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Beständeübersicht

Bestand

12624 Nachlass Grafen von Watzdorf

Datierung1310 - 2000
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)8,61

Bestand enthält auch 5 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Geschichte des Geschlechtes



Die Geschichte des Geschlechtes von Watzdorf wurde von Senior Adam von Watzdorf im Februar 1978 in Stuttgart verfasst.



Urkundlich gesichert erscheint der Name von Watzdorf erstmals im Jahre 1137 anlässlich der Belehnung des Ritters und Vogtes Conradus de Wazdorf auf dem Greifenstein mit dem in der Nähe gelegenen Dorf Watzdorf durch Graf Sizzo von Schwarzburg. Zwar war schon 1126 ein Cunrath von Wacendorf aus dem südlich von Coburg gelegenen Ort Watzendorf in Zusammenhang mit dem dortigen Kloster Banz in einer Urkunde erwähnt, deren Echtheit allerdings nicht unbestritten ist. Es ist auch nicht bekannt, ob es sich um die gleiche Person

gehandelt hat. Beide Ortschaften existieren noch heute, erstere jetzt als Ortsteil der Stadt Blankenburg. Die frühesten Besitzungen der Familie lagen in großer Anzahl in dem Raum zwischen diesen beiden Dörfern, überwiegend beiderseits der Saale, so auch die Stammsitze der zwei Hauptlinien des Geschlechtes Altengesees und Neidenberg.



Es wurde nie eindeutig geklärt, ob die Watzdorfs ursprünglich ein germanisches oder slawisches Adelsgeschlecht waren, man neigt aber überwiegend der ersteren Meinung zu. Wie üblich, war die Schreibweise des Namens zunächst unterschiedlich (siehe oben), bei der Endsilbe "-dorf" bzw. "-dorff" sogar noch bis in die jüngste Vergangenheit.



Das Watzdorfsche Wappen weist durch seine Einfachheit auf das Alter des Geschlechtes hin. Es besteht aus einem längs geteilten Schild in den Farben gold und schwarz, auf dem Helm

mit schwarz-goldenen Decken zwei Büffelhörner in den gleichen Farben, jedes mit vier aus drei Federn bestehenden Pfauenspiegeln geziert.



Im Laufe der Jahrhunderte breitete sich das Geschlecht im thüringisch-sächsischen Raum mit weiteren Schwerpunkten im Vogtland, in der weiteren Umgebung von Leipzig und in der Lausitz aus. Erst im 19. Jahrhundert erwarb es Grundbesitz in Schlesien und vorübergehend in Westpreußen.



Der gesicherte Stammbaum beginnt im Jahre 1291 mit Nikolaus, der noch in Watzdorf lebte, aber weiteren Grundbesitz im Saalfeldischen und bei Blankenburg besaß, wozu auch schon der Stammsitz Altengesees gehörte. Er ist der Ahnherr aller heute noch lebenden Watzdorfs. Einer seiner Nachkommen erwarb 1442 Neidenberg und begründete damit die 2. Hauptlinie des Geschlechtes.



Bereits 1394 hatte Vollrath, Abt zu Bürgel, den ersten Watzdorfschen Geschlechtstag abgehalten. Ihm folgten fünf weitere bis dann im Jahre 1544 in Gera der von Watzdorfsche Geschlechtsverband gegründet wurde. Am 15. März 1626 – also unter dem Eindruck der Leiden und Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges - gab sich der Verband eine Geschlechtsordnung, die am 18. Mai 1854 einen Nachtrag erhielt. Die Statuten bestimmen unter anderem die regelmäßige Abhaltung von Geschlechtstagen. In einem Anhang zur Originalniederschrift der Statuten haben sich alle, die seit dem 15. März 1626 dem Familienverband beigetreten sind, mit Unterschrift und Siegel zu deren Einhaltung verpflichtet. Der Umsicht und Tatkraft der Kusine Erna war es zu danken, dass dieses sicherlich seltene, auf jeden Fall aber unersetzliche Dokument unversehrt in den Westen gelangt und damit der Familie erhalten geblieben ist. Am 18. Juni 1960 wurde auf einem Familientag die Neufassung der Geschlechtsordnung beschlossen, um, wie es in der Präambel heißt, "uns und unseren Nachkommen ein Leitbild zu geben, das neue Lebensgesetze mit unseren alten Traditionen erfüllt und das alterprobte Wertmaßstäbe auf neue Formen übertragen soll."



