Beständeübersicht
Bestand
Der Errichtung des Königlichen Landgerichts am 5. April 1841 in Wurzen gingen umfassende Erörterungen auf Versammlungen des Stadtrats, des größeren Bürgerausschusses und der provisorischen Kommunerepräsentanten von Wurzen voraus. Bei diesen stand im wesentlichen die freiwillige Abgabe der städtischen Patrimonialgerichtsbarkeit an den Staat zur Debatte, die nach dem Beispiel von Oschatz erfolgen sollte, wo ein solches Gericht bereits seit dem 1. Oktober 1839 existierte. Ein weiterer Schwerpunkt war die Abtretung der Polizeipflege, und zwar sowohl der Sicherheits- als auch der Wohlfahrtspolizeipflege. Darüber bestanden in den obengenannten Gremien erhebliche Differenzen.[01]
Von einiger Bedeutung bei diesen vorbereitenden Diskussionen war offensichtlich die Versammlung des größeren Bürgerausschusses am 23. November 1839. Auf dieser Versammlung sprach sich Hofrat Hoffmann von Waldau nach Abwägen des Für (u. a. Einsparung von Kosten, da dem jährlichen Aufwand von ca. 1400 Talern für das Stadtgericht nur Einnahmen von ca. 700 Talern gegenüberstanden, Befreiung von Besoldungs- und Pensionslasten) und Wider (Befürchtungen, dass "der hiesige Stadtrat zu einer reinen Verwaltungsbehörde herabgedrückt und selbst seine Inspektionsrechte mit an den Staat abgetreten werden sollen") für die Abgabe der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat aus. Ein Argument war, dass derzeit "jedenfalls bessere Bedingungen zu erlangen" wären "als vielleicht nach dem Schlusse des jetzigen Landtages".[02] Er empfahl auch die Abgabe der "Polizeipflege", da sich in Oschatz deren Nichtabgabe als Fehler erwiesen habe.
Nach weiteren Sitzungen des Stadtrats im ersten Halbjahr 1840 und einer von der Königlichen Sächsischen Kreisdirektion Leipzig anberaumten Lokalverhandlung am 14. Juli 1840 hinsichtlich der definitiven Regulierung des Gemeindeverbandes Wurzen und der Abgabe der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat kam es zu den ebenfalls von der Kreisdirektion Leipzig anberaumten entscheidenden Verhandlungen am 30. Oktober 1840, zu welchen die Mitglieder des Stadtrats und des größeren Bürgerausschusses von Wurzen geladen waren. Verhandlungsführer war Regierungsrat Körner aus Leipzig in seiner Eigenschaft als Königlicher Kommissar. Auf dieser Sitzung wurde der geplante Rezess über die Abtretung der Ober- und Erbgerichtsbarkeit sowie der Sicherheitspolizeipflege der Stadt Wurzen an den Staat geschlossen und Einigkeit dahingehend erzielt, dass die Wohlfahrtspolizeipflege beim Stadtrat verblieb. Wichtige Punkte dabei waren offenbar der Wegfall des Pachtgeldes von jährlich 35 Talern für die der Stadt bereits 1749 verliehene Obergerichtsbarkeit sowie die Möglichkeit, dass die Kommune bei einer Verlegung des Gerichtssitzes von Wurzen an einen anderen Ort die bisherige Gerichtsbarkeit zurücknehmen könne, sofern nicht die Patrimonialgerichtsbarkeit allgemein per Gesetz aufgehoben würde. Zur Übernahme von Personal hieß es im Rezess, dass der Stadtrichter, der Registrator und der Stadtgerichtsdiener mit gleichem Diensteinkommen in den Staatsdienst übernommen werden. Unterzeichnet wurde dieser Rezess von Regierungsrat Körner sowie den Mitgliedern des Stadtrates und des Bürgerausschusses.[03]
