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Beständeübersicht

Bestand

20036 Zuchthaus Waldheim

Datierung1716 - 1971
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)22,75

Bestand enthält auch 2201 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular


Geschichte des Zuchthauses Waldheim


Das Zucht-, Armen und Waisenhaus Waldheim wurde am 4. April 1716 mit der Einweisung der Offizianten (= Beschäftigten) in ihre Ämter eröffnet.[01] Vorausgegangen war dem die Bildung der Armenhauskommission (später Kommission zur Besorgung der allgemeinen Straf- und Versorgungsanstalten) im Oktober 1714 als übergeordneter Instanz, die für Revisionen, Finanzen und allgemeine Verwaltung der neu einzurichtenden Anstalten zuständig war. Sie erließ Verordnungen, Erlasse und Instruktionen und war die höchste Instanz zur Einweisung und Entlassung aller Anstaltsinsassen. Bis 1733 übernahm die direkte örtliche Aufsicht der Amtmann des Amtes Rochlitz.[02]

Die Anstalt wurde im ehemaligen kurfürstlichen Jagdschloss, welches bis zum 14. Jahrhundert lediglich eine Burg und um 1404 in ein Augustiner-Kloster umgewandelt worden war, eingerichtet. In ihr wurden, entsprechend des Königlichen Mandats vom 7. Dezember 1715 "wider die Bettler, Landstreicher und ander böses Gesindel", Züchtlinge, hilfsbedürftige Arme und Kranke sowie Waisenkinder untergebracht.

Die sog. Armen waren dabei nicht nur vermögenslose Personen, sondern grundsätzlich Personen, die einer erhöhten Pflege bedurften (z. B. Melancholische, Epileptische, Blödsinnige, Rasende, Gebrechliche). Als Waisen wurden dagegen alle jugendlichen Personen bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres bezeichnet, demnach auch jugendliche Züchtlinge und in der Anstalt geborene Kinder. Zusätzlich konnten sog. "Distinguierte" aufgenommen werden; dies waren Personen, die selbst oder auch ihre Angehörigen die Aufnahme und Versorgung in der Anstalt beantragt hatten, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Sie zahlten höhere Verpflegungsgelder, bekamen bessere Verpflegung und Unterkunft und waren zu keiner Arbeit verpflichtet.

Die Anfangszeit der Anstalt gestaltete sich personell schwierig: in den ersten Jahrzehnten fanden zahlreiche Personalveränderungen durch Entlassungen, Kündigungen und Tod statt. Zudem musste die Verwaltungsstruktur sich erst noch herausbilden. Ab etwa der Mitte des 18. Jahrhunderts ist dann eine personelle Kontinuität zu verzeichnen. Oberster Beschäftigter war der Hausverwalter, der über die gesamte Anstalt und die Personen, seien es Beschäftigte oder Untergebrachte, die Aufsicht führte, für die Ökonomie des Hauses zuständig war, den Gerichtsvorsitz innehatte und über Einnahmen und Ausgaben Buch führte. Ihm standen weitere Beschäftigte zur Seite, so Hausvater und -mutter, Rechnungsführer, Aktuar, Arzt, Prediger, Lehrer, Ökonom, Einkäufer und die Zucht- und Raspelmeister sowie weitere Beschäftigte. Im Verlauf der Jahrzehnte änderten sich Bezeichnungen und Anzahl. Die Zucht- und Raspelmeister waren für die Einhaltung der Disziplin und die Durchführung der Arbeiten zuständig.

Bewacht wurde die Anstalt in den ersten Jahren von einer Miliz, die 1727 von einer aus invalidisierten Soldaten errichteten Wache abgelöst wurde. Diese wuchs in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten personell an und erreichte zeitweise über 100 Mann.

Der Siebjährige Krieg (1756 – 1763) hatte keine direkten Auswirkungen auf die Anstalt, es wurden jedoch viele Verpflegte entlassen, sodass vor allem Sträflinge und Arme in der Anstalt verblieben. Die Bewachung übernahm nach der Abkommandierung der Halbinvaliden-Kompanie zwischenzeitlich eine Bürgerwehr.[03]

In den Jahrzehnten nach Einrichtung der Anstalt erweiterte diese sich auch flächen- und gebäudemäßig.