Wie wohl alle alten adeligen Geschlechter hat auch das Watzdorfsche zu allen Zeiten Persönlichkeiten hervorgebracht, die in hohen und verantwortungsvollen Stellungen eine bedeutende Rolle gespielt haben, und die infolgedessen das Zeitgeschehen in ihrem Lebensbereich mit geprägt haben. Im Folgenden seien nur einige von ihnen stellvertretend für eine große Anzahl anderer genannt:



Da war als Sohn des gräflich mansfeldschen Rates Rudolf der 1504 geborene Caspar. Ihn verband als Folge gemeinsamer Erziehung und Studienzeit eine lebenslange Freundschaft mit dem jungen Grafen Albrecht, dem späteren Grafen Albrecht IV.. Er war maßgeblich an der Einführung der Reformation in der mansfeldschen Grafschaft beteiligt und gehörte zu dem Kreis von Rittern, die Martin Luther, dem er persönlich nahe stand, schützten, als auf dem Reichstag zu Worms die Reichsacht über ihn verhängt wurde. In Anerkennung seiner Verdienste erhielt Caspar 1534 sämtliche Renten der Stadt Eisleben als Ritterlehen verschrieben. Ein Fenster der Annenkirche zu Eisleben zeigt eine Glasmalerei mit seinem Bildnis und Wappen. Bei der Bevölkerung stand er noch lange über seinen Tod hinaus in hohem Ansehen.



Margaretha (1504-1570) spielte in den Wirren der Reformationszeit als Äbtissin des Zistersienserklosters Weißenfels ebenfalls eine bedeutende Rolle. Dank ihrer persönlichen

Freundschaft mit der Kurfürstin Anna von Sachsen (als "Mutter Anna" bekannt) gelang es ihr, den Besitzstand des Klosters zu erhalten und es in ein Stift für adelige Fräuleins umzuwandeln. Sie konnte aber nicht verhindern, dass die Klosterkirche 1546 auf Befehl von Herzog Moritz abgerissen wurde. Margaretha veranstaltete daraufhin eine Sammlung für den Wiederaufbau, der dann 1561 vollendet wurde. Nach ihrem Tode wurde sie in dieser Kirche beigesetzt, wie später auch mehrere Mitglieder der kursächsischen Familie. Sie hinterließ eine Stiftung, mit deren Hilfe jeweils drei Angehörige des Watzdorfschen Geschlechtes ein fünfjähriges Studium finanziert werden sollte.



Christoph Heinrich (1670-1729) unter August dem Starken Geheimer Staats- und Kabinettsminister, genoss hohes Ansehen und sein Rat war unentbehrlich. Auf Vorschlag seines Königs wurde er am 19. August 1719 von Kaiser Karl VI. für sich und seine Nachkommen in den Grafenstand erhoben. Er erwarb die Standesherrschaft Pförten in der Niederlausitz und die Herrschaft Lichtenwalde bei Chemnitz. 1722 wurde er zum Probst des Hochstiftes Bautzen und zum Domherrn von Meißen gewählt. Die von ihm begründete gräfliche Linie ist nach wenigen Generationen erloschen.



Friedrich August auf Kauschwitz (1682-1749) bekleidete zahlreiche hohe Positionen: Obersteuereinnehmer im Vogtland, Mitglied des Obersteuerkollegiums, Appellationsrat und Kreiskommissar, ab 1742 Kreishauptmann des Vogtländischen Kreises.



Adam Friedrich auf Kauschwitz (1718-1781) trat nach Studium und ausgedehnten Reisen zu mehreren Fürstenhöfen in den diplomatischen Dienst ein und nahm als Gesandtschaftskavalier 1741/42 an der Wahl und Krönung Kaiser Karls VII. teil. Nach verschiedenen diplomatischen Missionen wurde er Oberhofrichter in Leipzig. Bei seiner Teilnahme an einer 1758 von Friedrich dem Großen in Leipzig einberufenen Ständeversammlung erwarb er sich durch seine Loyalität das besondere Vertrauen seines sächsischen Monarchen und wurde nun häufig zu vertraulichen Beratungen hinzugezogen. Sein Einfluss war auch der preußischen Regierung bekannt, und als Friedrich der Große die sächsischen Stände 1759 zum Abschluss einer Konvention zwingen wollte, ließ er Adam Friedrich während dieser Zeit mit Offiziersbewachung unter Hausarrest stellen. Später nahm er noch an Verhandlungen zum Abschluss des Siebenjährigen Krieges teil, musste dann aber infolge eines Augenleidens, das zu völliger Erblindung führte, seine viel versprechende Karriere im Dienst seines Landes beenden. Er widmete sich bis zu seinem Tod seiner Tätigkeit als Geschlechtssenior und der Verwaltung seiner Güter, insbesondere auch der seinem unmündigen Sohn zugefallenen Herrschaft Wiesenburg. Eine rege Korrespondenz verband ihn noch mit vielen einflussreichen Persönlichkeiten seiner Zeit.



