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Beständeübersicht

Bestand

20026 Amtshauptmannschaft Döbeln

Datierung1811 - 1960
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)108,76
Geschichte der Amtshauptmannschaften

Mit der Bildung der Amtshauptmannschaften im Jahr 1874 vollzog der sächsische Staat die Trennung zwischen Justiz und Verwaltung auf lokaler Ebene. Dieser Prozess hatte bereits in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts begonnen und betraf zunächst die zentrale und mittlere Verwaltungsebene. Auf der unteren Ebene erfolgte eine sukzessive Verstaatlichung, die 1856 eingerichteten Gerichtsämter fungierten als lokale Justiz- und Verwaltungsbehörden in den vier Kreisdirektionsbezirken.
Mit dem "Gesetz über die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung" vom 21. April 1873 sowie der dazu gehörigen Ausführungsverordnung vom 20. August 1874 übernahmen die Amtshauptmannschaften die Verwaltungsaufgaben der Gerichtsämter.[01] Gleichzeitig wurden die Kreisdirektionen zu Kreishauptmannschaften umgebildet. Die neu gegründeten Verwaltungsbehörden unterstanden einheitlich dem Ministerium des Innern. Bei den Gerichtsämtern verblieb noch bis 1879 (Gründung der Amtsgerichte) die Zuständigkeit für die Jurisdiktion.
In Sachsen wurden 25 Amtshauptmannschaften in vier Kreishauptmannschafts-Bezirken eingerichtet:
­ im Bereich der Kreishauptmannschaft Bautzen: Bautzen, Kamenz, Löbau, Zittau
­ im Bereich der Kreishauptmannschaft Dresden: Dresden, Dippoldiswalde, Freiberg, Großenhain, Meißen, Pirna
­ im Bereich der Kreishauptmannschaft Leipzig: Leipzig, Borna, Döbeln, Grimma, Oschatz, Rochlitz
­ im Bereich der Kreishauptmannschaft Zwickau: Annaberg, Auerbach, Chemnitz, Flöha, Marienberg, Oelsnitz, Plauen, Schwarzenberg, Zwickau.

In den Folgejahren gab es mehrere territoriale Veränderungen: Aus den Schönburgischen Rezessherrschaften wurde 1878 die Amtshauptmannschaft Glauchau gebildet, während kleinere Teile an die Amtshauptmannschaften Zwickau und Schwarzenberg fielen. 1880 wurde die Amtshauptmannschaft Dresden in die zwei Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt geteilt (1924 wieder vereinigt). Im Jahr 1900 wurde von der Kreishauptmannschaft Zwickau eine neue Kreishauptmannschaft Chemnitz mit den Amtshauptmannschaften Chemnitz, Annaberg, Flöha, Glauchau und Marienberg abgetrennt.
1910 entstand die Amtshauptmannschaft Stollberg durch Abspaltung von der Amtshauptmannschaft Chemnitz. Die Kreishauptmannschaft Bautzen wurde 1932 mit Dresden vereinigt.

Die Amtshauptmannschaften führten neben den Verwaltungsaufgaben der Gerichtsämter die Tätigkeiten der sog. "älteren" Amtshauptmannschaften sowie der der Straßen- und Wasserbaukommissionen fort. Sie fungierten als untere Verwaltungsinstanz in allen Angelegenheiten, für die es keine besonderen Behörden gab. Sie führten die Aufsicht über alle Gemeinden (mit Ausnahme der Großstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz), überwachten die örtliche Polizeiverwaltung und übten sie in vielen Gemeinden selbst aus. Zu den "Polizeiangelegenheiten" gehörten außer der Sicherheitspolizei auch die Armenversorgung und die Medizinalfürsorge, die Aufsicht über Handel und Gewerbe sowie über die Land- und Forstwirtschaft, die Bau- und Feuerpolizei, die Versicherungsangelegenheiten und das Sparkassenwesen, ferner Staatsangehörigkeitssachen und das Personenstandswesen.
In jeder Amtshauptmannschaft bildeten der Amtshauptmann und ein Bezirksschulinspektor zusammen die Bezirksschulinspektion (ab 1919 Bezirksschulämter). Diese unterstanden dem Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts.
Jeder Amtshauptmannschaft war ein Bezirksverband als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung angeschlossen.[02] Der Bezirksverband wurde durch die Bezirksversammlung vertreten, die sich auf Bezirkstagen versammelte. Der Amtshauptmann berief den Bezirkstag mindestens einmal jährlich ein, führte den Vorsitz und leitete die Verhandlungen. Die Bezirksversammlung konnte für gemeinnützige Zwecke Einrichtungen und Ausgaben beschließen und verwaltete das Bezirksvermögen. Sie wählte die Mitglieder des Bezirksausschusses und des Kreisausschusses. Der Bezirksausschuss diente dem Amtshauptmann bei bestimmten Entscheidungen als mitwirkendes oder beratendes Organ (z. B. Wohlfahrtspflege, Neuanlage von öffentlichen Wegen, Konzessionen).