Einen wichtigen Einschnitt in der Geschichte der Anstalt bildet das Jahr 1813. Während der Kriege gegen Napoleon gelangten am 6. Mai 1813 die Franzosen bis an die Mauern der Anstalt. Zunächst sollte hier ein Quartier für Napoleon selbst errichtet werden, dazu kam es jedoch nicht. Stattdessen brachte man Generäle, Offiziere und ca. 400 Mann Garde auf dem Gelände unter. Ab dem 9. Mai inhaftierte man zudem kriegsgefangene Russen und Polen in Züchtlingszellen. Am 24. August rückten die Franzosen ab, der letzte kranke Russe konnte erst am 5. November weiterverlegt werden.[04]

1816 feierte die Anstalt ihr 100-jähriges Bestehen. Bis dahin hatte sie nach einer zeitgenössischen Quelle insgesamt 13954 Personen aufgenommen (4647 Distinguierte und Arme, 1391 Waisen, 7921 Sträflinge).[05]

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es europaweit zu einer strukturellen Ausdifferenzierung der Anstalten. Die Nachteile der gemeinsamen Unterbringung von Strafgefangenen, Waisen und (Geistes)Kranken waren offensichtlich geworden (z. B. mangelnder Strafvollzug durch Einbindung der Sträflinge in die täglich bei der Versorgung der Armen und Kranken anfallenden Arbeiten).[06]

Für die Waldheimer Anstalt bedeutete dies die Umwandlung in eine reine Strafanstalt. Bereits 1803 begann man mit der Verlegung von Armen in das neu gegründete Landesarbeitshaus Colditz, der heilbaren Geisteskranken 1811 in die Irrenheilanstalt Pirna-Sonnenstein und der Waisen 1824 in die Landeserziehungsanstalt Bräunsdorf. Somit fungierte die Anstalt ab 1830 "nur" noch als Zuchthaus.

Im Jahr 1833 verlor das Zuchthaus die bis dahin noch dort angesiedelte Gerichtsbarkeit[07] an das Königliche Gericht Waldheim. 1838 verschärfte sich die Strafvollzugspraxis durch das Inkrafttreten des Sächsischen Kriminalgesetzbuches.[08]

Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Maiunruhen im Jahr 1849 kam es zu zahlreichen Verhaftung und Verurteilungen der daran beteiligten Revolutionäre. Ein Teil dieser kam nach einer zeitweisen Inhaftierung auf der Festung Königstein in das Zuchthaus Waldheim, so u. a. auch August Röckel. Jener wurde 1862 als letzter sog. "Maigefangener" aus dem Zuchthaus Waldheim, welches für die Aufnahme der "Maigefangenen" erweitert worden war und verschärfte Sicherheitseinrichtungen erhielt (z. B. einen elektromagnetischen Sicherheitsapparat[09] ), entlassen.

1876 wurde in Waldheim, auf dem Gelände und in Leitungseinheit mit dem Zuchthaus, die erste deutsche Irrenstation für männliche geisteskranke Verbrecher eingerichtet. Der ärztliche Leiter der Irrenstation unterstand der Direktion der Strafanstalt direkt, hatte jedoch weite Kompetenzen wie z. B. die alleinige Verantwortung für alle innerhalb der Irrenstation. Die äußere Bewachung regelte jedoch das Zuchthaus.[10]

1919 erklärte das Sächsische Ministerium des Innern die Landesanstalt für Geisteskranke Waldheim zu einer selbständigen Einrichtung unter ärztlicher Direktion, "die künftig die Bezeichnung Landes-Heil- und Pflegeanstalt zu führen hat".[11] Sie übernahm damit die selbständige Führung der Kassengeschäfte, während die Strafanstalt weiterhin für die wirtschaftliche Versorgung zuständig blieb.

Die Strafanstalt selbst erhielt Ende des 19. Jahrhunderts weitere Gebäude zur Unterbringung der Gefangenen, so 1886 ein neues Zellenhaus und außerhalb des Anstaltsgeländes ein eigenes Frauenzuchthaus.

