Beständeübersicht
Bestand
11023 Appellationsgericht Dresden
Datierung | (1568) 1806 - 1889 |
---|---|
Benutzung im | Hauptstaatsarchiv Dresden |
Umfang (nur lfm) | 49,60 |
Einleitung zum Bestand 11023 Appellationsgericht Dresden
(Unter Verwendung der Findbucheinleitung von Dr. Karlheinz Blaschke vom Dezember 1968)
Behördengeschichte
Ein Oberappellationsgericht in Dresden und (Bezirks-) Appellationsgerichte in Bautzen, Dresden, Leipzig und Zwickau wurden im Zusammenhang der sächsischen Verwaltungs- und Justizreform des Jahres 1835 als "höhere Behörden für Zivil- und Kriminalsachen" eingerichtet[01] . Sie nahmen die Tätigkeit am 1. Mai 1835 auf und lösten das Landesjustizkollegium, das Appellationsgericht, die Oberamtsregierung der Oberlausitz (als Justizbehörde) und den Schöppenstuhl Leipzig ab.
Der territoriale Zuständigkeitsbereich des Appellationsgerichts Dresden umfasste den meißnischen Kreis mit dem Amt Dippoldiswalde, aber ohne die Ämter Oschatz und Stolpen, sowie vom erzgebirgischen Kreis die Ämter Altenberg, Frauenstein und Freiberg.
Eine neue Abgrenzung erhielt der Bezirk des Appellationsgerichts Dresden im Jahr 1856 auf Grund des Gesetzes über die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für Rechtspflege und Verwaltung, mit der Einrichtung von Bezirksgerichten und Gerichtsämter. Seitdem gehören folgende Bezirksgerichte und Gerichtsämter zum Spengel des Appellationsgerichts Dresden (Stand 1856)[02] :
Im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Gerichtswesens auf Grund des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Jan. 1877 wurde das Appellationsgericht Dresden mit Wirkung vom 30. Sept. 1879 aufgehoben. Seine Funktion wurde mit Wirkung vom 01. Okt. 1879 von den neuen Landgerichten Dresden und Freiberg übernommen.[03]
Appellationsgerichte bildeten in ihren Bezirken die zweite Instanz für Zivil- und Strafsachen. Zugleich waren sie aufsehende und verfügende Behörden über die Untergerichte, Advokaten und Notare. Zu den weiteren Aufgaben der Appellationsgerichte gehörten u.a.:
- Gutachten über die Gesetzgebung;
- Erörterungen über die Gestaltung der Untergerichte und Ausführung der dazu vom Ministerium der Justiz erlassenen Anordnungen;
- Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Justizbehörden;
- Rücknahme der Zulassung von Advokaten und Notaren.
Die Ehescheidungen gehörten in der ersten Instanz vor die Appellationsgerichte.[04]
Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit übten die Appellationsgerichte nur für Personen aus, die bei den Appellationsgerichten die erste Instanz hatten.[05]
In Strafsachen entschieden die Appellationsgerichte in erster Instanz bei Gefängnisstrafen über acht Wochen (später drei Monate), Zuchthaus- und Todesstrafen.[06]
Als zweite und letzte Instanz entschieden sie in Untersuchungen wegen Übertretungen der gesetzlichen Vorschriften in Sachen der indirekten Abgaben, über Appellationen gegen Beschlüsse der Haupt-, Zoll- und Steuerämter.[07]
Beim Appellationsgericht Dresden hatten einen besonderen Gerichtsstand:
- der König in privatrechtlichen Angelegenheiten und die Mitglieder des königlichen Hauses;
- der Staatsfiskus;
- das Domkapitel Meißen.[08]
Für Prozesse gegen diese war es das erstinstanzliche Gericht. Dem Appellationsgericht Dresden wurde 1836 auch das Verfahren wegen verloren gegangener inländischer Staatspapiere, Zinsleisten und Zinskupons zugeordnet.[09] Bergkriminalsachen wurden bis 1856 beim Appellationsgericht Dresden verhandelt.[10]
