Beständeübersicht
Bestand
11771 Villeroy & Boch Dresden
Datierung | 1863 - 1948 |
---|---|
Benutzung im | Hauptstaatsarchiv Dresden |
Umfang (nur lfm) | 1,90 |
Registraturbildnergeschichte
Die Steingutfabrik in Dresden soll am 09. Juli 1856 in Betrieb genommen worden sein. Dies geht aus einer Jubiläumsschrift aus dem Jahr 1906 hervor, auf die einige Berichte über die Entwicklung der Firma Bezug nehmen. Demnach firmierten 1841 die Fabriken von Eugen Boch und Alfred Villeroy zur Firma Villeroy & Boch. Dresden war der vierte Standort nach Mettlach, Wallerfangen und Septfontaines in Luxemburg.
Im Handelsregister des Amtsgerichts Dresden erfolgte die Eintragung der Firma Villeroy & Boch am 01. Februar 1863 auf Blatt 918. Laut Anzeige vom 30. Januar 1863 wurde die Firma aber erst im September 1858 errichtet.
Die Stadt Dresden bot für die Ansiedlung einer Steingutfabrik günstige Voraussetzungen. Dies waren vor allem die Nähe zum Burgker Steinkohlenrevier, zu den Meißner Ton- und Kaolinvorkommen und die Transportmöglichkeiten auf der Elbe sowie der Leipzig-Dresdner-Eisenbahnstrecke.
Die Fabrik wurde 18 Jahre von dem Franzosen Jules Charnoz, einem Professor der Physik, geleitet. 1874 kehrte Charnoz nach Frankreich zurück. Sein Nachfolger wurde Dr. phil. Karl Wilkens.
1885, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 05. November 1885, wurde das Dresdner Werk eine Zweigniederlassung der Fabrik in Mettlach und verlor damit seine Selbständigkeit.
Das Fabrikationsprogramm war sehr umfangreich, neben Gebrauchsgeschirr und Ziergegenständen stellte die Firma auch Spülwaren, Öfen und Fliesenwaren her. Im Jahr 1906 waren 1725 Arbeiter und Angestellte in der Fabrik beschäftigt.
Es bestanden in eigener Verwaltung eine Beamtenpensionskasse, eine Betriebskrankenkasse, eine Unterstützungskasse, eine Kranken- und Sterbekasse und eine Witwen- und Waisenkasse. In Pieschen errichtete die Firma 5 Doppelhäuser mit 56 Wohnungen. In der Fabrik stand den Arbeitern gegen Bezahlung ein Bad mit 6 Wannen und 14 Duschen zur Verfügung.
Mit dem Eintrag in das Handelsregister des Amtsgerichts Dresden vom 07. Mai 1924 wurde die Zweigniederlassung Dresden aufgehoben.
Damit endete aber nicht die Existenz der Firma, denn zeitgleich erfolgten im Handelsregister beim Amtsgericht Dresden weitere Eintragungen unter dem Namen Villeroy & Boch. Auf Blatt 17498 wurde am 25. Oktober 1922 die Firma Villeroy & Boch Mosaiklager Dresden, Zweigniederlassung der in Mettlach bestehenden Offenen Handelsgesellschaft eingetragen. Diese Firma erlosch am 09. Mai 1924. Auf Blatt 18498 erfolgte am 29. Oktober 1923 die Eintragung der Firma Villeroy & Boch Keramische Werke AG, Steingutfabrik Dresden, Zweigniederlassung der in Deutsch-Lissa (Schlesien) bestehenden Aktiengesellschaft. Am 30. Januar 1937 fand die Löschung aus dem Handelsregister statt. Die Firma Villeroy & Boch Keramische Werke, Bauabteilung Dresden, Zweigniederlassung der in Deutsch-Lissa bestehenden Aktiengesellschaft wurde auf Blatt 18516 am 06. November 1923 eingetragen und am 30. Januar 1937 wieder gelöscht. Die Eintragung der Firma Villeroy & Boch Kommanditgesellschaft, Steingutfabrik Dresden, Zweigniederlassung der in Mettlach bestehenden Firma erfolgte am 04.November 1935 auf Blatt 23525 (später HRA 4230).
