Beständeübersicht
Bestand
11141 Bezirksschulamt Dippoldiswalde
Datierung | 1822 - 1951 |
---|---|
Benutzung im | Hauptstaatsarchiv Dresden |
Umfang (nur lfm) | 13,30 |
11141 Bezirksschulamt Dippoldiswalde
Bezirksschulinspektionen und Bezirksschulämter
Im Zuge des grundlegenden verfassungs- und verwaltungsmäßigen Umbaus des sächsischen Staates, welcher in den 1830er Jahren mit Verfassung und zentralen Behörden begann und erst in den 1870er Jahren mit den letzten lokalen Behörden zu einem gewissen Abschluss kam, wurde auch die Schulinspektion für die Volksschulen neu organisiert. Die sächsischen Bezirksschulinspektionen wurden durch das "Gesetz, das Volksschulwesen betreffend" vom 26. April 1873[01] begründet.
Der Schulinspektionsbezirk entsprach im Allgemeinen den Grenzen der jeweiligen Amtshauptmannschaft. 1874 wurden innerhalb der vier sächsischen Kreishauptmannschaften folgende Bezirksschulinspektionen eingerichtet[02] :
Die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz hatten dabei für den Stadtbezirk jeweils eigene Bezirksschulinspektionen.
In Folge der Übernahme der vollen Justiz- und Verwaltungshoheit in den Schönburgischen Rezessherrschaften durch den sächsischen Staat wurde der Zuschnitt der Schulaufsichtsbehörden Glauchau, Zwickau, Schwarzenberg und Chemnitz durch VO vom 6. Dezember 1878 geändert[03] . Die Bekanntmachung vom 24. September 1880 setzte den Bezirk der Bezirksschulinspektion Dresden II neu fest[04] .
Neu gegründet wurden 1876 die Bezirksschulinspektionen Oschatz, Marienberg und Oelsnitz i. V.[05] . Die Errichtung der Amtshauptmannschaft Stollberg im Jahre 1910 zog keine Veränderung des Schulaufsichtsbezirks Chemnitz II nach sich. Für die Schulangelegenheiten der Amtshauptmannschaft Stollberg waren der dortige Amtshauptmann und der Bezirksschulinspektor des Bezirkes Chemnitz II zuständig[06] .
1919 wurden die Bezirksschulinspektionen in Bezirksschulämter umbenannt. In den Nachkriegsjahren waren sie zahlreichen organisatorischen Veränderungen unterworfen. Im Juni 1939 erfolgte die letzte größere Neugliederung der Aufsichtsbezirke im Volksschulwesen[07] .
Die Bezirksschulinspektionen waren unmittelbar dem Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts - seit 1923 Ministerium für Volksbildung - unterstellt. Ihr Aufgabenkreis umfasste im Wesentlichen folgende Geschäftsbereiche[08] .
- Ausführung der das Volksschulwesen betreffenden Gesetze und Anordnungen
- Leitung der Verhandlungen über Aus- und Einschulungen, Oberaufsicht über Schulbauten, Beschaffung von Schulräumen und Schuleinrichtungen sowie Gewährung der Lehrergehälter
- Prüfung und Genehmigung der Anstellungsurkunden für Lehrer sowie der Lokalschulordnungen
- Ausübung des staatlichen Schutzrechts über die Lokalschulfonds und Schulstiftungen, soweit dazu nicht andere Organe bestellt waren
- Prüfung der jährlichen Voranschläge über die finanziellen Erfordernisse der Schulen sowie Durchsicht und Richtigstellung der Schulkassenrechnungen
- Entscheidung in erster Instanz bei Administrativjustizstreitigkeiten oder anderen Differenzen über die Beiträge und Leistungen zu Schulzwecken und Begutachtung der Gesuche und Zuschüsse aus Staatsmitteln
- Disziplinarverfahren gegen Lehrer innerhalb der im § 23 des Gesetzes über das Volksschulwesen vom 26. April 1873 angegebenen Grenzen
- Erstattung von Gutachten und periodischen Schulberichten über äußere Schuleinrichtungen an die oberste Schulbehörde
- In späteren Jahren Erweiterung der Zuständigkeit auf Fortbildungsschulen und Berufsschulen
- Bei Behandlung von Angelegenheiten der Kirchschulstellen (Verbindung von Schulstelle und Kirchendienst) gemischte Zuständigkeit mit der Kircheninspektion
Die Bezirksschulinspektionen setzten sich aus dem Bezirksschulinspektor als Schulfachmann und dem Amtshauptmann oder dessen Stellvertreter bzw. dem Stadtrat als Verwaltungsbeamten zusammen. In Städten, die die revidierte Städteordnung vom 24. April 1873 angenommen hatten, bestand die Bezirksschulinspektion aus dem Stadtrat, dem leitenden Verwaltungsbeamten des Bezirks (dem Amtshauptmann) und dem Bezirksschulinspektor.