Für Läuterungen [Rechtsmittel gegen ein unklares Urteil, mit dem um Erläuterung nachgesucht wird], in den bei den Appellationsgerichten in erster Instanz zu verhandelnden Zivilsachen fasste das Appellationsgericht Dresden die Urteile in den beim Appellationsgericht Zwickau anhängigen Sachen ab. Für die Läuterung der Zivilsachen erster Instanz des Dresdner Appellationsgerichts war das Appellationsgericht Leipzig zuständig. Das Läuterungsverfahren wurde bei dem Appellationsgericht gehalten, bei dem die Sache anhängig war. Dort wurde auch der Beschluss über die Läuterung veröffentlicht.[11]
Einige Räte des Appellationsgerichts Dresden waren an der Rechtssprechung des Oberkriegsgerichts beteiligt. In den zum Ressort der Berggerichte gehörenden Rechtssachen war das Dresdner Appellationsgericht bis 1856 die zweite Instanz für das gesamte Land, danach für die auf die ordentliche Gerichtsbarkeit übergegangene Berggerichtsbarkeit nur noch die zweite Instanz für den Sprengel des Appellationsgerichts Dresden.[12]
Außerdem übernahm das Gericht die Funktion eines Lehnhofs für die erbländischen Gebiete des Königreichs. In dieser Eigenschaft bestätigte es auch Familienfideikommisse an solchen Immobilien und erteilte Konsense dazu.[13]
Das Appellationsgericht Dresden bestand aus zwei Senaten. Der erste Senat war 1835 u.a. für die Strafsachen (Kriminalsachen), Vormundschaftssachen und die allgemeine Aufsichtführung über Untergerichte, Advokaten und Notare zuständig. Des weiteren oblagen ihm die Lehns-, Hypotheken- und Fideikommisssachen. Dem zweiten Senat fielen die Aufgaben der Zivilgerichtsbarkeit mit den Ehesachen zu.[14] Im November 1836 wurden die Vormundschaftssachen dem zweiten Senat zugeordnet.[15]
Mit der Einführung der Strafprozessordnung vom 11. Aug. 1855[16] , die am 1. Okt. 1856 in Kraft trat[17] , schieden die Appellationsgerichte aus dem Instanzenzug der Strafgerichtsbarkeit aus. Über die Berufungen und Beschwerden in Strafsachen bei den Bezirksgerichten entschied fortan das Oberappellationsgericht.[18]
Die Geschäftsräume des Appellationsgericht Dresden befanden sich im Kanzleihaus Große Meißner Gasse 8 (spätere Bezeichnung Große Meißner Straße).
Präsidenten des Appellationsgerichts Dresden waren:
- Dr. Ferdinand August Meißner (1835 – 1855)[19]
- Dr. Karl Gustav Müller (1855 – 1859)[20]
- Dr. Robert Schneider (1859 – 1867)[21]
- Anton von Weber (1867 – 1873)[22]
- Heinrich Bethmann Klemm (1873 – 1879)[23] .
Bestandsgeschichte
Große Teile des Bestandes scheinen nach der Auflösung des Gerichts im Jahr 1879 an das Oberlandesgericht Dresden gelangt zu sein, welches sie 1923 dem Hauptstaatsarchiv anbot[24] und in den Jahren 1924 bis 1929 abgab. Vermerke über die Abgaben an das Hauptstaatsarchiv und Kassationen beim Oberlandesgericht Dresden befinden sich in den entsprechenden Repertorien.[25] Es sind auch Hinweise auf Bewertungen und Aktenausscheidungen beim Oberlandesgericht Dresden ab 1904 vorhanden.[26]
Umfangreiche Ehescheidungsakten wurden dem Landgericht Dresden als erstinstanzliches Gericht in Ehesachen übergeben. Eine Abgabe an das Hauptstaatsarchiv erfolgte 1932, 1952 ist dieser Bestandsteil vollständig zur Vernichtung freigegeben worden[27] . Erhalten geblieben sind nur wenige Ehescheidungsakten, die in anderen Beständen als Fremdprovenienzen ermittelt wurden oder später in unser Haus gelangten.
