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Beständeübersicht

Bestand

12800 Nachlass August Josef "Rau-Graf" von Wackerbarth

Datierung1683 - 1905
Benutzung im Hauptstaatsarchiv Dresden
Umfang (nur lfm)6,60
Findbucheinleitung



1. Biographie



Ludwig Joseph August Raugraf von Wackerbarth entstammte einem alten niedersächsischen Adelsgeschlecht, das seit dem 18. Jahrhundert in enger Verbindung zum Dresdner Hof stand. Aus seiner Familie stammten auch der Generalfeldmarschall Christoph August Reichsgraf von Wackerbarth (1662-1734) und dessen Adoptivsohn Joseph Anton Gabaleon von Wackerbarth-Salmour (1685-1761). Den Titel des (Rau-)Grafen legte er sich 1810 zu. Er entsprang der Phantasie des Grafen.

Geboren wurde Ludwig August Raugraf von Wackerbarth am 7. März 1770 in Koschendorf bei Cottbus als Sohn des August Heinrich Ferdinand und der Sophie von Wackerbarth, geb. von Oertzen. Begütert war die Familie neben den Besitzungen in der Niederlausitz auch mit Kogel bei Ratzeburg. Wackerbarth besuchte zunächst das Lyceum in Kamenz, um dann in Wittenberg und Göttingen die Rechte und Geisteswissenschaften zu studieren. Er promovierte in Göttingen mit Auszeichnung. Schon bevor er die Universität verließ, hatte er ein halbes Dutzend historische Werke veröffentlicht, wovon eines vom Dekan der Fakultät Schlözer 1792 verboten worden war.

Nach dem Studium hoffte er, durch Verbindungen der Mutter und durch das Andenken an seinen Vorfahren in Dresden im sächsischen Staatsdienst Fuß fassen zu können. Nach dem Scheitern der Ambitionen in Sachsen und in Preußen unterwarf er sich der sächsischen Vorschrift eines weiteren juristischen Examens und eines Probedienstjahres im sächsischen Verwaltungsdienst im Kreisamt Leipzig. Unvorsichtige Äußerungen über die Leipziger Bevölkerung brachten ihm dort aber Ärger ein.

Ausgedehnte Reisen führten ihn nach England, Amerika und Ostindien. Nach seiner Rückkehr hielt er sich abwechselnd in Hamburg, Dresden und Wien auf. In Wien soll er die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Er lebte in einem Haus in der Herrengasse und versah angeblich zeitweise den Posten eines sächsischen Legationssekretärs. Kontakte pflegte er vor allem zu den literarischen Kreisen der Stadt, insbesondere ist diesbezüglich der literarisch-musikalische Salon der Henriette Pereira (1780-1859) zu nennen. Es folgten Streifzüge nach Italien und in die Türkei. Im Jahr 1801 ließ er sich in Hamburg, Lübeck und in der Umgegend von Ratzburg nieder und hielt sich die meiste Zeit im niedersächsischen Raum auf.

Erst 1809 erwarb er das vom Feldmarschall August Christoph Reichsgraf von Wackerbarth errichtete Schloss Wackerbarthsruh bei Radebeul vom Bankier Gregory, um sich dort niederzulassen. Im Laufe seines Lebens ging ihm Wackerbarthsruh zweimal verloren. Wegen seiner Schulden musste er es zeitweise untervermieten. Darüber hinaus versuchte er, durch finanzielle Experimente den Gewinn zu erhöhen. Aber weder der Gesundbrunnen noch die Salzquellen, die Alchemie oder das entdeckte Kohlenlager konnten ihm finanzielle Erfolge bringen.

Zur gleichen Zeit versuchte er eine Forderung von über einhundert Louisd'or gegenüber dem Herzogtum Sachsen-Lauenburg und den Kronen Dänemarks und Hannovers geltend zu machen. Er berief sich dabei auf eine Bürgschaft, die einer seiner Vorfahren für den Herzog von Lauenburg auf das Gut Kogel in Höhe von 5000 Taler übernommen hatte. Er hatte schließlich alleine dafür einstehen müssen. Der Raugraf verfolgte die Ansprüche seines Vorfahren bis zu seinem Lebensende mit größter Hartnäckigkeit. Rückendeckung in diesem Kampf gab ihm dabei ein Reichskammergerichtsurteil, das seine Ansprüche für rechtmäßig erklärte. Die ausstehenden Geldsummen vermachte er im Jahr 1848 testamentarisch der Nationalversammlung. Die Forderungen wurden diesem Zweck versteigert und der Erlös zum Aufbau der Reichsflotte verwendet.

Zum Zweck der Einklagung seiner Ansprüche nahm er Kontakt zu Napoleon I. und anderen europäischen Herrschern auf, deren Hilfe er sich versprach. Er richtete Eingaben an den Wiener Kongress und lebte bis 1811 für längere Zeit zu Verhandlungszwecken in Paris. Im Jahre 1812 kehrte er nach Hamburg zurück, wo er als Privatgelehrter seine Tage zubrachte. In den Jahren 1831-1834 lebte er in London.

