Beständeübersicht
Bestand
Geschichte der Ämterorganisation
Die Ursprünge der Ämterorganisation liegen in der Einteilung der Markgrafschaft Meißen in Vogteibezirke, die zeitgenössisch als Distrikte bzw. Pflegen bezeichnet wurden. Sie traten an die Stelle der im 10. Jh. als früheste Form der Lokalverwaltung entstandenen Burgwarde. An der Spitze des Distrikts stand der Vogt (advocatus), der als Vertreter des Landesherrn die Verwaltung ausübte und die ihm zustehenden Geld- und Naturalabgaben einzog. Erste schriftliche Zeugnisse über diese Tätigkeit lassen sich im 12./13. Jh. z. B. für Döbeln und Leipzig nachweisen.
Mit dem ausgehenden 15. Jh. wird die Bezeichnung Amt für den Vogteibezirk gebräuchlich, aus dem Vogt wird der Amtmann. Bedingung für den Eintritt in diese Funktion war adlige Herkunft. Der Amtmann war für die juristischen, militärischen und polizeilichen Verwaltungsaufgaben zuständig. Die Finanzverwaltung lag in den Händen des Schössers, einem Angestellten bürgerlicher Herkunft mit entsprechender Bildung. Er galt als Hilfskraft des Amtmanns. Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jh. begann der Aufstieg des Schössers zum Leiter des Amtes. Der Amtmann wurde nunmehr als Amtshauptmann bezeichnet, besaß dadurch jedoch keine größeren Befugnisse, sondern übte lediglich die lockere Aufsicht über mehrere Ämter aus. Um 1600 hatte sich selbst diese praktische Funktion erübrigt und der adlige Amtshauptmann wurde endgültig durch den Verwaltungsfachmann aus seiner Position verdrängt und verschwand aus der Amtsverwaltung. Da der bisherige Schösser nun alle Aufgabenbereiche ausfüllte, ging im späten 17. Jh. auch die Bezeichnung Amtmann auf ihn über. Seit Mitte des 16. Jh. stand ihm ein Amtsschreiber (seit dem 18. Jh. auch als Amtsrentverwalter oder Amtsverwalter bezeichnet) zur Verfügung, der im Bereich der Finanzverwaltung tätig war. [01]
Die Tätigkeit der Ämter erstreckte sich nicht auf ein geschlossenes, einheitlich organisiertes Verwaltungsgebiet. Neben den amtssässigen Ortschaften, die landesherrliche Anweisungen durch den Amtmann erhielten und auch ihre Steuern im Amt entrichteten, gab es außerdem zahlreiche schriftsässige Orte und Rittergüter. Diese gehörten nicht in das Amt, sondern empfingen die Anordnungen des Landesherrn direkt aus dessen Kanzlei und waren so dem Einflussbereich des Amtmanns entzogen. Eine weitere Besonderheit stellten die Amtsdörfer und –städte dar, in ihnen war der Landesherr selbst der Grundherr. [02]
Den Ämtern übergeordnet waren seit der Einführung der durch Kurfürst Moritz 1547 erlassenen Kanzleiordnung die Kreishauptleute. Sie standen an der Spitze der neu gegründeten fünf Kreise (Thüringischer, Meißnischer, Kur-, Leipziger und Gebirgskreis), denen jeweils eine bestimmte Anzahl Ämter zugeordnet wurde. Seit 1764 bildeten die "Älteren" Amtshauptmannschaften die Regionalbehörde zwischen Ämtern und Kreishauptmannschaft.
Die Ämter übten grundsätzlich vier Funktionen aus: Einnahme landesherrlicher Steuern (in Geld- und Naturalleistungen), Verwaltung der landesherrlichen Grundherrschaft (z. B. Einforderung von Frondiensten für die Bewirtschaftung landesherrlicher Vorwerke), Ausübung der oberen und niederen Gerichtsbarkeit (mit Ausnahme der schriftsässigen Rittergüter bzw. Städte, die das Recht zur eigenständigen Ausübung der Gerichtsbarkeit besaßen) sowie Sicherung der Truppenversorgung und Stellung eines bestimmten Soldatenkontingents im Kriegsfall. Die letztgenannte Pflicht entfiel durch die Einrichtung eines stehenden Heeres unter August dem Starken.