Bei der Bearbeitung der Bestände des Oberappellationsgerichts Dresden, des Appellationsgerichts Dresden und des bis 1835 bestehenden Sächsischen Appellationsgerichts sind weitere Akten im Zuge der Bestandsabgrenzungen den entsprechenden Beständen zugeordnet worden.
Eine völlige Klarheit über den Aufbau der Registratur ist aus den nur lückenhaft erhalten gebliebenen Repertorien und den auf den Akten enthaltenen Signaturen nicht zu gewinnen, zumal der Bestand bei weitem nicht vollständig erhalten geblieben ist. Die im Jahre 1967 durch die Praktikantinnen Richter und Müller durchgeführte Ordnungs- und Verzeichnungsarbeit benutzte die auf den Akten erkennbaren Signaturen zur Wiederherstellung der ehemaligen Registraturordnung. Dieses Ziel konnte nur unvollständig erreicht werden, weil die Signaturen in vielen Fällen, z.B. bei mehreren Bänden, nur teilweise auf den Akten vermerkt wurden. Dies führte u.a. dazu, dass mehrbändige Prozesse auseinandergerissen und sich an verschiedenen Stellen im Findbuch befanden.
Neben den Registratursignaturen sind aus den Aufschriften auf den Akten folgende Aktengruppen nachweisbar:
- Verfassungssachen
- Ziviljustizsachen
- Vormundschaftssachen.
Die erstinstanzlichen Verfahren gegen den Staatsfiskus und die wenigen erhalten gebliebenen Ehescheidungsakten tragen neben der Bezeichnung des Verfahrens selbst und der Registratursignatur, keine besondere Gruppenbezeichnung.
Der Bestand war auf Grund der schlechten inneren Ordnung schwer nutzbar, deshalb wurde er bei der Retrokonversion in den Jahren 2011 und 2012 an Hand der vorgefunden Überlieferung nach sachthematischen Gesichtspunkten neu geordnet. Eine Neuverzeichnung fand bei der Retrokonversion nicht statt, nur bei fehlenden Streitgegenständen, fehlenden Datierungen oder erkennbaren Schreibfehlern, wurden Korrekturen vorgenommen.
Der Bestand des Appellationsgerichts Dresden enthält nicht nur die üblichen in der zweiten Instanz anhängig gemachten Gerichtssachen, sondern gewinnt seinen besonderen Wert dadurch, dass er aus dem gesamten Königreich Sachsen die mit dem Fiskus geführten Prozesse einschließt. In sachlicher Hinsicht betrifft das solche wichtigen Themen der Wirtschaftsgeschichte wie den Eisenbahnbau und den Kohlenabbau im Zwickauer Revier. Sehr zahlreich sind die Akten, in den es um die Aufrechterhaltung ererbter Nutzungsrechte an öffentlichem Besitz, z.B. an Staatsforsten, und überhaupt um die Regelung der im Gefolge der Agrarreform entstandenen Streitfragen ging. In dieser Hinsicht kommt dem Bestand eine besondere Bedeutung zu, denn er ermöglicht es, eine Reihe grundsätzlich wichtiger Erscheinungen des Übergangs von grundherrschaftlich-feudalen Verfassungs- und Wirtschaftsformen zu bürgerlich-kapitalistischen Verhältnissen kennenzulernen.
In den hier vorhandenen Akten zu den zweitinstanzlichen Verfahren, die sich im Punkt 04.05 Appellationen und Beschwerden befinden, fehlen oftmals die Entscheidungen des Appellationsgerichts bzw. auch des Oberappellationsgerichts. Die Originalakten sind nach Beendigung des Verfahrens an die unteren Gerichte wieder zurückgegeben worden. Urteilssammlungen des Appellationsgerichts sind ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Der Bestand ist kartoniert, beinhaltet ca. 2180 Akteneinheiten und hat einen Umfang von etwa 50 lfm.Verweise auf andere Bestände:
Einige Akten sind 1835 vom alten Appellationsgericht Dresden übernommen und weitergeführt worden. Hier ist es in einigen Fällen zu einer Teilung der Aktenreihe gekommen. Empfehlenswert sind daher weitere Recherchen im Bestand 10084 Appellationsgericht Dresden.