Schon 1811 war ein erstes Insolvenzverfahren gegen ihn eröffnet worden, das ihm seine Büchersammlung, seine Handschriften, Teile der Gemäldesammlung, Briefe und viele Niederschriften kostete. Darüber hinaus wurde er immer wieder Opfer von Betrügereien. Vom Kammerkonsulenten Sponagel in Ratzeburg wurde er für unzurechnungsfähig erklärt, wogegen er publizistisch vorging.

Die von ihm 1804 geehelichte Friederike Sophie von Schwendendorff (geb. 1786) verließ ihn schon bald wieder. Die Scheidung erfolgte 1812. Aus dieser Ehe entstammte Hermann Graf von Wackerbarth (geb. 1807). [01] Trotz des Versuches, mit Hilfe mehrerer Heiratsannoncen eine Frau zu finden, ging Wackerbarth aber keine weitere Ehe ein. Sein Sohn Teut (1817-1904) stammte aus einer unehelichen Verbindung mit Sophia Weymann aus Dömitz. [02]

Seine Studien nahmen im Folgenden immer universalistischere Formen an. Zu nennen sind neben einer Sammlung von Malerbiographien, den historischen Werken über China, England

und Deutschland insbesondere die Sammlung biographischer Notizen zu bedeutenden Personen der Weltgeschichte, die er unter dem Titel Walhalla zusammenfasste und die nur in Auszügen publiziert wurden. Nach eigener Aussage Wackerbarths soll das vom Fürsten Metternich verbotene Werk Ludwig I. von Bayern zum Bau seiner Walhalla bei Regensburg angeregt haben. [03]

Schon zu Lebzeiten wurde der Graf als Sonderling betrachtet und sein umfassendes Werk als Kuriosität angesehen. Aufsehen und Ruhm erlangte er insbesondere durch den Charakter seiner Schriften und den unnachgiebigen Kampf um sein Erbe. Der Ritter des Johanniterordens verstarb am 19. Mai 1850 als Mieter auf dem Eltzischen Weinberg in der Barkengasse in Zitzschewig.



2. Bestandgeschichte und Inhalt



1931 übergab Else von Wackerbarth Unterlagen aus dem in Koschendorf liegenden Nachlass des Rauhgrafen August Joseph Ludwig von Wackerbarth an das Sächsische Hauptstaatsarchiv. An Archivdirektor Hans Beschorner schrieb sie, es sei ihr "eine Genugtuung zu wissen, dass nunmehr die Schriften gut aufgehoben sind, und somit das Erbe des Großvaters meines Mannes, der immerhin ein bedeutender Mann gewesen ist, nicht verloren gehen wird". Die Archivalien wurden dem HStA ausdrücklich "zu unbeschränktem Eigentum übergeben". [04]

Aus dem Briefwechsel zwischen Else von Wackerbarth und Hans Beschorner geht nicht eindeutig hervor, ob 1931 auf Rittergut Koschendorf neben dem Nachlass des Rauhgrafen auch noch weitere Familienpapiere vorhanden waren. Es ist jedoch in ihren Briefen wiederholt von einem Familienarchiv die Rede. Der Verbleib eines solchen Familienarchivs ist jedoch unbekannt.

Die Unterlagen wurden von Hans Beschorner nach der Übergabe grob geordnet. Im Zuge der Erschließung im Jahre 2004 wurden die Unterlagen neu geordnet und verzeichnet, so dass der Bestand nun 262 Verzeichnungseinheiten umfasst. Sein Umfang beträgt 5,7 laufende Meter. Die Laufzeit erstreckt sich auf den Zeitraum zwischen 1725 und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die vor der Geburt Wackerbarths entstandenen Unterlagen umfassen vor allem familiengeschichtliche Sachen sowie Rechts- und Gütersachen. Bei den jüngsten Archivalien handelt es sich um maschinenschriftliche Abschriften, die Beschorner zur Veröffentlichung angefertigt hatte.

Der Bestand gliedert sich in zwei Abteilungen. Der erste Teil verzeichnet die persönlichen Unterlagen Wackerbarths. Er enthält Quellen zur Ehe Wackerbarths, die erhaltenen Teile seiner Korrespondenz, Unterlagen zur Bücher- und Kunstsammlung sowie Akten über die familiären Güter. Der zweite und wesentlich umfangreichere Teil umfasst die literarischen Manuskripte des Raugrafen. Neben den autobiographischen Schriften sowie zahlreichen Fragmenten und Vorstudien finden sich hier auch die vielbändigen Manuskripte zur Geschichte der deutschen Kaiser, der Geschichte Chinas und der Walhalla.

Die Verzeichnungseinheiten wurden innerhalb der einzelnen Klassifikationsgruppen chronologisch geordnet. Auf die Ermittlung von heute gebräuchlichen Namensschreibungen sowie von korrekten Lebens- bzw. Regierungsdaten musste verzichtet werden. Aus diesem Grunde wurde auch von der Anfertigung eines Namensregisters Abstand genommen.

