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Beständeübersicht

Bestand

20041 Brandversicherungsamt Leipzig I

Datierung1856 - 1946
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)20,00
Behördengeschichte
Erste Anfänge der Versicherung gegen Feuergefahren finden sich seit dem 16. Jahrhundert bei Unterstützungsvereinen in London und Paris. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurden Aktiengesellschaften und auf Gegenseitigkeit beruhende Landes-Brandkassen gegründet. In einem Mandat vom 10. November 1784 "wegen der neuen Einrichtung in Ansehung der erlittenen Brandschäden" stellte der sächsische König Friedrich August zwar Verbesserungen bei der in Sachsen im Jahre 1729 als reine Unterstützungseinrichtung gebildeten General-Brandkasse fest. Er konnte jedoch nicht umhin, auf den nicht zuletzt durch die völlig willkürlichen Beiträge mangelhaften Schutz zu verweisen und ordnete die Bildung einer Brand-Versicherungs-Societät nach dem Vorbild anderer Staaten an. Während diese für die Immobiliarversicherung zuständig sein sollte, wurde daneben noch eine besondere Mobiliar-Brand-Kasse geschaffen. Ausgenommen von der obligatorischen Versicherungspflicht bei den Immobilien blieben lediglich die sich im königlichem Eigentum befindlichen Gebäude sowie wegen der großen Feuergefahr die Pulvermühlen.
Grundlage dieser Einrichtung bildete die Erfassung der Gebäude mit ihrem entsprechenden Wert in Katastern. Die durch die Gerichtsbehörden zu fertigenden Lokal-Kataster waren zur Formierung eines Haupt-Katasters an die Direktorial-Kommission einzusenden. Zuvor sollte allerdings darauf geachtet werden, dass die Bestimmungen der General-Feuer-Ordnungen aus den Jahren 1719 und 1744, der Dorf-Feuer-Ordnung vom 18. Februar 1775 und der vorhandenen lokalen Feuerordnungen eingehalten worden sind.
Anfang des 19. Jahrhunderts gab es intensive Bemühungen zur Bildung von Privat-Aktien-Anstalten, welche in den Versicherungsbedürfnissen des Großhandels und der Industrie begründet lagen. Im Jahre 1812 entstand die Berlinische-Feuer-Versicherungs-Anstalt. Bald darauf zeigten sich auch in Leipzig diesbezügliche Aktivitäten. Zwar erkannte man die Wirksamkeit der Landes-Immobiliar-Brandversicherungsanstalt an. Das gleichfalls durch das Mandat von 1784 begründete staatliche Mobiliar-Assekuranz-Institut sei jedoch unvollkommen organisiert und werde den Bedürfnissen der Kaufleute und Fabrikanten nicht gerecht. Am 31. Dezember 1818 kam es zur Aufhebung des Institutes. Schon ein halbes Jahr später, am 1. Juni 1819, war die Geschäftseröffnung der Leipziger Feuer-Versicherungs-Anstalt, die sich rasch über ganz Deutschland und darüber hinaus ausbreitete.
Am 23. Juni 1828 erschien die erste sächsische Verordnung, welche den Betrieb der Versicherungsgeschäfte regeln sollte. Eine Revision des Immobiliar-, Mobiliar- und Privatfeuerversicherungswesens erfolgte insbesondere mit den Gesetzen vom 14. November 1835, 23. August 1862 und 25. August 1876 sowie einigen weiteren in diesen Zeitraum fallende Verordnungen. Als Konsequenz existierten fortan bis in kleinste Details gehende Bestimmungen, nicht zuletzt auch weitgehende Reglementierungen des Privat-Feuerversicherungswesens.
Mit dem Gesetz vom 23. August 1862 erfolgte hinsichtlich der Erledigung der mit der Brandversicherung verbundenen technischen Angelegenheiten eine Einteilung der vier Regierungsbezirke in 29 Inspektionsbezirke. Jedem dieser Bezirke stand ein Bezirksbrandversicherungsinspektor vor, welcher der Brandversicherungskommission als Dienstbehörde unterstellt und den Ortsverwaltungen und Feuerkommissaren nebengeordnet war. Für besondere Arbeiten konnte die Kommission weitere Bautechniker hinzuziehen.
Im Bereich der Kreisdirektion Leipzig existierten folgende Inspektionsbezirke (im Klammern die Amts- und städtischen Verwaltungsbezirke):
- Leipzig (Leipzig I und II, Markranstädt, Taucha, Stadt Leipzig)
- Borna (Borna, Pegau, Rötha, Zwenkau)
- Grimma (Brandis, Grimma, Lausick, Wurzen)
- Oschatz ( Oschatz, Strehla, Wermsdorf, Mügeln)
- Rochlitz (Colditz, Frohburg, Geithain, Rochlitz, Geringswalde)
- Mittweida (Burgstädt, Mittweida, Penig, Hainichen)
- Döbeln (Döbeln, Hartha, Leisnig, Roßwein, Waldheim)
Der Schaffung der neuen Behördenorganisation, insbesondere der Bildung der Amtshauptmannschaften, trug die Verordnung vom 24. August 1874 Rechnung, indem sie die Auswirkungen der veränderten Verwaltungsstruktur für das Brandversicherungswesen festhielt. Untere Verwaltungsbehörden waren nun:
a. in den Städten mit der Revidierten Städteordnung der Stadtrat
b. in den Städten mit der Städteordnung für mittlere und kleine Städte der Bürgermeister
c. für die Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke die Amtshauptmannschaft.
Bei der Mobiliarversicherung waren hinsichtlich der Landgemeinden deren Vorstände zuständig.
