Beständeübersicht
Bestand
12824 Nachlass Emilie Boer
Datierung | Um 1900 - 1980 |
---|---|
Benutzung im | Hauptstaatsarchiv Dresden |
Umfang (nur lfm) | 1,45 |
Biographie von Dr. phil. Emilie Boer [01]
(23.09.1894 Bochum – 05.04.1980 Dresden)
Emilie Elisabeth Boer wurde am 23. September 1894 in Bochum in Westfalen als erstes Kind des Fabrikdirektors Reinhold Boer (geb. 1860 in Oberhausen/Rheinland) und seiner Ehefrau Elisabeth (geb. Fischer, 1872), der Tochter des Bürgerschullehrers Gustav Adolph Fischer aus Dresden, geboren.
Von 1901 bis 1907 war sie Schülerin der Höheren Mädchenschule in Bochum. Dann, nach einer kurzen Vorbereitungszeit mit Privatunterricht in Latein und Mathematik, kam sie an das Knabengymnasium in Essen-Rüttenscheid, wo sie die Realgymnasial-Kurse für Mädchen besuchte (1908 bis Ostern 1911). Die nächsten zwei Jahre lernte sie am Mädchenrealgymnasium der Sophienschule in Hannover bis zur Reifeprüfung (Ostern 1913), weil ein Umzug der Familie aus dem Ruhrgebiet wegen einer schweren Erkrankung des Vaters nötig geworden war. Hier war sie durch ihren Lateinlehrer schon so für die Altphilologie gewonnen, dass sie sich im Anschluss an das Abitur ein Jahr lang ausschließlich dem griechischen Unterricht widmete und Ostern 1914 am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Hannover das griechische Examen ablegte.
Sie studierte nach dem Abschluss der Schule Altertumswissenschaften in Heidelberg (Griechisch, Latein, Alte Geschichte, Archäologie, Paläographie). Neben Franz Boll, der Griechisch lehrte, hörte sie die Professoren Fritz Schoell (Latein), den Althistoriker Alfred von Domaszewski und den Archäologen Friedrich von Duhn. Das Nebenfach Deutsch blieb bei ihr ein wenig am Rand, wobei sie in der klassischen Literatur aber sehr bewandert war.
Das Staatsexamen für das höhere Lehramt legte sie zu Ostern 1920 ab, die Promotion [02] ein Jahr später. [03] Das praktische Jahr im Schuldienst 1921/22 befriedigte sie jedoch so wenig, dass sie gleichzeitig bei der Universitätsbibliothek Heidelberg als Volontärin anfing, wo sie später als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin bis 1926 tätig war.
Da die Universitätsbibliothek Heidelberg ihr nicht länger Urlaub gewähren konnte, trat sie auf eigenen Wunsch 1927 aus dem badischen Staatsdienst aus und unternahm eine vierjährige Studienreise. Diese diente ihr zur Erweiterung ihrer Kenntnisse, besonders im Handschriftenwesen auch fremder Kulturkreise sowie zu archäologischen Studien und führte sie über Griechenland und Spanien nach Mexiko, in die USA (Besuch der Universitätsbibliotheken u.a. in Cambridge/Mass., New York und Chicago), nach Japan (Tokio, Kioto) und China (Peking). Auf der Rückreise lernte sie einige Gebiete von Hinterindien (Ruinen von Angkor bei Saigon), Indien (Delhi), Ceylon (Sri Lanka) und Java kennen. Durch den Irak gelangte sie über den Iran (damals Persien) nach Syrien, Palästina (Jerusalem, Transjordanien, Amman) und Ägypten (Kairo, Luxor, Assuan) schließlich zurück nach Italien und Deutschland.
Eine Reise von April bis Juni 1922 mit Professor Boll zu Handschriften-Kollationen in italienischen Bibliotheken für die Ausgabe von Ptolemaios´ "Tetrabiblos" (unter dem Titel "Apotelesmatica" erschienen) entschied über ihren weiteren Lebensweg, denn sie wandte sich nun ganz der Erforschung der Quellen antiker Astrologie zu, die im Altertum gleichbedeutend mit der Astronomie war. Nach dem unerwartet frühen Tod ihres hochgeachteten Lehrers Franz Boll im Juni 1924 führte sie seine Ptolemaios-Studien weiter und besuchte dafür die Bibliotheken in Paris, London und Oxford. Auf die "Tetrabiblos" hatte Boll den pseudoptolemäischen "Karpos" folgen lassen wollen. Emilie Boer vollendete auch diesen Plan, die Arbeit wurde 1942 unterbrochen, die Veröffentlichung erfolgte 1950.
