungen und den Gerichtsbrauch selbst nachgewiesen werden[25] . Der vom bürgerlichen recht geforderte Grundsatz der Gleichheit wurde – wie bereits erwähnt – weiterhin mit Ausnahmen praktiziert. Die aus lehnsrechtlichen Verhältnissen resultierenden privilegierten Gerichtsstände blieben weiterhin unter anderem für den König und die königliche Familie, den Fiskus, das Domkapitel Meißen und die Mitglieder des Hauses Schönburg bestehen. Somit wirkten feudale Rudimente bis in das 19. Jahrhundert hinein und ließen das proklamierte bürgerliche Prinzip der (Rechts-)Gleichheit nicht voll wirksam werden.
Wichtiges Quellengut ist ferner die über die einzelnen Schritte zur Kodifizierung des sächsischen Rechts bzw. das des Norddeutschen Bundes und das des Reiches überliefert, da die Mitglieder des OAG in den ausarbeitenden und begutachtenden Kommissionen tätig waren. Das mit sächsischen historischen Besonderheiten und Traditionen behaftete recht musste stets den sich verändernden ökonomischen Verhältnissen des Kapitalismus angepasst und damit vervollkommnet werden.
Es wurde zunehmend darauf orientiert, kapitalistische Produktions- und Lebensverhältnisse zu regulieren, d. h. in erster Linie das Privateigentum in all seinen Formen zu schützen und in zweiter Linie die Klassenverhältnisse im bürgerlichen Sinne zu festigen, was auch durch die Unterdrückung des Widerstandes "von unten" erfolgte.
Auf eine rechtsgeschichtliche Besonderheit soll abschließend noch hingewiesen werden, die sich aus der Mitgliedschaft Sachsens im Deutschen Bund ergab. Nach der Deutschen Bundesakte[26] war kein oberstes Bundesgericht für alle Bundesstaaten vorgesehen, sondern das oberste Gericht eines unbeteiligten Bundesstaates fungierte bei Streitigkeiten zwischen den Bundesländern als Schiedsgericht oder Austrägalinstanz (Austrageinstanz). Die Übernahme eines solchen Auftrags und der Gehorsam gegen die Entscheidung des Austrägalgerichts galten als Bundespflicht. Im Zeitraum von 1844 bis 1870 übte das OAG in einigen Austrägalsachen schiedsrichterliche Funktion aus. Folglich sind Unterlagen über diese Tätigkeit und über preußische, nassauische und sachsen-weimarische Angelegenheiten im Bestand archiviert, besonders umfangreich der Domänenstreit in Sachsen-Meiningen.
4.3. Zur Geschichte des OAG
Zahlreiche Dokumente vermitteln außerordentlich konkrete Einblicke in die Arbeitsorganisation, die Arbeitsweise, die personelle Zusammensetzung und räumliche Unterbringung des OAG selbst. Ferner lassen vergleichende Aufstellungen über Stellenbesetzung und Arbeitslast mit anderen deutschen obersten Gerichten der Zeit deutlich werden, dass das OAG das am meisten mit Arbeit belastete Obergericht im Deutschen Bund darstelle[27] .
Von Bedeutung sind außerdem die Quellen, die die Einordnung des OAG in das damalige Staatsgefüge verdeutlichen. Sie dokumentieren das Recht zur Veröffentlichung von Rechtssätzen, die Zusammenarbeit mit dem Ministerium der Justiz und mit den nachgeordneten Mittel- und Untergerichten sowie die offizielle Mitarbeit einzelner OAG-Räte in anderen Gremien und Behörden. Für dieses Tätigkeitsfeld müssten ergänzend Unterlagen anderer archivalischer Bestände wie Ministerium der Justiz, Appellationsgerichte und lokale Gerichte sowie das gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen und das Staatshandbuch herangezogen werden.
Verallgemeinernd lässt sich das OAG als ein Bestandteil des Überbaus im bürgerlichen Territorialstaat Sachsen charakterisieren, das die oberste Spruchbehörde zwischen 1835 und 1879 darstellte und zur Konsolidierung des Kapitalismus beugetragen hat. Innere und äußere staatliche und wirtschaftliche Faktoren, wie die Entwicklung kapitalistischer Produktionsverhältnisse in der sächsischen Industrie und Landwirtschaft sowie die zunehmend gesamtnationalen Bestrebungen in Deutschland haben Einfluss auf seine Funktion und sein Tätigkeitsfeld genommen. Nachdem es zunächst als antifeudales Gericht des bürgerlichen Verfassungsstaats gebildet worden war und auf höchster regionalstaatlicher Ebene und mit Bundeskompetenz gewirkt hatte, verlor es mit der Bildung des deutschen bürgerlichen Nationalstaats 1871 und der daraus resultierenden Gerichtsverfassung des Deutschen Reichs nicht nur seinen hohen Status, sondern gleichzeitig auch seine Existenzberechtigung. Es wurde durch das den entfalteteren kapitalistischen Produktionsverhältnissen adäquatere Oberlandesgericht abgelöst, über dem das Reichsgericht als vierte Instanz stand.
Das OAG war ein Gericht in der Zeit des Übergangs und das Quellengut des Bestands spiegelt das Auslaufen feudaler und die Entfaltung bürgerlich-kapitalistischer Produktions- und Lebensverhältnisse in Sachsen in reichem Maße wider.
gez. Ingrid Grohmann
Retrokonversion
Das Findmittel des Bestandes ist 2016 durch Dr. Mathias Ullmann für eine Überführung in das Archivprogramm Augias abgeschrieben worden. Die bisherige Klassifikation wurde dabei geringfügig geändert. Gefördert wurde die Überführung des analogen Findmittels in ein digitales aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
[01] B-Gesetz, die höheren Justizbehörden und den Instanzenzug in Justizsachen betr. Vom 28. Jan. 1835, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, Dresden 1835, S. 62 und Ausführungsverordnung vom 28. März 1835, ebenda, S. 213.