Die Mitglieder der Bezirksschulinspektion waren gleichberechtigt. Sie hatten gemeinschaftlich Entschließungen zu fassen und zu verfügen. Bei differierenden Auffassungen entschied das Kultusministerium als vorgesetzte Behörde. Alle Verfügungen und Eingaben gelangten zunächst an [den Vertreter der allgemeinen Verwaltung in] der Bezirksschulinspektion, d. h. an den Amtshauptmann bzw. den Stadtrat, welche[r] auch federführend war.
Der Bezirksschulinspektor wurde aus der Reihe "bewährter Fachmänner" von der obersten Schulaufsichtsbehörde, dem Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts, angestellt. Ihm allein oblag als Schulfachmann die innere Schulaufsicht. Er hatte die Schulen seines Bezirkes in regelmäßigen Abständen zu inspizieren und für die Beseitigung der dabei festgestellten Missstände zu sorgen. Sein Aufsichtsrecht über Unterricht und Erziehung galt für das Volksschulwesen einschließlich der Privatunterrichtsanstalten und Privatlehrer. Das höhere Schulwesen war weder der Aufsicht der Bezirksschulinspektion noch des späteren Bezirksschulamtes unterstellt.
Der Amtshauptmann dagegen war als beauftragter Verwaltungsbeamter Mitglied der Bezirksschulinspektion und hauptsächlich für die so genannte äußere Schulaufsicht zuständig, d. h. für Eigentumsverhältnisse, Darlehen, Schulstiftungen, Schulgrundstücke, Schulgebäude, Schulbauten, Kirchschullehn sowie Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Schule.
Die Mitwirkung der Superintendenten in Schulangelegenheiten war nach 1874 auf die Aufsicht über den Religionsunterricht und die "sittlich-religiöse Erziehung" beschränkt. Lediglich als Ortsgeistliche konnten die Superintendenten - wie andere Ortsgeistliche auch - Ortsschulinspektoren und Mitglieder des Ortsvorstandes sein[09] .
In der Weimarer Republik wurden Kirche und Schule dann konsequent getrennt. Den Schlusspunkt markiert das Gesetz über die Trennung des Kirchen- und Schuldienstes der Volksschullehrer vom 10. Juni 1921[10] . Die Ortsgeistlichen schieden sowohl aus dem Kreis der Ortsschulinspektoren als auch aus dem Schulvorstand aus.
Das "Übergangsgesetz für das Volksschulwesen" vom 22. Juni 1919[11] änderte zunächst nichts an der Zusammensetzung und der Zuständigkeit der Schulaufsichtsbehörden. Sie erhielten jetzt den Namen der Bezirksschulämter, die früheren Bezirksschulinspektoren hießen nun Bezirksschulräte.
Nach Zerschlagung des faschistischen Staatsapparates übernahm 1945 die neue Landesverwaltung Sachsen die Aufsicht über das Schulwesen[12] . Zur Ausübung dieser Aufsicht wurden Schulaufsichtsbezirke eingerichtet, deren Abgrenzung den Land- und Stadtkreisen entsprach. In größeren Kreisen konnten mehrere Aufsichtsbezirke gebildet werden. An der Spitze jedes Schulaufsichtsbezirks stand ein Bezirksschulamt, das aus dem Landrat oder Bürgermeister oder deren Schulbeauftragten und dem Bezirksschulrat gebildet wurde. Die Bezirksschulräte wurden von der Landesregierung ernannt. Sie übten die Aufsicht über alle Schulen ihres Bezirks, also auch über die höheren Schulen, aus[13] .
Im April 1946 wurden Bezirksschulamt und Bezirksschulrat in Kreisschulamt und Kreisschulrat umbenannt[14] . Später lautete die Bezeichnung Volksbildungsamt.Zum Bestand 11141 Bezirksschulamt Dippoldiswalde speziell schrieb A. Kobuch:
"Zur Bezirksschulinspektion Dippoldiswalde gehörten nach der Festlegung ihrer territorialen Zuständigkeit im August 1874 die Städte Dippoldiswalde, Launestein, Bärenstein, Glashütte, Altenberg, Geising und Frauenstein sowie 111 Dörfer. Die Bezirksschulinspektion Dippoldiswalde umfasste die Bezirke der ehemaligen Gerichtsämter Dippoldiswalde, Lauenstein, Altenberg und Frauenstein[15] . Seit 1919 führte die Behörde die Bezeichnung Bezirksschulamt Dippoldiswalde.
