Beständeübersicht
Bestand
20002 Stände des Leipziger Kreises
Datierung | 1660 - 1901 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 51,50 |
Geschichte der Stände des Leipziger Kreises
Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts lassen sich Ansätze einer landständischen Vertretung in Sachsen nachweisen. Die Stände, eingeteilt in drei Kurien, hielten 1438 ihren ersten Landtag ab. Die kursächsische Kreiseinteilung unter Kurfürst Moritz 1547 etablierte u. a. den Leipziger Kreis, der künftig auch den Rahmen für die ständische Organisation im Leipziger Raum bildete. Die Stände der Kreise bestanden jeweils aus zwei Korporationen, der schriftsässigen Ritterschaft und den Städten, die sich zu Kreistagen, Konventtagen und Wahlkonventen versammelten. Kreistage wurden insbesondere vor der Einberufung von Landtagen abgehalten. An der Spitze der Kreisstände standen ein Direktor und ein Kondirektor.
Die Wirksamkeit der Kreisstände erstreckte sich auf die Wohlfahrt des Kreises, die Durchführung der kreisständischen Wahlen, das Kassen- und Rechnungswesen, die Landesdefension und sonstige Militärangelegenheiten sowie die Erledigung von Angelegenheiten, die ihnen vom Landesherrn aufgetragen oder überlassen wurden. Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte die Führung der sogenannten Kreiskasse, die alle durch Ortsobrigkeiten und Amtsschösser eingenommenen Steuergelder verwahrte, bevor sie an die Steuerhauptkasse in Dresden weitergeleitet wurden. [01]
Neben den Landständen bildeten auch die Kreisstände für einzelne Aufgaben zeitweilige Ausschüsse, die als Deputationen bezeichnet wurden. Ihre Einrichtung und die Festlegung der Aufgaben erfolgten entweder auf Anordnung des Landesherrn oder auf Beschluss der Kreisstände. Besonders hervorzuheben ist die 1806 aufgestellte Kreisdeputation zur Erfüllung der finanziellen und materiellen Forderungen an die französische Armee und nach 1813 der verbündeten Armeen Preußens und Russlands.
Mit der Verfassung von 1831 verloren die Stände als gesellschaftliche Gruppen sowohl auf Landes- als auch auf Kreisebene ihre besondere Rolle im politischen Leben. [02] Besonders der Adel verlor dadurch seine privilegierte Stellung. So nahm z. B. der Anteil des Adels in der II. Kammer schnell ab, als im Jahre 1867 das Recht der Rittergutsbesitzer endete, ein bestimmtes Kontingent von Abgeordneten in dieses Haus zu wählen. Politische Parteien ersetzten bald die alten ständisch orientierten Interessengruppen. [03] Die Kreisstände existierten nach der Staatsreform in Sachsen von 1831 im Rahmen einer Stiftung bis 1945 weiter und waren in dieser Form weiter vom Adel dominiert. Das Vermögen der Stiftung stammte aus dem Überschuss bei den eingezahlten Donativgeldern sowie den Beiträgen zu den "außerordentlichen Staatsbedürfnissen". Ausgegeben wurden die Gelder für bildungspolitische und soziale Zwecke. Im Landtag bzw. ab 1831 in der I. Kammer der Ständeversammlung brachten die gewählten Vertreter der Kreisstände Angelegenheiten ihres Kreises in die Versammlungen ein und trugen Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Verfassung des Freistaates Sachsen von 1920 hob die politischen Sonderrechte auf, die Tätigkeit beschränkte sich nun auf die Verwaltung der Kreiskasse. [04]
Bestandsgeschichte und -bearbeitung [05]
Das vereinigte Kreisständische Archiv zu Leipzig entstand auf Veranlassung des Vorstandes der Stände, Friedrich Freiherr von Friesen, im November 1845. Man wählte den Kommissionsrat Carl Albert Hoffmann zum Sekretär, der fortan mit der Einrichtung bzw. mit der Aufsicht und Verwaltung des Kreisständischen Archivs beauftragt war. Seinen Sitz nahm das Archiv im Gebäude des "erbländisch ritterschaftlichen Kreditvereins zu Leipzig", das heißt im Eckgebäude Blücherplatz 1 / Gerberstraße 2. Überliefert ist ein Mietvertrag, datiert vom Jahre 1872, demnach mietete man die erste Etage des Gebäudes für eine Mietdauer von 10 Jahren mit 100 Talern pro Jahr. [06]