Weitere Etappen auf dem Weg zur Eröffnung des Königlichen Landgerichts waren die Genehmigung der Abtretung der Gerichtsbarkeit und Sicherheitspflege durch die Sächsischen Ministerien der Justiz und des Innern am 18. Februar 1841, die Erstellung eines Regulativs für die Polizeiverwaltung in Wurzen sowie ein Schreiben von Regierungsrat Körner an den Stadtrat von Wurzen im März 1841 mit der Mitteilung, dass die städtische Gerichtsbarkeit und die Sicherheitspflege in Wurzen vom Staat übernommen wurden und mit dem dortigen Justizamt zu vereinigen seien. Gleichzeitig sei die Eröffnung eines kollegial gebildeten Landgerichts für beide Gerichtsbezirke zusammen für Anfang April 1841 beschlossen worden.[04] Tag der Eröffnung war der 5. April 1841[05] , und mit dieser Eröffnung erfolgte auch die Übergabe aller Akten, Urkunden und sonstigen Schriften von der Wurzener Sicherheitspolizei an das neue Landgericht, des weiteren seitens des Stadtrates u. a. die Übergabe der Verzeichnisse aller vorhandenen Depositen und Testamente.[06]
Zum ersten Direktor des Landgerichts Wurzen wurde Friedrich Robert von Criegern ernannt, bisher Beisitzer beim Appellationsgericht Leipzig. Die ersten Assessoren waren Gustav Adolph Fritsche, zuvor Aktuar beim Kreisamt Freiberg und interimistischer Verwalter der Patrimonialgerichte Pfaffroda und Dörnthal, sowie Albert Bernhard Richter, zuvor Vizeaktuar beim Justizamt Dresden[07] . Letzterer wurde bereits 1842 nach Dresden berufen und für ihn Arthur Graf zu Solms und Tecklenburg als 2. Beisitzer des Königlichen Landgerichts Wurzen verpflichtet. (Verzeichnis des Personalbestands von 1841-1856 siehe Anlage 1)
Seit 1818/19 bildete das Schloss den Mittelpunkt des Amtes Wurzen und war seit 1879 Sitz des Amtsgerichts. Daran erinnert heute noch die Bezeichnung "Amtshof" für den Schlossplatz.[08] Es ist davon auszugehen, dass auch das Königliche Landgericht Wurzen seinen Sitz dort hatte.
Durch die Abtretung eines Teils der Gerichtsbarkeit des Domkapitels zu Wurzen im Jahre 1843 erweiterte sich der Aktionsradius des Landgerichts[09] . Zu weiteren Abgaben von Patrimonialgerichtsbarkeiten kam es erst ab 1848.[10] (Verzeichnis der abgegebenen Jurisdiktionen siehe Anlage 2)
Wie alle Königlichen Gerichte in Sachsen bestand auch das Landgericht Wurzen bis 1856 und sollte nach den Plänen und Vorstellungen des Stadtrats in der Folge als Bezirksgericht weitergeführt werden. Doch trotz aller finanziellen Zusicherungen seitens des Stadtrates und einer fast flehentlichen Petition im April 1855 an die Ständeversammlung in Dresden bekam Wurzen nur ein Gerichtsamt zugebilligt.[11]
Im Hinblick auf den kurzen Zeitraum der Existenz des Königlichen Landgerichts Wurzen (1841-1856) kann man den Bestand als umfangreich bezeichnen. Die Akten gelangten größtenteils 1962 in das Landesarchiv Leipzig (heute: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, StA-L); abgebende Stelle war das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden (StA-D). In geringem Umfang wurden Akten 1967 und 1968 vom Amtsgericht, der Kreisverwaltung und dem Kreisarchiv Wurzen an das StA-L abgegeben.[12] Der Gesamtumfang der übernommenen Akten belief sich auf 180 lfm, von denen jedoch nur rund 15 lfm dem Bestand Königliches Landgericht Wurzen zuzurechnen sind. Dieser Bestand wurde im Rahmen der komplexen (Neu-)Bearbeitung der Akten der lokalen Justizbehörde des 19. Jh. formiert. Eine körperliche Heraustrennung der in Frage kommenden Akten, die in einer früheren Bearbeitungsstufe in den Bestand Amt Wurzen integriert worden waren, erschien jedoch nicht sinnvoll, zumal ein Teil davon schon unter dieser Signatur benutzt wurde. Zu den Akten innerhalb des Bestandes Wurzen gehören auch jene, die nach Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat von einzelnen Patrimonialgerichten (siehe Anlage 2) direkt an das Landgericht übergeben wurden oder die beim Justizamt Wurzen ergangen waren und beim Landgericht fortgesetzt wurden. Nur wenige Akten bilden auch körperlich den neuen Bestand "Königliches Landgericht Wurzen". Sie wurden bei einer Prüfung der Provenienzen aus einzelnen Rittergutsbeständen des damaligen Gerichtsbezirks Wurzen bzw. aus dem Bestand Stadt Wurzen herausgelöst.