Aus den wechselnden Bezeichnungen der Anstalten Waldheim zu Ende im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts lassen sich auch die unterschiedlichen Aufgabenstellungen ablesen:[12]

- 1832: reines Zuchthaus

- ab 1837: Zucht- und Korrektionshaus

- ab 1870: Zuchthaus mit Korrektionsanstalt Sachsenburg

- 1874 bis 1883: nur noch Zuchthaus für Männer

- ab 1884: Landesanstalten Waldheim mit dem Zuchthaus für Männer, der Korrektionsanstalt für Frauen und der Irrenstation

- ab 1888: zusätzlich mit einem eigenen Zuchthaus für Frauen

- ab 1900: Zuchthäuser für Männer und Frauen und die Irrenstation

- 1910: Anstalten zu Waldheim mit Zuchthäusern für Männer und Frauen und der Landesanstalt für Geisteskranke

Ab etwa 1870 übernahm das Zuchthaus Waldheim zudem die Oberaufsicht über die neu eingerichtete Korrektionsanstalt Sachsenburg, bis diese einige Jahre später ihre Eigenständigkeit erreichte.

Im Jahr 1924 folgte eine grundsätzliche Änderung in der Verwaltung der Gefangenenanstalten. Unterstanden diese bislang dem Ministerium des Innern, wurden sie nun dem Ministerium der Justiz unterstellt.[13]

Ab 1933 brachte man in Waldheim auch Schutzhäftlinge und Sicherungsverwahrte unter, letztere bis 1937, als die verbliebenen Insassen der Abteilung für Sicherungsverwahrte an die Sicherungsanstalten Gräfentonna und Aichach übergeben wurden.[14]

Viele Gefangene der NS-Zeit waren politische Häftlinge. Die Gefängnisverwaltung war mit der ständig steigenden Gefangenenzahl völlig ausgelastet. Es bestanden mehrere Außenlager, in denen die Gefangenen für Firmen arbeiten mussten. Deren Unterbringung erfolgte dann zumeist dort vor Ort, die Aufsicht lief z. T. über die Gerichtsgefängnisse. Im Zuge der Rekrutierungen für den Fronteinsatz ab 1939 wurden zunehmend bereits pensionierte Wachtleute wieder zurück in den Dienst berufen und zahlreiches Hilfspersonal eingestellt.

Die Bezeichnung der Anstalt wechselte in der NS-Zeit mehrfach: von Straf- und Sicherungsanstalt Waldheim, Strafanstalt Waldheim, Landesstrafanstalt Waldheim hin zu Zuchthaus Waldheim.

Insbesondere zum Ende des 2. Weltkrieges war die Anstalt überfüllt: mit dem Rückzug der Deutschen aus den Ostgebieten wurden Gefangene nach Waldheim transportiert; auch das Personal der dortigen Anstalten flüchtete und meldete sich u. a. in Waldheim zum Dienst.

Am 7. Mai 1945 erfolgte die Befreiung der Waldheimer Anstalt durch die Rote Armee. Die Mehrzahl der Gefangenen wurde sofort auf freien Fuß gesetzt. Allerdings waren diese z. T. körperlich schwerkrank und konnten den Heimweg nicht vollenden. Einige kamen Tage später wieder in die ehemalige Landesanstalt Waldheim zur ärztlichen Behandlung.

Das Personal des Zuchthauses Waldheim verblieb noch einige Zeit vor Ort und wickelte die Anstalt ab. Seit Mitte 1945 begann mit der Entnazifizierung jedoch die kontinuierliche Entlassung der Beschäftigten, bis nur noch ein Rumpfbestand "politisch einwandfreier" Beschäftigter und einige Gefangene verblieben.

Der reguläre Anstaltsbetrieb wurde erst im Jahr 1947 als Strafanstalt Waldheim wieder aufgenommen. Bis dahin waren zahlreiche Untersuchungs- und Polizeigefangene in Waldheim untergebracht.