[02] B-Gesetz, die höheren Justizbehörden …, ebenda, S. 62 und Gerhard Schmidt, Die Staatsform in Sachsen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Weimar 1966, S. 213f.
[03] C-Gesetz über privilegierte Gerichtsstände und einige damit zusammenhängende Gegenstände vom 28. Jan. 1835, in: ebenda, S. 75 – 87.
[04] Karlheinz Blaschke, Das kursächsische Appellationsgericht 1559 – 1835 und sein Archiv, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Weimar 1967, S. 345.
[05] A-Gesetz über Kompetenzverhältnisse zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden vom 28. Jan. 1835, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, S. 55 – 61.
[06] B-Gesetz, die höheren Justizbehörden …, S. 64ff und Karl Magnus Pöschmann, Das königlich sächsische Oberappellationsgericht. Ein Vorwort zu dessen Annalen, in: Annalen des königlich sächsischen Oberappellationsgerichtes, hrsg von A. v. Langenn, C. Sickel und K. M. Pöschmann, Leipzig 1860, Bd. 1, S. 1 – 7.
[07] ebenda, S. 8.
[08] Oberappellationsgericht (folgend OAG) Nr. 1.
[09] Adolf Lobe, Ursprung und Entwicklung der höchsten sächsischen Gerichte, Leipzig 1905, S. 108.
[10] Vgl. Anmerkung 6 (Annalen).
[11] A. Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 106 – 107.
[12] Pöschmann, Das königlich sächsische …, S. 12f.
[13] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1855, S. 319ff und 1856, S. 242.
[14] Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 119.
[15] Gesetz, einige prozessrechtliche Bestimmungen betreffend, vom 19. Februar 1874, in: Gesetz- und Verordnungsblatt …, 1874, S. 14.
[16] Gesetz, Bestimmungen zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 und über die Zuständigkeit der Gerichte in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit enthaltend, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1879, S. 59.
[17] Geschäftsakten des Hauptstaatsarchivs Dresden, Kap. III, Nr. 3, Vol. VII, S. 195.
[18] ebenda, Vol. X, S. 200 – 201.
[19] ebenda, Vol. XI, S. 2.
[20] OAG, Nr. 872.
[21] OAG, Nr. 694, S. 1 und Pöschmann, Das königliche sächsische …, S. 9.
[22] Richard Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, Leipzig 1898, S. 864 und Hans Fehr, Deutsche Rechtsgeschichte, Berlin 1948, S. 240f.
[23] Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 105.
[24] Vgl. zur kursächsischen Gerichtsverfassung Blaschke, Das kursächsische Appellationsgericht …, S. 330ff.
[25] Staatshandbuch für das Königreich Sachsen, 1841, S. XXVII.
[26] Vgl. Schröder, Lehrbuch …, S. 862.
[27] Lobe, Ursprung und Entwicklung …, S. 116.
Lobe, A.: Ursprung und Entwicklung der höchsten sächsischen Gerichte. Leipzig, 1905. S. 104 ff.
Grohmann, Ingrid: Das sächsische Oberappellationsgericht und die Auswertungsmöglichkeiten seiner archivalischen Quellen. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte. Bd. 12. Weimar, 1985
Grohmann, Ingrid: Das sächsische Oberappellationsgericht und die Auswertungsmöglichkeiten seiner archivalischen Quellen. In: Jahrbuch für Regionalgeschichte. Bd. 12. Weimar, 1985
1. Organisation des Gerichtes.- 2. Erster Senat (Strafrecht).- 3. Zweiter Senat (Zivilrecht).- 4. Dritter Senat (Extrajudicialsachen, Läuterungssenat).- 5. Plenarangelegenheiten: Gesetzgebungsgegenstände; Austrägalsachen (Domänenstreit in Sachsen-Meiningen; Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesländern); Rechtssätze und Thesen.
Im Rahmen der Justizreform wurden 1835 das Oberappellationsgericht Dresden und die Appellationsgerichte begründet. Das dem Justizministerium nachgeordnete Oberappellationsgericht war die oberste Spruchbehörde in Sachsen. Es bildete die zweite und dritte (teilweise auch vierte) Instanz in Zivil- und Strafsachen und löste das Landesjustizkollegium, das kursächsische Appellationsgericht, die Oberamtsregierung als Justizbehörde und den Schöppenstuhl in Leipzig ab. Das Oberappellationsgericht Dresden hatte folgende Aufgaben: Schiedsgericht im Deutschen Bund, Erstellung von Gutachten über Gesetzgebungsgegenstände für das Ministerium der Justiz, Entscheidungen bei Ablösungen und Gemeinheitsteilungen unter Hinzuziehung eines landwirtschaftlichen Sachverständigen aus der Generalkommission, Entscheidungen in Ehesachen bei evangelischer Konfession in zweiter Instanz unter Zuziehung von Geistlichen, bei katholischer Konfession in erster Instanz gegen Urteile des Vikariatsgerichts, Entscheidungen in Bergsachen (bis 1856), Entscheidungen in beim Oberkriegsgericht anhängigen Zivil- und Kriminalsachen unter Hinzuziehung des Generalauditeurs, Entscheidungen in Handelssachen, Entscheidungen in Strafsachen. 1879 trat an die Stelle des Oberappellationsgerichtes das Oberlandesgericht.
Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
- 1983 | Findbuch
- 2012 | elektronisches Findmittel für Nr. 875-882
- 2025-02-25 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5