Die Zentralisierung der Akten erfolgte aus verschiedenen, z. T. privaten Registraturen. Dabei ergab sich das alphabetische Ordnungsprinzip A - F. In einem Entwurf für eine "Instruction für einen Secretär und Cassirer" [07] werden fünf Quellen genannt:
1. "Die Sammlung der currenten Acten des Kreisvorsitzenden mit Einschluß der Wahlacten und der Gensdarmerie-Rechnungen,
2. die Acten der vormaligen Kreisdeputation,
3. die Acten der Kreiscassendeputation,
4. die Acten und Rechnungen des vormaligen ritterschaftlichen Donativgeldeinnehmers,
5. die bisher im Landhause zu Dresden aufbewahrte, dem Kreise aber gehörige Sammlung von Landtagsacten..." [08]
Das landständische Archiv zu Dresden (A) übersandte Landtagsakten, -protokolle und landtagszugehörige Schriften. Bei den Landtagsakten findet man keine Registratursignaturen. In den Protokollen und anderen Schriften lassen sich unregelmäßig und nicht current numerische Signaturen erkennen. Weiterhin sind Teile des Kreisrechnungsarchivs (B) und des Kreisdeputationsarchivs (C) vorhanden. In letzterem herrscht die Unterteilung in sectiones, capites und numeri vor. Die Akten, die mit dem Vermerk "ergangen bei der Leipziger Kreisdeputation" versehen sind, lassen sich anhand der Aktentitel und der Signatur im Repertorium [09] nachweisen. Das Kreiskassendeputationsarchiv (D) wurde in der Regel durch den Eintrag "ergangen bei der Leipziger Kreiskassendeputation" gekennzeichnet. Die numerischen Signaturen des Donativarchivs (E) und des Kreisarchivs (F), welches Kreis- und Amtskonvente, Landtagswahlen und Kreistagsakten bzw. -protokolle beinhaltet, zeigen keine fortlaufende Systematik.
Im Zusammenhang mit der Archivbildung entstand 1845 ein Sammelrepertorium, das die Akten der einzelnen Archive auflistete, allerdings in unterschiedlicher Intensität. So wird der Teil des Kreisdeputationsarchivs (C) genau mit Signatur und Aktentitel geführt, während für andere Teile die Akten nur summarisch genannt werden. Die einzelnen Repertorien wurden vermutlich erst 1845 angefertigt. Es findet sich darin aber auch eine "Consignatio", die die Übergabe der Kreisdeputationsakten an den Amtshauptmann Schlegel dokumentiert, datiert vom 11. April 1791. [10]
Der so im Kreisständischen Archiv entstandene Bestand wurde in der Folgezeit durch eine Findkartei erschlossen, die alphabetisch nach Sachbetreffen gegliedert wurde. Die Kartei enthält aber nur den Aktentitel und die Archivsignatur, keine Registratursignaturen. Entstanden ist sie Anfang des 20. Jahrhunderts. Vermutlich wurden die Archivalien im Zusammenhang mit der Erschließung mit den Signaturen "Archiv der Leipziger Kreisstände, Fach ... Nr. ..." versehen. Nach 1945 wechselte der Bestand zunächst ins Stadtarchiv. Von dort gelangte er 1956 ins Staatsarchiv Leipzig. [11]
Hier begann im Jahr 2007 die endgültige Erschließung des Bestandes. Arbeitsgrundlage für die Verzeichnung war die "Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchivs". Sie erfolgte in der Regel in einfacher Form. Eine erweiterte Verzeichnung wurde vorgenommen, wenn die Akten Einzelvorgänge und Schriftstücke enthalten, die für die Auswertung von besonderer Bedeutung sind oder wegen ihres speziellen Inhalts noch unter abweichenden, im Aktentitel nicht zum Ausdruck kommenden Gesichtspunkten ausgewertet werden können. Die vorhandenen zum Teil unbrauchbaren Aktentitel mussten grundlegend überarbeitet werden. Es erfolgte häufig eine Verkürzung oder synonyme Umbenennung. Häufig verwendete und im damaligen Gebrauch übliche Fremdwörter wurden in den Aktentitel übernommen und können über ein Fremdwörterverzeichnis erschlossen werden. Bandreihen wurden in der Regel neu und in chronologischer Folge gebildet.