Einen erheblichen territorialen Zugewinn gab es für die Amtsbezirke im 16. Jahrhundert durch die Angliederung säkularisierten Kirchenbesitzes und die Übernahme von Grundherrschaften durch den Landesherrn. Durch die 1815 auf dem Wiener Kongress gefassten Beschlüsse ging dagegen Territorium verloren. So mussten z. B. die Ämter Schkeuditz und Lützen an Preußen abgetreten werden.
Ende des 18. Jh. erfolgte in den Ämtern eine Trennung der Justiz- und Polizeiangelegenheiten von der Finanzverwaltung, sie gliederten sich in Justizamt mit dem Justizbeamten und Rentamt mit dem Rentbeamten auf. Oberste vorgesetzte Behörde blieb für beide Bereiche das Geheime Finanzkollegium.
Am 7. November 1831 erging die "Verordnung die Einrichtung der Ministerial-Departements und die darauf Bezug habenden provisorischen Vorkehrungen betreffend", die eine Unterstellung der Justizämter unter das Justizministerium festlegte, während die Rentämter in der Zuständigkeit des Finanzministeriums verblieben. [03] Durch diese Regelung wurden die Geschäftsbereiche endgültig voneinander abgegrenzt.
Infolge des Gesetzes "die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für Rechtspflege und Verwaltung betreffend" vom 11. August 1855 wurden die Justizämter aufgelöst und stellten spätestens 1856 ihre Tätigkeit ein. [04] Die Aufgaben der Justizämter übernahmen die Königlichen Bezirksgerichte und die Gerichtsämter. Die Rentämter übten ihre Tätigkeit noch bis zur Veröffentlichung der "Bekanntmachung, die Aufhebung der Rentämter, die Errichtung von Bauverwalterstellen und Forstrentämtern und die Verwaltung der Intraden betreffend" vom 21. Februar 1865 aus. Danach gingen ihre Aufgaben auf Bauverwaltereien, Bezirkssteuereinnahmen und Forstrentämter über. [05]
Geschichte des Amtes Wurzen
1114 gründete Herwig, Bischof von Meißen, ein noch heute existierendes Kollegiatstift in Wurzen. [06] Das Kollegiatstift verwaltete die meißnischen Stiftsämter Wurzen und Mügeln, das Klosteramt Sornzig und die Pflege Belgern. 1581 dankte Johann IX., letzter Bischof von Meißen, ab und übergab sein Amt an Kurfürst August. [07] Damit ging das Stiftsterritorium in den kurfürstlichen Besitz über, seine Verwaltung erfolgte aber weiterhin durch eine eigene Stiftsregierung, zur Regelung der geistlichen Angelegenheiten wurde ein Konsistorium gebildet. Im Zuge des Wiener Kongresses 1815 fiel die bisher dem Wurzner Land zugeordnete Pflege Belgern an Preußen. Mit Beschluss vom 30. Dezember 1818 wurden die Stiftsregierung und das Konsistorium Wurzen aufgelöst und die Ämter Wurzen und Mügeln mit Sornzig gebildet. [08] Damit war das ehemalige Stiftsgebiet endgültig in die landesherrliche Verwaltung integriert. Amtssitz war das Schloss Wurzen.
Das Amt Wurzen grenzte im Norden an preußisches Territorium, im Osten an das Amt Oschatz, südöstlich an das Amt Mutzschen sowie südlich und westlich an das Amt Grimma. 1827 lebten 11000 Einwohner in einer Stadt, 44 Dörfern und sechs Vorwerken. [09]
1841 trat die Stadt Wurzen die Gerichtsbarkeit an den Staat ab. Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Königliche Landgericht Wurzen eingerichtet, welches die Aufgaben des Justizamtes Wurzen übernahm.