Die jeweiligen Firmensitze werden im Adressbuch der Stadt Dresden des Jahres 1924 wie folgt benannt:
Villeroy & Boch, Steingutfabrik, Leipziger Str. 4 und 6
Villeroy & Boch, Platteneinkaufszentrale, Leipziger Str. 8
Villeroy & Boch, Keramische Werke AG, Bauabteilung Dresden, Waisenhausstr. 8
Villeroy & Boch, Keramische Werke AG, Steingutfabrik, Leipziger Str. 6
Villeroy & Boch, Mosaiklager Dresden, Waisenhausstr. 8/10
Als Folge der zunehmenden Absatzschwierigkeiten beschloss der Vorstand der Firma Villeroy & Boch, das Dresdner Werk zu schließen. Daraufhin wurde am 20. Oktober 1930 die Produktion vollständig eingestellt. Alle Arbeiter und Angestellten, ca. 1400 Menschen, mussten entlassen werden. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Dresden bemühten sich, den Standort zu halten, und man trat in Verhandlungen mit der Firma ein. Im Ergebnis dieser Verhandlungen bewilligte man dem Unternehmen ein Darlehen in Höhe von 1 Million Reichsmark. Außerdem zahlten der Freistaat und die Stadt zusammen 80 000 Reichsmark als Anschubfinanzierung, um die veralteten Produktionsanlagen modernisieren zu können. Nach der Modernisierung standen z.B. zwei neue Tunnelöfen zur Verfügung. Die Belegschaft konnte schrittweise wieder eingestellt werden.
Vor 1940 gab es in der Firma Villeroy & Boch Dresden eine Spülwaren-, Gebrauchsgeschirr- und Ziersteingutabteilung. Wandfliesen, Herdfliesen und Baukeramik wurden etwa bis 1930 und Öfen und Kamine bis 1908 gefertigt. Der Verkauf der Waren lag vor allem in den Händen von Großhändlern. Gleichzeitig unterhielt die Firma aber auch eigene Fabriklager in mehreren großen deutschen Städten wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, München, Hannover und Leipzig. Die Erzeugnisse der Fliesenabteilung wurden durch die Bauabteilungen vertrieben. Es bestanden sehr gute Exportverbindungen nach Italien, Griechenland, Skandinavien, Argentinien, den USA und in die Türkei. Als Spezialität wurden in der Fliesenabteilung für transportable Herde in Belgien und Frankreich sogenannte Herdfliesen mit einem Loch in der Mitte angefertigt.
Die Deutsche Überseeische Bank errichtete 1924 in Rio de Janeiro ein neues Bankgebäude. Die Ausgestaltung des Vestibüls der Bank in Keramik führte die Firma Villeroy & Boch aus. Dies soll auch die erste Präsentation von deutscher Keramik in Südamerika gewesen sein.
1940 betrug die Beteiligung von ausländischem Kapital an der Firma Villeroy & Boch 25%. Dabei handelt es sich um entfernte Verwandte der Familie Boch in Frankreich und Belgien.
Die vielfachen Bemühungen von Villeroy & Boch, andere Fabriken zu erwerben bzw. sich an ihnen zu beteiligen wie z.B. die Malzfabrik Hermann Brach in Olmütz oder die Ditmar-Urbach AG in Turn-Teplitz, sind ausnahmslos gescheitert.
Die Generaldirektion hatte auf Grund der Auswirkungen des Versailler Vertrages, welcher die Unterstellung des Saargebietes unter die Verwaltung des Völkerbundes für 15 Jahre festlegte, ihren Sitz von Mettlach von 1925 bis 1936 nach Dresden verlegt. Ein zweites Mal nahm die Generaldirektion ihren Sitz zwischen September 1939 und Dezember 1940 in Dresden.