Mit dem Gesetz vom 1. Juli 1910 ergaben sich wiederum Änderungen im Brandversicherungswesen. Die Landes-Brandversicherungsanstalt, die sich aus der Abteilung für Gebäudeversicherung und der Abteilung für Mobiliarversicherung zusammensetzte, stand weiter an der Spitze. Jede Abteilung bildete dabei ein selbständiges, auf Gegenseitigkeit gegründetes Versicherungsunternehmen und eine selbständige juristische Person. Die Landesanstalt wurde von der Königlichen Brandversicherungskammer verwaltet, welche eine staatliche Behörde unter Aufsicht des Ministeriums des Innern darstellte. Die Kasse der Anstalt führte den Namen "Brandversicherungskasse". Zur Erledigung der nötigen technischen Geschäfte unterhielt die Landes-Brandversicherungsanstalt nun besondere Dienststellen, die Königlichen Brandversicherungsämter. Deren Leiter trugen die Bezeichnung "Brandversicherungsinspektor" oder "-oberinspektor", die technischen Hilfsarbeiter den Titel "Brandversicherungsassistent".
Im Territorium der Kreishauptmannschaft Leipzig existierten folgende Brandversicherungsämter:
Leipzig I (Bezirk der Stadt Leipzig)
Leipzig II (Bezirk der Amtshauptmannschaft Leipzig)
Borna (Bezirk der Amtshauptmannschaft Borna)
Döbeln (Bezirk der Amtshauptmannschaft Döbeln)
Grimma (Bezirk der Amtshauptmannschaft Grimma)
Oschatz (Bezirk der Amtshauptmannschaft Oschatz)
Rochlitz (Bezirk der Amtshauptmannschaft Rochlitz).
Bei der Gebäudeversicherung waren alle Hochgebäude einschließlich des mit dem Boden verbundenen Zubehörs versicherungspflichtig. Ausnahmen bildeten u. a. Gebäude für Sprengstoffe, nicht überbaute Keller, leicht ersetzbare Bauten. Innerhalb der Mobiliarversicherung konnten nur Maschinen, Apparate und Vorrichtungen versichert werden, insoweit sie in eine Betriebsanlage integriert waren. In den Folgejahren ist diese Versicherung allerdings auf bewegliche Gegenstände aller Art sowie auf Einbruchsdiebstahl und Beraubung ausgedehnt worden.
Bei Beginn der Versicherung und bei wesentlichen Änderungen wurden die Gebäude durch die technischen Beamten nach ihrem Wert geschätzt. Gleiches galt auch für die versicherten Gegenstände. Im Schadensfalle hatten wiederum die technischen Beamten dessen Höhe einzuschätzen.
Nach 1945 wurde die Feuerversicherung in Sachsen grundlegend durch das Gesetz über den Erlass einer Feuerversicherungsordnung vom 28. November 1947 und deren Bekanntmachung vom 17. Dezember 1947 geregelt. Danach unterlagen alle Gebäude und Gebäudegruppen mit einem Wert von 1000,- DM aufwärts der Pflichtversicherung. Ausgenommen waren zum Abbruch vorgesehene oder sich in Verfall befindliche Gebäude. Alleiniger Träger der Feuerpflichtversicherung war die Deutsche Versicherungsanstalt. Weitere Regelungen wurden in Verordnungen in den Jahren 1950, 1958, 1964, 1968, 1970 und 1977 (siehe Literaturverzeichnis) getroffen. Während in den Jahren der DDR die Staatliche Versicherung ausschließliche Befugnis für Feuerversicherungen besaß, ging diese nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 auf eine Vielzahl privater Versicherungsunternehmer über.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Die als technische Dienststellen der Landes-Brandversicherungsanstalt fungierenden Brandversicherungsämter hatten, wie oben angemerkt, insbesondere die Schätzungen der zu versichernden Gebäude und Gegenstände sowie der eventuell eingetretenen Schäden vorzunehmen. Daraus resultierte u. a. die Notwendigkeit eines genauen Überblicks über die vorhandenen Bauten. Dieser wurde zunächst durch die Anfertigung entsprechenden Kartenmaterials gewährleistet sowie mit Hilfe der für jede Gemeinde zu erstellenden Ortsliste, in die jedes Gebäude mit einer entsprechenden Katasternummer aufgenommen wurde. Eine Zuordnung zu den vorliegenden Karten war somit möglich. Ortslistennummernverzeichnisse erleichterten den Zugang.
Die durch den technischen Beamten erstellten Schätzungen fanden – meist in Form von Bleistifteintragungen – Eingang in die Aufnahmebücher. Hierin finden sich detailliertere Angaben zu einzelnen Gebäudeteilen, zur technischen Ausstattung, zum Schätzwert. Spätere bauliche Veränderungen wurden hier nachgetragen, ebenso wie eingetretene Brandschäden mit genauer Beschreibung und Schadenshöhe. Die Umarbeitung älterer Aufnahmebücher nach neuen Formularen erfolgte anscheinend durch einfaches Umschreiben. Vielfach sind Ausradierungen älterer Einträge feststellbar, an deren Stelle die neuen Eintragungen traten.
Geordnet wurden die Unterlagen nach den einzelnen Orten bzw. Stadtteilen. Besondere Berücksichtigung fanden u. a. spezielle technische Anlagen (z. B. Bahnhöfe mit Gleisanlagen) und in Staatsbesitz befindliche Gebäude. Hierzu wurden eigene Akten angelegt.
Die noch vorhandenen Unterlagen der Brandversicherungsämter wurden im April 1994 von der Deutschen Versicherungs-AG, Kreisdirektion Leipzig, an das Sächsische Staatsarchiv Leipzig übergeben. Zuvor war in Dresden eine grundsätzliche Entscheidung über die Abgabe dieses Schriftgutes gefällt worden. Während das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden entsprechendes Schriftgut für seinen Zuständigkeitsbereich in größerem Umfang übernehmen konnte, hatte es in Chemnitz vor der obigen Entscheidung eine Abgabe der Dokumente an die entsprechenden Gemeinden gegeben.