Infolge des Gesetzes "die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für Rechtspflege und Verwaltung betreffend" vom 11. August 1855 wurde das Gerichtsamt Wurzen gebildet, welches das Königliche Landgericht ersetzte. Das Rentamt Wurzen gab seine Aufgaben 1865 an die Bezirkssteuereinnahme Wurzen ab. Die schriftliche Überlieferung des Amtes setzt 1548 ein und endet 1865.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Nach Auflösung der Ämter 1856 gelangten ihre jahrhundertealten Dokumente an die Nachfolgeinstitutionen: die Gerichtsämter, Amtshauptmannschaften und Amtsgerichte. Die Abgabe der Unterlagen durch die genannten Behörden an das Hauptstaatsarchiv Dresden als Endarchiv kam seit etwa 1900 zögerlich und vermischt mit dem Archivgut der genannten Institutionen zustande. Die Akten der Amtsgerichte und Amtshauptmannschaften wurden im Hauptstaatsarchiv nicht von den Unterlagen der Vorgängerbehörden getrennt, sondern verblieben in Lagerungsgemeinschaften unter der Bezeichnung des entsprechenden Amtsgerichts bzw. der entsprechenden Amtshauptmannschaft.
Die Gerichtsbücher der Ämter gelangten gesondert in das Hauptstaatsarchiv. 1923 erging ein Erlass des Sächsischen Justizministeriums an die Amtsgerichte, der eine Abgabe der Gerichtsbücher an das Hauptstaatsarchiv Dresden empfahl. [10] Die Abgaben durch die Amtsgerichte erstreckten sich von 1923 bis Ende der dreißiger Jahre. Die Gerichtsbücher des Amtes Wurzen wurden mit den Gerichtsbüchern aus den anderen sächsischen Amtsgerichten zu einem Bestand (12613 Gerichtsbücher) zusammengefasst.
1958 - 1966 wurden die Unterlagen der Amtsgerichte und Amtshauptmannschaften des Leipziger Kreises provenienzgerecht an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben. Hier wurden umfangreiche Provenienzprüfungen an den Beständen vorgenommen und die Akten der Ämter aus dem Schriftgut der Amtshauptmannschaften und Amtsgerichte herausgelöst und als autarke Bestände verzeichnet. Die bei der Erschließung entstandene Findkartei blieb damals ohne innere Ordnung, was eine effektive Benutzung erschwerte. 1980 wurde die Bearbeitung der Bestandsgruppe Ämter wieder aufgenommen, eine innere Ordnung erstellt und die Karteien in Findbücher umgesetzt.
In einem weiteren Arbeitsschritt wurden die Verzeichnungseinheiten sachlich nach einer an den durchgehenden Aufgaben und charakteristischen Archivgutkategorien der Ämter orientierten, aber auch der Auswertung entgegenkommenden Klassifikation gegliedert und gereiht. Wo es sich anbot, wurde zusätzlich nach Orten gegliedert. Die Signaturen der Verzeichnungseinheiten wurden beibehalten. Das 1986 fertig gestellte maschinengeschriebene Findbuch zum Bestand "Amt Wurzen" umfasste die Signaturen 1 – 1937. Bei der Übertragung in das Findbuch erfolgten notwendige Ergänzungen im Aktentitel sowie Neuverzeichnungen von noch nicht in den Bestand eingeordneten Akteneinheiten. Dabei wurde häufig ein und dieselbe Akte in verschiedene Sachgruppen aufgenommen, um dem Benutzer das Auffinden zu erleichtern
Zwischen 2000 und 2012 wurden weitere 262 AE (Nr. 1938 – 2199) provenienzgerecht in den Bestand eingeordnet und in der Datenbank AUGIAS verzeichnet.
Ein Teil der im maschinengeschriebenen Findbuch verzeichneten Akten (Fremdprovenienzen) ist inzwischen virtuell in Beständen von Nachfolgerbehörden verzeichnet.