Bereits zu Beginn des Jahres 1950 wurde die Neuaufnahme von Gefangenen gestoppt und die Auflösung der Anstalt vorbereitet.[15] Die Gefangenen wurden "umgesiedelt", die Anstalt zur Abwicklung im Justizkrankenhaus Leipzig-Kleinmeusdorf untergebracht und das Archiv an das Amtsgericht Döbeln übergeben.[16]

Ab etwa März 1950 trafen 3432 Internierte aus den sowjetischen Internierungslagern Buchenwald, Bautzen und Sachsenhausen in Waldheim ein. Am 12. April 1950 begannen die sog. "Waldheimer Prozesse", in deren Folge 32 Personen zum Tode und zahlreiche andere zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Die Todesurteile und die Haftstrafen wurden teilweise in Waldheim vollzogen, insbesondere ab 1954 fanden zahlreiche Verlegungen in andere Anstalten und Begnadigungen statt.[17] Die Strafanstalt Waldheim nahm ihren regulären Betrieb wieder auf.

Mit der Verordnung vom 16.11.1950 wurden die Geschäfte des Strafvollzuges auf das Ministerium des Inneren der DDR übertragen, praktisch erfolgte dies zum 1. Januar 1951 durch die Hauptabteilung Strafvollzug bei der Hauptabteilung der Deutschen Volkspolizei. Mit Einführung der neuen Strafprozessordnung vom 2.10.1952 übernahm die Deutsche Volkspolizei die Strafvollstreckung.

Die Anstalt bestand bis zur Übernahme durch das Sächsische Staatsministerium der Justiz im Jahr 1990 als Strafvollzugsanstalt Waldheim weiter; anschließend bis heute als Justizvollzugsanstalt Waldheim


Bestandsgeschichte und -bearbeitung


Der Bestand gelangte seit Anfang des 20. Jahrhunderts in mehreren Abgaben vom Zuchthaus Waldheim bzw. nach 1945 von der Strafvollzugseinrichtung Waldheim in das damalige Landeshauptarchiv Dresden. Im Zuge der Beständebereinigung erfolgte im Jahr 2000 die Übergabe an das Staatsarchiv Leipzig.

Der Bestand teilte sich in mehrere Ablieferungsschichten: "Verwaltung alt", "Verwaltung", "Zugangsbücher" mit vorläufigen Nummern, "Verwaltung/Land", "unverzeichnet" und, am umfangreichsten, "Gefangenenakten".

Der Zugang zu den ersten drei Teilbeständen der Verwaltungsakten war über eine maschinenschriftliche Findkartei möglich. Die Akten waren lediglich einfach verzeichnet, z. T. stimmten die Verzeichnungsangaben nicht mit der Akte überein, z. T. waren Akten nicht verzeichnet. Zudem entsprach die Gliederung nicht den archivischen Anforderungen.

Die Gefangenenakten konnten lediglich über die in den 1960er und 1970er Jahren im Staatsarchiv Dresden erstellte Häftlingskartei genutzt werden, die im Staatsarchiv Leipzig als Mikrofiche vorlag. Eine Überprüfung dieser Kartei auf ihre Vollständigkeit ergab im Jahr 2007 das Fehlen einer Zugangsmöglichkeit für einen beträchtlichen Anteil der archivierten Gefangenenakten.

Zum Teilbestand "Verwaltung/Land" konnte ein maschinenschriftliches Findbuch ermittelt werden, welches die Abgabe dieser 18 Akten in das Jahr 1910 datiert.

Zwischen 2000 und 2010 kamen einzelne, meist kleinere Abgaben der Justizvollzugsanstalt Waldheim, des Bundesarchivs, des Hauptstaatsarchivs Dresden, des Staatsarchivs Chemnitz und aus dem Bestand 20048 Landesheilanstalt Colditz zum Bestand Zuchthaus Waldheim hinzu.

Die Bearbeitung des Bestandes begann im Jahr 2007 mit der Erschließung der Gefangenenakten. In mehreren Etappen wurde dieser umfangreiche Teil, welcher sich im Wesentlichen auf den Zeitraum der 1920er Jahre bis ca. 1950 beschränkt, durch eigene und Werkvertragskräfte bis Ende 2011 erschlossen; 2012 und 2013 folgten noch Nachträge.

Der Titel enthält den vollständigen Namen des Gefangenen und das Delikt. Bei mehreren Inhaftierungen wurden alle Delikte, die in der Akte enthalten waren, aufgenommen.