Im Rahmen der Verwaltungsvereinheitlichung im Deutschen Reich wurde ab 1939 die Bezeichnung "Kreis" für den Amtsbezirk und gemäß dem Führerprinzip für die Behörde die Bezeichnung "Der Landrat", für deren Leiter Landrat eingeführt.[03] Diese Behördenstruktur bestand bis 1945. Die Landkreise blieben nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend unverändert bestehen, die neuen Behörden fungierten unter den Bezeichnungen Landratsamt, ab 1947 Kreisrat.[04]

Geschichte der Amtshauptmannschaft Döbeln

Die Amtshauptmannschaft Döbeln wurde 1874 aus den Gerichtsamtsbezirken Döbeln, Hainichen, Hartha, Leisnig, Roßwein und Waldheim gebildet.[05] Sie unterstand der Kreishauptmannschaft Leipzig. Der Amtshauptmannschaft Döbeln und deren Wirkungsbereichen uneingeschränkt untergeordnet waren alle Land- und Stadtgemeinden im Einzugsbereich. Verwaltungssitz war die Stadt Döbeln. 1939 wurde die Amtshauptmannschaft Döbeln in Landkreis Döbeln umbenannt. Nachfolgebehörde des Landrats des Landkreises Döbeln wurde das Landratsamt Döbeln, ab 1947 der Kreisrat Döbeln.

Als erster Amtshauptmann der Amtshauptmannschaft Döbeln wirkte von 1874 bis 1875 Heinrich Oskar Martens, der zuvor der IV. (älteren) Amtshauptmannschaft vorstand. Ihm standen ein Assessor, zwei Kanzleisekretäre, drei Expedienten und ein Bürodiener zur Seite. Martens folgten bis 1945 im Amt 10 Amtshauptmänner bzw. Landräte, die Vorsteher des Landkreises Döbeln.[06] Die Diensträume befanden sich ursprünglich im Haus des Amtshauptmanns Martens, bevor in Döbeln in der Königstraße ein neues Gebäude errichtet wurde, das 1898 eingeweiht wurde.[07]

Amtshauptleute/ ab 1939 Landräte in Döbeln:

1874
Heinrich Oskar Martens
1876
Dr. jur. Emil Richard Schmidt
1882
Max Adolf Georg Karl Wittgenstein
1892
Dr. jur. Eduard Wilhelm Alfred von Mayer
1900
Dr. jur. Georg Friedrich Eckart Schmaltz
1905
Karl Neale von Nostitz-Wallwitz
1907
Dr. Friedrich Wilhelm Heinrich Julius Helge Hartmann
1914
Dr. jur. Friedrich Wilhelm Maximilian Drechsel
1934
Dr. Georg Liebig
1937
Dr. jur. Siegfried Haase (Landrat)
1943
Oberregierungsrat Dr. Starke (vertretungsweise bis 1945)[08]


Im Jahr 1890 lebten in der Amtshauptmannschaft Döbeln 100.203 Einwohner, 1914 betrug die Einwohnerzahl 121.994. Ein Rückgang ist bei unveränderter Fläche nach dem ersten Weltkrieg zu verzeichnen. 1921 wurden noch 116.794, 1939 nach Ausscheiden der Stadt Döbeln dann 101.279 Einwohner gezählt.