Überlieferungsschwerpunkte
Für das Territorium der Kreishauptmannschaft Leipzig sind dem Sächsischen Staatsarchiv Leipzig lediglich Unterlagen der Brandversicherungsämter Leipzig I und II zugeleitet worden. Als Rechtsnachfolger der ehemaligen Staatlichen Versicherung der DDR war dieses Schriftgut auf die Deutsche Versicherungs-AG übergegangen. Nach Aussage des zuständigen Mitarbeiters der Kreisdirektion Leipzig, welcher auch die Verantwortung für die Abwicklung der Zweigstellen der Staatlichen Versicherung im gesamten ehemaligen Bezirk Leipzig trug, sind außer für das Gebiet der Stadt Leipzig in diesem Territorium gleichartige Unterlagen nicht überliefert. Der Verbleib des Schriftgutes der ehemaligen Brandversicherungsämter Borna, Döbeln, Grimma, Oschatz und Rochlitz konnte nicht geklärt werden.
Während für das Brandversicherungsamt Leipzig I, welches für das Gebiet der Stadt Leipzig zuständig war, relativ umfangreiche Unterlagen vorliegen, ist für das Brandversicherungsamt Leipzig II (Gebiet der Amtshauptmannschaft Leipzig) nur ein Aktenband zu Gebäuden in staatlichem Besitz überliefert. Generalakten existieren für beide Ämter bis auf eine einzige Akte nicht.