Im Dezember 1932 legte sie das Examen für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst in München ab, wo sie als Referendarin der Staatsbibliothek an einer einjährigen Bibliothekar-ausbildung teilgenommen hatte. In der Münchener Zeit begegnete ihr im alpinen Hochgebirge das zweite Element neben der antiken Astrologie, das fortan ihre Passion wurde. Nach professioneller Vorbereitung bestieg sie unter Anleitung ihres Berchtesgadener Bergführers Michael Russegger die höchsten Gipfel der Alpen und des Apennin (u.a. Matterhorn, Monte Rosa, Mont Blanc).
Ihre wissenschaftliche Arbeit erstreckte sich nun neben den Studien der Handschriften des Ptolemaios auch auf Porphyrios, Paulus Alexandrinus und den sog. Heliodorus, deren einschlägige Schriften sie 1947 bis 1961 in der Bibliotheca Teubneriana edierte. Für die Vorarbeiten dazu waren im Zeitraum von 1933 bis 1942 mehrere Besuche ausländischer Bibliotheken erforderlich, besonders ein fast zweijähriger Aufenthalt an der Vaticana. Die Freundschaften, die sie dort mit italienischen und amerikanischen Gelehrten schließen konnte, haben Krieg und Nachkriegszeit überdauert.
1942 zwang sie ein Anfall von Tuberkulose, die sie sich bereits als Studentin durch die Entbehrungen des Ersten Weltkrieges zugezogen hatte, zu einem längeren Krankenhausaufenthalt in Dresden mit anschließender Kur in Davos. Danach nahm sie die Handschriften-Studien wieder auf, musste sie aber 1944, bedingt durch die Kriegseinwirkungen, erneut abbrechen. Als nach Kriegsende der Wiederaufbau begann, arbeitete sie an der damaligen TH Dresden im Institut für Kunstgeschichte und Geschichte der Baukunst als Bibliothekarin bis September 1949.
Am 1. Oktober 1949 begann für sie mit der Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften in Berlin ein neuer Lebensabschnitt. Sie arbeitete im Institut für Altertumskunde, das gerade im Neuaufbau begriffen war. Dort hat bis zu ihrem Ruhestand 1954 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und danach freiwillig bis zum November 1977 gearbeitet. Durch das Entgegenkommen der jeweiligen Institutsleiter konnte sie sich ganz ihrem Spezialgebiet, der antiken Sternenkunde, widmen. Diese Arbeit fesselte sie so stark, dass sie fast 30 Jahre lang die Belastung auf sich nahm, jede Woche für fünf Tage, ab ihrem 70. Lebensjahr für vier Tage von Dresden nach Berlin zu fahren, wo sie sich bei spartanischer Lebensweise nur auf ihre Forschungen konzentrierte. An den Wochenenden in Dresden studierte sie zusätzlich die aktuelle Literatur ihres Fachgebietes, die sie auch mehrfach und sehr ausführlich für die Deutsche Literaturzeitung rezensierte.
Dazwischen belebten immer wieder Handschriften-Reisen ihre editorische Tätigkeit, so der Aufenthalt an der Pariser Nationalbibliothek und an den großen Schweizer Bibliotheken, wo sie im Auftrag des Warburg-Instituts bei der Universität London einen "Katalog der astrologischen illuminierten lateinischen Handschriften des Mittelalters" vorbereitete (im Anschluss an den entsprechenden Katalog von Fritz Saxl für die Londoner Bibliotheken). Doch seit 1964 erhielt sie dafür keine Reisegenehmigungen mehr, weshalb das Werk unvollendet blieb, und sie musste ihre schon 1962 in Bukarest begonnenen Handschriften-Forschungen in Budapest und Krakau fortsetzen. Somit konnte sie bei der Abfassung von Artikeln zur Geschichte der Sternenkunde in mehreren Lexika für Altertumswissenschaften des In- und Auslandes (Real-encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Der Kleine Pauly, Lexikon der Alten Welt) aus vielfältigen eigenen Quellenstudien schöpfen. Eine weitere Reise nach Mittelasien im Jahr 1966 war von dem Wunsch bestimmt, das Observatorium des Ulug Beg in Samarkand kennen zu lernen.