Im Bestand Bezirksschulamt Dippoldiswalde sind auch die Schulakten enthalten, die bei den von 1856 bis 1874 existierenden Gerichtsämtern Dippoldiswalde, Lauenstein, Altenberg und Frauenstein ergangen sind … Der Bestand wurde in mehreren Abgaben zwischen 1949 und 1961 vom Staatsarchiv übernommen. Verzeichnet wurde er in den Jahren 1961 bis 1962 von H. Thoss, G. Kolbe und der Unterzeichneten. Die innere Ordnung erfolgte im Allgemeinen nach der X. Abteilung (Schulangelegenheiten) des Archivplans für die Amtshauptmannschaften vom Jahre 1874. Der Schreibweise der Ortsnamen liegt das Historische Ortsverzeichnis von Sachsen, bearbeitet von K. Blaschke, Leipzig 1957 zu Grunde.
In diesem Bestand ist auf die Archivalien hinzuweisen, die über die Errichtung von Fach- und Fachgewerbeschulen berichten, die im Zusammenhang mit der Industrialisierung Sachsens und der Entstehung des Heimgewerbes gegründet wurden (z. B. Uhrmacherschule Glashütte, Fachgewerbeschule Seiffen, Eisenbahnschule Altenberg, Strohflechterschule Altenberg und Geising).
Verzeichnis der Bezirksschulinspektoren und Bezirksschulräte der Bezirksschulinspektion und des Bezirksschulamtes Dippoldiswalde[16] :
Dresden, den 29.5.1967
A. Kobuch"
Registratur- und Bestandsgeschichte
Wie oben beschrieben, bestanden die Bezirksschulinspektionen aus fachlichem und Verwaltungsvertreter. Es kommt oft vor, dass in einem Aktenband Eingänge mit Eingangsvermerken und Konzepte sowohl der Bezirksschulinspektion als auch der Amtshauptmannschaft vorhanden sind. Diese Erscheinung, besonders aber das häufige Auftreten der Eingangsstempel der Amtshauptmannschaft, ist darauf zurückzuführen, dass alle Verfügungen und Eingaben an das administrative Mitglied der Bezirksschulinspektion, d. h. an den Amtshauptmann oder den Stadtrat, gelangten.
Ein eigener Aktenplan des Bezirksschulinspektors bzw. des Bezirksschulrats ließ sich bisher nicht nachweisen.
Der Amtshauptmann als Mitglied der Bezirksschulinspektion legte bei der Bildung seiner Schulakten den aus dem Jahre 1874 stammenden "Archivplan für die Amtshauptmannschaften", Abteilung X, Schulangelegenheiten zu Grunde. Da der Amtshauptmann als Mitglied der Bezirksschulinspektion nicht dem Ministerium des Innern, sondern dem Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts bzw. dem Volksbildungsministerium unterstand, wurde das Schriftgut, das bei dieser Tätigkeit erwuchs, bei der archivischen Bearbeitung von den Akten der Amtshauptmannschaften getrennt und als jeweils separater Provenienzbestand aufgestellt.
Der Bestand wurde 1967 von Agatha Kobuch, G. Kolbe und H. Thoss erschlossen. 2003 wurde das Findbuch durch eine Fremdkraft in elektronische Form konvertiert. Eine weitere Überarbeitung erfolgte in diesem Zusammenhang nicht. Auch wenn sicherlich Wünsche an eine den heutigen Standards gemäße Erschließung somit offen bleiben, sieht das Hauptstaatsarchiv in der nun gegebenen Möglichkeit der elektronischen Recherche bereits einen wesentlichen Zugewinn an Benutzungsfreundlichkeit erreicht.
Kobuch verfasste 1967 bei der Bearbeitung des Bestands Bezirksschulamt Annaberg eine Einleitung, die die wesentliche Grundlage auch dieser Einleitung bildet.
Hinweise auf korrespondierende Bestände
Im Bestand 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts als Aufsichtsbehörde für die Bezirksschulinspektionen / -ämter ist eine reichhaltige Überlieferung erhalten. Darunter befindet sich auch eine Vielzahl von Akten mit lokalem Bezug.