1900 umfasste die Amtshauptmannschaft Döbeln 196 Gemeinden sowie 53 selbständige, nicht der Gemeindeverfassung unterstehende Gutsbezirke (meist Forst- und Rittergutsbezirke).[09] Döbeln wurde 1924 bezirksfreie Stadt. 1939 betrug die Gemeindezahl 162 Gemeinden, darunter waren mit Waldheim, Leisnig, Roßwein und Hainichen mehrere größere Städte.[10] Die Amtshauptmannschaft Döbeln grenzte an die Amtshauptmannschaften Grimma, Oschatz, Meißen, Freiberg, Chemnitz und Rochlitz. Das Territorium ist v. a. landwirtschaftlich geprägt, es umfasst einen Teil der "Lommatzscher Pflege". In vielen Orten entwickelten sich klein- und mittelständische Gewerbebetriebe, einzelne Steinbrüche, Kalkwerke und Ziegeleien. 1926 begann im Zschopautal der Bau der Talsperre Kriebstein


Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Die Akten der Amtshauptmannschaft Döbeln befinden sich seit ca. 1958 im Staatsarchiv Leipzig. Die Bewertung, Ordnung und Verzeichnung der Unterlagen erfolgte in den 1960er Jahren. Grundlage für die Ordnung des Bestands war der Aktenplan für die Amtshauptmannschaften von 1874. Er teilte die Unterlagen in mehr als 20 Abteilungen und diese wiederum in zahlreiche Abschnitte ein. Die auf den Akten befindlichen Registratursignaturen sowie der Sachzusammenhang bildeten die Grundlage für die Ordnung des Bestands nach diesem Schema. 1967 wurden die Verzeichnungsangaben in einem maschinenschriftlichen Findbuch erfasst. Dieses enthielt ordnungsabhängig 5485 Akteneinheiten in 24 Hauptgruppen. Die Akten des Bezirksverbands der Amtshauptmannschaft sind im Bestand erhalten, sie wurden nicht gesondert gekennzeichnet.
Zum Zeitpunkt der Findbucherstellung 1967 umfasste der Bestand noch Vorakten der Gerichtsämter aus der Zeit ab 1856. 1999/2000 wurden die Akten mit einer Laufzeit bis 1874 auf ihre Provenienzen geprüft. 760 Akteneinheiten wurden unter Beibehaltung ihrer Archivsignaturen virtuell den Gerichtsamtsbeständen Colditz, Döbeln, Geringswalde, Hainichen, Hartha, Leisnig, Roßwein und Waldheim zugeordnet sowie im Findbuch mit entsprechenden Vermerken versehen. Zwischen 2003 und 2009 gelangten zahlreiche Nachträge zum Bestand, besonders umfangreich zu Wassersachen. Nach einer Neugliederung von Akten zur Wasserbenutzung 2015 sind die Nr. 5795 – 6246 nicht mehr belegt.
2017 wurde das Findbuch im Rahmen des DFG-Projekts "Retrokonversion archivischer Findmittel" digitalisiert. Das umfasste die Übernahme der Verzeichnungseinheiten einschließlich der Nachträge in die Archivsoftware AUGIAS-Archiv entsprechend der vorliegenden Klassifikation. Im Anschluss sind die Daten im Staatsarchiv redaktionell bearbeitet worden. Die Vorakten der Gerichtsämter sowie Fremdprovenienzen sind nicht mehr im Findmittel enthalten. Die über 1945 hinausgehenden Akten sind im Bestand belassen worden. Einige Personalakten sind erstmals verzeichnet worden. Die Reihung der Akten innerhalb der Klassifikationspunkte entspricht der des alten Findbuchs (chronologisch oder alphabetisch nach Orten).

Überlieferungsschwerpunkte

Der Bestand umfasst mehr als 5250 Verzeichnungseinheiten aus dem Zeitraum 1811 – 1945, vereinzelt (v. a. Gemeinde- und Wasserangelegenheiten) bis 1960. Sie geben Auskunft über die territoriale, soziale und wirtschaftliche Entwicklung der Amtshauptmannschaft. Besonders umfangreich sind Gemeindeangelegenheiten, Wassersachen, Jagd, Landwirtschafts- und Gewerbeangelegenheiten sowie der Eisenbahnbau überliefert. In den Enthältvermerken dominieren Hinweise zur Entwicklung der Arbeiterbewegung im Sprengel.


