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Beständeübersicht

Bestand

20049 Heil- und Pflegeanstalt Hochweitzschen

Datierung1860 - 1996
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)36,44

Bestand enthält auch 6 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Hochweitzschen

Zwischen 1872 und 1874 erfolgte die Errichtung der Königlich-Sächsischen Landesanstalt Hochweitzschen als einer "Irrensiechenanstalt", die Eröffnung wurde am 15. Dezember 1874 vollzogen.[01] Die Versorgung des Hauses übernahm u. a. eine "Anstaltsmeierei" (landwirtschaftliches Gut). Ab 1888 fungierte die angegliederte Pflegerschule als zentrale Ausbildungsstelle für männliches Pflegepersonal in Sachsen.

1889 folgte in Hochweitzschen die Gründung der für das gesamte Königreich Sachsen zuständigen Heil- und Pflegeanstalt für Epileptische, des ersten Krankenhauses zur Behandlung, Pflege und Versorgung von Epilepsiepatienten im deutschen Sprachraum.[02] Zudem wurde in "kolonialen Ansiedlungshäusern" eine offene Außenabteilung geführt.

Nach dem Ersten Weltkrieg und bis 1945 lautete der Name der Anstalt Landesanstalt Hochweitzschen, die Verwaltung erfolgte durch das Ministerium des Innern des Freistaates Sachsen. 1922 wurde die Pflegerschule nach Sonnenstein verlegt. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1930 wurde die Anstalt den anderen sächsischen Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke gleichgestellt, während die Heil- und Pflegeanstalt für Epileptische aufgehoben wurde, da sich die spezifische Ausrichtung auf die Behandlung von Epileptikern nicht bewährt hatte.

In der Zeit des Nationalsozialismus 1933 – 1945 wurden auch in Hochweitzschen Patienten mittels überdosierter Medikamente, gekürzter Essensrationen und mangelhafter hygienischer Versorgung ermordet. Die Zahl der direkt in Hochweitzschen verstorbenen Patienten betrug im Zeitraum von 1939 bis 1945 1.095 Personen, was einer Verdopplung gegenüber dem vorherigen Siebenjahreszeitraum entsprach.

Sterilisationen auf Grundlage des "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" [03] vom 14. Juli 1933 wurden an Hochweitzschener Patienten zunächst in der Heil- und Pflegeanstalt Zschadraß, ab 1943 auch in Hochweitzschen selbst vorgenommen. Im Rahmen der sog. "Aktion T4" erfolgte auch aus der Landesanstalt Hochweitzschen die Verlegung zahlreicher Patienten mittels Sammeltransporten in Tötungsanstalten. Im Januar 1945 lag die Zahl der Patienten in Hochweitzschen nur noch bei rund 200.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren in der nun als Krankenanstalten Hochweitzschen bezeichneten Anstalt fast 500 der ca. 1.000 Betten mit geschlechtskranken Frauen belegt, die erst 1946/47 wieder mit psychisch Kranken belegt werden konnten.

1952 wurde die Anstalt in die Trägerschaft des Kreises Döbeln überführt. Das nach 1945 eingerichtete Tbc-Kurheim wurde 1960 aufgelöst. 1966 erfolgte die Umbenennung der Anstalt in Nervenklinik Hochweitzschen–Döbeln und 1970 die Angliederung des Krankenhauses für Psychiatrie Waldheim als Abteilung; im Mai 1990 wurde diese wieder selbständig. Die Klinik Hochweitzschen trug vorübergehend die Bezeichnung Landesklinik Hochweitzschen.

1991 ging die Klinik Hochweitzschen in die Trägerschaft des Freistaates Sachsen, vertreten durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie (SMS), über. Die Klinik wurde nun unter der Bezeichnung Sächsisches Krankenhaus (SKH) Hochweitzschen geführt. 2004 erfolgte die Bildung einer gemeinsamen Verwaltung mit dem SKH Hubertusburg, 2006 übernahm die Evangelische Diakoniegesellschaft Mitteldeutschland gGmbH die Trägerschaft. Ab 2007 lautete die Bezeichnung Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen.




Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Die Akten des Bestandes 20049 Heil- und Pflegeanstalt Hochweitzschen (1860 – 1996) gelangten durch externe Abgaben seitens des Sächsischen Krankenhauses Hochweitzschen zwischen 1999 und 2004 in das Staatsarchiv Leipzig. Weitere Archivalien kamen durch Bestandsabgrenzung mit anderen Beständen hinzu.

Die Bestandsbearbeitung erfolgte ab 2009. Zunächst wurden die Korrespondenzen, die Zu- und Abgangsbücher, die Ärztlichen Beobachtungsbögen sowie einige wenige Patienten und Personalakten verzeichnet.

2017 wurden die Angaben zu den meisten Personal- und Patientenakten aus den Ablieferungsverzeichnissen nach AUGIAS importiert. 2021 erfolgte die Redaktion dieser Daten, es konnten jedoch auf Grund des Umfangs nur offensichtlich fehlerhafte Angaben anhand der Akten überprüft und korrigiert werden. Die enthaltenen Abgangsdaten können das Entlassungs- oder das Todesdatum betreffen; ohne Prüfung der Akte ist dies nicht ermittelbar. Zudem gibt die Datierung bei den meisten Patientenakten nur ein aus dem Abgangsdatum abgeleitetes Datum an. Die Laufzeit kann auch früher beginnen und später enden.

Abschließend wurde ein vorläufiges Findbuch erstellt, welches für die Online-Recherche freigegeben wird, jedoch noch unvollständige Daten und ggf. auch Fehler enthält.




Überlieferungsschwerpunkte

Den Schwerpunkt der im Bestand überlieferten 9.003 Verzeichnungseinheiten bilden die 8.568 Patientenakten (1860 – 1996). Diese enthalten neben diversem Schriftverkehr sowie den Zugangs-, Abgangs- und sonstigen Informationen über die Patienten oftmals auch beglaubigte Abschriften ihrer Geburts-, Tauf- oder Heiratsurkunden sowie die ärztlichen Beobachtungsbögen. Zusätzlich zu den Patientenakten sind 85 Akten mit einer Vielzahl Ärztlicher Beobachtungsbögen (1878 – 1936) vorhanden. Mittels der 20 vorhandenen Zu- und Abgangsbücher (1875 – 1989) kann der Aufenthalt vieler Patienten nachgewiesen werden, zu denen keine eigenen Patientenakten im Bestand überliefert sind.

Die 322 Personalakten (1876 – 1983) dokumentieren Biografien einer Vielzahl von Beschäftigten. Zudem sind sechs Akten mit medizinischen Berichten bzw. der Korrespondenz (1962 – 1968) des Ärztlichen Direktors der Nervenklinik Hochweitzschen, Dr. Wilhelm Poppe, und des Ärztlichen Direktors der Krankenanstalten Hochweitzschen, Dr. Karch, vorhanden.




Hinweise für die Benutzung

Bis auf die 2021 vorgenommene Redaktion (siehe oben) erfolgte keine Überprüfung und ggf. Korrektur der aus den Ablieferungsverzeichnissen importierten Daten zu den Patienten – und Personalakten. Hier ist mit fehlerhaften Angaben zu rechnen und im Zweifelsfall Kontakt mit dem zuständigen Archiv aufzunehmen.

Bei der Bestellung von Archivgut müssen in jedem Fall die Bestandssignatur 20049 und die Aktenbestellnummer angegeben werden.

Für die Einsichtnahme in das Archivgut sind die gesetzlichen Regelungen des Freistaates Sachsen zum Datenschutz zu beachten. Dabei gelten die in § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SächsArchivG festgelegten Schutzfristen. Demgemäß sind Aktentitel mit personenbezogenen Daten und laufenden Schutzfristen nach § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SächsArchivG in der Online-Version des Findbuchs nicht einsehbar. Die Vorlage dieser Archivalien ist nur nach gesonderter Prüfung im Wege des Antragsverfahrens zur Schutzfristenverkürzung möglich.