Noch im Frühjahr 1978, als sie in der Lungenklinik in Pulsnitz erneut wegen Tbc behandelt werden musste, war sie erfüllt von Arbeitsplänen und korrespondierte mit zahlreichen Wissenschaftlern ihres Fachgebietes. Die durch zunehmende Herzschwäche erzwungene Ruhe ihrer letzten beiden Jahre hat sie ohne Klagen auf sich genommen. In der Osternacht, am 5. April 1980, starb Emilie Boer 85-jährig an einer Lungenentzündung.
Der Nachlass Emilie Boer enthält auch Unterlagen der Handelsfirma Hugo Haußhälter in Dresden, Großenhainer Str. 198.
Diese Firma verkauften die Nachkommen von Hugo Haußhälter im Oktober 1913 an Reinhold Boer, den Vater von Emilie Boer. Bis zu seinem Tod 1924 führte er die Geschäfte, welche die Produktion von Geschwindigkeitsmessern und Diagramm-Papier umfassten. Eine enge Zusammenarbeit bestand mit den Firmen Seidel & Naumann in Dresden sowie mit der Hasler A.-G. in Bern.
Ab 1924 führte die Mutter Elisabeth Boer die Firma bis zur Schließung im Jahr 1946 weiter. Um auch die beiden Töchter Emilie und Elisabeth Boer an dem Betrieb zu beteiligen, wurde 1925 ein Gesellschaftsvertrag geschlossen. Hierbei erhielten die Töchter eine stille Beteiligung und wurden damit zu Gesellschafterinnen am Geschäft der Firma.Bestandsgeschichte
Der Bestand 12824 Personennachlass Emilie Boer umfasst 1,1 lfm. Davon sind vom ursprünglich größeren Umfang nach Überprüfung der Zugehörigkeit 0,55 lfm an den Bestand 12657 Personennachlass Elisabeth Boer angegliedert worden. Der Nachlass wurde 1991 übernommen.
Der Bestand ist wahrscheinlich im Zuge einer Vorordnung des Nachlasses 12657 im Jahr 1998 entstanden. Dabei wurde Material, was offensichtlich Emilie Boer zugeordnet werden konnte, in den neuen Bestand 12824 eingeordnet.
Durch Transport und Vorordnung sind ehemalige Ablagesysteme der Nachlasserin nicht mehr ersichtlich. Es finden sich original zusammengestellte Akteneinheiten, die jedoch in ihrer Reihenfolge nicht zusammenhängend gelagert wurden. An einigen Zusammenstellungen ist ersichtlich, dass Elisabeth Boer nach dem Tod von Emilie Boer begonnen hatte, das Material ihrer Schwester systematisch zu ordnen.
Die Verzeichnung erfolgte nach dem Bär´schen Prinzip. Der Bestand wurde physisch nicht neu geordnet, aber Teile, die erkennbar zum Nachlass 12657 Elisabeth Boer gehörten, wurden aus dem Bestand ausgesondert. Es erfolgte die durchgehende Vergabe von Signaturen für die Verzeichnungseinheiten, wobei diese jeweils eine Verpackungseinheit darstellen.
Aufgrund der geringen Anzahl der Verzeichnungseinheiten mit einem vielschichtigen Inhalt wurde keine Klassifikation angewandt.
Der Inhalt der Verzeichnungseinheiten erstreckt sich über eine Vielzahl von Einzelbetreffen. Beispielsweise kann es möglich sein, dass sich unter einer Archivaliensignatur mit dem Titel "Manuskript" auch "Korrespondenz" und "Druckschriften" finden. Dabei erscheinen aber im Titel und im Enthält-Vermerk die von der Einordnung abweichenden Inhalte. Weil der Bestand nicht in formierten Einheiten vorgelegen hat, wurde aus Kapazitätsgründen vorläufig auf Aktenbildung verzichtet. Eine Bewertung wurde bislang nicht vorgenommen.