2013 erfolgte im Rahmen eines DFG-Projektes zur Retrokonversion die Digitalisierung des Findbuches von 1990 in das Verzeichnungsprogramm Augias 8.3. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die vorliegenden Angaben wenn möglich präzisiert, dem heutigen Sprachgebrauch angepasst und bei offensichtlichen Fehlern berichtigt. Jede Akte wurde nur einer Sachgruppe der leicht überarbeiteten Klassifikation zugeordnet. Weiterhin wurden Orts- und Personennamen indiziert. Eine Überprüfung der Inhalte anhand der Akten konnte nur im Ausnahmefall, z. B. bei fehlenden Datumsangaben, vorgenommen werden. Das vorliegende Findbuch ist also nur begrenzt Resultat einer neuen Bearbeitung; es spiegelt im Wesentlichen den Bearbeitungstand von 1966 bzw. 1990 wider.
Eine – fachlich wünschenswerte – inhaltliche und tief schürfende Überarbeitung kann derzeit aus Kapazitätsgründen nicht erfolgen.
Im Nachgang der Retrokonversion erfolgte die Eingabe der im Bestand 12613 des Hauptstaatsarchivs Dresden befindlichen 58 Gerichtsbücher in das Augias-Verzeichnungsprogramm. Diese waren nach Auflösung der Ämter in das 1879 gebildete Amtsgericht Wurzen gelangt. Sie wurden nunmehr virtuell in den Bestand Amt Wurzen eingefügt.
Zwei Akteneinheiten laufen über das Bestehen des Amtes hinaus (1868, 1872), sie wurden in der Superintendentur Wurzen geführt und verbleiben mit Angabe der Provenienz im Bestand.
Überlieferungsschwerpunkte
Schwerpunkte bilden u. a. die 23 Bände umfassende Kontraktbuchreihe (1645 – 1808), die 36 Bände Kaufprotokolle über die Wurzener Stadtfelder (1686 – 1840), die umfangreich überlieferten Kaufprotokolle zu einzelnen Gütern, 35 Bände Geleitsrechnungen (1638 – 1720) sowie 23 Bände zu Hufen- und Lohnwagengeld (1632 – 1716).
Verweise auf korrespondierende Bestände
Staatsarchiv Leipzig:
20004 Ältere Kreishauptmannschaft des Leipziger Kreises
20005 Ältere Amtshauptmannschaften
Rittergüter des Amtsbezirkes
20077 Königliches Landgericht Wurzen
20629 Stadt Wurzen
20630 Stadt Wurzen (Stadtgericht)
Hauptstaatsarchiv Dresden:
10117 Stiftmeißnische Regierung Wurzen
12613 Gerichtsbücher
13020 Stiftmeißnisches Konsistorium Wurzen
C. Rothe
1990
K. Heil
September 2013
[01] Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief 3, Fachschule für Archivwesen Potsdam, 1959, S. 36 f.
[02] Ebenda, S. 37 ff.
[03] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1831, S. 323 ff.
[04] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1855, S. 144 ff.
[05] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1865, S. 84 ff.
[06] Schumann, August, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungs-Lexikon von Sachsen, 1826, Bd. 13, S. 352.
[07] Ebenda, S. 354.
[08] Ebenda, S. 350 .
[09] Klein, Thomas (Hrsg.), Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Marburg 1982, S. 161.
[10] Groß, Reiner, Gerichtsbücher und Protokolle der sächsischen Lokalbehörden bis 1856 im Sächsischen Landeshauptarchiv Dresden. In: Archivmitteilungen, Hrsg. Staatliche Archivverwaltung der DDR, Heft 5, 1963.
20019 Amt Wurzen
Datierung | 1542 - 1878 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 35,60 |
Geschichte der Ämterorganisation
Die Ursprünge der Ämterorganisation liegen in der Einteilung der Markgrafschaft Meißen in Vogteibezirke, die zeitgenössisch als Distrikte bzw. Pflegen bezeichnet wurden. Sie traten an die Stelle der im 10. Jh. als früheste Form der Lokalverwaltung entstandenen Burgwarde. An der Spitze des Distrikts stand der Vogt (advocatus), der als Vertreter des Landesherrn die Verwaltung ausübte und die ihm zustehenden Geld- und Naturalabgaben einzog. Erste schriftliche Zeugnisse über diese Tätigkeit lassen sich im 12./13. Jh. z. B. für Döbeln und Leipzig nachweisen.