Unterlagen zu Schulen im Handels- und Wirtschaftsbereich finden sich im Bestand 10736 Ministerium des Innern, hier insbesondere Gliederungspunkt 13.5 Handels- und Gewerbeunterrichtswesen. Für die Zeit, in der für Wirtschaftsangelegenheiten dann ein gesondertes Ministerium eingerichtet war, sind Unterlagen im Bestand 11168 Ministerium für Wirtschaft, hier insbesondere Gliederungspunkte 1.3.1 Gewerbeunterrichtswesen und 7. Schulen und Lehranstalten, überliefert.Literaturhinweise
Fritzsch, Theodor: Die sächsischen Bezirksschulinspektoren von 1874 - 1914
Haan, Wilhelm (Bearb.) ; Ramming, Karl (Hrsg.): Kirchlich-statistisches Handbuch für das Königreich Sachsen : oder Verzeichniß der in dem Königreiche Sachsen angestellten Geistlichen, Schulmeister, Schullehrer, Cantoren aller Confessionen. Dresden, versch. Jahrgänge
Kobuch, Agatha: Die sächsischen Bezirksschulinspektionen und Bezirksschulämter und ihre Registraturen. In: Archivmitteilungen. 15. Jg. 1965, S. 100 – 106
Löscher, Hermann: Ursprung und Aufhebung der Kircheninspektion. Leipzig, 1927
Löscher, Hermann: 400 Jahre mittlere Schulaufsicht in Sachsen. In: Wissenschaftliche Beilage des Dresdner Anzeigers. 1930, Nr. 6/7
Ramming, Karl (Begr.) ; Kießling, Emil (Bearb.) ; Kolbe, Arthur (Bearb.) u. a.: Ramming's Handbuch der Schulstatistik für das Königreich Sachsen : Neue Folge. Dresden, versch. Jahrgänge
Ramming, Karl (Begr.) ; Kießling, Emil (Bearb.) ; Kolbe, Arthur (Bearb.) u. a.: Handbuch der Schul-Statistik für das Königreich Sachsen : Neue Folge. Dresden, versch. Jahrgänge
Raum, August (Bearb.) ; Ramming, Karl (Hrsg.): Rammings kirchlich-statistisches Handbuch für das Königreich Sachsen : oder Verzeichniß der in dem Königreiche Sachsen angestellten Geistlichen, Schulmeister, Schullehrer, Cantoren aller Confessionen. Dresden, versch. Jahrgänge
Richter, J.: Geschichte der sächsischen Volksschule. Berlin, 1930
Seydewitz, Paul von (Hrsg.): Das Königlich Sächsische Volksschulgesetz vom 26. April 1873 nebst Ausführungsverordnung und den damit in Verbindung stehenden Gesetzen und Verordnungen : Mit erläuternden Anmerkungen und Sachregister. 7. Aufl. Leipzig, 1918 (Juristische Handbibliothek. Bd. 338)Michael Merchel
25.11.2008
[01] GVBl. 1873, S. 350 ff.
[02] VO, den Eintritt der veränderten Zuständigkeit der Behörden für Kirchen, Schul- und Stiftungssachen betr. vom 26. August 1874. In: GVBl 1874, S. 216 ff.
[03] GVBl. 1878, S. 518 f.
[04] GVBl. 1880, S. 136
[05] Curt von der Mosel: Handwörterbuch des Verwaltungsrechts. 14. Aufl. Leipzig, 1938, Bd. 1 , S. 108
[06] VO vom 20. Juli 1910. In: GVBl. 1910, S. 155 ff.
[07] VO vom 7. Juli 1939. In: VOBl. des Sächsischen Ministeriums für Volksbildung 1939, S. 57 ff.
[08] Für Nr. 1 – 8: Gesetz, das Volksschulwesen betr. vom 26. April 1873. In: GVBl. 1873, § 35, S. 371 f.; VO zur Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1873, das Volksschulwesen betr. vom 25. August 1874. In: GVBl. 1874 S. 197 f.
[09] C. v. d. Mosel, a. a. O., S. 611 f.
[10] GVBl. 1921, S. 147 f.; VO vom 11. Juni 1921 zur Ausführung des Gesetzes über die Trennung des Kirchen- und Schulbezirks der Volksschullehrer vom 10. Juni 1921. In: GVBl. 1921, S. 149
[11] GVBl. 1919, S. 171 ff.; VO vom 23. Juni 1919 zur Ausführung des Übergangsgesetzes für das Volksschulwesen vom 22. Juni 1919. In: GVBl. 1919, S. 185 ff.
[12] VO über die Neuregelung der Schulaufsicht vom 12. Februar 1946. In: Gesetze, Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen 2 (1946), S. 3
[13] Die Hochschulen waren hiervon ausgenommen.