Aufgrund des weitgehenden Fehlens von Registratursignaturen konnte keine Ordnung, die sich nach dem Registraturprinzip richtet, vorgenommen werden. Nach einer tiefergehenden Provenienzprüfung konnten die Akten mit Hilfe einer neu erarbeiteten Klassifikation geordnet und in einer Augias-Datenbank erfasst werden. Die Register der Orts- und Personennamen, ebenfalls mit dem PC-Programm erstellt, orientierten sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht. Die frühere Archivaliensignatur der Kreisstände (Fach ... Nr. ...) wurde im Jahr 2011 durch eine laufende Nr. ersetzt.
Der mit dem vorliegenden Findbuch vollständig erschlossene Bestand "Kreisstände des Leipziger Kreises" besteht aus 1871 Akteneinheiten, hat einen Umfang von rund 51,5 lfm und umfasst den Zeitraum von 1660 bis 1916.
Überlieferungsschwerpunkte
Den mengenmäßigen Schwerpunkt der Überlieferung bilden Verwaltungsakten und Rechnungen der Kreiskasse und der Donativgelder unter dem Gliederungspunkt "05 Steuerangelegenheiten". Zur genauen Festlegung der Steuerhöhe einzelner Rittergüter wurden regelmäßig deren Größe und Leistungsfähigkeit erfasst. Somit enthalten diese Akten eine Vielzahl von statistischen Angaben über die Rittergüter im Leipziger Kreis, die sowohl von verwaltungsgeschichtlichem als auch von wirtschaftsgeschichtlichem Interesse sein dürften. Die Landtagsakten beziehen sich wiederum auf das gesamte Territorium Sachsens.
Von großem Wert für Historiker sind auch die Akten, die die Folgen des Siebenjährigen Krieges widerspiegelt. Der Leipziger Kreis war noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mit der Rückzahlung von Kriegsschulden belastet. Umfangreiches Material darüber findet man unter dem Gliederungspunkt "04.03 Siebenjähriger Krieg".
Die unter dem Gliederungspunkt "Kreisdeputation (ca. 1806 - 1820)" verzeichneten Akten geben Auskunft über die Lasten, die die Bevölkerung des Leipziger Kreises zur Erfüllung der finanziellen und materiellen Forderungen an die französische Armee und nach 1813 der verbündeten Armeen Preußens und Russlands tragen mussten. Man findet detaillierte Angaben über Kontributionsforderungen, Zwangsanleihen, Durchmärsche der Truppen, abverlangte Spanndienste, Verpflegungsangelegenheiten, die Einrichtung und Unterhaltung von Lazaretten, die Organisation des Etappenwesens sowie über Kriegsschäden. Von überregionaler Bedeutung ist die Überlieferung zur Regelung der Gebietsabtretungen an Preußen nach dem Wiener Kongress.
Hinweise für die Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch das Orts- und das Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 20002 Kreisstände des Leipziger Kreises, Nr. ... (fettgedruckt).