1849 übernahmen die Appellationsgerichte die Spezialakten der Ende 1848 aufgelösten Kommission für Ablösungen und Gemeinheitsteilungen.[28] Die vom Appellationsgericht fortgeführten Spezialakten befinden sich im Bestand 11019 Kommission für Einrichtung der Grund- und Hypothekenbücher.
Die vor dem Appellationsgericht Dresden als Lehnhof ergangenen Akten sind teilweise im Bestand 10080 Lehnhof Dresden enthalten. Da die Grundakten nach der Auflösung der Funktion des Lehnhofs beim Amtsgericht Dresden in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts an die zuständigen Amtsgerichte übergeben worden sind, können sie heute als Teil der Grundaktenüberlieferung bei den heute zuständigen Amtsgerichten vorhanden sein, sofern sie nicht auf Grund gesetzlicher Bestimmungen im Zuge der Bodenreform 1945[29] vernichtet wurden.
[01] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 62 ff. und S. 212 ff.
[02] Gesetz- und Verordnungsblatt 1855, S. 144 ff. und 1856, S. 243 ff.
[03] Reichsgesetzblatt 1877, S. 41 ff. und Gesetz- und Verordnungsblatt 1879, S. 59 ff und 235 ff.
[04] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 85
[05] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 62 ff.
[06] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 70
[07] Staatshandbuch 1854, S. 64 und 1870, S. 128
[08] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 75 f
[09] Gesetz- und Verordnungsblatt 1836, S. 88
[10] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 85
[11] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 216
[12] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 83, 84, Gesetz- und Verordnungsblatt 1856, S. 80
[13] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 63
[14] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 1, Bl. 65b ff.
[15] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 1, Bl. 120
[16] Gesetz- und Verordnungsblatt 1855, S. 319
[17] Gesetz- und Verordnungsblatt 1856, S. 242
[18] Gesetz- und Verordnungsblatt 1855, S. 353 (§ 94) und S. 354 (§ 98)
[19] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 7, S. 113, gestorben am 24.03.1855; 1834 bis 1836 auch Direktor des Hauptstaatsarchivs Dresden
[20] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 7, S. 114 und 159
[21] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 7, S. 159 ff. und Adressbuch der Stadt Dresden 1866 und 1867
[22] Adressbuch der Stadt Dresden 1867 und Sächs. Justizministerialblatt 1873, S. 6
[23] Sächs. Justizministerialblatt 1873, S. 6
[24] 10707 Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 3012, Bl. 195
[25] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 2062-2070
[26] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 2066, 10707 Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 3013, Bl. 29, Nr. 3094, Bl. 33b und Nr. 6458 (Eine Bewertung der Akten des Appellationsgerichts Dresden ab 1835 und teilweise Auflistung von Akten der Prozesse mit Beteiligung des Staatsfiskus hat wahrscheinlich in den Räumen des Ministeriums der Justiz zusammen mit der Bewertung von Unterlagen des alten Appellationsgerichts und des Oberappellationsgerichts stattgefunden.)
[27] 10707 Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 6452
[28] Gesetz- und Verordnungsblatt 1848, S. 357
[29] Gesetze/Befehle/Bekanntmachungen 1946, S. 133, 134: Verordnung über die Eintragung der durch die Verordnung über die landwirtschaftliche Bodenreform vom 10.09.1945 aufgeteilten Ländereien im Grundbuch, vom 8.04.1946
(Unter Verwendung der Findbucheinleitung von Dr. Karlheinz Blaschke vom Dezember 1968)
Behördengeschichte
Ein Oberappellationsgericht in Dresden und (Bezirks-) Appellationsgerichte in Bautzen, Dresden, Leipzig und Zwickau wurden im Zusammenhang der sächsischen Verwaltungs- und Justizreform des Jahres 1835 als "höhere Behörden für Zivil- und Kriminalsachen" eingerichtet[01] . Sie nahmen die Tätigkeit am 1. Mai 1835 auf und lösten das Landesjustizkollegium, das Appellationsgericht, die Oberamtsregierung der Oberlausitz (als Justizbehörde) und den Schöppenstuhl Leipzig ab.