Zur Bildung des Nachlasses von Emilie Boer wurden aus dem Nachlass von Elisabeth Boer diejenigen Bestandteile herausgezogen, die offensichtlich zum Nachlass ihrer Schwester gehörten.. eine Trennung beider Nachlässe kann nicht zweifelsfrei durchgeführt werden, da die Schwestern zusammen mit der Mutter mehrere Jahrzehnte lang in der gleichen Wohnung lebten, teils die gleichen Briefkontakte hatten, dieselben Bücher und Zeitschriften lasen und auch z. B. in finanzieller Hinsicht gemeinsame Ablagen hatten (oft auch zusätzlich mit der Mutter zusammen).
Festzuhalten bleibt, dass beide Nachlässe eine enge Beziehung zueinander haben und sich in vielen Fällen, sei es bei amtlichen Dokumenten der Familie oder bei der Korrespondenz, inhaltlich berühren. Deshalb ist bei der Benutzung des einen Nachlasses auch die Beachtung des anderen wichtig, um etwaige Lücken schließen oder offene Fragen klären zu können.
Die Verzeichnung und Findbuchausgabe mit 11 Akteneinheiten erfolgte im Sommer 2004 von Christian Strunz unter der Leitung und auf Grundlage der Rahmenbedingungen von Dr. Nils Brübach. Bearbeitet, ergänzt und neu ausgedruckt im März 2010 von Gisela Petrasch.Literatur zur Person
Hübner, Wolfgang, Emilie Boer, in: Gnomon, 1981, S. 601-604.
Irmscher, Johannes, Emilie Boer zum 80. Geburtstag, in: Eirene XV, 1977, S. 187-190.
[01] Die folgenden Ausführungen stammen zum Teil aus einer Niederschrift von Elisabeth Boer, die diese nach dem Tod ihrer Schwester im Juni 1980 anfertigte.
[02] Dissertation: Die Selbstcharakteristik der Personen im antiken Drama.
[03] Die mündliche Prüfung fand im März 1921 statt, wie aus ihrem bis 1932 reichenden selbstgeschriebenen Lebenslauf hervorgeht, die Urkunde trägt das Datum 03.12.1926.
(23.09.1894 Bochum – 05.04.1980 Dresden)
Emilie Elisabeth Boer wurde am 23. September 1894 in Bochum in Westfalen als erstes Kind des Fabrikdirektors Reinhold Boer (geb. 1860 in Oberhausen/Rheinland) und seiner Ehefrau Elisabeth (geb. Fischer, 1872), der Tochter des Bürgerschullehrers Gustav Adolph Fischer aus Dresden, geboren.
Von 1901 bis 1907 war sie Schülerin der Höheren Mädchenschule in Bochum. Dann, nach einer kurzen Vorbereitungszeit mit Privatunterricht in Latein und Mathematik, kam sie an das Knabengymnasium in Essen-Rüttenscheid, wo sie die Realgymnasial-Kurse für Mädchen besuchte (1908 bis Ostern 1911). Die nächsten zwei Jahre lernte sie am Mädchenrealgymnasium der Sophienschule in Hannover bis zur Reifeprüfung (Ostern 1913), weil ein Umzug der Familie aus dem Ruhrgebiet wegen einer schweren Erkrankung des Vaters nötig geworden war. Hier war sie durch ihren Lateinlehrer schon so für die Altphilologie gewonnen, dass sie sich im Anschluss an das Abitur ein Jahr lang ausschließlich dem griechischen Unterricht widmete und Ostern 1914 am Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Hannover das griechische Examen ablegte.
Sie studierte nach dem Abschluss der Schule Altertumswissenschaften in Heidelberg (Griechisch, Latein, Alte Geschichte, Archäologie, Paläographie). Neben Franz Boll, der Griechisch lehrte, hörte sie die Professoren Fritz Schoell (Latein), den Althistoriker Alfred von Domaszewski und den Archäologen Friedrich von Duhn. Das Nebenfach Deutsch blieb bei ihr ein wenig am Rand, wobei sie in der klassischen Literatur aber sehr bewandert war.
Das Staatsexamen für das höhere Lehramt legte sie zu Ostern 1920 ab, die Promotion [02] ein Jahr später. [03] Das praktische Jahr im Schuldienst 1921/22 befriedigte sie jedoch so wenig, dass sie gleichzeitig bei der Universitätsbibliothek Heidelberg als Volontärin anfing, wo sie später als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin bis 1926 tätig war.