Mit dem ausgehenden 15. Jh. wird die Bezeichnung Amt für den Vogteibezirk gebräuchlich, aus dem Vogt wird der Amtmann. Bedingung für den Eintritt in diese Funktion war adlige Herkunft. Der Amtmann war für die juristischen, militärischen und polizeilichen Verwaltungsaufgaben zuständig. Die Finanzverwaltung lag in den Händen des Schössers, einem Angestellten bürgerlicher Herkunft mit entsprechender Bildung. Er galt als Hilfskraft des Amtmanns. Bereits in der ersten Hälfte des 16. Jh. begann der Aufstieg des Schössers zum Leiter des Amtes. Der Amtmann wurde nunmehr als Amtshauptmann bezeichnet, besaß dadurch jedoch keine größeren Befugnisse, sondern übte lediglich die lockere Aufsicht über mehrere Ämter aus. Um 1600 hatte sich selbst diese praktische Funktion erübrigt und der adlige Amtshauptmann wurde endgültig durch den Verwaltungsfachmann aus seiner Position verdrängt und verschwand aus der Amtsverwaltung. Da der bisherige Schösser nun alle Aufgabenbereiche ausfüllte, ging im späten 17. Jh. auch die Bezeichnung Amtmann auf ihn über. Seit Mitte des 16. Jh. stand ihm ein Amtsschreiber (seit dem 18. Jh. auch als Amtsrentverwalter oder Amtsverwalter bezeichnet) zur Verfügung, der im Bereich der Finanzverwaltung tätig war. [01]
Die Tätigkeit der Ämter erstreckte sich nicht auf ein geschlossenes, einheitlich organisiertes Verwaltungsgebiet. Neben den amtssässigen Ortschaften, die landesherrliche Anweisungen durch den Amtmann erhielten und auch ihre Steuern im Amt entrichteten, gab es außerdem zahlreiche schriftsässige Orte und Rittergüter. Diese gehörten nicht in das Amt, sondern empfingen die Anordnungen des Landesherrn direkt aus dessen Kanzlei und waren so dem Einflussbereich des Amtmanns entzogen. Eine weitere Besonderheit stellten die Amtsdörfer und –städte dar, in ihnen war der Landesherr selbst der Grundherr. [02]
Den Ämtern übergeordnet waren seit der Einführung der durch Kurfürst Moritz 1547 erlassenen Kanzleiordnung die Kreishauptleute. Sie standen an der Spitze der neu gegründeten fünf Kreise (Thüringischer, Meißnischer, Kur-, Leipziger und Gebirgskreis), denen jeweils eine bestimmte Anzahl Ämter zugeordnet wurde. Seit 1764 bildeten die "Älteren" Amtshauptmannschaften die Regionalbehörde zwischen Ämtern und Kreishauptmannschaft.
Die Ämter übten grundsätzlich vier Funktionen aus: Einnahme landesherrlicher Steuern (in Geld- und Naturalleistungen), Verwaltung der landesherrlichen Grundherrschaft (z. B. Einforderung von Frondiensten für die Bewirtschaftung landesherrlicher Vorwerke), Ausübung der oberen und niederen Gerichtsbarkeit (mit Ausnahme der schriftsässigen Rittergüter bzw. Städte, die das Recht zur eigenständigen Ausübung der Gerichtsbarkeit besaßen) sowie Sicherung der Truppenversorgung und Stellung eines bestimmten Soldatenkontingents im Kriegsfall. Die letztgenannte Pflicht entfiel durch die Einrichtung eines stehenden Heeres unter August dem Starken.
Einen erheblichen territorialen Zugewinn gab es für die Amtsbezirke im 16. Jahrhundert durch die Angliederung säkularisierten Kirchenbesitzes und die Übernahme von Grundherrschaften durch den Landesherrn. Durch die 1815 auf dem Wiener Kongress gefassten Beschlüsse ging dagegen Territorium verloren. So mussten z. B. die Ämter Schkeuditz und Lützen an Preußen abgetreten werden.