Carl Friedrich Ludwig (1759-1840), ein Sohn Adam Friedrichs, wurde 1786 Kreiskommissar des Vogtlandes und Geheimer Kriegsrat. Er bekleidete verschiedene hohe Positionen sowohl auf militärischem als auch auf diplomatischem Gebiet und wurde königlich sächsischer Generalleutnant, Generaladjutant und Minister des Königlichen Hauses. Von 1810 bis 1812 sächsischer Gesandter in St. Petersburg, wurde er mit Ausbruch des Krieges gegen Russland sächsischer Gesandter im Hauptquartier Napoleons. Dieser ließ sich von Carl eingehend über die russischen Streitkräfte berichten, beachtete aber seine Warnungen nicht. Auch später nach der Schlacht bei Borodino riet ihm Carl, der die Nachschubprobleme übersah, vergeblich zu Friedensverhandlungen. Aus Russland zurückgekehrt wurde Carl Gesandter am Wiener Hof.

Dort arbeitete er mit Metternich an einem geheimen Vertragsentwurf, der Sachsen an der Seite der Verbündeten gegen Napoleon bringen sollte, wodurch diesem die schmerzlichen

Gebietsverluste des Jahres 1815 erspart geblieben wären. Es kam aber nicht so weit, weil sich der König nach anfänglichen Erfolgen Napoleons wieder an dessen Seite stellte. Später führte Carl dann die sehr schwierigen Verhandlungen mit den siegreichen Alliierten, um seinem König die Rückkehr nach Sachsen zu ermöglichen. Als Oberhofmarschall leitete er die Ausbildung der sächsischen Prinzen und war anschließend von 1823 bis 1835 außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am preußischen Hof in Berlin. Dabei wirkte er mit bei der Bildung des Deutschen Zollvereins. Er beschloss seine Laufbahn als Minister des Königlichen Hauses und Mitglied des Staatsrates. Als Carl 1840 verstarb, trat ein Mann von der politischen Bühne ab, der praktisch mit allen Mächtigen seiner Epoche in engem, persönlichem Kontakt gestanden hatte: mit Zar Alexander von Russland, Napoleon, später auch mit Ludwig XVIII. und Talleyrand, den preußischen Königen und dem Freiherrn vom Stein, mit dem Kaiser in Wien und mit Metternich.



Ebenfalls zunächst im sächsischen Staatsdienst begann Bernhard auf Berga (1804-1870) seine Laufbahn. Da aber Berga 1815 zu Sachsen-Weimar gekommen war, ging er 1843 dorthin, um – erst 39 Jahre alt – das Ministerium des Auswärtigen und der Justiz zu übernehmen. Mit der Einführung einer freien Gemeindeverfassung hat er sich ebenso einen Namen gemacht wie durch sein Wirken für den Reichsgedanken unter preußischer Führung. 1866 vertrat er sein Land im Deutschen Bund. Aus Anlass seines fünfundzwanzigjährigen Jubiläums als Minister im Jahre 1868 wurde er Ehrenbürger der Stadt Weimar, die eine Straße und einen Platz nach ihm benannte, und sein Großherzog Karl Alexander ließ eine goldene Medaille mit seinem Namen und Brustbild prägen, die in Silber und Bronze vervielfältigt wurde.



Karl Hermann (1807-1846) war Offizier in sächsischen und österreichischen Diensten und wurde am 10. März 1837 vom Großherzog Karl Friedrich von Sachsen-Weimar in den Freiherrenstand erhoben. Er begründete die freiherrliche Linie des Geschlechtes, seine Nachkommen lebten überwiegend in Österreich und Ungarn, nach dem Zweiten Weltkrieg ist diese Linie erloschen. Karls früher Tod setzte seiner Karriere ein vorzeitiges Ende.