Verweise auf korrespondierende Bestände

Staatsarchiv Leipzig
20047 Landesheilanstalt Altscherbitz

20048 Heil- und Pflegeanstalt Colditz

20050 Kinderheim Sonnenwiese, Kohren-Sahlis

20051 Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen

20052 Bezirkskrankenhaus Leisnig

20053 Heil- und Pflegeanstalt Waldheim

20054 Heil- und Pflegeanstalt Hubertusburg, Wermsdorf

20055 Heil- und Pflegeanstalt Zschadraß

22211 Erziehungs- und Pflegeheim Mittweida

22219 Krankenhaus für Psychiatrie Waldheim


Hauptstaatsarchiv Dresden
10736 Ministerium des Inneren


Bundesarchiv
R 179 Kanzlei des Führers, Hauptamt II b "Euthanasiepatientenakten” (Umfang ca. 30 000 Stück)




Literatur

Böhm, Boris, Schilter, Thomas, Pirna-Sonnenstein. Von der Reformpsychiatrie zur Tötung psychisch Kranker und Behinderter, in: Nationalsozialistische Euthanasieverbrechen. Beiträge zur Aufarbeitung ihrer Geschichte in Sachsen, hrsg. von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dresden 2004

Fleck, Linda, Die Verlegung von Patienten der sächsischen Anstalten Hochweitzschen, Bräunsdorf und Hilbersdorf nach Kosmanos in den Jahren 1943-1944, in: Verlegt – Verstorben – Verschwiegen. Tschechische und deutsche Psychiatriepatienten in Böhmen als vergessene Opfer der NS-"Euthanasie", hrsg. von Böhm, Boris/Šimunek, Michal V., Cerverný Kostelec 2016

Lehle, Rudolf Wilhelm, Die Geschichte des Krankenhauses Hochweitzschen in Mittelsachsen. Ein Überblick zu 132 Jahren öffentlicher Trägerschaft 1874 bis 2006, Münster 2009

Quellen zur Geschichte der "Euthanasie"-Verbrechen 1939-1945 in deutschen und österreichischen Archiven. Ein Inventar, bearbeitet im Auftrag des Bundesarchivs von Dr. Harald Jenner 2003/04 (unpaginiert)

Süß, Sonja, Waldheim als eine "Zwischenanstalt" in der NS-Krankenmord-"Aktion T 4", in: Nationalsozialistische Euthanasieverbrechen. Beiträge zur Aufarbeitung ihrer Geschichte in Sachsen, hrsg. von der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Dresden 2004, S. 131f.




Andreas Nebelung / Doreen Wustig

Oktober 2021




[01] Verordnung vom 2. Januar 1875, in: Gesetz- und Verordnungsblatt Sachsen 1875, S. 32
[02] Verordnung vom 6. Dezember 1890, in: Gesetz- und Verordnungsblatt Sachsen 1890, S. 213 und Verordnung vom 8. Juli 1892, in: Gesetz- und Verordnungsblatt Sachsen 1892, S. 301ff.
[03] Siehe Reichsgesetzblatt I, Nr. 86 v. 25. Juli 1933, S. 529.
Rudolf Wilhelm Lehle, Die Geschichte des Sächsischen Krankenhauses Hochweitzschen 1874-2001, Manuskript (Handapparat Wustig)
Leitung und Organisation.- Personal.- Patientenunterlagen.
1874 erfolgte die Eröffnung der Königlich-Sächsischen Landesanstalt Hochweitzschen. 1889 folgte in Hochweitzschen die Gründung der für das gesamte Königreich Sachsen zuständigen Heil- und Pflegeanstalt für Epileptische. Nach dem Ersten Weltkrieg und bis 1945 lautete der Name der Anstalt Landesanstalt Hochweitzschen, sie unterstand dem Ministerium des Innern des Freistaates Sachsen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1930 wurde die Anstalt den anderen sächsischen Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke gleichgestellt, während die Heil- und Pflegeanstalt für Epileptische aufgehoben wurde. 1952 wurde die Anstalt in die Trägerschaft des Kreises Döbeln überführt. 1966 erfolgte die Umbenennung der Anstalt in Nervenklinik Hochweitzschen-Döbeln und 1970 die Angliederung des Krankenhauses für Psychiatrie Waldheim als Abteilung; im Mai 1990 wurde diese wieder selbständig. Die Klinik Hochweitzschen trug vorübergehend die Bezeichnung Landesklinik Hochweitzschen. 1991 ging die Klinik Hochweitzschen unter der Bezeichnung Sächsisches Krankenhaus (SKH) Hochweitzschen in die Trägerschaft des Freistaates Sachsen über.
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