Der territoriale Zuständigkeitsbereich des Appellationsgerichts Dresden umfasste den meißnischen Kreis mit dem Amt Dippoldiswalde, aber ohne die Ämter Oschatz und Stolpen, sowie vom erzgebirgischen Kreis die Ämter Altenberg, Frauenstein und Freiberg.
Eine neue Abgrenzung erhielt der Bezirk des Appellationsgerichts Dresden im Jahr 1856 auf Grund des Gesetzes über die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für Rechtspflege und Verwaltung, mit der Einrichtung von Bezirksgerichten und Gerichtsämter. Seitdem gehören folgende Bezirksgerichte und Gerichtsämter zum Spengel des Appellationsgerichts Dresden (Stand 1856)[02] :
Im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Gerichtswesens auf Grund des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Jan. 1877 wurde das Appellationsgericht Dresden mit Wirkung vom 30. Sept. 1879 aufgehoben. Seine Funktion wurde mit Wirkung vom 01. Okt. 1879 von den neuen Landgerichten Dresden und Freiberg übernommen.[03]
Appellationsgerichte bildeten in ihren Bezirken die zweite Instanz für Zivil- und Strafsachen. Zugleich waren sie aufsehende und verfügende Behörden über die Untergerichte, Advokaten und Notare. Zu den weiteren Aufgaben der Appellationsgerichte gehörten u.a.:
- Gutachten über die Gesetzgebung;
- Erörterungen über die Gestaltung der Untergerichte und Ausführung der dazu vom Ministerium der Justiz erlassenen Anordnungen;
- Entscheidung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Justizbehörden;
- Rücknahme der Zulassung von Advokaten und Notaren.
Die Ehescheidungen gehörten in der ersten Instanz vor die Appellationsgerichte.[04]
Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit übten die Appellationsgerichte nur für Personen aus, die bei den Appellationsgerichten die erste Instanz hatten.[05]
In Strafsachen entschieden die Appellationsgerichte in erster Instanz bei Gefängnisstrafen über acht Wochen (später drei Monate), Zuchthaus- und Todesstrafen.[06]
Als zweite und letzte Instanz entschieden sie in Untersuchungen wegen Übertretungen der gesetzlichen Vorschriften in Sachen der indirekten Abgaben, über Appellationen gegen Beschlüsse der Haupt-, Zoll- und Steuerämter.[07]
Beim Appellationsgericht Dresden hatten einen besonderen Gerichtsstand:
- der König in privatrechtlichen Angelegenheiten und die Mitglieder des königlichen Hauses;
- der Staatsfiskus;
- das Domkapitel Meißen.[08]
Für Prozesse gegen diese war es das erstinstanzliche Gericht. Dem Appellationsgericht Dresden wurde 1836 auch das Verfahren wegen verloren gegangener inländischer Staatspapiere, Zinsleisten und Zinskupons zugeordnet.[09] Bergkriminalsachen wurden bis 1856 beim Appellationsgericht Dresden verhandelt.[10]
Für Läuterungen [Rechtsmittel gegen ein unklares Urteil, mit dem um Erläuterung nachgesucht wird], in den bei den Appellationsgerichten in erster Instanz zu verhandelnden Zivilsachen fasste das Appellationsgericht Dresden die Urteile in den beim Appellationsgericht Zwickau anhängigen Sachen ab. Für die Läuterung der Zivilsachen erster Instanz des Dresdner Appellationsgerichts war das Appellationsgericht Leipzig zuständig. Das Läuterungsverfahren wurde bei dem Appellationsgericht gehalten, bei dem die Sache anhängig war. Dort wurde auch der Beschluss über die Läuterung veröffentlicht.[11]
Einige Räte des Appellationsgerichts Dresden waren an der Rechtssprechung des Oberkriegsgerichts beteiligt. In den zum Ressort der Berggerichte gehörenden Rechtssachen war das Dresdner Appellationsgericht bis 1856 die zweite Instanz für das gesamte Land, danach für die auf die ordentliche Gerichtsbarkeit übergegangene Berggerichtsbarkeit nur noch die zweite Instanz für den Sprengel des Appellationsgerichts Dresden.[12]