Im Watzdorfschen Geschlecht hat es aber auch Männer gegeben, die mit den Machthabern ihrer Zeit nicht konform gingen, und die dabei eine außerordentliche Standhaftigkeit bewiesen haben. So zum Beispiel Christian Heinrich Reichsgraf von Watzdorf (1698-1747). Seine vielversprechende Laufbahn – 1720 königlich polnischer und kurfürstlich sächsischer Kammerherr, 1724 Hof- und Justizrat, 1725 außerordentlicher Gesandter an den Höfen in Parma und Florenz – endete infolge seines Widerstandes gegen die Willkürherrschaft des

allgewaltigen Ministers Graf Brühl. Da er nicht bereit war nachzugeben, wurden seine Güter – so auch die Standesherrschaft Pförten – eingezogen, und er kam als Staatsgefangener auf die Festung Königstein, wo er nach dreizehnjähriger Haft starb. Das alles geschah trotz

Intervention seiner Standesgenossen, ohne Gerichtsverhandlung, ohne die Möglichkeit einer Verteidigung und ohne Urteil!



Anton (1788-1815), ein Sohn des oben erwähnten Carl, war ein hervorragender Offizier in der sächsischen Armee und gehörte dem Truppenkontingent an, das sein Land für den Krieg gegen Russland stellen musste. Er zeichnete sich bei zahlreichen Gefechten aus, erlebte aber auch die Vernichtung der Großen Armee. Das Opfer tausender deutscher Soldaten für die Großmachtpläne eines fremden Landes machte ihn zum erbitterten Gegner Napoleons. Aus Protest gegen den Verbleib seines Königs an der Seite des Korsen nahm Anton am 28. Mai

1813 seinen Abschied als sächsischer Offizier und trat sofort in die preußische Armee ein. Als Adjutant des kommandierenden Generals von Kleist erwarb er sich das Vertrauen des

Marschalls Blücher. Nach Teilnahme an mehreren Schlachten, so auch der Völkerschlacht von Leipzig, wurde er beim Sturm auf Claye schwer verwundet. Im März 1815 wurde Anton als Oberstleutnant Kommandeur des Brandenburgischen Dragoner-Regimentes Prinz Wilhelm und zugleich interimistischer Brigadekommandeur beim Bülowschen Korps (im Alter von 27 Jahren!). Bei der Schlacht von Waterloo fand Anton – schon verwundet – an der Spitze seiner Kavallerie-Brigade den Soldatentod. In der Geschichte seines Dragoner-Regimentes steht zu lesen: "Die Armee verlor in ihm einen der bedeutendsten Kavallerie-Offiziere der damaligen Zeit, der gewiß noch Außerordentliches geleistet haben würde."



Otto (1801-1860) vertrat liberale Anschauungen und wollte von ihm als notwendig erachtete Verfassungsreformen auf dem Weg der Gesetzgebung durchführen. Seine zu diesem Zweck an den sächsischen König verfasste Denkschrift durfte aber nicht erscheinen. Deshalb ließ er sie in Hof, das für Sachsen Ausland war, drucken. Dies hatte ernste Differenzen mit König und Regierung zur Folge. Die Entwicklung gab ihm jedoch Recht, denn seine beabsichtigten Reformen mussten bald darauf – dann allerdings übereilt unter dem revolutionären Druck der Straße – eingeführt werden. Otto wirkte auch für die Einigung Deutschlands und nahm sowohl an dem Vorparlament als auch an der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche teil. Nach weiteren Differenzen mit seiner Regierung, gab er seinen Kammerherrenschlüssel zerbrochen an seinen König zurück. Nach Verkauf der meisten seiner sächsischen Güter gab Otto seine sächsische Staatsangehörigkeit auf und wurde preußischer Untertan. Im Jahre 1853 erwarb er das Rittergut Schönfeld in Schlesien und begründete das Haus Schönfeld, dem die meisten der heute noch lebenden Mitglieder der Familie entstammen.