Ende des 18. Jh. erfolgte in den Ämtern eine Trennung der Justiz- und Polizeiangelegenheiten von der Finanzverwaltung, sie gliederten sich in Justizamt mit dem Justizbeamten und Rentamt mit dem Rentbeamten auf. Oberste vorgesetzte Behörde blieb für beide Bereiche das Geheime Finanzkollegium.
Am 7. November 1831 erging die "Verordnung die Einrichtung der Ministerial-Departements und die darauf Bezug habenden provisorischen Vorkehrungen betreffend", die eine Unterstellung der Justizämter unter das Justizministerium festlegte, während die Rentämter in der Zuständigkeit des Finanzministeriums verblieben. [03] Durch diese Regelung wurden die Geschäftsbereiche endgültig voneinander abgegrenzt.
Infolge des Gesetzes "die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für Rechtspflege und Verwaltung betreffend" vom 11. August 1855 wurden die Justizämter aufgelöst und stellten spätestens 1856 ihre Tätigkeit ein. [04] Die Aufgaben der Justizämter übernahmen die Königlichen Bezirksgerichte und die Gerichtsämter. Die Rentämter übten ihre Tätigkeit noch bis zur Veröffentlichung der "Bekanntmachung, die Aufhebung der Rentämter, die Errichtung von Bauverwalterstellen und Forstrentämtern und die Verwaltung der Intraden betreffend" vom 21. Februar 1865 aus. Danach gingen ihre Aufgaben auf Bauverwaltereien, Bezirkssteuereinnahmen und Forstrentämter über. [05]
Geschichte des Amtes Wurzen
1114 gründete Herwig, Bischof von Meißen, ein noch heute existierendes Kollegiatstift in Wurzen. [06] Das Kollegiatstift verwaltete die meißnischen Stiftsämter Wurzen und Mügeln, das Klosteramt Sornzig und die Pflege Belgern. 1581 dankte Johann IX., letzter Bischof von Meißen, ab und übergab sein Amt an Kurfürst August. [07] Damit ging das Stiftsterritorium in den kurfürstlichen Besitz über, seine Verwaltung erfolgte aber weiterhin durch eine eigene Stiftsregierung, zur Regelung der geistlichen Angelegenheiten wurde ein Konsistorium gebildet. Im Zuge des Wiener Kongresses 1815 fiel die bisher dem Wurzner Land zugeordnete Pflege Belgern an Preußen. Mit Beschluss vom 30. Dezember 1818 wurden die Stiftsregierung und das Konsistorium Wurzen aufgelöst und die Ämter Wurzen und Mügeln mit Sornzig gebildet. [08] Damit war das ehemalige Stiftsgebiet endgültig in die landesherrliche Verwaltung integriert. Amtssitz war das Schloss Wurzen.
Das Amt Wurzen grenzte im Norden an preußisches Territorium, im Osten an das Amt Oschatz, südöstlich an das Amt Mutzschen sowie südlich und westlich an das Amt Grimma. 1827 lebten 11000 Einwohner in einer Stadt, 44 Dörfern und sechs Vorwerken. [09]
1841 trat die Stadt Wurzen die Gerichtsbarkeit an den Staat ab. Im Zuge dieser Entwicklung wurde das Königliche Landgericht Wurzen eingerichtet, welches die Aufgaben des Justizamtes Wurzen übernahm.
Infolge des Gesetzes "die künftige Einrichtung der Behörden erster Instanz für Rechtspflege und Verwaltung betreffend" vom 11. August 1855 wurde das Gerichtsamt Wurzen gebildet, welches das Königliche Landgericht ersetzte. Das Rentamt Wurzen gab seine Aufgaben 1865 an die Bezirkssteuereinnahme Wurzen ab. Die schriftliche Überlieferung des Amtes setzt 1548 ein und endet 1865.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Nach Auflösung der Ämter 1856 gelangten ihre jahrhundertealten Dokumente an die Nachfolgeinstitutionen: die Gerichtsämter, Amtshauptmannschaften und Amtsgerichte. Die Abgabe der Unterlagen durch die genannten Behörden an das Hauptstaatsarchiv Dresden als Endarchiv kam seit etwa 1900 zögerlich und vermischt mit dem Archivgut der genannten Institutionen zustande. Die Akten der Amtsgerichte und Amtshauptmannschaften wurden im Hauptstaatsarchiv nicht von den Unterlagen der Vorgängerbehörden getrennt, sondern verblieben in Lagerungsgemeinschaften unter der Bezeichnung des entsprechenden Amtsgerichts bzw. der entsprechenden Amtshauptmannschaft.