[14] VO zur Änderung der VO vom 12. Februar 1946 über die Neuregelung der Schulaufsicht vom 26. April 1946. In: Gesetze, Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen 2 (1946), S. 183
[15] Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen auf das Jahr 1876, S. 98
[16] Staatshandbuch für das Königreich Sachsen 1875 – 1914; Staatshandbuch für den Freistaat Sachsen, 1921, 1925
Bezirksschulinspektionen und Bezirksschulämter
Im Zuge des grundlegenden verfassungs- und verwaltungsmäßigen Umbaus des sächsischen Staates, welcher in den 1830er Jahren mit Verfassung und zentralen Behörden begann und erst in den 1870er Jahren mit den letzten lokalen Behörden zu einem gewissen Abschluss kam, wurde auch die Schulinspektion für die Volksschulen neu organisiert. Die sächsischen Bezirksschulinspektionen wurden durch das "Gesetz, das Volksschulwesen betreffend" vom 26. April 1873[01] begründet.
Der Schulinspektionsbezirk entsprach im Allgemeinen den Grenzen der jeweiligen Amtshauptmannschaft. 1874 wurden innerhalb der vier sächsischen Kreishauptmannschaften folgende Bezirksschulinspektionen eingerichtet[02] :
Die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz hatten dabei für den Stadtbezirk jeweils eigene Bezirksschulinspektionen.
In Folge der Übernahme der vollen Justiz- und Verwaltungshoheit in den Schönburgischen Rezessherrschaften durch den sächsischen Staat wurde der Zuschnitt der Schulaufsichtsbehörden Glauchau, Zwickau, Schwarzenberg und Chemnitz durch VO vom 6. Dezember 1878 geändert[03] . Die Bekanntmachung vom 24. September 1880 setzte den Bezirk der Bezirksschulinspektion Dresden II neu fest[04] .
Neu gegründet wurden 1876 die Bezirksschulinspektionen Oschatz, Marienberg und Oelsnitz i. V.[05] . Die Errichtung der Amtshauptmannschaft Stollberg im Jahre 1910 zog keine Veränderung des Schulaufsichtsbezirks Chemnitz II nach sich. Für die Schulangelegenheiten der Amtshauptmannschaft Stollberg waren der dortige Amtshauptmann und der Bezirksschulinspektor des Bezirkes Chemnitz II zuständig[06] .
1919 wurden die Bezirksschulinspektionen in Bezirksschulämter umbenannt. In den Nachkriegsjahren waren sie zahlreichen organisatorischen Veränderungen unterworfen. Im Juni 1939 erfolgte die letzte größere Neugliederung der Aufsichtsbezirke im Volksschulwesen[07] .
Die Bezirksschulinspektionen waren unmittelbar dem Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts - seit 1923 Ministerium für Volksbildung - unterstellt. Ihr Aufgabenkreis umfasste im Wesentlichen folgende Geschäftsbereiche[08] .
- Ausführung der das Volksschulwesen betreffenden Gesetze und Anordnungen
- Leitung der Verhandlungen über Aus- und Einschulungen, Oberaufsicht über Schulbauten, Beschaffung von Schulräumen und Schuleinrichtungen sowie Gewährung der Lehrergehälter
- Prüfung und Genehmigung der Anstellungsurkunden für Lehrer sowie der Lokalschulordnungen
- Ausübung des staatlichen Schutzrechts über die Lokalschulfonds und Schulstiftungen, soweit dazu nicht andere Organe bestellt waren
- Prüfung der jährlichen Voranschläge über die finanziellen Erfordernisse der Schulen sowie Durchsicht und Richtigstellung der Schulkassenrechnungen
- Entscheidung in erster Instanz bei Administrativjustizstreitigkeiten oder anderen Differenzen über die Beiträge und Leistungen zu Schulzwecken und Begutachtung der Gesuche und Zuschüsse aus Staatsmitteln
- Disziplinarverfahren gegen Lehrer innerhalb der im § 23 des Gesetzes über das Volksschulwesen vom 26. April 1873 angegebenen Grenzen
- Erstattung von Gutachten und periodischen Schulberichten über äußere Schuleinrichtungen an die oberste Schulbehörde
- In späteren Jahren Erweiterung der Zuständigkeit auf Fortbildungsschulen und Berufsschulen
- Bei Behandlung von Angelegenheiten der Kirchschulstellen (Verbindung von Schulstelle und Kirchendienst) gemischte Zuständigkeit mit der Kircheninspektion
Die Bezirksschulinspektionen setzten sich aus dem Bezirksschulinspektor als Schulfachmann und dem Amtshauptmann oder dessen Stellvertreter bzw. dem Stadtrat als Verwaltungsbeamten zusammen. In Städten, die die revidierte Städteordnung vom 24. April 1873 angenommen hatten, bestand die Bezirksschulinspektion aus dem Stadtrat, dem leitenden Verwaltungsbeamten des Bezirks (dem Amtshauptmann) und dem Bezirksschulinspektor.