Auf ganz anderen Gebieten lagen die Verdienste von Ottos Bruder Rudolf (1804-1880). Nach Studium und Auslandsreisen zunächst im sächsischen Justizdienst tätig, kaufte er 1825 das Rittergut Störmthal bei Leipzig. Zwar bekleidete er auch später noch öffentliche Ämter als königlicher Kammerherr und als Mitglied der 1. Kammer der sächsischen Ständeversammlung, sein Hauptinteresse galt aber der Verwaltung seiner Güter und seiner Arbeit für die Gesamtfamilie, der er von 1830 bis zu seinem Tod als Senior vorstand. Seiner Initiative und Mitwirkung verdankt das Geschlecht die im Jahr 1840 erschienene Familiengeschichte und in sein Seniorat fiel auch der schon erwähnte Nachtrag zu den Geschlechtsstatuten. Rudolf wurde Begründer des heute noch bestehenden Hauses Störmthal.



Eine neue Zeit zog herauf. Der feudale Ständestaat hatte sich auf dem Weg über den Absolutismus zum modernen Beamtenstaat gewandelt, die dank der Technik aufblühende Industrie drängte die Bedeutung der Agrarwirtschaft zurück. Der Adel, zwar seiner politischen und wirtschaftlichen Privilegien beraubt, diente Land und Landesherren jedoch immer noch an hervorragender Stelle, so zum Beispiel Rudolfs Sohn Werner (1836-1904), als wirklich Geheimer Rat und königlich sächsischer Oberkammerherr, von 1895 bis 1902 als sächsischer Finanzminister. Die rapide Industrialisierung der Gründerjahre stellte den Staat vor enorme finanzielle Aufgaben, unter anderem für den Ausbau leistungsfähiger Verkehrswege. Diese waren mit konventionellen Mitteln nicht zu bewältigen, und Werners heute unbestrittene Meinung, der Staat dürfe sich für solche Investitionen auch verschulden und sein eigenverantwortliches Handeln in diesem Sinne, stießen auf den Widerstand konservativer Kräfte. Sie zwangen den König, sich gegen seine bessere Einsicht von seinem Finanzminister zu trennen, einem Mann, der so Bedeutendes für den wirtschaftlichen Aufschwung seines Vaterlandes getan hatte.



Aus der Reihe hervorragender Offiziere, die ihrem Land in der Armee dienten, und die dann im Ersten Weltkrieg als Generale besondere Verantwortung trugen, seien hier nur zwei erwähnt: Bernhard (1860-1921), Zweig Brambach, war als General der Infanterie kommandierender General eines Armeekorps, und Hans (1857-1931), letzter im Mannesstamm der Hauptlinie Neidenberg, befehligte als Generalleutnant eine Division.



Der Sturz der Monarchie bei Kriegsende traf den Adel, der jetzt auch seine gesellschaftliche Vorrangstellung verloren hatte, in besonderem Maße. Aber auch in der Republik leistete er seinem Vaterland wertvolle Dienste, so zum Beispiel Friedrich auf Schönfeld (1870-1940) als Landesältester des Breslau-Brieger Fürstentums und als stellvertretender Landschaftsdirektor. Seine schon erfolgte Wahl zum Landschaftsdirektor wurde von der Naziregierung, der er nicht genehm war, verhindert. Rudolf auf Proschlitz (1874-1944) war Kreisdeputierter und Vorsitzender der deutschnationalen Fraktion des oberschlesischen Provinziallandtages und Mitglied des preußischen Staatsrates. Auch er gab seine öffentlichen Ämter im Dritten Reich auf. Otto Vollrath (1881-1946) verteidigte 1921 seine oberschlesische Heimat gegen den Poleneinfall mit dem von ihm aufgestellten Freikorps Watzdorf und nahm unter anderem an der Eroberung des Annaberges teil. Später wurde er ein in weiten Kreisen bekannter Jagdschriftsteller.



Im Zweiten Weltkrieg hat die Familie Watzdorf schwere Blutopfer gebracht, jeder Dritte der erwachsenen Männer gab sein Leben für sein Vaterland, und in der Folge verlor sie ihren gesamten Grundbesitz durch Vertreibung und Enteignung. In dieser dunkelsten Zeit unserer Geschichte schlug die Stunde unserer Frauen und Mütter. Unter unsäglichen Strapazen und Gefahren retteten sie das Einzige, aber auch das Wertvollste, das uns noch geblieben war, das Leben unserer Kinder.