Während des zweiten Weltkrieges und insbesondere in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 wurde ein großer Teil des Werkes zerstört. Das Verwaltungsgebäude fiel vollständig in Schutt und Asche. Das Maschinenhaus erlitt starke Beschädigungen. Sämtliche Dächer wurden durch Sprengwirkungen abgedeckt. Darüber hinaus gehörte das Werk zu den von der Demontage betroffenen Firmen. Am 01. Mai 1946 erfolgte die Freigabe der Fabrik für den Beginn der Aufräumungsarbeiten. Die Firma stand unter Treuhandschaft. Als Treuhänder setzte man Richard Beier ein. Die Generaldirektion in Mettlach konnte in der Anfangszeit durch von ihr eingesetzte Direktoren Einfluss auf den Aufbau des Dresdner Werkes nehmen. Der Treuhänder Richard Beier soll auf Grund von ihm begangener "Wirtschaftsstraftaten" verhaftet und verurteilt worden sein. Dieser Sachverhalt wird in einem Bericht über die Entwicklung der Firma dargestellt. Mit der Verstaatlichung des Werkes im April 1948 dürften auch alle noch bestehenden Verbindungen zum Hauptwerk in Mettlach abgebrochen worden sein. Der Betrieb firmierte danach unter der Bezeichnung VEB Steingutfabrik Dresden. Die Firma nannte sich seit Mitte der sechziger Jahre VEB Sanitärporzellan Dresden.
Bestandsbearbeitung
Übernahme
Die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Unterlagen des VEB Sanitärporzellan Dresden hatte bis zur Übernahme in das Hauptstaatsarchiv Dresden die DURAVIT GmbH. Das Archiv der Firma VEB Sanitärporzellan Dresden befand sich in einem größeren Keller des Verwaltungsgebäudes des Betriebes auf der Leipziger Str. 6. Die Unterlagen waren vorwiegend in Leitzordnern abgelegt worden. Die vorhandenen Ablieferungslisten konnten aufgrund gravierender Mängel nicht als Findhilfsmittel herangezogen werden. Die Unterlagen aus der Zeit vor 1945 waren z.B. nicht erfasst.
Etwa 1991/92 wurde von Mitarbeitern des Stadtmuseums Dresden zu Ausstellungszwecken ca. 1 lfm Schriftgut der Provenienz Villeroy & Boch Dresden aus dem Archiv entnommen. Diese Unterlagen übergab das Stadtmuseum am 01.11.1993 dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden. Im Stadtmuseum Dresden wurden die Unterlagen listenmäßig erfasst. Anhand der Liste war jetzt ein Zugriff auf die einzelne Akte möglich. Im Archiv der o.g. Firma befanden sich aber ebenfalls noch 1,5 lfm Schriftgut der Firma Villeroy & Boch Dresden. Diese Unterlagen nahmen Mitarbeiter der DURAVIT GmbH zum neuen Produktionsstandort nach Meißen mit. Im Juni 1995 konnten auch die jetzt in Meißen lagernden Unterlagen der Firma Villeroy & Boch übernommen werden.
Eine Ursache für die fragmentarische Überlieferung ist in der Zerstörung der Verwaltungsgebäude im Jahr 1945 zu sehen.
Bearbeitung
Die beiden Bestandsteile wurden zuerst zusammengeführt. Aufgrund des kleinen Umfanges sollte eine einfache Verzeichnung ohne anschließende Klassifizierung erfolgen. Parallel zu den Verzeichnungsarbeiten begann auch die technische Bearbeitung des Bestandes. Das beinhaltet u.a. die Entnahme aus den Leitzordnern sowie die Entfernung sämtlicher Metallteile. Bei der Bearbeitung kristallisierte sich heraus, dass teilweise die innere Ordnung der Akten gestört war. Ebenfalls musste festgestellt werden, dass der Bestand ca. 0,70 lfm Doppelüberlieferungen enthielt. Durch die Kassation dieser Doppelüberlieferung und die Entnahme des Archivgutes aus den Leitzordnern reduzierte sich der ursprüngliche Bestandsumfang um 1,25 lfm. Der Bestand hat nach der abschließenden Bearbeitung einen Umfang von 1,25 lfm. Die Zahl der Akteneinheiten erhöhte sich durch das Formieren neuer Akten bzw. das Trennen der Akten von ca. 70 auf nun 106. Nach der Verzeichnung erfolgte entgegen der ursprünglichen konzeptionellen Überlegung die Erarbeitung einer Klassifikation. Die gefundene Lösung stellt einen Kompromiss zwischen dem Versuch, die Unterlagen in die ehemalige Struktur der Firma einzuordnen, und der tatsächlichen Überlieferungslage dar. Anhand der überlieferten Unterlagen ist es nicht möglich die Entwicklung der Firma bzw. einzelner Bereiche in ihrer Gesamtheit nachzuvollziehen. Nur der Bereich Forschung und Entwicklung ist umfangreich überliefert. Enthalten sind nicht nur Forschungsergebnisse der Fabrik in Dresden, der Bestand beinhaltet vielmehr ein breites Spektrum der Entwicklung in der keramischen Industrie der 20er und 30er Jahre in Deutschland.