Die Akten wurden mittels einfacher Verzeichnung mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows erschlossen und virtuell zu dem neuen Bestand zusammengeführt. Enthält-Vermerke bilden die Ausnahme. Erfasst wurden nach Möglichkeit auch die alten Signaturen, und zwar sowohl Registratursignaturen als auch frühere Signaturen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden. Ein Orts- und Personenregister wurde mit dem gleichen Programm erstellt.
Den Hauptteil des Bestandes bilden die Protokollbände. Dazu zählen neben den Kauf-, Konsens- und Quittungsprotokollen auch die Grund- und Hypothekenprotokolle sowie Testaments- und Erbteilungsprotokolle. Die Akten der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit liegen zahlenmäßig weit unter denen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Besonders zahlreich sind hier Akten aus dem Bereich Ablösungen und Gemeinheitsteilungen überliefert. Akten zur inneren Verwaltung des Gerichts sind im Bestand nicht enthalten. Anhand der vorhandenen Akten lassen sich Rückschlüsse auf die Rechtspflege, aber auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Landgerichtsbezirk in jener Zeit ziehen.
Als korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig sind das Amt und das Gerichtsamt Wurzen zu nutzen, des weiteren die Akten der Rittergutsbestände mit den Patrimonialgerichten aus dem genannten Zeitraum.
Für die Bestandsgruppe Königliche Gerichte im StA-L wurde eine bestandsübergreifende Findbucheinleitung erarbeitet.[13] Die Einleitung zum Einzelbestand enthält deshalb nur in verkürzter Form einen historischen Abriss der Entwicklung des Registraturbildners, Angaben zur Bestandsgeschichte und -bearbeitung sowie Hinweise auf Überlieferungsschwerpunkte im Bestand. Zur Vereinfachung übergreifender Recherchen wurde im vorliegenden Findbuch die für die Bestandsgruppe erarbeitete Klassifikation komplett übernommen; bei nicht belegten Klassifikationsgruppen erscheint in Klammern der Vermerk "entfällt". Die Bandbildung entstand in der Regel neu in chronologischer Reihenfolge. Bei der Reihung der Gerichtsprotokolle erscheinen die mit allgemeingültigem Charakter für den Gerichtsbezirk zuerst, gefolgt von den Protokollen für die einzelnen Orte in alphabetischer Reihenfolge. Soweit es zweckdienlich erschien, wurde ein Verweis auf Akten in anderen Beständen vorgenommen.
Anlage 1
Personalbestand des Königlichen Landgerichts zu Wurzen von 1841 bis 1856
Direktoren:
- 1841-1843: Friedrich Robert von Criegern
- 1843-1851: Gottlob August Schreiber
- 1851-1856: Heinrich Johann Wilhelm Nathusius
Assessoren:
- Gustav Adolph Fritzsche
- Albert Bernhardt Richter
- Wilhelm Theodor Richter
- Arthur Graf zu Solms und Tecklenburg
- Julius von Kretzschmar
- Friedrich August Müller
- Heinrich Pechmann
- Gustav Eduard Bernhardi
- August Eduard Robert Lengnick
- Curt Constantin Bielitz
Aktuare:
- Carl Friedrich Klinkhardt
- Gustav Theodor Meyer
- Adolph Hermann Schultz
- Emil Gideon Dietrich
- Moritz Julius Bahrdt
- Christian Theodor Ehregott Albani
- Julius Oskar Schrag
- August Max Rumpelt
Außerdem gab es noch Expedienten, d. h. Registratoren, Sportel-Einnehmer und Sportel-Kontrolleure, Kopisten, Gerichtsfrone und -diener.