Als in den folgenden Jahren ein Jeder mit dem Aufbau einer neuen Existenz vollauf beschäftigt war, unternahm es der damalige Senior Rudolf (1879-1966), zuletzt auf Luttowitz und auch letzter Landesbestallter des ehemaligen Markgrafentums Oberlausitz, die in alle Winde zerstreute Familie wieder zusammenzuführen. Für den 26. Mai 1956 lud er zu einem Familientag ein, bei dem einstimmig unter starker Beteiligung beschlossen wurde, die Frauen und Töchter als Vollmitglieder in den Geschlechtsverband aufzunehmen. Dieser, einst zur Wahrung ständischer und wirtschaftlicher Interessen gegründet, hat sich nun zum wichtigsten Instrument für die Wahrung des Familienzusammenhaltes gewandelt. Heute leben die

Mitglieder außer in Deutschland noch in England und Frankreich, in Schweden und der Schweiz, aber auch in den USA und in Süd- und Süd-West-Afrika.



Am Ende dieses Rückblickes auf fast 850 Jahre Watzdorfscher Familiengeschichte mögen die auch heute noch gültigen Mahnungen stehen, mit denen der im Jahre 1903 von Camillo (1843-1915) herausgegebene 2. Band der Familiengeschichte das Kapitel "Geschichtlicher Überblick" abschließt:



"Unsere Väter haben uns durch ihr eigenes Beispiel gelehrt, trotz Schmälerung seiner einstigen Rechte den ererbten Namen und Stand als ein kostbares Gut unverändert hochzuhalten und uns desselben immerdar würdig zu erweisen, indem wir ohne Überhebung die Tugenden der Ritterlichkeit, als vor allem Gottesfurcht, Ehrenhaftigkeit, Wahrheitsliebe

und Treue zu üben, sowie nach besten Kräften durch Selbstzucht, ernste Tätigkeit und Pflichterfüllung dazu beitragen sollen, daß der Watzdorf'sche Name stets hochgeachtet bleibe und unser altes Geschlecht auch fernerhin gedeihe. Dazu gebe Gott seinen Segen."







Bestandsgeschichte und -inhalt



Die Geschichte des Bestandes Familiennachlass von Watzdorf (D) begann im Jahre 1920. Auf

der Grundlage einer Vereinbarung zwischen Benno Georg von Watzdorf auf Störmthal (1876-1929) und dem Senior des Familienverbandes von Watzdorf, Camillo von Watzdorf (1843-

1915), wurde am 2. Oktober 1920 das Geschlechtsarchiv der Familie von Watzdorf als

Depositum an das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden übergeben, um eine sichere und

sachgerechte Aufbewahrung der historisch bedeutsamen Familiendokumente zu

gewährleisten. Der damalige Senior Hans Rudolph von Watzdorf (1857-1931) übergab diese Dokumente mit einem Abgabeverzeichnis vom 18. Juni 1920. Anlässlich des Familientages in Dresden am 14. September 1935 konnten die Teilnehmer eine repräsentative Auswahl von Archivalien des Depositalbestandes im Sächsischen Hauptstaatsarchiv besichtigen.



Die Zunahme der alliierten Luftangriffe gegen Deutschland während des Zweiten Weltkrieges führte im Januar und Februar 1944 zur Auslagerung des Geschlechtsarchivs nach Bischheim bei Kamenz und in die Ortenburg in Bautzen. In Munzig bei Nossen wurden die vom Familienverband verwahrten Dokumente untergebracht. Der damalige Senior des Verbandes, Rudolf von Watzdorf auf Luttowitz (1879-1966), und Dr. phil. Erna von Watzdorf (1892-1976) organisierten die Auslagerung der Bestände. Während die in Bischheim eingelagerten Unterlagen ein Opfer der Flammen wurden, konnten die in Munzig und in der Ortenburg verwahrten Dokumente gerettet werden. Weitere Bestandsverluste betrafen ausgelagerte Stammtafeln und andere genealogische Zusammenstellungen eines Sammlerkreises und Unterlagen beim Senior Rudolf von Watzdorf in Luttowitz bei Bautzen. Insgesamt konnten zwei Drittel des Gesamtbestandes vor der Vernichtung bewahrt werden. Im Jahre 1946 erfolgte die Rückführung der in der Ortenburg in Bautzen ausgelagerten Dokumente des Geschlechtsarchivs und Wiedereinlagerung im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.