Die Mitglieder der Bezirksschulinspektion waren gleichberechtigt. Sie hatten gemeinschaftlich Entschließungen zu fassen und zu verfügen. Bei differierenden Auffassungen entschied das Kultusministerium als vorgesetzte Behörde. Alle Verfügungen und Eingaben gelangten zunächst an [den Vertreter der allgemeinen Verwaltung in] der Bezirksschulinspektion, d. h. an den Amtshauptmann bzw. den Stadtrat, welche[r] auch federführend war.
Der Bezirksschulinspektor wurde aus der Reihe "bewährter Fachmänner" von der obersten Schulaufsichtsbehörde, dem Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts, angestellt. Ihm allein oblag als Schulfachmann die innere Schulaufsicht. Er hatte die Schulen seines Bezirkes in regelmäßigen Abständen zu inspizieren und für die Beseitigung der dabei festgestellten Missstände zu sorgen. Sein Aufsichtsrecht über Unterricht und Erziehung galt für das Volksschulwesen einschließlich der Privatunterrichtsanstalten und Privatlehrer. Das höhere Schulwesen war weder der Aufsicht der Bezirksschulinspektion noch des späteren Bezirksschulamtes unterstellt.
Der Amtshauptmann dagegen war als beauftragter Verwaltungsbeamter Mitglied der Bezirksschulinspektion und hauptsächlich für die so genannte äußere Schulaufsicht zuständig, d. h. für Eigentumsverhältnisse, Darlehen, Schulstiftungen, Schulgrundstücke, Schulgebäude, Schulbauten, Kirchschullehn sowie Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Schule.
Die Mitwirkung der Superintendenten in Schulangelegenheiten war nach 1874 auf die Aufsicht über den Religionsunterricht und die "sittlich-religiöse Erziehung" beschränkt. Lediglich als Ortsgeistliche konnten die Superintendenten - wie andere Ortsgeistliche auch - Ortsschulinspektoren und Mitglieder des Ortsvorstandes sein[09] .
In der Weimarer Republik wurden Kirche und Schule dann konsequent getrennt. Den Schlusspunkt markiert das Gesetz über die Trennung des Kirchen- und Schuldienstes der Volksschullehrer vom 10. Juni 1921[10] . Die Ortsgeistlichen schieden sowohl aus dem Kreis der Ortsschulinspektoren als auch aus dem Schulvorstand aus.
Das "Übergangsgesetz für das Volksschulwesen" vom 22. Juni 1919[11] änderte zunächst nichts an der Zusammensetzung und der Zuständigkeit der Schulaufsichtsbehörden. Sie erhielten jetzt den Namen der Bezirksschulämter, die früheren Bezirksschulinspektoren hießen nun Bezirksschulräte.
Nach Zerschlagung des faschistischen Staatsapparates übernahm 1945 die neue Landesverwaltung Sachsen die Aufsicht über das Schulwesen[12] . Zur Ausübung dieser Aufsicht wurden Schulaufsichtsbezirke eingerichtet, deren Abgrenzung den Land- und Stadtkreisen entsprach. In größeren Kreisen konnten mehrere Aufsichtsbezirke gebildet werden. An der Spitze jedes Schulaufsichtsbezirks stand ein Bezirksschulamt, das aus dem Landrat oder Bürgermeister oder deren Schulbeauftragten und dem Bezirksschulrat gebildet wurde. Die Bezirksschulräte wurden von der Landesregierung ernannt. Sie übten die Aufsicht über alle Schulen ihres Bezirks, also auch über die höheren Schulen, aus[13] .
Im April 1946 wurden Bezirksschulamt und Bezirksschulrat in Kreisschulamt und Kreisschulrat umbenannt[14] . Später lautete die Bezeichnung Volksbildungsamt.Zum Bestand 11141 Bezirksschulamt Dippoldiswalde speziell schrieb A. Kobuch:
"Zur Bezirksschulinspektion Dippoldiswalde gehörten nach der Festlegung ihrer territorialen Zuständigkeit im August 1874 die Städte Dippoldiswalde, Launestein, Bärenstein, Glashütte, Altenberg, Geising und Frauenstein sowie 111 Dörfer. Die Bezirksschulinspektion Dippoldiswalde umfasste die Bezirke der ehemaligen Gerichtsämter Dippoldiswalde, Lauenstein, Altenberg und Frauenstein[15] . Seit 1919 führte die Behörde die Bezeichnung Bezirksschulamt Dippoldiswalde.