Verweis auf korrespondierende Bestände
Hauptstaatsarchiv Dresden
10015 Landtag
10018 Stände des Kurkreises
10019 Stände des Meißner Kreises
10022 Meißner Kreisdeputation
Staatsarchiv Chemnitz
30001 Stände des Erzgebirgischen Kreises
30002 Stände des Vogtländischen Kreises
30003 Erzgebirgische Kreisdeputation
30004 Vogtländische Kreisdeputation
Staatsfilialarchiv Bautzen
50001 Landstände der sächsischen Oberlausitz
50002 Landstände der preußischen Oberlausitz
Literatur
Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief 3, Potsdam 1959.
Blaschke, Karlheinz, Die Ausbreitung des Staates in Sachsen und der Ausbau seiner räumlichen Verwaltungsbezirke, in: Blätter für Deutsche Landesgeschichte 91, 1957, S. 75 – 109.
Blaschke, Karlheinz, Zur Behördenkunde der kursächsischen Lokalverwaltung, in: Archivar und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Otto Meisner [Schriftreihe der Staatlichen Archivverwaltung 7], Berlin 1956, S. 343 - 363.
Grohmann, Ingrid, u. a. (Hrsg.), Bewegte sächsische Region. Vom Leipziger Kreis zum Regierungsbezirk Leipzig 1547 – 2000, Leipzig 2001.
Matzerath, Josef, Adelsprobe an der Moderne. Sächsischer Adel 1763 bis 1866. Entkonkretisierung einer traditionalen Sozialformation [Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 183], Stuttgart 2006.
Schirmer, Uwe, Grundriss der kursächsischen Steuerverfassung (15.-17. Jh.), in: Sachsen im 17. Jh. Krise, Krieg und Neubeginn, hrsg. v. Uwe Schirmer [Schriften d. Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd. 5], Beucha 1998, S. 161 - 207.
J. Kunze
März 2010
Anhang
Fremdwörterverzeichnis
Funktionsträger (Auswahl)
[01] Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen, Bd. 16, 1821, S. 96 ff.
[02] Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen (04.09.1831), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/verfsachsen.html, Stand: 8. April 2010 .Zur Wirksamkeit der Stände siehe §§ 78-114.
[03] Matzerath, Josef, Adelsprobe an der Moderne: sächsischer Adel 1763 bis 1866. Entkonkretisierung einer traditionalen Sozialformation, Stuttgart 2006, S. 121 ff.
[04] "Artikel 52: [1] Die öffentlich-rechtlichen Sonderrechte, die durch die Provinzial-Landtagsverfassung in der Oberlausitz und durch die Kreistagsverfassung in den alten Erblanden begründet sind, werden aufgehoben. Die Verwaltung der Zweckvermögen dieser Verbände wird durch Gesetz geregelt. Bis dahin bleibt sie bei dem bisherigen Organe." Vgl. Die Verfassung des Freistaates Sachsen (01.11.1920), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/1920/verfassung-freistaat-sachsen.html, Stand: 8. April 2010.
[05] Unter Verwendung einer Ausarbeitung aus dem Jahr 2001.
[06] StA-L, Kreisstände Nr. 1302.
[07] Ebenda.
[08] Ebenda.
[09] StA-L, Kreisstände Nr. 1390.
[10] Ebenda.
[11] StA-L, Verwaltungsarchiv Nr. 187.
Seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts lassen sich Ansätze einer landständischen Vertretung in Sachsen nachweisen. Die Stände, eingeteilt in drei Kurien, hielten 1438 ihren ersten Landtag ab. Die kursächsische Kreiseinteilung unter Kurfürst Moritz 1547 etablierte u. a. den Leipziger Kreis, der künftig auch den Rahmen für die ständische Organisation im Leipziger Raum bildete. Die Stände der Kreise bestanden jeweils aus zwei Korporationen, der schriftsässigen Ritterschaft und den Städten, die sich zu Kreistagen, Konventtagen und Wahlkonventen versammelten. Kreistage wurden insbesondere vor der Einberufung von Landtagen abgehalten. An der Spitze der Kreisstände standen ein Direktor und ein Kondirektor.