Im Hauptstaatsarchiv Dresden sind u.a. in den folgenden Beständen Quellen zur Firma Villeroy & Boch enthalten.
13131 Deutsche Bank, Filiale Dresden Nr. 410 u. 431
11349 Kriegsamtstelle Dresden Nr. 1086 u. 4592
11045 Amtsgericht Dresden Nr. NT 1971
11377 Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern Nr. 4561 u. 5561
11384 Landesregierung Sachsen, Ministerium für Wirtschaft Nr. 912/14 u. 2242
11856 SED Landesleitung Sachsen Nr. A 620
13434 NS-Archiv des MfS, BV Dresden Nr. 12 ZB 54-00252
Die Steingutfabrik in Dresden soll am 09. Juli 1856 in Betrieb genommen worden sein. Dies geht aus einer Jubiläumsschrift aus dem Jahr 1906 hervor, auf die einige Berichte über die Entwicklung der Firma Bezug nehmen. Demnach firmierten 1841 die Fabriken von Eugen Boch und Alfred Villeroy zur Firma Villeroy & Boch. Dresden war der vierte Standort nach Mettlach, Wallerfangen und Septfontaines in Luxemburg.
Im Handelsregister des Amtsgerichts Dresden erfolgte die Eintragung der Firma Villeroy & Boch am 01. Februar 1863 auf Blatt 918. Laut Anzeige vom 30. Januar 1863 wurde die Firma aber erst im September 1858 errichtet.
Die Stadt Dresden bot für die Ansiedlung einer Steingutfabrik günstige Voraussetzungen. Dies waren vor allem die Nähe zum Burgker Steinkohlenrevier, zu den Meißner Ton- und Kaolinvorkommen und die Transportmöglichkeiten auf der Elbe sowie der Leipzig-Dresdner-Eisenbahnstrecke.
Die Fabrik wurde 18 Jahre von dem Franzosen Jules Charnoz, einem Professor der Physik, geleitet. 1874 kehrte Charnoz nach Frankreich zurück. Sein Nachfolger wurde Dr. phil. Karl Wilkens.
1885, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 05. November 1885, wurde das Dresdner Werk eine Zweigniederlassung der Fabrik in Mettlach und verlor damit seine Selbständigkeit.
Das Fabrikationsprogramm war sehr umfangreich, neben Gebrauchsgeschirr und Ziergegenständen stellte die Firma auch Spülwaren, Öfen und Fliesenwaren her. Im Jahr 1906 waren 1725 Arbeiter und Angestellte in der Fabrik beschäftigt.
Es bestanden in eigener Verwaltung eine Beamtenpensionskasse, eine Betriebskrankenkasse, eine Unterstützungskasse, eine Kranken- und Sterbekasse und eine Witwen- und Waisenkasse. In Pieschen errichtete die Firma 5 Doppelhäuser mit 56 Wohnungen. In der Fabrik stand den Arbeitern gegen Bezahlung ein Bad mit 6 Wannen und 14 Duschen zur Verfügung.
Mit dem Eintrag in das Handelsregister des Amtsgerichts Dresden vom 07. Mai 1924 wurde die Zweigniederlassung Dresden aufgehoben.