Erst nach der deutschen Wiedervereinigung wurde eine Zusammenführung des gesamten

Geschlechtsarchivs im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden möglich. Dazu gehörten auch

die bisher im Deutschen Adelsarchiv in Marburg verwahrten Dokumente, die Bentho von

Watzdorf, Konsenior des Familienverbandes, und seine Frau Mette von Watzdorf am 8.

September 2000 in Dresden übergaben. Auf der Grundlage eines Vertrages zwischen dem von

Watzdorf'schen Familienverband e. V., vertreten durch den Senior Sieghart von Watzdorf,

und dem Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, vertreten durch den Archivleiter Dr.

Guntram Martin, vom Oktober 1999 wurde vereinbart, den Depositalbestand für die

wissenschaftliche Forschung bis zur Findbuchreife zu erschließen.



Der Bestand Familiennachlass von Watzdorf (D) dokumentiert die Entwicklung einer historisch bedeutsamen Familie des mitteldeutschen Adels im thüringisch-sächsischen Raum vom Anfang des 14. Jahrhunderts bis zur Schwelle des 21. Jahrhunderts. Ausgehend von den Stammsitzen der zwei Hauptlinien Altengesees und Neidenberg breitete sich das Geschlecht

in siebenhundert Jahren im Vogtland, in der Umgebung von Leipzig, in der Lausitz, in

Schlesien und vorübergehend in Westpreußen aus. Im Mittelpunkt der Überlieferung des

Bestandes stehen Dokumente des Familienvereins wie Geschlechtsangelegenheiten, Statuten

und Festlegungen sowie Geschlechtstage und Protokolle. Diese Dokumente beinhalten unter anderem die Geschlechtsordnung von Watzdorf vom 16. März 1626 und Nachträge sowie

Siegel der Geschlechtsmitglieder. Von besonderer Bedeutung für die historische Forschung

sind Eigentumsangelegenheiten und Lehnbriefe über Grundbesitz in Sachsen (Vogtland),

Jahresabrechnungen und Vermögensübersichten der Geschlechtskasse von Watzdorf sowie

Erbschaftsangelegenheiten mit einem Erbregister über Grundbesitz von 1512 bis 1756.

Umfangreiche Dokumente zur Familiengeschichte in Form von Gesamtdarstellungen,

Stammtafeln und Materialsammlungen sind überliefert, so zum Beispiel der Stammbaum des

Geschlechts von Watzdorf von 1630. Der Bestand beinhaltet auch das persönliche Archivgut

von Familienangehörigen und Freunden. Dazu gehören Briefwechsel und eingegangene

Briefe sowie geschäftlich-berufliche und persönliche Unterlagen. Auf das Tagebuch von Dr.

phil. Erna von Watzdorf (1892-1976) als Mitarbeiterin am Staatlichen Historischen Museum

und Grünen Gewölbe in Dresden von 1931 bis 1944 soll besonders hingewiesen werden.

Sammlungs- und Erinnerungsstücke der Familie von Watzdorf, so zum Beispiel

Bilddokumente von Angehörigen des Geschlechts und des ehemaligen Besitzes, umfangreiche Druckschriften (Bücher und Broschüren) sowie Orden und Auszeichnungen vervollständigen die Bestandsüberlieferung.







Literaturhinweise



Bestandserschließung im Literaturarchiv. Arbeitsgrundsätze des Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar. Hrsg. v. Gerhard Schmid, München 1996 (= Literatur und Archiv; Bd. 7).



Gedenkbuch des deutschen Adels. Hrsg.: Matthias Graf v. Schmettow, Limburg/Lahn 1967 (= Aus dem Deutschen Adelsarchiv; Bd. 3).



Gedenkbuch des deutschen Adels – Nachtrag. Hrsg.: Matthias Graf v. Schmettow u. Ingrid Gräfin v. Schmettow, Limburg/Lahn 1980 (= Aus dem Deutschen Adelsarchiv; Bd. 6).



Genealogisches Handbuch des Adels, Bd. 71 (1979), Adelige Häuser A XV.



Göphardt, Friedrich August v.: Alphabetisches Verzeichniß der sächsischen Offiziere, 1622 – 1815, Dresden 1885.



Goethe- und Schiller-Archiv. Bestandsverzeichnis. Bearb. v. Karl-Heinz Hahn, Weimar 1961.



König, Christoph: Verwaltung und wissenschaftliche Erschließung von Nachlässen in Literaturarchiven. Österreichische Richtlinien als Modell. Hrsg.: Forschungsinstitut "Brenner-Archiv" (Innsbruck), München 1988 (= Literatur und Archiv; Bd. 1).