Anlage 2
Abgabe von Patrimonialgerichtsbarkeiten an das Königliche Landgericht Wurzen
[01] StA-L, Stadt Wurzen 3188, 11. u.14.10.1839.
[02] Ebenda, 23.11.1839.
[03] Ebenda, 30.10.1840.
[04] Ebenda, 15.3.1841; LZ, 18.3.1841, S. 921.
[05] StA-L, Stadt Wurzen 3188, 19.3.1841; LZ, 8.4.1841.
[06] StA-L, Stadt Wurzen 3188, 5.4.1841.
[07] LZ, 18.3.1841, S. 921.
[08] W. Ebert, Historisch-topographisches Lexikon der Stadt Wurzen, Beucha 1998, S. 15, 54, 76.
[09] LZ, 17.1.1841, S. 194.
[10] RG Nischwitz, LZ, 6.9.1848, S. 5734.
[11] StA-L, Stadt Wurzen 3190, 1.12.1854, 5.4.1855 u. 13.6.1856.
[12] Vgl. Zugangsbuch des StA-L, 1954 - 1975, VA Nr. 187.
[13] Vgl. V. Jäger, Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Königliche Gerichte, 1998.
20077 Königliches Landgericht Wurzen
Datierung | 1797 - 1856 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 0,80 |
Der Errichtung des Königlichen Landgerichts am 5. April 1841 in Wurzen gingen umfassende Erörterungen auf Versammlungen des Stadtrats, des größeren Bürgerausschusses und der provisorischen Kommunerepräsentanten von Wurzen voraus. Bei diesen stand im wesentlichen die freiwillige Abgabe der städtischen Patrimonialgerichtsbarkeit an den Staat zur Debatte, die nach dem Beispiel von Oschatz erfolgen sollte, wo ein solches Gericht bereits seit dem 1. Oktober 1839 existierte. Ein weiterer Schwerpunkt war die Abtretung der Polizeipflege, und zwar sowohl der Sicherheits- als auch der Wohlfahrtspolizeipflege. Darüber bestanden in den obengenannten Gremien erhebliche Differenzen.[01]
Von einiger Bedeutung bei diesen vorbereitenden Diskussionen war offensichtlich die Versammlung des größeren Bürgerausschusses am 23. November 1839. Auf dieser Versammlung sprach sich Hofrat Hoffmann von Waldau nach Abwägen des Für (u. a. Einsparung von Kosten, da dem jährlichen Aufwand von ca. 1400 Talern für das Stadtgericht nur Einnahmen von ca. 700 Talern gegenüberstanden, Befreiung von Besoldungs- und Pensionslasten) und Wider (Befürchtungen, dass "der hiesige Stadtrat zu einer reinen Verwaltungsbehörde herabgedrückt und selbst seine Inspektionsrechte mit an den Staat abgetreten werden sollen") für die Abgabe der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat aus. Ein Argument war, dass derzeit "jedenfalls bessere Bedingungen zu erlangen" wären "als vielleicht nach dem Schlusse des jetzigen Landtages".[02] Er empfahl auch die Abgabe der "Polizeipflege", da sich in Oschatz deren Nichtabgabe als Fehler erwiesen habe.