Die Gerichtsbücher der Ämter gelangten gesondert in das Hauptstaatsarchiv. 1923 erging ein Erlass des Sächsischen Justizministeriums an die Amtsgerichte, der eine Abgabe der Gerichtsbücher an das Hauptstaatsarchiv Dresden empfahl. [10] Die Abgaben durch die Amtsgerichte erstreckten sich von 1923 bis Ende der dreißiger Jahre. Die Gerichtsbücher des Amtes Wurzen wurden mit den Gerichtsbüchern aus den anderen sächsischen Amtsgerichten zu einem Bestand (12613 Gerichtsbücher) zusammengefasst.
1958 - 1966 wurden die Unterlagen der Amtsgerichte und Amtshauptmannschaften des Leipziger Kreises provenienzgerecht an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben. Hier wurden umfangreiche Provenienzprüfungen an den Beständen vorgenommen und die Akten der Ämter aus dem Schriftgut der Amtshauptmannschaften und Amtsgerichte herausgelöst und als autarke Bestände verzeichnet. Die bei der Erschließung entstandene Findkartei blieb damals ohne innere Ordnung, was eine effektive Benutzung erschwerte. 1980 wurde die Bearbeitung der Bestandsgruppe Ämter wieder aufgenommen, eine innere Ordnung erstellt und die Karteien in Findbücher umgesetzt.
In einem weiteren Arbeitsschritt wurden die Verzeichnungseinheiten sachlich nach einer an den durchgehenden Aufgaben und charakteristischen Archivgutkategorien der Ämter orientierten, aber auch der Auswertung entgegenkommenden Klassifikation gegliedert und gereiht. Wo es sich anbot, wurde zusätzlich nach Orten gegliedert. Die Signaturen der Verzeichnungseinheiten wurden beibehalten. Das 1986 fertig gestellte maschinengeschriebene Findbuch zum Bestand "Amt Wurzen" umfasste die Signaturen 1 – 1937. Bei der Übertragung in das Findbuch erfolgten notwendige Ergänzungen im Aktentitel sowie Neuverzeichnungen von noch nicht in den Bestand eingeordneten Akteneinheiten. Dabei wurde häufig ein und dieselbe Akte in verschiedene Sachgruppen aufgenommen, um dem Benutzer das Auffinden zu erleichtern
Zwischen 2000 und 2012 wurden weitere 262 AE (Nr. 1938 – 2199) provenienzgerecht in den Bestand eingeordnet und in der Datenbank AUGIAS verzeichnet.
Ein Teil der im maschinengeschriebenen Findbuch verzeichneten Akten (Fremdprovenienzen) ist inzwischen virtuell in Beständen von Nachfolgerbehörden verzeichnet.
2013 erfolgte im Rahmen eines DFG-Projektes zur Retrokonversion die Digitalisierung des Findbuches von 1990 in das Verzeichnungsprogramm Augias 8.3. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die vorliegenden Angaben wenn möglich präzisiert, dem heutigen Sprachgebrauch angepasst und bei offensichtlichen Fehlern berichtigt. Jede Akte wurde nur einer Sachgruppe der leicht überarbeiteten Klassifikation zugeordnet. Weiterhin wurden Orts- und Personennamen indiziert. Eine Überprüfung der Inhalte anhand der Akten konnte nur im Ausnahmefall, z. B. bei fehlenden Datumsangaben, vorgenommen werden. Das vorliegende Findbuch ist also nur begrenzt Resultat einer neuen Bearbeitung; es spiegelt im Wesentlichen den Bearbeitungstand von 1966 bzw. 1990 wider.