Schicksalsbuch des Sächsisch-Thüringischen Adels 1945. Hrsg. v. Verband "Der Sächsische Adel e. V.", bearb. v. Adam v. Watzdorf a. d. H. Störmthal nach den von Familien eingesandten Berichten, Limburg/Lahn 1994 (= Aus dem Deutschen Adelsarchiv; Bd. 11).



Stammregister und Chronik der Kur- und Königlich Sächsischen Armee von 1670 bis zum Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts. Bearb. v. Heinrich August Verlohren, hrsg. v. Max Barthold u. Franz Verlohren; Leipzig 1910.



Statuten des von Watzdorf'schen Familienverbandes e. V., Stuttgart 1980.



Watzdorf, Adam v.: Geschichte des Geschlechtes von Watzdorf. Bd. 3, Stuttgart 1985.



Watzdorf, Camillo v.: Geschichte des Geschlechtes von Watzdorf. Fortsetzung, Dresden 1903 (als Ms. gedr.).



Watzdorf-Störmthal, Rudolph v.; Nitze, Ferdinand: Christian Heinrich von Watzdorf's ... historisch-genealogische Beschreibung des uralten adligen und gräfl. Geschlechtes Derer von Watzdorf 1740, Dresden 1872 (als Ms. gedr.).



Verweise auf andere Bestände im eigenen Archiv und fremden Archiven



Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden:

SächsHStA, 12827 Nachlass Adam Friedrich von Watzdorf (1713-1781). Bearb. v. Birgit

Rehse, Findbuch (Aug. 1999).



Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar:

ThHStAW, Nachlass Bernhard von Watzdorf. [Findbuch (um 1930)]. EDV-Bearbeitung v.

Michaela Gremot u. Iris Lemser (Mai 1999).
Watzdorf, Ch. H. von (Autor) ; Nitze, F. (Hrsg.): Historisch-genealogische Beschreibung des uralten adligen und gräflichen Geschlechts derer von Watzdorf. Dresden, 1872

Watzdorf, C. von: Geschichte des Geschlechtes von Watzdorf. Fortsetzung. Dresden, 1903

Watzdorf, A. von: Geschichte des Geschlechts von Watzdorf. Bd. 3. Stuttgart, 1985
Familiengeschichte.- Materialsammlungen aus Urkundenbüchern.- Persönliche Unterlagen.
Urkundlich gesichert erscheint der Name von Watzdorf erstmals im Jahr 1137 anlässlich der Belehnung des Ritters und Vogtes Conradus de Wazdorf auf dem Greifenstein mit dem in der Nähe gelegenen Dorf Watzdorf durch Graf Sizzo von Schwarzburg. Die frühesten Besitzungen der Familie lagen in großer Anzahl im Raum überwiegend beiderseits der Saale, so auch die Stammsitze der zwei Hauptlinien des Geschlechtes Altengesees und Neidenberg. Im Laufe der Jahrhunderte breitete sich das Geschlecht im thüringisch-sächsischen Raum mit weiteren Schwerpunkten im Vogtland, in der weiteren Umgebung von Leipzig und in der Lausitz aus. Erst im 19. Jahrhundert erwarb es Grundbesitz in Schlesien und vorübergehend in Westpreußen. Zahlreiche Familienmitglieder der von Watzdorfs waren im sächsischen Staatsdienst tätig, u. a. Christian Heinrich von Watzdorf (1698 - 1747). Seine viel versprechende Laufbahn - 1720 Kammerherr, 1724 Hof- und Justizrat, 1725 außerordentlicher Gesandter an den Höfen in Parma und Florenz - endete infolge seines Widerstandes gegen die Willkürherrschaft des Ministers Graf Brühl. Watzdorfs Güter wurden eingezogen, und er kam als Staatsgefangener auf die Festung Königstein, wo er nach dreijähriger Haft starb. Ein weiteres Mitglied der Familie, Werner von Watzdorf, war von 1895 bis 1902 sächsischer Finanzminister.

Das Archiv des Geschlechtsverbandes derer von Watzdorf wurde Auftrag des jeweiligen Seniorats seit ca. 1860 angelegt und geführt. Depositalbestand lt. Vertrag vom 8.10.1999.
  • 2015 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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