Da die Universitätsbibliothek Heidelberg ihr nicht länger Urlaub gewähren konnte, trat sie auf eigenen Wunsch 1927 aus dem badischen Staatsdienst aus und unternahm eine vierjährige Studienreise. Diese diente ihr zur Erweiterung ihrer Kenntnisse, besonders im Handschriftenwesen auch fremder Kulturkreise sowie zu archäologischen Studien und führte sie über Griechenland und Spanien nach Mexiko, in die USA (Besuch der Universitätsbibliotheken u.a. in Cambridge/Mass., New York und Chicago), nach Japan (Tokio, Kioto) und China (Peking). Auf der Rückreise lernte sie einige Gebiete von Hinterindien (Ruinen von Angkor bei Saigon), Indien (Delhi), Ceylon (Sri Lanka) und Java kennen. Durch den Irak gelangte sie über den Iran (damals Persien) nach Syrien, Palästina (Jerusalem, Transjordanien, Amman) und Ägypten (Kairo, Luxor, Assuan) schließlich zurück nach Italien und Deutschland.
Eine Reise von April bis Juni 1922 mit Professor Boll zu Handschriften-Kollationen in italienischen Bibliotheken für die Ausgabe von Ptolemaios´ "Tetrabiblos" (unter dem Titel "Apotelesmatica" erschienen) entschied über ihren weiteren Lebensweg, denn sie wandte sich nun ganz der Erforschung der Quellen antiker Astrologie zu, die im Altertum gleichbedeutend mit der Astronomie war. Nach dem unerwartet frühen Tod ihres hochgeachteten Lehrers Franz Boll im Juni 1924 führte sie seine Ptolemaios-Studien weiter und besuchte dafür die Bibliotheken in Paris, London und Oxford. Auf die "Tetrabiblos" hatte Boll den pseudoptolemäischen "Karpos" folgen lassen wollen. Emilie Boer vollendete auch diesen Plan, die Arbeit wurde 1942 unterbrochen, die Veröffentlichung erfolgte 1950.
Im Dezember 1932 legte sie das Examen für den wissenschaftlichen Bibliotheksdienst in München ab, wo sie als Referendarin der Staatsbibliothek an einer einjährigen Bibliothekar-ausbildung teilgenommen hatte. In der Münchener Zeit begegnete ihr im alpinen Hochgebirge das zweite Element neben der antiken Astrologie, das fortan ihre Passion wurde. Nach professioneller Vorbereitung bestieg sie unter Anleitung ihres Berchtesgadener Bergführers Michael Russegger die höchsten Gipfel der Alpen und des Apennin (u.a. Matterhorn, Monte Rosa, Mont Blanc).
Ihre wissenschaftliche Arbeit erstreckte sich nun neben den Studien der Handschriften des Ptolemaios auch auf Porphyrios, Paulus Alexandrinus und den sog. Heliodorus, deren einschlägige Schriften sie 1947 bis 1961 in der Bibliotheca Teubneriana edierte. Für die Vorarbeiten dazu waren im Zeitraum von 1933 bis 1942 mehrere Besuche ausländischer Bibliotheken erforderlich, besonders ein fast zweijähriger Aufenthalt an der Vaticana. Die Freundschaften, die sie dort mit italienischen und amerikanischen Gelehrten schließen konnte, haben Krieg und Nachkriegszeit überdauert.
1942 zwang sie ein Anfall von Tuberkulose, die sie sich bereits als Studentin durch die Entbehrungen des Ersten Weltkrieges zugezogen hatte, zu einem längeren Krankenhausaufenthalt in Dresden mit anschließender Kur in Davos. Danach nahm sie die Handschriften-Studien wieder auf, musste sie aber 1944, bedingt durch die Kriegseinwirkungen, erneut abbrechen. Als nach Kriegsende der Wiederaufbau begann, arbeitete sie an der damaligen TH Dresden im Institut für Kunstgeschichte und Geschichte der Baukunst als Bibliothekarin bis September 1949.