Nach Vermittlung durch Herrn Siegfried Merker aus Dresden konnten am 11.02.2011 weitere Unterlagen aus dem Hause Koschendorf übernommen werden. Frau Ines Seidel, geb. von Wackerbarth aus Köln schenkte dem Hauptstaatsarchiv Dresden 8 bedeutende Urkunden, die dem Bestand unter Nr. 262 bis 270 zugeordnet wurden. [05]



3. Verweise auf andere Bestände



1. Sächsisches Hauptstaatarchiv Dresden, 12881 Genealogica Nr. 5954 Wackerbarth

2. Brandenburgisches Landeshauptarchiv Rep. 37 Lübbenau, Nachlass Auguste Charlotte Kielmannsegge, Nr. 7702 (Briefe des Grafen Wackerbarth und Veröffentlichungen (Drucke) von ihm 1826-1845).

3. Bayerische Staatsbibliothek, Thierschiana I.87 (1 Brief an Friedrich Wilhelm Thiersch, 7. März 1826) und Autogr. Wackerbarth, Count A. (1 Brief an einen unbekannten Adressaten, 18. Febr. 1836).

4. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Ms. philos. 182 : 5 (3 Briefe an verschiedene Adressaten 1792 und 1838).

5. Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek, 4° Ms. hist. litt. 15 (130) (1 Brief an Grimm, 8. Juni 1821).4. Quellen und Literatur



Anonymus, Ludwig Joseph August, Reichsgraf von Wackerbarth, in: Neuer Nekrolog der Deutschen, 28. Jahrgang 1850, 1. Theil, Weimar 1852, S. 321-323.



Anonymus, Wackerbarth, August Joseph Ludwig Graf von, in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich [...], hrsg. v. Constantin von Wurbach, 22. Bd., Wien 1885, S. 46-50.



Ernst Friedrich Ahlwardt: Flüchtige Schilderung des Grafen Wackerbarths, 1822 (Abschrift im HStADD von 1922).



Hans Beschorner: Der schönste Fleck auf Erden, in: Lößnitz-Heimat. Heft Nr. 2/Februar. Beilage zum Radebeuler Tageblatt, 1. Jahrgang 1925, o. S.



Hans Beschorner: Seltsame Schicksale eines seltsamen Menschen, in: Die Elbaue. Blätter für Sächsische Heimatkunde Nr. 4, 2. Jahrgang, Februar 1925, S. 13-14.



Hans Beschorner: Raugraf August Josef von Wackerbarth, in: General-Anzeiger. Kötzschenbrodaer Zeitung, Nr. 7, 58. Jahrgang, 9. Januar 1923, S. 1.



Erich Ebstein: Nachwort, in: August Joseph Freiherr von Wackerbarth, Morgenblicke in der Leipziger Allee, Leipzig 1926, S. 33-42.



Franz Gräffer, Historische Unterhaltungen. Kleine Denkwürdigkeiten, Aufschlüsse, Persönlichkeiten, Anekdoten, Notizen usw. aus der älteren und neueren Zeit- und Literaturgeschichte, Wien 1823, S. 178.



G. H. Mahnke, Der Graf von Wackerbarth. Eine biographische Skizze, in: Niederelbischer Mercurius Zweyter Jahrgang 11 (1821), S. 84-86.



F. Schnorr von Carolsfeld: August Josef von Wackerbarth, in: ADB 40 (1896), S: 451-452.


[01] 12800 PNL August Josef "Rau-Graf" von Wackerbarth, Nr. 7.
[02] Ebd. Nr. 263.
[03] Ebd. Nr. 2.
[04] 10707 Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Nr. 3739: Briefe der Else von Wackerbarth an Hans Beschorner, Koschendorf den 15. März und 20. Mai 1931.
[05] AZ. 22-7511.23-1/213 Schenkungsvertrag und Übernahme-/Übergabeprotokoll vom 20.01.2011 / 11.02.2011.
Leibetseder, Mathis ; Pons, Rouven: Anleitung zur Welteroberung. In: Sächsisches Archivblatt. H. 1. 2005, S. 18 - 19
Historische Studien.- Materialsammlung zur englischen und schwedischen Geschichte im 17. Jh.- Begebenheiten außerordentlicher Menschen, u. a. eine Legendensammlung über Napoleon.- Untergegangene Kunstwerke.- Europäische Malerei.
Der Historiker, Kunsthistoriker und Kunstsammler August Josef "Rau-Graf" von Wackerbarth lebte von 1770 bis 1850. Er studierte in Wittenberg und Göttingen. Danach war er beim Kreisamt Leipzig als Jurist tätig. 1809 kaufte er das Anwesen Wackerbarthsruhe in Niederlößnitz (heute Radebeul). Als Privatgelehrter publizierte er zahlreiche historische Werke.
  • 2004, 2011 | Findbuch / Datenbank
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