Hinweise für die Benutzung


Geht man von einer bekannten Adresse mit der entsprechenden Straßenbezeichnung aus, sollte man bei der Ermittlung relevanter Unterlagen im Bestand nach folgendem Schema vorgehen:
Beispiel: Markt 1/Rathaus
Die Grundlage für die Ermittlung der benötigten Daten bildet zunächst das Adressbuch. Im Straßenverzeichnis ist dort unter der betreffenden Straßenverlaufsskizze die Katasterabteilung angegeben; bei Markt ist es die Abt. A. Unter der Nummer Markt 1 steht als Katasternummer 319. Will man ein genaues Bild von der Lage des Gebäudes gewinnen, so ist der betreffende Plan im Inhaltsverzeichnis zum Plan der Stadt Leipzig (Nr. 65) zu ermitteln = Plan 80 (Nr. 69). In der entsprechenden Ortsliste sind grundlegende Angaben (z. B. Brand 1944) und eine Übersicht über die Daten der einzelnen Einträge in dem Aufnahmebuch enthalten. Aus dem Ortslistennummernverzeichnis (Nr. 26) können die Bezeichnung des speziellen Aufnahmebuches und die Seitenangabe für das gesuchte Gebäude entnommen werden = Bd. 15, S. 35 (Sign. 154). Die dort enthaltenen Eintragungen enthalten Angaben zu den Gebäudemaßen, zur Bauart, Baugeschichte, zum Neubau- und Zeitwert sowie zu eventuellen Schäden.

Literatur
- Codex Augusteus, Bd. 1, S. 1886, Bd. 3, S. 671, Bd. 4, S. 842.
- Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1835, S. 523ff., 1862, S. 339ff., 1874, S. 141ff., 1876, S. 345ff., 1910, S. 159ff.
- Gesetze, Befehle, Verordnungen, Bekanntmachungen, veröffentlicht durch die Landesregierung Sachsen, 3. Jg., Nr. 23, S. 581, S. 589ff.
- Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen, 1950, S. 482.
- Gesetzblatt der DDR, 1958, I, S. 362, 1964, II, S. 885, 1968, II, S. 307, 939, 1969, II, S. 679, 1970, II, S. 510, 1977, I, S. 77.
- Julius Hopf, Aufgaben der Gesetzgebung im Gebiete der Feuerversicherung, Berlin 1880.
- Die Leipziger Feuer-Versicherungs-Anstalt. Denkschrift, Leipzig 1869.
- Rudi Liebscher, Versicherungsrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1954.
- O. Rösch, Über die Entwicklung und heutige Gestaltung des sächsischen Brandversicherungswesens, in: Kalender für den Sächsischen Staatsbeamten auf das Jahr 1920, Dresden 1920, S. 81 – 112.

Volker Jäger
Leipzig 1995
Ortslisten.- Verzeichnisse über Ortslistennummern.- Pläne.- Aufnahmebücher.
Das Brandversicherungsamt Leipzig I war zuständig für den Bereich der Stadt Leipzig.
Weitere Angaben siehe 2.3.3.6 Katasterämter, Brandversicherungsämter.
  • 1995 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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