Damit endete aber nicht die Existenz der Firma, denn zeitgleich erfolgten im Handelsregister beim Amtsgericht Dresden weitere Eintragungen unter dem Namen Villeroy & Boch. Auf Blatt 17498 wurde am 25. Oktober 1922 die Firma Villeroy & Boch Mosaiklager Dresden, Zweigniederlassung der in Mettlach bestehenden Offenen Handelsgesellschaft eingetragen. Diese Firma erlosch am 09. Mai 1924. Auf Blatt 18498 erfolgte am 29. Oktober 1923 die Eintragung der Firma Villeroy & Boch Keramische Werke AG, Steingutfabrik Dresden, Zweigniederlassung der in Deutsch-Lissa (Schlesien) bestehenden Aktiengesellschaft. Am 30. Januar 1937 fand die Löschung aus dem Handelsregister statt. Die Firma Villeroy & Boch Keramische Werke, Bauabteilung Dresden, Zweigniederlassung der in Deutsch-Lissa bestehenden Aktiengesellschaft wurde auf Blatt 18516 am 06. November 1923 eingetragen und am 30. Januar 1937 wieder gelöscht. Die Eintragung der Firma Villeroy & Boch Kommanditgesellschaft, Steingutfabrik Dresden, Zweigniederlassung der in Mettlach bestehenden Firma erfolgte am 04.November 1935 auf Blatt 23525 (später HRA 4230).
Die jeweiligen Firmensitze werden im Adressbuch der Stadt Dresden des Jahres 1924 wie folgt benannt:
Villeroy & Boch, Steingutfabrik, Leipziger Str. 4 und 6
Villeroy & Boch, Platteneinkaufszentrale, Leipziger Str. 8
Villeroy & Boch, Keramische Werke AG, Bauabteilung Dresden, Waisenhausstr. 8
Villeroy & Boch, Keramische Werke AG, Steingutfabrik, Leipziger Str. 6
Villeroy & Boch, Mosaiklager Dresden, Waisenhausstr. 8/10
Als Folge der zunehmenden Absatzschwierigkeiten beschloss der Vorstand der Firma Villeroy & Boch, das Dresdner Werk zu schließen. Daraufhin wurde am 20. Oktober 1930 die Produktion vollständig eingestellt. Alle Arbeiter und Angestellten, ca. 1400 Menschen, mussten entlassen werden. Der Freistaat Sachsen und die Stadt Dresden bemühten sich, den Standort zu halten, und man trat in Verhandlungen mit der Firma ein. Im Ergebnis dieser Verhandlungen bewilligte man dem Unternehmen ein Darlehen in Höhe von 1 Million Reichsmark. Außerdem zahlten der Freistaat und die Stadt zusammen 80 000 Reichsmark als Anschubfinanzierung, um die veralteten Produktionsanlagen modernisieren zu können. Nach der Modernisierung standen z.B. zwei neue Tunnelöfen zur Verfügung. Die Belegschaft konnte schrittweise wieder eingestellt werden.
Vor 1940 gab es in der Firma Villeroy & Boch Dresden eine Spülwaren-, Gebrauchsgeschirr- und Ziersteingutabteilung. Wandfliesen, Herdfliesen und Baukeramik wurden etwa bis 1930 und Öfen und Kamine bis 1908 gefertigt. Der Verkauf der Waren lag vor allem in den Händen von Großhändlern. Gleichzeitig unterhielt die Firma aber auch eigene Fabriklager in mehreren großen deutschen Städten wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt, München, Hannover und Leipzig. Die Erzeugnisse der Fliesenabteilung wurden durch die Bauabteilungen vertrieben. Es bestanden sehr gute Exportverbindungen nach Italien, Griechenland, Skandinavien, Argentinien, den USA und in die Türkei. Als Spezialität wurden in der Fliesenabteilung für transportable Herde in Belgien und Frankreich sogenannte Herdfliesen mit einem Loch in der Mitte angefertigt.
Die Deutsche Überseeische Bank errichtete 1924 in Rio de Janeiro ein neues Bankgebäude. Die Ausgestaltung des Vestibüls der Bank in Keramik führte die Firma Villeroy & Boch aus. Dies soll auch die erste Präsentation von deutscher Keramik in Südamerika gewesen sein.
1940 betrug die Beteiligung von ausländischem Kapital an der Firma Villeroy & Boch 25%. Dabei handelt es sich um entfernte Verwandte der Familie Boch in Frankreich und Belgien.
Die vielfachen Bemühungen von Villeroy & Boch, andere Fabriken zu erwerben bzw. sich an ihnen zu beteiligen wie z.B. die Malzfabrik Hermann Brach in Olmütz oder die Ditmar-Urbach AG in Turn-Teplitz, sind ausnahmslos gescheitert.