Die Wirksamkeit der Kreisstände erstreckte sich auf die Wohlfahrt des Kreises, die Durchführung der kreisständischen Wahlen, das Kassen- und Rechnungswesen, die Landesdefension und sonstige Militärangelegenheiten sowie die Erledigung von Angelegenheiten, die ihnen vom Landesherrn aufgetragen oder überlassen wurden. Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte die Führung der sogenannten Kreiskasse, die alle durch Ortsobrigkeiten und Amtsschösser eingenommenen Steuergelder verwahrte, bevor sie an die Steuerhauptkasse in Dresden weitergeleitet wurden. [01]
Neben den Landständen bildeten auch die Kreisstände für einzelne Aufgaben zeitweilige Ausschüsse, die als Deputationen bezeichnet wurden. Ihre Einrichtung und die Festlegung der Aufgaben erfolgten entweder auf Anordnung des Landesherrn oder auf Beschluss der Kreisstände. Besonders hervorzuheben ist die 1806 aufgestellte Kreisdeputation zur Erfüllung der finanziellen und materiellen Forderungen an die französische Armee und nach 1813 der verbündeten Armeen Preußens und Russlands.
Mit der Verfassung von 1831 verloren die Stände als gesellschaftliche Gruppen sowohl auf Landes- als auch auf Kreisebene ihre besondere Rolle im politischen Leben. [02] Besonders der Adel verlor dadurch seine privilegierte Stellung. So nahm z. B. der Anteil des Adels in der II. Kammer schnell ab, als im Jahre 1867 das Recht der Rittergutsbesitzer endete, ein bestimmtes Kontingent von Abgeordneten in dieses Haus zu wählen. Politische Parteien ersetzten bald die alten ständisch orientierten Interessengruppen. [03] Die Kreisstände existierten nach der Staatsreform in Sachsen von 1831 im Rahmen einer Stiftung bis 1945 weiter und waren in dieser Form weiter vom Adel dominiert. Das Vermögen der Stiftung stammte aus dem Überschuss bei den eingezahlten Donativgeldern sowie den Beiträgen zu den "außerordentlichen Staatsbedürfnissen". Ausgegeben wurden die Gelder für bildungspolitische und soziale Zwecke. Im Landtag bzw. ab 1831 in der I. Kammer der Ständeversammlung brachten die gewählten Vertreter der Kreisstände Angelegenheiten ihres Kreises in die Versammlungen ein und trugen Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Verfassung des Freistaates Sachsen von 1920 hob die politischen Sonderrechte auf, die Tätigkeit beschränkte sich nun auf die Verwaltung der Kreiskasse. [04]
Bestandsgeschichte und -bearbeitung [05]
Das vereinigte Kreisständische Archiv zu Leipzig entstand auf Veranlassung des Vorstandes der Stände, Friedrich Freiherr von Friesen, im November 1845. Man wählte den Kommissionsrat Carl Albert Hoffmann zum Sekretär, der fortan mit der Einrichtung bzw. mit der Aufsicht und Verwaltung des Kreisständischen Archivs beauftragt war. Seinen Sitz nahm das Archiv im Gebäude des "erbländisch ritterschaftlichen Kreditvereins zu Leipzig", das heißt im Eckgebäude Blücherplatz 1 / Gerberstraße 2. Überliefert ist ein Mietvertrag, datiert vom Jahre 1872, demnach mietete man die erste Etage des Gebäudes für eine Mietdauer von 10 Jahren mit 100 Talern pro Jahr. [06]
Die Zentralisierung der Akten erfolgte aus verschiedenen, z. T. privaten Registraturen. Dabei ergab sich das alphabetische Ordnungsprinzip A - F. In einem Entwurf für eine "Instruction für einen Secretär und Cassirer" [07] werden fünf Quellen genannt:
1. "Die Sammlung der currenten Acten des Kreisvorsitzenden mit Einschluß der Wahlacten und der Gensdarmerie-Rechnungen,