Außerdem übernahm das Gericht die Funktion eines Lehnhofs für die erbländischen Gebiete des Königreichs. In dieser Eigenschaft bestätigte es auch Familienfideikommisse an solchen Immobilien und erteilte Konsense dazu.[13]
Das Appellationsgericht Dresden bestand aus zwei Senaten. Der erste Senat war 1835 u.a. für die Strafsachen (Kriminalsachen), Vormundschaftssachen und die allgemeine Aufsichtführung über Untergerichte, Advokaten und Notare zuständig. Des weiteren oblagen ihm die Lehns-, Hypotheken- und Fideikommisssachen. Dem zweiten Senat fielen die Aufgaben der Zivilgerichtsbarkeit mit den Ehesachen zu.[14] Im November 1836 wurden die Vormundschaftssachen dem zweiten Senat zugeordnet.[15]
Mit der Einführung der Strafprozessordnung vom 11. Aug. 1855[16] , die am 1. Okt. 1856 in Kraft trat[17] , schieden die Appellationsgerichte aus dem Instanzenzug der Strafgerichtsbarkeit aus. Über die Berufungen und Beschwerden in Strafsachen bei den Bezirksgerichten entschied fortan das Oberappellationsgericht.[18]
Die Geschäftsräume des Appellationsgericht Dresden befanden sich im Kanzleihaus Große Meißner Gasse 8 (spätere Bezeichnung Große Meißner Straße).
Präsidenten des Appellationsgerichts Dresden waren:
- Dr. Ferdinand August Meißner (1835 – 1855)[19]
- Dr. Karl Gustav Müller (1855 – 1859)[20]
- Dr. Robert Schneider (1859 – 1867)[21]
- Anton von Weber (1867 – 1873)[22]
- Heinrich Bethmann Klemm (1873 – 1879)[23] .
Bestandsgeschichte
Große Teile des Bestandes scheinen nach der Auflösung des Gerichts im Jahr 1879 an das Oberlandesgericht Dresden gelangt zu sein, welches sie 1923 dem Hauptstaatsarchiv anbot[24] und in den Jahren 1924 bis 1929 abgab. Vermerke über die Abgaben an das Hauptstaatsarchiv und Kassationen beim Oberlandesgericht Dresden befinden sich in den entsprechenden Repertorien.[25] Es sind auch Hinweise auf Bewertungen und Aktenausscheidungen beim Oberlandesgericht Dresden ab 1904 vorhanden.[26]
Umfangreiche Ehescheidungsakten wurden dem Landgericht Dresden als erstinstanzliches Gericht in Ehesachen übergeben. Eine Abgabe an das Hauptstaatsarchiv erfolgte 1932, 1952 ist dieser Bestandsteil vollständig zur Vernichtung freigegeben worden[27] . Erhalten geblieben sind nur wenige Ehescheidungsakten, die in anderen Beständen als Fremdprovenienzen ermittelt wurden oder später in unser Haus gelangten.
Bei der Bearbeitung der Bestände des Oberappellationsgerichts Dresden, des Appellationsgerichts Dresden und des bis 1835 bestehenden Sächsischen Appellationsgerichts sind weitere Akten im Zuge der Bestandsabgrenzungen den entsprechenden Beständen zugeordnet worden.
Eine völlige Klarheit über den Aufbau der Registratur ist aus den nur lückenhaft erhalten gebliebenen Repertorien und den auf den Akten enthaltenen Signaturen nicht zu gewinnen, zumal der Bestand bei weitem nicht vollständig erhalten geblieben ist. Die im Jahre 1967 durch die Praktikantinnen Richter und Müller durchgeführte Ordnungs- und Verzeichnungsarbeit benutzte die auf den Akten erkennbaren Signaturen zur Wiederherstellung der ehemaligen Registraturordnung. Dieses Ziel konnte nur unvollständig erreicht werden, weil die Signaturen in vielen Fällen, z.B. bei mehreren Bänden, nur teilweise auf den Akten vermerkt wurden. Dies führte u.a. dazu, dass mehrbändige Prozesse auseinandergerissen und sich an verschiedenen Stellen im Findbuch befanden.