Nach weiteren Sitzungen des Stadtrats im ersten Halbjahr 1840 und einer von der Königlichen Sächsischen Kreisdirektion Leipzig anberaumten Lokalverhandlung am 14. Juli 1840 hinsichtlich der definitiven Regulierung des Gemeindeverbandes Wurzen und der Abgabe der städtischen Gerichtsbarkeit an den Staat kam es zu den ebenfalls von der Kreisdirektion Leipzig anberaumten entscheidenden Verhandlungen am 30. Oktober 1840, zu welchen die Mitglieder des Stadtrats und des größeren Bürgerausschusses von Wurzen geladen waren. Verhandlungsführer war Regierungsrat Körner aus Leipzig in seiner Eigenschaft als Königlicher Kommissar. Auf dieser Sitzung wurde der geplante Rezess über die Abtretung der Ober- und Erbgerichtsbarkeit sowie der Sicherheitspolizeipflege der Stadt Wurzen an den Staat geschlossen und Einigkeit dahingehend erzielt, dass die Wohlfahrtspolizeipflege beim Stadtrat verblieb. Wichtige Punkte dabei waren offenbar der Wegfall des Pachtgeldes von jährlich 35 Talern für die der Stadt bereits 1749 verliehene Obergerichtsbarkeit sowie die Möglichkeit, dass die Kommune bei einer Verlegung des Gerichtssitzes von Wurzen an einen anderen Ort die bisherige Gerichtsbarkeit zurücknehmen könne, sofern nicht die Patrimonialgerichtsbarkeit allgemein per Gesetz aufgehoben würde. Zur Übernahme von Personal hieß es im Rezess, dass der Stadtrichter, der Registrator und der Stadtgerichtsdiener mit gleichem Diensteinkommen in den Staatsdienst übernommen werden. Unterzeichnet wurde dieser Rezess von Regierungsrat Körner sowie den Mitgliedern des Stadtrates und des Bürgerausschusses.[03]
Weitere Etappen auf dem Weg zur Eröffnung des Königlichen Landgerichts waren die Genehmigung der Abtretung der Gerichtsbarkeit und Sicherheitspflege durch die Sächsischen Ministerien der Justiz und des Innern am 18. Februar 1841, die Erstellung eines Regulativs für die Polizeiverwaltung in Wurzen sowie ein Schreiben von Regierungsrat Körner an den Stadtrat von Wurzen im März 1841 mit der Mitteilung, dass die städtische Gerichtsbarkeit und die Sicherheitspflege in Wurzen vom Staat übernommen wurden und mit dem dortigen Justizamt zu vereinigen seien. Gleichzeitig sei die Eröffnung eines kollegial gebildeten Landgerichts für beide Gerichtsbezirke zusammen für Anfang April 1841 beschlossen worden.[04] Tag der Eröffnung war der 5. April 1841[05] , und mit dieser Eröffnung erfolgte auch die Übergabe aller Akten, Urkunden und sonstigen Schriften von der Wurzener Sicherheitspolizei an das neue Landgericht, des weiteren seitens des Stadtrates u. a. die Übergabe der Verzeichnisse aller vorhandenen Depositen und Testamente.[06]
Zum ersten Direktor des Landgerichts Wurzen wurde Friedrich Robert von Criegern ernannt, bisher Beisitzer beim Appellationsgericht Leipzig. Die ersten Assessoren waren Gustav Adolph Fritsche, zuvor Aktuar beim Kreisamt Freiberg und interimistischer Verwalter der Patrimonialgerichte Pfaffroda und Dörnthal, sowie Albert Bernhard Richter, zuvor Vizeaktuar beim Justizamt Dresden[07] . Letzterer wurde bereits 1842 nach Dresden berufen und für ihn Arthur Graf zu Solms und Tecklenburg als 2. Beisitzer des Königlichen Landgerichts Wurzen verpflichtet. (Verzeichnis des Personalbestands von 1841-1856 siehe Anlage 1)
Seit 1818/19 bildete das Schloss den Mittelpunkt des Amtes Wurzen und war seit 1879 Sitz des Amtsgerichts. Daran erinnert heute noch die Bezeichnung "Amtshof" für den Schlossplatz.[08] Es ist davon auszugehen, dass auch das Königliche Landgericht Wurzen seinen Sitz dort hatte.