Das Geburtsdatum und soweit bekannt das Sterbedatum wurden vermerkt. Ebenfalls aufgenommen wurden alle in der Akte enthaltenen Vorprovenienzen, abweichende Archivalienformen (z. B. Fotos) und wichtige Dokumente (z. B. Verlegungen in Konzentrationslager). Die alte Archivsignatur, bestehend aus den Buchstaben F (Frauen), J (Jugendliche) oder M (Männer) und einer Nummer, findet sich in der Verzeichnung ebenso wieder wie die Bekleidungsnummer der Gefangenen.

Bei der Verzeichnung wurden alle Namen von Angeklagten, die in den enthaltenen Urteilen aufgeführt waren, im Enthält-Vermerk aufgenommen und indiziert.

Die Verzeichnung der Verwaltungsakten begann im Jahr 2009. Zunächst wurden die mittels Findkartei benutzbaren Akten erschlossen, es folgten die Überformate, die Verwaltung/Land, unverzeichnete Reste sowie die zwischenzeitlich übernommenen Akten.

Bei der Verzeichnung wurden oftmals Enthält-Vermerke zur detaillierten Untersetzung der Aktentitel verwendet. Die alten Archiv- und Registratursignaturen wurden in den entsprechenden Feldern der Datenbank vermerkt.

Zu diesem Teil des Bestandes gehören auch die Personalakten. Hier wurden neben der letzten ausgeführten Tätigkeit auch die Geburts- und Sterbedaten und gelegentlich auftretende Vorprovenienzen verzeichnet. Zudem waren ca. 120 ältere Akten von Gefangenen und anderen Insassen der Anstalt enthalten, die entsprechend wie die o. g. Gefangenenakten verzeichnet wurden.

Nach Abschluss der Verzeichnung der im Staatsarchiv Leipzig vorliegenden Akten erfolgte die virtuelle Verzeichnung von 151 Akten, vorwiegend Gefangenenakten, aus dem Bestand 13471 NS-Archiv des MfS, die sich im Hauptstaatsarchiv Dresden befinden. Diese hatte das MfS vermutlich aus dem Bestand herauslösen lassen, um damit NS-Belastungen oder die Opferschaft von Personen zu belegen. Detaillierte Hinweise waren dazu nicht zu ermitteln.

Die Bestellnummer ist die Signatur im Bestand 13471, ergänzt durch die Voranstellung der Bestandnummer, die Benutzung erfolgt im Hauptstaatsarchiv Dresden.

Vor allem bei den Gefangenenakten, aber auch bei Personalakten, waren bei der Verzeichnung Vor- und Fremdprovenienzen festzustellen. Diese Angaben wurden aufgenommen und erscheinen im Findbuch. Einige Gefangenenakten stellen dabei echte Fremdprovenienzen dar. Sie wurden im Bestand belassen, sofern eine Abgabe an andere Archive schwierig oder ein Aufenthalt der Person im Zuchthaus Waldheim zumindest wahrscheinlich ist. Es handelt sich dabei vorwiegend um Gefangene oder Beschäftigte, die Anfang 1945 aus den Ostgebieten fluchtartig verlegt wurden. Andere Fremdprovenienzen wurden an die entsprechenden Archive abgegeben, so an das Staatsarchiv Chemnitz, das Hauptstaatsarchiv Dresden und das Staatsfilialarchiv Bautzen.

Der Vernichtung zugeführt wurden aus dem gesamten Bestand lediglich 0,85 lfm Finanzunterlagen sowie sechs Doppelstücke von Urteilen aus Gefangenenakten (0,1 lfm). Bei ersteren handelte es sich um Einnahme- und Ausgabebelege und Portobücher. Für die Belege wurde zuvor eine Auswahl getroffen, sodass nun noch die Jahrgänge 1938, 1943 und 1944 im Bestand enthalten sind. Für alle anderen Akten war bereits vor Beginn der Bestandsbearbeitung die Archivwürdigkeit festgestellt worden.

Die in der Findkartei vorhandene Gliederung wurde vor Beginn der Verzeichnung des Teils Verwaltung verworfen und überarbeitet, da sie nicht die Struktur des Bestandsbildners widerspiegelte und für den Benutzer keine ausreichende Rechercheunterstützung darstellte.