Neben den Registratursignaturen sind aus den Aufschriften auf den Akten folgende Aktengruppen nachweisbar:
- Verfassungssachen
- Ziviljustizsachen
- Vormundschaftssachen.
Die erstinstanzlichen Verfahren gegen den Staatsfiskus und die wenigen erhalten gebliebenen Ehescheidungsakten tragen neben der Bezeichnung des Verfahrens selbst und der Registratursignatur, keine besondere Gruppenbezeichnung.
Der Bestand war auf Grund der schlechten inneren Ordnung schwer nutzbar, deshalb wurde er bei der Retrokonversion in den Jahren 2011 und 2012 an Hand der vorgefunden Überlieferung nach sachthematischen Gesichtspunkten neu geordnet. Eine Neuverzeichnung fand bei der Retrokonversion nicht statt, nur bei fehlenden Streitgegenständen, fehlenden Datierungen oder erkennbaren Schreibfehlern, wurden Korrekturen vorgenommen.
Der Bestand des Appellationsgerichts Dresden enthält nicht nur die üblichen in der zweiten Instanz anhängig gemachten Gerichtssachen, sondern gewinnt seinen besonderen Wert dadurch, dass er aus dem gesamten Königreich Sachsen die mit dem Fiskus geführten Prozesse einschließt. In sachlicher Hinsicht betrifft das solche wichtigen Themen der Wirtschaftsgeschichte wie den Eisenbahnbau und den Kohlenabbau im Zwickauer Revier. Sehr zahlreich sind die Akten, in den es um die Aufrechterhaltung ererbter Nutzungsrechte an öffentlichem Besitz, z.B. an Staatsforsten, und überhaupt um die Regelung der im Gefolge der Agrarreform entstandenen Streitfragen ging. In dieser Hinsicht kommt dem Bestand eine besondere Bedeutung zu, denn er ermöglicht es, eine Reihe grundsätzlich wichtiger Erscheinungen des Übergangs von grundherrschaftlich-feudalen Verfassungs- und Wirtschaftsformen zu bürgerlich-kapitalistischen Verhältnissen kennenzulernen.
In den hier vorhandenen Akten zu den zweitinstanzlichen Verfahren, die sich im Punkt 04.05 Appellationen und Beschwerden befinden, fehlen oftmals die Entscheidungen des Appellationsgerichts bzw. auch des Oberappellationsgerichts. Die Originalakten sind nach Beendigung des Verfahrens an die unteren Gerichte wieder zurückgegeben worden. Urteilssammlungen des Appellationsgerichts sind ebenfalls nicht mehr vorhanden.
Der Bestand ist kartoniert, beinhaltet ca. 2180 Akteneinheiten und hat einen Umfang von etwa 50 lfm.Verweise auf andere Bestände:
Einige Akten sind 1835 vom alten Appellationsgericht Dresden übernommen und weitergeführt worden. Hier ist es in einigen Fällen zu einer Teilung der Aktenreihe gekommen. Empfehlenswert sind daher weitere Recherchen im Bestand 10084 Appellationsgericht Dresden.
1849 übernahmen die Appellationsgerichte die Spezialakten der Ende 1848 aufgelösten Kommission für Ablösungen und Gemeinheitsteilungen.[28] Die vom Appellationsgericht fortgeführten Spezialakten befinden sich im Bestand 11019 Kommission für Einrichtung der Grund- und Hypothekenbücher.