Die Generaldirektion hatte auf Grund der Auswirkungen des Versailler Vertrages, welcher die Unterstellung des Saargebietes unter die Verwaltung des Völkerbundes für 15 Jahre festlegte, ihren Sitz von Mettlach von 1925 bis 1936 nach Dresden verlegt. Ein zweites Mal nahm die Generaldirektion ihren Sitz zwischen September 1939 und Dezember 1940 in Dresden.
Während des zweiten Weltkrieges und insbesondere in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 wurde ein großer Teil des Werkes zerstört. Das Verwaltungsgebäude fiel vollständig in Schutt und Asche. Das Maschinenhaus erlitt starke Beschädigungen. Sämtliche Dächer wurden durch Sprengwirkungen abgedeckt. Darüber hinaus gehörte das Werk zu den von der Demontage betroffenen Firmen. Am 01. Mai 1946 erfolgte die Freigabe der Fabrik für den Beginn der Aufräumungsarbeiten. Die Firma stand unter Treuhandschaft. Als Treuhänder setzte man Richard Beier ein. Die Generaldirektion in Mettlach konnte in der Anfangszeit durch von ihr eingesetzte Direktoren Einfluss auf den Aufbau des Dresdner Werkes nehmen. Der Treuhänder Richard Beier soll auf Grund von ihm begangener "Wirtschaftsstraftaten" verhaftet und verurteilt worden sein. Dieser Sachverhalt wird in einem Bericht über die Entwicklung der Firma dargestellt. Mit der Verstaatlichung des Werkes im April 1948 dürften auch alle noch bestehenden Verbindungen zum Hauptwerk in Mettlach abgebrochen worden sein. Der Betrieb firmierte danach unter der Bezeichnung VEB Steingutfabrik Dresden. Die Firma nannte sich seit Mitte der sechziger Jahre VEB Sanitärporzellan Dresden.
Bestandsbearbeitung
Übernahme
Die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Unterlagen des VEB Sanitärporzellan Dresden hatte bis zur Übernahme in das Hauptstaatsarchiv Dresden die DURAVIT GmbH. Das Archiv der Firma VEB Sanitärporzellan Dresden befand sich in einem größeren Keller des Verwaltungsgebäudes des Betriebes auf der Leipziger Str. 6. Die Unterlagen waren vorwiegend in Leitzordnern abgelegt worden. Die vorhandenen Ablieferungslisten konnten aufgrund gravierender Mängel nicht als Findhilfsmittel herangezogen werden. Die Unterlagen aus der Zeit vor 1945 waren z.B. nicht erfasst.
Etwa 1991/92 wurde von Mitarbeitern des Stadtmuseums Dresden zu Ausstellungszwecken ca. 1 lfm Schriftgut der Provenienz Villeroy & Boch Dresden aus dem Archiv entnommen. Diese Unterlagen übergab das Stadtmuseum am 01.11.1993 dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden. Im Stadtmuseum Dresden wurden die Unterlagen listenmäßig erfasst. Anhand der Liste war jetzt ein Zugriff auf die einzelne Akte möglich. Im Archiv der o.g. Firma befanden sich aber ebenfalls noch 1,5 lfm Schriftgut der Firma Villeroy & Boch Dresden. Diese Unterlagen nahmen Mitarbeiter der DURAVIT GmbH zum neuen Produktionsstandort nach Meißen mit. Im Juni 1995 konnten auch die jetzt in Meißen lagernden Unterlagen der Firma Villeroy & Boch übernommen werden.
Eine Ursache für die fragmentarische Überlieferung ist in der Zerstörung der Verwaltungsgebäude im Jahr 1945 zu sehen.