Eine – fachlich wünschenswerte – inhaltliche und tief schürfende Überarbeitung kann derzeit aus Kapazitätsgründen nicht erfolgen.
Im Nachgang der Retrokonversion erfolgte die Eingabe der im Bestand 12613 des Hauptstaatsarchivs Dresden befindlichen 58 Gerichtsbücher in das Augias-Verzeichnungsprogramm. Diese waren nach Auflösung der Ämter in das 1879 gebildete Amtsgericht Wurzen gelangt. Sie wurden nunmehr virtuell in den Bestand Amt Wurzen eingefügt.
Zwei Akteneinheiten laufen über das Bestehen des Amtes hinaus (1868, 1872), sie wurden in der Superintendentur Wurzen geführt und verbleiben mit Angabe der Provenienz im Bestand.
Überlieferungsschwerpunkte
Schwerpunkte bilden u. a. die 23 Bände umfassende Kontraktbuchreihe (1645 – 1808), die 36 Bände Kaufprotokolle über die Wurzener Stadtfelder (1686 – 1840), die umfangreich überlieferten Kaufprotokolle zu einzelnen Gütern, 35 Bände Geleitsrechnungen (1638 – 1720) sowie 23 Bände zu Hufen- und Lohnwagengeld (1632 – 1716).
Verweise auf korrespondierende Bestände
Staatsarchiv Leipzig:
20004 Ältere Kreishauptmannschaft des Leipziger Kreises
20005 Ältere Amtshauptmannschaften
Rittergüter des Amtsbezirkes
20077 Königliches Landgericht Wurzen
20629 Stadt Wurzen
20630 Stadt Wurzen (Stadtgericht)
Hauptstaatsarchiv Dresden:
10117 Stiftmeißnische Regierung Wurzen
12613 Gerichtsbücher
13020 Stiftmeißnisches Konsistorium Wurzen
C. Rothe
1990
K. Heil
September 2013
[01] Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief 3, Fachschule für Archivwesen Potsdam, 1959, S. 36 f.
[02] Ebenda, S. 37 ff.
[03] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1831, S. 323 ff.
[04] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1855, S. 144 ff.
[05] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1865, S. 84 ff.
[06] Schumann, August, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungs-Lexikon von Sachsen, 1826, Bd. 13, S. 352.
[07] Ebenda, S. 354.
[08] Ebenda, S. 350 .
[09] Klein, Thomas (Hrsg.), Grundriss zur deutschen Verwaltungsgeschichte, Marburg 1982, S. 161.
[10] Groß, Reiner, Gerichtsbücher und Protokolle der sächsischen Lokalbehörden bis 1856 im Sächsischen Landeshauptarchiv Dresden. In: Archivmitteilungen, Hrsg. Staatliche Archivverwaltung der DDR, Heft 5, 1963.
Amtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lehnsangelegenheiten.- Ablösungen.- Lokalverwaltung.
Das Gebiet um Wurzen gehörte seit dem 11. Jahrhundert zum Teil zur Stiftsverwaltung von Meißen, zum Teil zur Verwaltung des Landesherrn. Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Besitz des Domstifts Meißen säkularisiert und ging an den Landesherrn über. Die Verwaltung des Stiftamts blieb jedoch in den Händen der Stiftsregierung, erst 1818 ging sie vollständig in der landesherrlichen Amtsverwaltung auf. Der im Norden des Leipziger Kreises liegende Amtsbezirk blieb relativ stabil, allerdings mußten 1815 einige Gebiete an Preußen abgetreten werden. Seinen dauerhaften Sitz hatte das Amt im Schloss Wurzen. Das Justizamt gab 1841 seine Aufgaben an das neu gebildete Königliche Landgericht Wurzen ab. Das Rentamt Wurzen übte seine Tätigkeit noch bis 1865 aus und wurde dann durch die Bezirkssteuereinnahme Wurzen abgelöst.
Vergleiche Bestand 10117 Stiftsregierung Wurzen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.
Vergleiche Bestand 10117 Stiftsregierung Wurzen im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.
- 2013 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5