Durch die Abtretung eines Teils der Gerichtsbarkeit des Domkapitels zu Wurzen im Jahre 1843 erweiterte sich der Aktionsradius des Landgerichts[09] . Zu weiteren Abgaben von Patrimonialgerichtsbarkeiten kam es erst ab 1848.[10] (Verzeichnis der abgegebenen Jurisdiktionen siehe Anlage 2)
Wie alle Königlichen Gerichte in Sachsen bestand auch das Landgericht Wurzen bis 1856 und sollte nach den Plänen und Vorstellungen des Stadtrats in der Folge als Bezirksgericht weitergeführt werden. Doch trotz aller finanziellen Zusicherungen seitens des Stadtrates und einer fast flehentlichen Petition im April 1855 an die Ständeversammlung in Dresden bekam Wurzen nur ein Gerichtsamt zugebilligt.[11]
Im Hinblick auf den kurzen Zeitraum der Existenz des Königlichen Landgerichts Wurzen (1841-1856) kann man den Bestand als umfangreich bezeichnen. Die Akten gelangten größtenteils 1962 in das Landesarchiv Leipzig (heute: Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, StA-L); abgebende Stelle war das Sächsische Hauptstaatsarchiv Dresden (StA-D). In geringem Umfang wurden Akten 1967 und 1968 vom Amtsgericht, der Kreisverwaltung und dem Kreisarchiv Wurzen an das StA-L abgegeben.[12] Der Gesamtumfang der übernommenen Akten belief sich auf 180 lfm, von denen jedoch nur rund 15 lfm dem Bestand Königliches Landgericht Wurzen zuzurechnen sind. Dieser Bestand wurde im Rahmen der komplexen (Neu-)Bearbeitung der Akten der lokalen Justizbehörde des 19. Jh. formiert. Eine körperliche Heraustrennung der in Frage kommenden Akten, die in einer früheren Bearbeitungsstufe in den Bestand Amt Wurzen integriert worden waren, erschien jedoch nicht sinnvoll, zumal ein Teil davon schon unter dieser Signatur benutzt wurde. Zu den Akten innerhalb des Bestandes Wurzen gehören auch jene, die nach Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat von einzelnen Patrimonialgerichten (siehe Anlage 2) direkt an das Landgericht übergeben wurden oder die beim Justizamt Wurzen ergangen waren und beim Landgericht fortgesetzt wurden. Nur wenige Akten bilden auch körperlich den neuen Bestand "Königliches Landgericht Wurzen". Sie wurden bei einer Prüfung der Provenienzen aus einzelnen Rittergutsbeständen des damaligen Gerichtsbezirks Wurzen bzw. aus dem Bestand Stadt Wurzen herausgelöst.
Die Akten wurden mittels einfacher Verzeichnung mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows erschlossen und virtuell zu dem neuen Bestand zusammengeführt. Enthält-Vermerke bilden die Ausnahme. Erfasst wurden nach Möglichkeit auch die alten Signaturen, und zwar sowohl Registratursignaturen als auch frühere Signaturen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden. Ein Orts- und Personenregister wurde mit dem gleichen Programm erstellt.
Den Hauptteil des Bestandes bilden die Protokollbände. Dazu zählen neben den Kauf-, Konsens- und Quittungsprotokollen auch die Grund- und Hypothekenprotokolle sowie Testaments- und Erbteilungsprotokolle. Die Akten der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit liegen zahlenmäßig weit unter denen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Besonders zahlreich sind hier Akten aus dem Bereich Ablösungen und Gemeinheitsteilungen überliefert. Akten zur inneren Verwaltung des Gerichts sind im Bestand nicht enthalten. Anhand der vorhandenen Akten lassen sich Rückschlüsse auf die Rechtspflege, aber auch auf die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Landgerichtsbezirk in jener Zeit ziehen.
Als korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig sind das Amt und das Gerichtsamt Wurzen zu nutzen, des weiteren die Akten der Rittergutsbestände mit den Patrimonialgerichten aus dem genannten Zeitraum.
Für die Bestandsgruppe Königliche Gerichte im StA-L wurde eine bestandsübergreifende Findbucheinleitung erarbeitet.[13] Die Einleitung zum Einzelbestand enthält deshalb nur in verkürzter Form einen historischen Abriss der Entwicklung des Registraturbildners, Angaben zur Bestandsgeschichte und -bearbeitung sowie Hinweise auf Überlieferungsschwerpunkte im Bestand. Zur Vereinfachung übergreifender Recherchen wurde im vorliegenden Findbuch die für die Bestandsgruppe erarbeitete Klassifikation komplett übernommen; bei nicht belegten Klassifikationsgruppen erscheint in Klammern der Vermerk "entfällt". Die Bandbildung entstand in der Regel neu in chronologischer Reihenfolge. Bei der Reihung der Gerichtsprotokolle erscheinen die mit allgemeingültigem Charakter für den Gerichtsbezirk zuerst, gefolgt von den Protokollen für die einzelnen Orte in alphabetischer Reihenfolge. Soweit es zweckdienlich erschien, wurde ein Verweis auf Akten in anderen Beständen vorgenommen.