Am 1. Oktober 1949 begann für sie mit der Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften in Berlin ein neuer Lebensabschnitt. Sie arbeitete im Institut für Altertumskunde, das gerade im Neuaufbau begriffen war. Dort hat bis zu ihrem Ruhestand 1954 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und danach freiwillig bis zum November 1977 gearbeitet. Durch das Entgegenkommen der jeweiligen Institutsleiter konnte sie sich ganz ihrem Spezialgebiet, der antiken Sternenkunde, widmen. Diese Arbeit fesselte sie so stark, dass sie fast 30 Jahre lang die Belastung auf sich nahm, jede Woche für fünf Tage, ab ihrem 70. Lebensjahr für vier Tage von Dresden nach Berlin zu fahren, wo sie sich bei spartanischer Lebensweise nur auf ihre Forschungen konzentrierte. An den Wochenenden in Dresden studierte sie zusätzlich die aktuelle Literatur ihres Fachgebietes, die sie auch mehrfach und sehr ausführlich für die Deutsche Literaturzeitung rezensierte.
Dazwischen belebten immer wieder Handschriften-Reisen ihre editorische Tätigkeit, so der Aufenthalt an der Pariser Nationalbibliothek und an den großen Schweizer Bibliotheken, wo sie im Auftrag des Warburg-Instituts bei der Universität London einen "Katalog der astrologischen illuminierten lateinischen Handschriften des Mittelalters" vorbereitete (im Anschluss an den entsprechenden Katalog von Fritz Saxl für die Londoner Bibliotheken). Doch seit 1964 erhielt sie dafür keine Reisegenehmigungen mehr, weshalb das Werk unvollendet blieb, und sie musste ihre schon 1962 in Bukarest begonnenen Handschriften-Forschungen in Budapest und Krakau fortsetzen. Somit konnte sie bei der Abfassung von Artikeln zur Geschichte der Sternenkunde in mehreren Lexika für Altertumswissenschaften des In- und Auslandes (Real-encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Der Kleine Pauly, Lexikon der Alten Welt) aus vielfältigen eigenen Quellenstudien schöpfen. Eine weitere Reise nach Mittelasien im Jahr 1966 war von dem Wunsch bestimmt, das Observatorium des Ulug Beg in Samarkand kennen zu lernen.
Noch im Frühjahr 1978, als sie in der Lungenklinik in Pulsnitz erneut wegen Tbc behandelt werden musste, war sie erfüllt von Arbeitsplänen und korrespondierte mit zahlreichen Wissenschaftlern ihres Fachgebietes. Die durch zunehmende Herzschwäche erzwungene Ruhe ihrer letzten beiden Jahre hat sie ohne Klagen auf sich genommen. In der Osternacht, am 5. April 1980, starb Emilie Boer 85-jährig an einer Lungenentzündung.
Der Nachlass Emilie Boer enthält auch Unterlagen der Handelsfirma Hugo Haußhälter in Dresden, Großenhainer Str. 198.
Diese Firma verkauften die Nachkommen von Hugo Haußhälter im Oktober 1913 an Reinhold Boer, den Vater von Emilie Boer. Bis zu seinem Tod 1924 führte er die Geschäfte, welche die Produktion von Geschwindigkeitsmessern und Diagramm-Papier umfassten. Eine enge Zusammenarbeit bestand mit den Firmen Seidel & Naumann in Dresden sowie mit der Hasler A.-G. in Bern.
Ab 1924 führte die Mutter Elisabeth Boer die Firma bis zur Schließung im Jahr 1946 weiter. Um auch die beiden Töchter Emilie und Elisabeth Boer an dem Betrieb zu beteiligen, wurde 1925 ein Gesellschaftsvertrag geschlossen. Hierbei erhielten die Töchter eine stille Beteiligung und wurden damit zu Gesellschafterinnen am Geschäft der Firma.Bestandsgeschichte
Der Bestand 12824 Personennachlass Emilie Boer umfasst 1,1 lfm. Davon sind vom ursprünglich größeren Umfang nach Überprüfung der Zugehörigkeit 0,55 lfm an den Bestand 12657 Personennachlass Elisabeth Boer angegliedert worden. Der Nachlass wurde 1991 übernommen.
Der Bestand ist wahrscheinlich im Zuge einer Vorordnung des Nachlasses 12657 im Jahr 1998 entstanden. Dabei wurde Material, was offensichtlich Emilie Boer zugeordnet werden konnte, in den neuen Bestand 12824 eingeordnet.