Bearbeitung
Die beiden Bestandsteile wurden zuerst zusammengeführt. Aufgrund des kleinen Umfanges sollte eine einfache Verzeichnung ohne anschließende Klassifizierung erfolgen. Parallel zu den Verzeichnungsarbeiten begann auch die technische Bearbeitung des Bestandes. Das beinhaltet u.a. die Entnahme aus den Leitzordnern sowie die Entfernung sämtlicher Metallteile. Bei der Bearbeitung kristallisierte sich heraus, dass teilweise die innere Ordnung der Akten gestört war. Ebenfalls musste festgestellt werden, dass der Bestand ca. 0,70 lfm Doppelüberlieferungen enthielt. Durch die Kassation dieser Doppelüberlieferung und die Entnahme des Archivgutes aus den Leitzordnern reduzierte sich der ursprüngliche Bestandsumfang um 1,25 lfm. Der Bestand hat nach der abschließenden Bearbeitung einen Umfang von 1,25 lfm. Die Zahl der Akteneinheiten erhöhte sich durch das Formieren neuer Akten bzw. das Trennen der Akten von ca. 70 auf nun 106. Nach der Verzeichnung erfolgte entgegen der ursprünglichen konzeptionellen Überlegung die Erarbeitung einer Klassifikation. Die gefundene Lösung stellt einen Kompromiss zwischen dem Versuch, die Unterlagen in die ehemalige Struktur der Firma einzuordnen, und der tatsächlichen Überlieferungslage dar. Anhand der überlieferten Unterlagen ist es nicht möglich die Entwicklung der Firma bzw. einzelner Bereiche in ihrer Gesamtheit nachzuvollziehen. Nur der Bereich Forschung und Entwicklung ist umfangreich überliefert. Enthalten sind nicht nur Forschungsergebnisse der Fabrik in Dresden, der Bestand beinhaltet vielmehr ein breites Spektrum der Entwicklung in der keramischen Industrie der 20er und 30er Jahre in Deutschland.
Im Hauptstaatsarchiv Dresden sind u.a. in den folgenden Beständen Quellen zur Firma Villeroy & Boch enthalten.
13131 Deutsche Bank, Filiale Dresden Nr. 410 u. 431
11349 Kriegsamtstelle Dresden Nr. 1086 u. 4592
11045 Amtsgericht Dresden Nr. NT 1971
11377 Landesregierung Sachsen, Ministerium des Innern Nr. 4561 u. 5561
11384 Landesregierung Sachsen, Ministerium für Wirtschaft Nr. 912/14 u. 2242
11856 SED Landesleitung Sachsen Nr. A 620
13434 NS-Archiv des MfS, BV Dresden Nr. 12 ZB 54-00252
Denkschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Dresdner Steingutfabrik von Villeroy & Boch 1856 bis 1906. Dresden : Römmler & Jonas, 1906
Schriftverkehr mit Behörden und Firmen.- Kontakte mit Zweigwerken und Betriebsteilen.- Personalangelegenheiten.- Buchhaltung.- Erzeugnisforschung.- Patente.- Produktion.- Betriebskrankenkasse.- Demontage.- Jahresabschlüsse.- Keramische Versuchsanstalt.- Rundschreiben der Generaldirektion Villeroy & Boch sowie der Wirtschaftsgruppe und der Prüfungsstelle Keramische Industrie.- Werkszeitung.- Berichte der Deutschen Keramischen Gesellschaft.
Dresden war der vierte Standort der 1841 von Eugen Boch und Alfred Villeroy gegründeten Steingutfabrik und wurde vermutlich 1858 in Betrieb genommen. Neben Gebrauchsgeschirr und Ziergegenständen wurden auch Spülwaren, Öfen und Fliesenwaren produziert. Das Dresdner Werk wurde 1885 eine Zweigniederlassung der Fabrik in Mettlach an der Saar und verlor damit seine Selbständigkeit. 1924 wurde die Zweigniederlassung in Dresden aufgehoben; zeitgleich erfolgten im Handelsregister des Amtsgerichts Dresden weitere Eintragungen unter dem Namen Villeroy & Boch. Für die Jahre 1925 - 1936 und 1939 - 1940 wurde der Sitz der Stammfirma von Mettlach nach Dresden verlegt. Nach der vollständigen Demontage 1945 nahm man ein Jahr später bereits wieder die Produktion auf. 1948 wurde der Betrieb enteignet und firmierte danach unter der Bezeichnung VEB Steingutfabrik Dresden bzw. ab Mitte der 1960er Jahre als VEB Sanitärporzellan Dresden.
- 1996 | Findbuch / Datenbank
- 2024-10-29 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5