An erster Stelle stehen nun in der Gliederung die grundlegenden, für den Bestandsbildner organisatorisch bedeutenden Punkte. Es folgen die Vollstreckungsangelegenheiten und die Akten der Insassen der Anstalt (Gefangene und andere Insassen), wobei letzterer Punkt mit ca. 3800 Seiten den größten Teil des Findbuches ausmacht.Von einer Trennung in Zeitetappen wurde abgesehen, sodass die Gliederung den gesamten zeitlichen Umfang des Bestandes abbildet.

Die einzelnen Akten wurden im Findbuch innerhalb der Klassifikationsgruppe chronologisch sortiert; zusammengehörige Bände erscheinen hintereinander.

2019 wurden 930 Gebäude- und Lagepläne, welche von der JVA Waldheim übergeben worden waren, provenienzgerecht dem Bestand zugeordnet und verzeichnet.

Mit Abschluss der Erschließungsarbeiten liegt ein sehr umfangreiches, z. T. den datenschutzrechtlichen Schutzfristen unterliegendes Findbuch für den vollständigen Bestand 20036 Zuchthaus Waldheim vor.


Überlieferungsschwerpunkte


Der Bestand enthält sehr viele Gefangenenakten bzw. Akten von in der Anstalt untergebrachten Personen; sie machen ca. 90 % der Überlieferung aus (etwa 18.100 AE). Zeitlich erstecken sich die Gefangenenakten vor allem auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Nur wenige Akten sind aus dem 18. oder 19. Jahrhundert vorhanden. Ursachen sind vermutlich sowohl Kriegsverluste als auch Aktenvernichtungen[18] , die teilweise auch von Seiten des ehemaligen Landeshauptarchivs Dresden im Rahmen der Behördenbetreuung vorgenommen wurden.[19] Hieraus resultiert vermutlich auch das Vorhandensein von Gefangenenakten einiger an den Unruhen 1848/49 beteiligter Personen (ca. 110 AE).

Umfangreich überliefert sind zudem von Beginn der Anstalt an bis in die 1950er Jahre Zu- und Abgangsbücher sowie Namensverzeichnisse. Im Laufe der Zeit waren dafür unterschiedliche Bezeichnungen verwendet worden. Diese wurden beibehalten, die Zusammenführung fand über den Gliederungspunkt statt.

Vor allem für das 19. Jahrhundert fallen Lücken in dieser Überlieferung auf. Einige ergänzende Verzeichnisse befinden sich im Hauptstaatsarchiv Dresden im Bestand 10736 Ministerium des Innern.

Nicht überliefert sind im Bestand Unterlagen zu den Waldheimer Prozessen des Jahres 1950, da diese vor dem Landgericht Chemnitz stattfanden. Hierzu sind entsprechende Unterlagen im Bundesarchiv vorhanden. Im Bestand 20036 befindet sich lediglich eine alphabetische Gefangenenkartei der durch das SMT (Sowjetisches Militärtribunal) Verurteilten, die zu den ab dem Frühjahr 1950 in Waldheim eingelieferten Gefangenen umfangreiche Informationen enthält. Zudem sind in der Akte Nr. 641 Todesscheine von in der Anstalt verstorbenen Gefangenen vorhanden, darunter auch die der 23 zum Tode Verurteilten der Waldheimer Prozesse nach der Hinrichtung am 4. November 1950.

Recht umfangreich überliefert sind im Bestand zudem Personalakten der Beschäftigten. Diese beginnen bereits Anfang des 18. Jahrhunderts und reichen bis zum Jahr 1950 (insgesamt ca. 1050 AE).

Aus den Anfängen der Anstalt sind sog. "Instruktionen" vorhanden, in denen die Aufgaben und Befugnisse der einzelnen Beschäftigten zu entnehmen sind.