Durch Transport und Vorordnung sind ehemalige Ablagesysteme der Nachlasserin nicht mehr ersichtlich. Es finden sich original zusammengestellte Akteneinheiten, die jedoch in ihrer Reihenfolge nicht zusammenhängend gelagert wurden. An einigen Zusammenstellungen ist ersichtlich, dass Elisabeth Boer nach dem Tod von Emilie Boer begonnen hatte, das Material ihrer Schwester systematisch zu ordnen.
Die Verzeichnung erfolgte nach dem Bär´schen Prinzip. Der Bestand wurde physisch nicht neu geordnet, aber Teile, die erkennbar zum Nachlass 12657 Elisabeth Boer gehörten, wurden aus dem Bestand ausgesondert. Es erfolgte die durchgehende Vergabe von Signaturen für die Verzeichnungseinheiten, wobei diese jeweils eine Verpackungseinheit darstellen.
Aufgrund der geringen Anzahl der Verzeichnungseinheiten mit einem vielschichtigen Inhalt wurde keine Klassifikation angewandt.
Der Inhalt der Verzeichnungseinheiten erstreckt sich über eine Vielzahl von Einzelbetreffen. Beispielsweise kann es möglich sein, dass sich unter einer Archivaliensignatur mit dem Titel "Manuskript" auch "Korrespondenz" und "Druckschriften" finden. Dabei erscheinen aber im Titel und im Enthält-Vermerk die von der Einordnung abweichenden Inhalte. Weil der Bestand nicht in formierten Einheiten vorgelegen hat, wurde aus Kapazitätsgründen vorläufig auf Aktenbildung verzichtet. Eine Bewertung wurde bislang nicht vorgenommen.
Zur Bildung des Nachlasses von Emilie Boer wurden aus dem Nachlass von Elisabeth Boer diejenigen Bestandteile herausgezogen, die offensichtlich zum Nachlass ihrer Schwester gehörten.. eine Trennung beider Nachlässe kann nicht zweifelsfrei durchgeführt werden, da die Schwestern zusammen mit der Mutter mehrere Jahrzehnte lang in der gleichen Wohnung lebten, teils die gleichen Briefkontakte hatten, dieselben Bücher und Zeitschriften lasen und auch z. B. in finanzieller Hinsicht gemeinsame Ablagen hatten (oft auch zusätzlich mit der Mutter zusammen).
Festzuhalten bleibt, dass beide Nachlässe eine enge Beziehung zueinander haben und sich in vielen Fällen, sei es bei amtlichen Dokumenten der Familie oder bei der Korrespondenz, inhaltlich berühren. Deshalb ist bei der Benutzung des einen Nachlasses auch die Beachtung des anderen wichtig, um etwaige Lücken schließen oder offene Fragen klären zu können.
Die Verzeichnung und Findbuchausgabe mit 11 Akteneinheiten erfolgte im Sommer 2004 von Christian Strunz unter der Leitung und auf Grundlage der Rahmenbedingungen von Dr. Nils Brübach. Bearbeitet, ergänzt und neu ausgedruckt im März 2010 von Gisela Petrasch.Literatur zur Person
Hübner, Wolfgang, Emilie Boer, in: Gnomon, 1981, S. 601-604.
Irmscher, Johannes, Emilie Boer zum 80. Geburtstag, in: Eirene XV, 1977, S. 187-190.
[01] Die folgenden Ausführungen stammen zum Teil aus einer Niederschrift von Elisabeth Boer, die diese nach dem Tod ihrer Schwester im Juni 1980 anfertigte.
[02] Dissertation: Die Selbstcharakteristik der Personen im antiken Drama.
[03] Die mündliche Prüfung fand im März 1921 statt, wie aus ihrem bis 1932 reichenden selbstgeschriebenen Lebenslauf hervorgeht, die Urkunde trägt das Datum 03.12.1926.
Private und wissenschaftliche Korrespondenz.- Familienpapiere.- Reiseandenken.
Die Altphilologin (orientalische Sprachen) und Historikerin Dr. phil. Emilie Boer lebte von 1894 bis 1980. Sie war Mitarbeiterin der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin und beschäftigte sich außerdem mit Astronomie, Astrologie und Philosophie des Altertums.
- 2004 | Findbuch / elektronisches Findmittel
- 2024-02-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5