Im Bestand Bezirksschulamt Dippoldiswalde sind auch die Schulakten enthalten, die bei den von 1856 bis 1874 existierenden Gerichtsämtern Dippoldiswalde, Lauenstein, Altenberg und Frauenstein ergangen sind … Der Bestand wurde in mehreren Abgaben zwischen 1949 und 1961 vom Staatsarchiv übernommen. Verzeichnet wurde er in den Jahren 1961 bis 1962 von H. Thoss, G. Kolbe und der Unterzeichneten. Die innere Ordnung erfolgte im Allgemeinen nach der X. Abteilung (Schulangelegenheiten) des Archivplans für die Amtshauptmannschaften vom Jahre 1874. Der Schreibweise der Ortsnamen liegt das Historische Ortsverzeichnis von Sachsen, bearbeitet von K. Blaschke, Leipzig 1957 zu Grunde.
In diesem Bestand ist auf die Archivalien hinzuweisen, die über die Errichtung von Fach- und Fachgewerbeschulen berichten, die im Zusammenhang mit der Industrialisierung Sachsens und der Entstehung des Heimgewerbes gegründet wurden (z. B. Uhrmacherschule Glashütte, Fachgewerbeschule Seiffen, Eisenbahnschule Altenberg, Strohflechterschule Altenberg und Geising).
Verzeichnis der Bezirksschulinspektoren und Bezirksschulräte der Bezirksschulinspektion und des Bezirksschulamtes Dippoldiswalde[16] :
Dresden, den 29.5.1967
A. Kobuch"
Registratur- und Bestandsgeschichte
Wie oben beschrieben, bestanden die Bezirksschulinspektionen aus fachlichem und Verwaltungsvertreter. Es kommt oft vor, dass in einem Aktenband Eingänge mit Eingangsvermerken und Konzepte sowohl der Bezirksschulinspektion als auch der Amtshauptmannschaft vorhanden sind. Diese Erscheinung, besonders aber das häufige Auftreten der Eingangsstempel der Amtshauptmannschaft, ist darauf zurückzuführen, dass alle Verfügungen und Eingaben an das administrative Mitglied der Bezirksschulinspektion, d. h. an den Amtshauptmann oder den Stadtrat, gelangten.
Ein eigener Aktenplan des Bezirksschulinspektors bzw. des Bezirksschulrats ließ sich bisher nicht nachweisen.
Der Amtshauptmann als Mitglied der Bezirksschulinspektion legte bei der Bildung seiner Schulakten den aus dem Jahre 1874 stammenden "Archivplan für die Amtshauptmannschaften", Abteilung X, Schulangelegenheiten zu Grunde. Da der Amtshauptmann als Mitglied der Bezirksschulinspektion nicht dem Ministerium des Innern, sondern dem Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts bzw. dem Volksbildungsministerium unterstand, wurde das Schriftgut, das bei dieser Tätigkeit erwuchs, bei der archivischen Bearbeitung von den Akten der Amtshauptmannschaften getrennt und als jeweils separater Provenienzbestand aufgestellt.
Der Bestand wurde 1967 von Agatha Kobuch, G. Kolbe und H. Thoss erschlossen. 2003 wurde das Findbuch durch eine Fremdkraft in elektronische Form konvertiert. Eine weitere Überarbeitung erfolgte in diesem Zusammenhang nicht. Auch wenn sicherlich Wünsche an eine den heutigen Standards gemäße Erschließung somit offen bleiben, sieht das Hauptstaatsarchiv in der nun gegebenen Möglichkeit der elektronischen Recherche bereits einen wesentlichen Zugewinn an Benutzungsfreundlichkeit erreicht.
Kobuch verfasste 1967 bei der Bearbeitung des Bestands Bezirksschulamt Annaberg eine Einleitung, die die wesentliche Grundlage auch dieser Einleitung bildet.
Hinweise auf korrespondierende Bestände
Im Bestand 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts als Aufsichtsbehörde für die Bezirksschulinspektionen / -ämter ist eine reichhaltige Überlieferung erhalten. Darunter befindet sich auch eine Vielzahl von Akten mit lokalem Bezug.