Insbesondere ab dem beginnenden 20. Jahrhundert liegen die Personalakten in moderner Form vor; in den 1930er Jahren sind zahlreiche Wiedereinstellungen von bereits pensionierten Wachtmeistern aller Dienstgrade, die umfangreiche Einstellung von Hilfspersonal, die Prüfung auf arische Vorfahren und gegen Ende des 2. Weltkrieges auch die Aufnahme von Beschäftigten aus den Ostgebieten festzustellen. Bei letzteren ist oftmals die letzte aktenführende Stelle schwer erkennbar. Sofern die Vermutung bestand, die Person könnte in Waldheim beschäftigt gewesen sein, wurde die Akten im Bestand belassen und die erkennbare Fremdprovenienz als solche angegeben.

Gegen Ende des 2. Weltkrieges ist im gesamten Bestand eine schlechte Aktenführung zu bemerken. Wurden bis ca. 1940/41 die Akten ordentlich gebunden, liegen spätere Schriftstücke und ganze Vorgänge z. T. nur lose in den Akten.

Aus der Zeit des 2. Weltkrieges liegen zudem zahlreiche Akten zur Beschäftigung von Gefangenen vor. Hier sind Hinweise zu den Firmen, den Löhnen und den Arbeitsleistungen der Gefangenen enthalten.

Zur sog. "Vitaminaktion", der medizinische Test der Auswirkungen von Vitaminentzug auf die Gefangenen, befinden sich nur wenige, kaum aussagekräftige Unterlagen im Bestand. Wurden entsprechende Hinweise bei der Verzeichnung ermittelt, sind diese im Enthält-Vermerk aufgenommen.

Bei den 2019 nachträglich verzeichneten Plänen handelt es sich um vorwiegend um Gebäudepläne, aber auch um Pläne zu Anlagen, Geräten und Versorgungseinrichtungen. Zudem sind zahlreiche Lage-, Grundstücks- und Bebauungspläne enthalten


Hinweise für die Benutzung


Der Bestand enthält zahlreiche personenbezogene Akten, welche nach § 10 Abs. 1 Satz 3 des Sächsischen Archivgesetzes erst zehn Jahre nach dem Tod bzw. hundert Jahre nach der Geburt der betroffenen Person benutzt werden dürfen. Die Vorlage dieser Archivalien ist nur nach gesonderter Prüfung im Wege des Antragsverfahrens zur Schutzfristenverkürzung möglich.

Um die Recherche zu erleichtern, wurde ein Personenregister angelegt.


Verweise auf korrespondierende Bestände


Staatsarchiv Leipzig


20017 Amt Rochlitz

20034 Strafanstalt Leipzig-Kleinmeusdorf

20035 Untersuchungshaftanstalten Leipzig

20053 Heil- und Pflegeanstalt Waldheim

20250 Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei Leipzig

22011 Nachlass Hans Arendt

22104 Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement Niederlassung Leipzig II

22221 Strafvollzugseinrichtung Waldheim


Hauptstaatsarchiv Dresden


10026 Geheimes Kabinett

10116 Kommission zu Besorgung der allgemeinen Straf- und Versorgungssachen

10736 Ministerium des Innern

11018 Ministerium der Justiz

11378 Landesbehörde der Volkspolizei Sachsen

11380 Landesregierung Sachsen, Ministerium der Justiz und Hauptabteilung Justiz beim Ministerpräsidenten

13471 NS-Archiv des MfS


Staatsarchiv Chemnitz


30068 Gefangenenanstalt Hoheneck

30069 Strafanstalt Voigtsberg

30071 Zuchthaus Zwickau

33172 Straf- und Korrektionsanstalt Sachsenburg


Literaturhinweise


Baumgart, Ralf, Studien zur Geschichte des Zucht- und Armenhauses Waldheim im 18. und 19. Jahrhundert, Dresden, 2005



Beschreibung des Chur-Sächsischen allgemeinen Zucht-, Waysen- und Armen-Hauses, Waldheim, 1726



Bretschneider, Falk, Gefangene Gesellschaft. Eine Geschichte der Einsperrung in Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert, Konstanz, 2008



Glauning, Das Zucht-, Armen- und Waisenhaus zu Waldheim während der ersten 100 Jahre seines Bestehens (1716 – 1816), Zwickau, (1816?)