Die vor dem Appellationsgericht Dresden als Lehnhof ergangenen Akten sind teilweise im Bestand 10080 Lehnhof Dresden enthalten. Da die Grundakten nach der Auflösung der Funktion des Lehnhofs beim Amtsgericht Dresden in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts an die zuständigen Amtsgerichte übergeben worden sind, können sie heute als Teil der Grundaktenüberlieferung bei den heute zuständigen Amtsgerichten vorhanden sein, sofern sie nicht auf Grund gesetzlicher Bestimmungen im Zuge der Bodenreform 1945[29] vernichtet wurden.
[01] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 62 ff. und S. 212 ff.
[02] Gesetz- und Verordnungsblatt 1855, S. 144 ff. und 1856, S. 243 ff.
[03] Reichsgesetzblatt 1877, S. 41 ff. und Gesetz- und Verordnungsblatt 1879, S. 59 ff und 235 ff.
[04] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 85
[05] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 62 ff.
[06] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 70
[07] Staatshandbuch 1854, S. 64 und 1870, S. 128
[08] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 75 f
[09] Gesetz- und Verordnungsblatt 1836, S. 88
[10] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 85
[11] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 216
[12] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 83, 84, Gesetz- und Verordnungsblatt 1856, S. 80
[13] Gesetz- und Verordnungsblatt 1835, S. 63
[14] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 1, Bl. 65b ff.
[15] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 1, Bl. 120
[16] Gesetz- und Verordnungsblatt 1855, S. 319
[17] Gesetz- und Verordnungsblatt 1856, S. 242
[18] Gesetz- und Verordnungsblatt 1855, S. 353 (§ 94) und S. 354 (§ 98)
[19] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 7, S. 113, gestorben am 24.03.1855; 1834 bis 1836 auch Direktor des Hauptstaatsarchivs Dresden
[20] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 7, S. 114 und 159
[21] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 7, S. 159 ff. und Adressbuch der Stadt Dresden 1866 und 1867
[22] Adressbuch der Stadt Dresden 1867 und Sächs. Justizministerialblatt 1873, S. 6
[23] Sächs. Justizministerialblatt 1873, S. 6
[24] 10707 Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 3012, Bl. 195
[25] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 2062-2070
[26] 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 2066, 10707 Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 3013, Bl. 29, Nr. 3094, Bl. 33b und Nr. 6458 (Eine Bewertung der Akten des Appellationsgerichts Dresden ab 1835 und teilweise Auflistung von Akten der Prozesse mit Beteiligung des Staatsfiskus hat wahrscheinlich in den Räumen des Ministeriums der Justiz zusammen mit der Bewertung von Unterlagen des alten Appellationsgerichts und des Oberappellationsgerichts stattgefunden.)
[27] 10707 Hauptstaatsarchiv Dresden, Nr. 6452
[28] Gesetz- und Verordnungsblatt 1848, S. 357
[29] Gesetze/Befehle/Bekanntmachungen 1946, S. 133, 134: Verordnung über die Eintragung der durch die Verordnung über die landwirtschaftliche Bodenreform vom 10.09.1945 aufgeteilten Ländereien im Grundbuch, vom 8.04.1946
Verfassungssachen.- Zivilprozesse.- Strafprozesse.- Nachlasssachen.- Vormundschaftssachen.
In der neuen Gerichtsorganisation ab 1835 bildeten die Appellationsgerichte die zweite Instanz. Sie waren Appellationsinstanz für die örtlichen Gerichte. Nach dem Gesetz vom 28.01.1835 waren sie erstinstanzlich zuständig für Zivilprozesse gegen die Kassen höherer Staatsbehörden bzw. den Staatsfiskus, für Prozesse gegen die Mitglieder des königlichen Hauses bzw. des Hauses Schönburg, in Ehesachen sowie Strafprozessen, bei denen eine höhere Strafe als acht Wochen Gefängnis zu erwarten war. Das Appellationsgericht Dresden wirkte gleichzeitig als Lehnhof für die bis 1835 erbländischen Teile des Königreichs Sachsen. 1879 traten an die Stelle der Appellationsgerichte die Landgerichte.
Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
Weitere Angaben siehe 2. Königreich und Freistaat Sachsen 1831 - 1945
- 2012, Nachtrag 2016 und 2019 | Findbuch / Datenbank
- 2024-10-29 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5