2. die Acten der vormaligen Kreisdeputation,
3. die Acten der Kreiscassendeputation,
4. die Acten und Rechnungen des vormaligen ritterschaftlichen Donativgeldeinnehmers,
5. die bisher im Landhause zu Dresden aufbewahrte, dem Kreise aber gehörige Sammlung von Landtagsacten..." [08]
Das landständische Archiv zu Dresden (A) übersandte Landtagsakten, -protokolle und landtagszugehörige Schriften. Bei den Landtagsakten findet man keine Registratursignaturen. In den Protokollen und anderen Schriften lassen sich unregelmäßig und nicht current numerische Signaturen erkennen. Weiterhin sind Teile des Kreisrechnungsarchivs (B) und des Kreisdeputationsarchivs (C) vorhanden. In letzterem herrscht die Unterteilung in sectiones, capites und numeri vor. Die Akten, die mit dem Vermerk "ergangen bei der Leipziger Kreisdeputation" versehen sind, lassen sich anhand der Aktentitel und der Signatur im Repertorium [09] nachweisen. Das Kreiskassendeputationsarchiv (D) wurde in der Regel durch den Eintrag "ergangen bei der Leipziger Kreiskassendeputation" gekennzeichnet. Die numerischen Signaturen des Donativarchivs (E) und des Kreisarchivs (F), welches Kreis- und Amtskonvente, Landtagswahlen und Kreistagsakten bzw. -protokolle beinhaltet, zeigen keine fortlaufende Systematik.
Im Zusammenhang mit der Archivbildung entstand 1845 ein Sammelrepertorium, das die Akten der einzelnen Archive auflistete, allerdings in unterschiedlicher Intensität. So wird der Teil des Kreisdeputationsarchivs (C) genau mit Signatur und Aktentitel geführt, während für andere Teile die Akten nur summarisch genannt werden. Die einzelnen Repertorien wurden vermutlich erst 1845 angefertigt. Es findet sich darin aber auch eine "Consignatio", die die Übergabe der Kreisdeputationsakten an den Amtshauptmann Schlegel dokumentiert, datiert vom 11. April 1791. [10]
Der so im Kreisständischen Archiv entstandene Bestand wurde in der Folgezeit durch eine Findkartei erschlossen, die alphabetisch nach Sachbetreffen gegliedert wurde. Die Kartei enthält aber nur den Aktentitel und die Archivsignatur, keine Registratursignaturen. Entstanden ist sie Anfang des 20. Jahrhunderts. Vermutlich wurden die Archivalien im Zusammenhang mit der Erschließung mit den Signaturen "Archiv der Leipziger Kreisstände, Fach ... Nr. ..." versehen. Nach 1945 wechselte der Bestand zunächst ins Stadtarchiv. Von dort gelangte er 1956 ins Staatsarchiv Leipzig. [11]
Hier begann im Jahr 2007 die endgültige Erschließung des Bestandes. Arbeitsgrundlage für die Verzeichnung war die "Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchivs". Sie erfolgte in der Regel in einfacher Form. Eine erweiterte Verzeichnung wurde vorgenommen, wenn die Akten Einzelvorgänge und Schriftstücke enthalten, die für die Auswertung von besonderer Bedeutung sind oder wegen ihres speziellen Inhalts noch unter abweichenden, im Aktentitel nicht zum Ausdruck kommenden Gesichtspunkten ausgewertet werden können. Die vorhandenen zum Teil unbrauchbaren Aktentitel mussten grundlegend überarbeitet werden. Es erfolgte häufig eine Verkürzung oder synonyme Umbenennung. Häufig verwendete und im damaligen Gebrauch übliche Fremdwörter wurden in den Aktentitel übernommen und können über ein Fremdwörterverzeichnis erschlossen werden. Bandreihen wurden in der Regel neu und in chronologischer Folge gebildet.