Habicht, Martin, Zuchthaus Waldheim: 1933 – 1945, Berlin, 1988



Koppel, M., Dr., Die Vorgeschichte des Zuchthauses zu Waldheim, Leipzig, 1934



Müller, Jörg, Strafvollzugspolitik und Haftregime in der SBZ und in der DDR, Marburg, 2011



Röckel, August; Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim, Frankfurt a. M., 1865



Schröter, Sonja, Psychiatrie in Waldheim/Sachsen (1716 – 1946), Frankfurt a. M, 1994



Withöft, Bernd, Dr., Die Todesurteile der Waldheimer Prozesse, Wien, 2008


Doreen Etzold

Dezember 2013/Januar 2020


Abkürzungsverzeichnis


Abs.Absatz
CDUChristlich-Demokratische Union
DDRDeutsche Demokratische Republik
FDGBFreier Deutscher Gewerkschaftsbund
FDJFreie Deutsche Jugend
GestapoGeheime Staatspolizei
GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung
JGGJugendgerichtsgesetz
jun.Junior
KJVDKommunistischer Jugendverband Deutschlands
KPDKommunistische Partei Deutschlands
KWGKriegswehrmachtsgefängnis
KWHKriegswehrmachtshaftanstalt
KWUGKriegswehrmachtsuntersuchungsgefängnis
KZKonzentrationslager
LALandesanstalt
LVBLeipziger Verkehrsbetriebe
MdIMinisterium des Innern
MfSMinisterium für Staatssicherheit der DDR
NN"Nacht und Nebel"-Erlass
NSNationalsozialistisch
NSDAPNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NSKKNationalsozialistisches Kraftfahrkorps
NSVNationalsozialistische Volkswohlfahrt
Ostpr.Ostpreußen
OTOrganisation Todt
RFBRotfront-Kämpferbund
SASturmabteilung
SAPSozialistische Arbeiterpartei
SEDSozialistische Einheitspartei Deutschlands
sen.Senior
SJVSozialistischer Jugendverband
SMADSowjetische Militäradministration in Deutschland
SMTSowjetisches Militärtribunal
SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands
SSSchutzstaffel
StGBStrafgesetzbuch
StVOStraßenverkehrsordnung
TbcTuberkulose
UHAUntersuchungshaftanstalt





[01] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 427.
[02] Koppel, M., Dr., Die Vorgeschichte des Zuchthauses zu Waldheim, Leipzig, 1934, S. 44f.
[03] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 427.
[04] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 427.
[05] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 427.
[06] Baumgart, Ralf, Studien zur Geschichte des Zucht- und Armenhauses Waldheim im 18. und 19. Jahrhundert, Dresden, 2005, S. 23 u.a.
[07] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 244.
[08] Koppel, S. 110f.
[09] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 359.
[10] Schröter, Sonja, Psychiatrie in Waldheim/Sachsen (1716 – 1946), Frankfurt a. M, 1994, S. 31ff.
[11] VO des MdI Dresden vom 30.12.1918, in: StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 1674.
[12] Siehe Sächsische Staatshandbücher für die einzelnen Jahre.
[13] Strafvollzugsordnung für die Sächsischen Justizgefängnisse vom 21. Juni 1924, in: Sächs. GBl. 1924, S. 359ff.
[14] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 1630.
[15] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 16965.
[16] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 18223, Nr. 19862 und Nr. 16760.
[17] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 1806.
[18] StA-L, 20036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 1633, Bl. 255: Vernichtung von 7500 Gefangenenakten im Jahr 1941.
[19] StA-D, 10707 Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Nr. 1640, Nr. 3604, Nr. 5535 und Nr. 6130.
Verwaltung.- Personal.- Grundstücksangelegenheiten.- Schulwesen.- Kirchensachen.- Medizinalwesen.- Gefangenenakten.- Lage- und Gebäudepläne.
Das erste Zucht-, Armen- und Waisenhaus Sachsens wurde 1716 in Waldheim gegründet. 1830 erfolgte die Umwandlung in eine reine Strafanstalt. Zu den in Waldheim von April bis Juli 1950 durchgeführten Strafprozessen liegt im Bestand lediglich eine Haftakte in Kopie vor.
Weitere Angaben siehe 2.3.3.5 Haftanstalten.
  • 2013; Nachtrag 2020 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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