Unterlagen zu Schulen im Handels- und Wirtschaftsbereich finden sich im Bestand 10736 Ministerium des Innern, hier insbesondere Gliederungspunkt 13.5 Handels- und Gewerbeunterrichtswesen. Für die Zeit, in der für Wirtschaftsangelegenheiten dann ein gesondertes Ministerium eingerichtet war, sind Unterlagen im Bestand 11168 Ministerium für Wirtschaft, hier insbesondere Gliederungspunkte 1.3.1 Gewerbeunterrichtswesen und 7. Schulen und Lehranstalten, überliefert.Literaturhinweise
Fritzsch, Theodor: Die sächsischen Bezirksschulinspektoren von 1874 - 1914
Haan, Wilhelm (Bearb.) ; Ramming, Karl (Hrsg.): Kirchlich-statistisches Handbuch für das Königreich Sachsen : oder Verzeichniß der in dem Königreiche Sachsen angestellten Geistlichen, Schulmeister, Schullehrer, Cantoren aller Confessionen. Dresden, versch. Jahrgänge
Kobuch, Agatha: Die sächsischen Bezirksschulinspektionen und Bezirksschulämter und ihre Registraturen. In: Archivmitteilungen. 15. Jg. 1965, S. 100 – 106
Löscher, Hermann: Ursprung und Aufhebung der Kircheninspektion. Leipzig, 1927
Löscher, Hermann: 400 Jahre mittlere Schulaufsicht in Sachsen. In: Wissenschaftliche Beilage des Dresdner Anzeigers. 1930, Nr. 6/7
Ramming, Karl (Begr.) ; Kießling, Emil (Bearb.) ; Kolbe, Arthur (Bearb.) u. a.: Ramming's Handbuch der Schulstatistik für das Königreich Sachsen : Neue Folge. Dresden, versch. Jahrgänge
Ramming, Karl (Begr.) ; Kießling, Emil (Bearb.) ; Kolbe, Arthur (Bearb.) u. a.: Handbuch der Schul-Statistik für das Königreich Sachsen : Neue Folge. Dresden, versch. Jahrgänge
Raum, August (Bearb.) ; Ramming, Karl (Hrsg.): Rammings kirchlich-statistisches Handbuch für das Königreich Sachsen : oder Verzeichniß der in dem Königreiche Sachsen angestellten Geistlichen, Schulmeister, Schullehrer, Cantoren aller Confessionen. Dresden, versch. Jahrgänge
Richter, J.: Geschichte der sächsischen Volksschule. Berlin, 1930
Seydewitz, Paul von (Hrsg.): Das Königlich Sächsische Volksschulgesetz vom 26. April 1873 nebst Ausführungsverordnung und den damit in Verbindung stehenden Gesetzen und Verordnungen : Mit erläuternden Anmerkungen und Sachregister. 7. Aufl. Leipzig, 1918 (Juristische Handbibliothek. Bd. 338)Michael Merchel
25.11.2008
[01] GVBl. 1873, S. 350 ff.
[02] VO, den Eintritt der veränderten Zuständigkeit der Behörden für Kirchen, Schul- und Stiftungssachen betr. vom 26. August 1874. In: GVBl 1874, S. 216 ff.
[03] GVBl. 1878, S. 518 f.
[04] GVBl. 1880, S. 136
[05] Curt von der Mosel: Handwörterbuch des Verwaltungsrechts. 14. Aufl. Leipzig, 1938, Bd. 1 , S. 108
[06] VO vom 20. Juli 1910. In: GVBl. 1910, S. 155 ff.
[07] VO vom 7. Juli 1939. In: VOBl. des Sächsischen Ministeriums für Volksbildung 1939, S. 57 ff.
[08] Für Nr. 1 – 8: Gesetz, das Volksschulwesen betr. vom 26. April 1873. In: GVBl. 1873, § 35, S. 371 f.; VO zur Ausführung des Gesetzes vom 26. April 1873, das Volksschulwesen betr. vom 25. August 1874. In: GVBl. 1874 S. 197 f.
[09] C. v. d. Mosel, a. a. O., S. 611 f.
[10] GVBl. 1921, S. 147 f.; VO vom 11. Juni 1921 zur Ausführung des Gesetzes über die Trennung des Kirchen- und Schulbezirks der Volksschullehrer vom 10. Juni 1921. In: GVBl. 1921, S. 149
[11] GVBl. 1919, S. 171 ff.; VO vom 23. Juni 1919 zur Ausführung des Übergangsgesetzes für das Volksschulwesen vom 22. Juni 1919. In: GVBl. 1919, S. 185 ff.
[12] VO über die Neuregelung der Schulaufsicht vom 12. Februar 1946. In: Gesetze, Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen 2 (1946), S. 3
[13] Die Hochschulen waren hiervon ausgenommen.
[14] VO zur Änderung der VO vom 12. Februar 1946 über die Neuregelung der Schulaufsicht vom 26. April 1946. In: Gesetze, Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen 2 (1946), S. 183
[15] Statistisches Jahrbuch für das Königreich Sachsen auf das Jahr 1876, S. 98
[16] Staatshandbuch für das Königreich Sachsen 1875 – 1914; Staatshandbuch für den Freistaat Sachsen, 1921, 1925
Organisation des Schulwesens.- Fortbildungsschulen.- Personal.- Schulvermögen.- Schulgebäude.
Angaben siehe 2.3.6.2 Bezirksschulämter
- 1967, Retrokonversion 2003 | Findbuch / elektronisches Findmittel
- 2024-10-29 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5