Aufgrund des weitgehenden Fehlens von Registratursignaturen konnte keine Ordnung, die sich nach dem Registraturprinzip richtet, vorgenommen werden. Nach einer tiefergehenden Provenienzprüfung konnten die Akten mit Hilfe einer neu erarbeiteten Klassifikation geordnet und in einer Augias-Datenbank erfasst werden. Die Register der Orts- und Personennamen, ebenfalls mit dem PC-Programm erstellt, orientierten sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht. Die frühere Archivaliensignatur der Kreisstände (Fach ... Nr. ...) wurde im Jahr 2011 durch eine laufende Nr. ersetzt.
Der mit dem vorliegenden Findbuch vollständig erschlossene Bestand "Kreisstände des Leipziger Kreises" besteht aus 1871 Akteneinheiten, hat einen Umfang von rund 51,5 lfm und umfasst den Zeitraum von 1660 bis 1916.
Überlieferungsschwerpunkte
Den mengenmäßigen Schwerpunkt der Überlieferung bilden Verwaltungsakten und Rechnungen der Kreiskasse und der Donativgelder unter dem Gliederungspunkt "05 Steuerangelegenheiten". Zur genauen Festlegung der Steuerhöhe einzelner Rittergüter wurden regelmäßig deren Größe und Leistungsfähigkeit erfasst. Somit enthalten diese Akten eine Vielzahl von statistischen Angaben über die Rittergüter im Leipziger Kreis, die sowohl von verwaltungsgeschichtlichem als auch von wirtschaftsgeschichtlichem Interesse sein dürften. Die Landtagsakten beziehen sich wiederum auf das gesamte Territorium Sachsens.
Von großem Wert für Historiker sind auch die Akten, die die Folgen des Siebenjährigen Krieges widerspiegelt. Der Leipziger Kreis war noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts mit der Rückzahlung von Kriegsschulden belastet. Umfangreiches Material darüber findet man unter dem Gliederungspunkt "04.03 Siebenjähriger Krieg".
Die unter dem Gliederungspunkt "Kreisdeputation (ca. 1806 - 1820)" verzeichneten Akten geben Auskunft über die Lasten, die die Bevölkerung des Leipziger Kreises zur Erfüllung der finanziellen und materiellen Forderungen an die französische Armee und nach 1813 der verbündeten Armeen Preußens und Russlands tragen mussten. Man findet detaillierte Angaben über Kontributionsforderungen, Zwangsanleihen, Durchmärsche der Truppen, abverlangte Spanndienste, Verpflegungsangelegenheiten, die Einrichtung und Unterhaltung von Lazaretten, die Organisation des Etappenwesens sowie über Kriegsschäden. Von überregionaler Bedeutung ist die Überlieferung zur Regelung der Gebietsabtretungen an Preußen nach dem Wiener Kongress.
Hinweise für die Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch das Orts- und das Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 20002 Kreisstände des Leipziger Kreises, Nr. ... (fettgedruckt).
Verweis auf korrespondierende Bestände
Hauptstaatsarchiv Dresden
10015 Landtag
10018 Stände des Kurkreises
10019 Stände des Meißner Kreises
10022 Meißner Kreisdeputation
Staatsarchiv Chemnitz
30001 Stände des Erzgebirgischen Kreises
30002 Stände des Vogtländischen Kreises
30003 Erzgebirgische Kreisdeputation
30004 Vogtländische Kreisdeputation
Staatsfilialarchiv Bautzen
50001 Landstände der sächsischen Oberlausitz
50002 Landstände der preußischen Oberlausitz
Literatur
Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief 3, Potsdam 1959.
Blaschke, Karlheinz, Die Ausbreitung des Staates in Sachsen und der Ausbau seiner räumlichen Verwaltungsbezirke, in: Blätter für Deutsche Landesgeschichte 91, 1957, S. 75 – 109.
Blaschke, Karlheinz, Zur Behördenkunde der kursächsischen Lokalverwaltung, in: Archivar und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Otto Meisner [Schriftreihe der Staatlichen Archivverwaltung 7], Berlin 1956, S. 343 - 363.