Korrespondierende Bestände


20005
Ältere Amtshauptmannschaften
20024
Kreishauptmannschaft Leipzig
20093
Gerichtsamt Hainichen
20094
Gerichtsamt Hartha
20098
Gerichtsamt Leisnig
20106
Gerichtsamt Roßwein
20110
Gerichtsamt Waldheim
20189
Bezirksschulamt Döbeln
20232
Kreistag/Kreisrat Döbeln
20173
Talsperrenbauamt Kriebstein


B. Richter
März 2018


[01] Gesetz, die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung betreffend. Nr. 39 vom 21. April 1873, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1873, S. 275 ff.- Verordnung, die Ausführung des Gesetzes über die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung vom 21. April 1873 und der damit zusammenhängenden Gesetze betreffend. Nr. 101 vom 20. August 1874, in: Gesetz- und Verordnungsblätter für das Königreich Sachsen 1874, S. 113 ff.
[02] Gesetz, die Bildung von Bezirksverbänden und deren Vertretungen betreffend. Nr. 40 vom 21. April 1873, in: Gesetz- und Verordnungsblätter für das Königreich Sachsen 1873, S. 284 ff.
[03] Sächsisches Wochenblatt für Verwaltung und Polizei 1938, Nr. 201, S. 1675.
[04] Vorläufige Bestimmungen über Behördenbezeichnungen. In: Gesetze/Befehle/Verordnungen/Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen, Nr. 13 vom 8. Mai 1946, Teil II Amtliche Bekanntmachungen, S. 137.- Demokratische Kreisordnung für das Land Sachsen vom 16. Januar 1947. In: Gesetze/Befehle/Verordnungen/Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen, Nr. 2 vom 31. Januar 1947, S. 22.- Bestimmung über die Bezeichnung der Selbstverwaltungskörperschaften und -organe vom 10. Februar 1947. In: Gesetze/Befehle/Verordnungen/Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesverwaltung Sachsen, Nr. 4 vom 28. Februar 1947, S. 94.
[05] Verordnung, die Ausführung des Gesetzes über die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung vom 21. April 1873 und der damit zusammenhängenden Gesetze betreffend, Nr. 101 Ausführungsverordnung vom 20. August 1874, in: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen 1874, S. 113-123.
[06] Vgl. Staatshandbücher des Königreichs Sachsen, 1874 ff.
[07] 1897-1997. 100 Jahre Dienstgebäude Straße des Friedens 20, Amtshauptmannschaft Döbeln, hg. vom Landratsamt Döbeln, Döbeln 1997.
[08] http://www.territorial.de/sachsen/doebeln/landkrs.htm (21.2.2018).
[09] Vgl. http://gemeindeverzeichnis.de/gem1900/gem1900.htm?sachsen/doebeln.htm (letzter Zugriff 21.2.2018).
[10] Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 550: Amtliches Gemeindeverzeichnis für das Deutsche Reich, Berlin 1940.
Reichsverfassung und Landesverfassung.- Geschichte, Statistik, Topographie.- Bezirksverwaltung.- Militärangelegenheiten und Kriegsangelegenheiten.- Staatsangehörigkeit.- Kirchenangelegenheiten.- Gemeindeangelegenheiten.- Armenangelegenheiten und Wohltätigkeitsangelegenheiten.- Medizinalwesen und Gesundheitswesen.- Sicherheitspolizei.- Landwirtschaft.- Forstwesen, Jagdwesen und Fischereiwesen.- Handel, Gewerbe, Bergbau.- Bauwesen.- Verkehrswege.- Wasserangelegenheiten.- Feuerpolizei.- Krankenversicherung und Unfallversicherung.
Die Amtshauptmannschaft Döbeln war für die ehemaligen Gerichtsamtsbezirke Döbeln, Hainichen, Hartha, Leisnig, Roßwein und Waldheim sowie Teile der Gerichtsamtsbezirke Colditz und Geringswalde zuständig. Nachfolgebehörde wurde das Landratsamt, ab 1947 der Kreisrat Döbeln.
Weitere Angaben siehe 2.3.3.3 Amtshauptmannschaften (Landratsämter).
  • 2018 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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