Grohmann, Ingrid, u. a. (Hrsg.), Bewegte sächsische Region. Vom Leipziger Kreis zum Regierungsbezirk Leipzig 1547 – 2000, Leipzig 2001.
Matzerath, Josef, Adelsprobe an der Moderne. Sächsischer Adel 1763 bis 1866. Entkonkretisierung einer traditionalen Sozialformation [Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 183], Stuttgart 2006.
Schirmer, Uwe, Grundriss der kursächsischen Steuerverfassung (15.-17. Jh.), in: Sachsen im 17. Jh. Krise, Krieg und Neubeginn, hrsg. v. Uwe Schirmer [Schriften d. Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Bd. 5], Beucha 1998, S. 161 - 207.
J. Kunze
März 2010
Anhang
Fremdwörterverzeichnis
Funktionsträger (Auswahl)
[01] Gesetzsammlung für das Königreich Sachsen, Bd. 16, 1821, S. 96 ff.
[02] Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen (04.09.1831), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/nzjh/verfsachsen.html, Stand: 8. April 2010 .Zur Wirksamkeit der Stände siehe §§ 78-114.
[03] Matzerath, Josef, Adelsprobe an der Moderne: sächsischer Adel 1763 bis 1866. Entkonkretisierung einer traditionalen Sozialformation, Stuttgart 2006, S. 121 ff.
[04] "Artikel 52: [1] Die öffentlich-rechtlichen Sonderrechte, die durch die Provinzial-Landtagsverfassung in der Oberlausitz und durch die Kreistagsverfassung in den alten Erblanden begründet sind, werden aufgehoben. Die Verwaltung der Zweckvermögen dieser Verbände wird durch Gesetz geregelt. Bis dahin bleibt sie bei dem bisherigen Organe." Vgl. Die Verfassung des Freistaates Sachsen (01.11.1920), in: documentArchiv.de [Hrsg.], URL: http://www.documentArchiv.de/wr/1920/verfassung-freistaat-sachsen.html, Stand: 8. April 2010.
[05] Unter Verwendung einer Ausarbeitung aus dem Jahr 2001.
[06] StA-L, Kreisstände Nr. 1302.
[07] Ebenda.
[08] Ebenda.
[09] StA-L, Kreisstände Nr. 1390.
[10] Ebenda.
[11] StA-L, Verwaltungsarchiv Nr. 187.
Landtage.- Ausschusstage.- Landtagswahlen.- Kreistage.- Steuern.- Kreiskasse.- Militärangelegenheiten.- Siebenjähriger Krieg.- Kreisdeputation (1806 - 1820).- Grenzangelegenheiten.- Gendarmerie.- Straßenbau.- Armenwesen, Stiftungen.- Schuldenwesen.- Registratur- und Archivwesen.
Seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts lassen sich Ansätze einer landständischen Vertretung in Sachsen nachweisen. Die Stände, eingeteilt in drei Kurien, hielten 1438 ihren ersten Landtag ab. Die kursächsische Kreiseinteilung unter Kurfürst Moritz 1547 etablierte u. a. den Leipziger Kreis, der künftig auch den Rahmen für die ständische Organisation im Leipziger Raum bildete. Zum Wirkungsbereich gehörten Steuereinnahme und -verwaltung sowie Landesdefension und sonstige Militärangelegenheiten. Neben den staatlichen Kreisen kam es zur Bildung divergierender Steuerkreise als ständische Verwaltungseinheiten. In den Kreisen wurden Kreistage, insbesondere vor Einberufung von Landtagen, abgehalten. Die Kreiskasse verwahrte alle durch Ortsobrigkeiten und Amtsschösser eingenommenen Steuergelder, bevor sie an die Steuerhauptkasse in Dresden weitergeleitet wurden.
Die Stände existierten nach der Staatsreform in Sachsen von 1831 im Rahmen einer Stiftung weiter.
Die Stände existierten nach der Staatsreform in Sachsen von 1831 im Rahmen einer Stiftung weiter.
- 2009 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5