Anlage 1
Personalbestand des Königlichen Landgerichts zu Wurzen von 1841 bis 1856
Direktoren:
- 1841-1843: Friedrich Robert von Criegern
- 1843-1851: Gottlob August Schreiber
- 1851-1856: Heinrich Johann Wilhelm Nathusius
Assessoren:
- Gustav Adolph Fritzsche
- Albert Bernhardt Richter
- Wilhelm Theodor Richter
- Arthur Graf zu Solms und Tecklenburg
- Julius von Kretzschmar
- Friedrich August Müller
- Heinrich Pechmann
- Gustav Eduard Bernhardi
- August Eduard Robert Lengnick
- Curt Constantin Bielitz
Aktuare:
- Carl Friedrich Klinkhardt
- Gustav Theodor Meyer
- Adolph Hermann Schultz
- Emil Gideon Dietrich
- Moritz Julius Bahrdt
- Christian Theodor Ehregott Albani
- Julius Oskar Schrag
- August Max Rumpelt
Außerdem gab es noch Expedienten, d. h. Registratoren, Sportel-Einnehmer und Sportel-Kontrolleure, Kopisten, Gerichtsfrone und -diener.
Anlage 2
Abgabe von Patrimonialgerichtsbarkeiten an das Königliche Landgericht Wurzen
[01] StA-L, Stadt Wurzen 3188, 11. u.14.10.1839.
[02] Ebenda, 23.11.1839.
[03] Ebenda, 30.10.1840.
[04] Ebenda, 15.3.1841; LZ, 18.3.1841, S. 921.
[05] StA-L, Stadt Wurzen 3188, 19.3.1841; LZ, 8.4.1841.
[06] StA-L, Stadt Wurzen 3188, 5.4.1841.
[07] LZ, 18.3.1841, S. 921.
[08] W. Ebert, Historisch-topographisches Lexikon der Stadt Wurzen, Beucha 1998, S. 15, 54, 76.
[09] LZ, 17.1.1841, S. 194.
[10] RG Nischwitz, LZ, 6.9.1848, S. 5734.
[11] StA-L, Stadt Wurzen 3190, 1.12.1854, 5.4.1855 u. 13.6.1856.
[12] Vgl. Zugangsbuch des StA-L, 1954 - 1975, VA Nr. 187.
[13] Vgl. V. Jäger, Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Königliche Gerichte, 1998.
Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lehnsangelegenheiten und Ablösungen.- Lokalverwaltung.
Die Abtretung der städtischen Gerichtsbarkeit und der Befugnisse der Sicherheitspolizei in Wurzen an den Staat erfolgte im März 1841. Beide wurden zusammen mit der bisher vom Justizamt Wurzen ausgeübten Gerichtsbarkeit dem am 5. April 1841 eröffneten Königlichen Landgericht Wurzen übergeben. Hinzu kam im Jahre 1843 ein Teil der Gerichtsbarkeit des Domkapitels zu Wurzen. Ab 1848 gaben folgende Rittergüter die ihnen zustehende Patrimonialgerichtsbarkeit ab: Börln, Burkartshain, Collmen, Falkenhain, Großzschepa, Heyda, Hohburg, Kühnitzsch, Machern, Müglenz, Mühlbach, Nischwitz, Ober- und Unternitzschka, Ochsensaal, Püchau, Röcknitz, Roitzsch, Schmölen, Streuben, Thallwitz, Thammenhain, Voigtshain, Zeititz und Zschorna. Domkapitel und Kapiteldekanat zu Wurzen traten 1855 ihre Gerichtsbarkeit vollständig ab, ebenso der Sattelhof Pausitz und der Steinhof Wurzen. Nachfolger des Königlichen Landgerichts Wurzen war das Gerichtsamt Wurzen.
Weitere Angaben siehe 2.3.4.2.3 Königliche Gerichte.
Weitere Angaben siehe 2.3.4.2.3 Königliche Gerichte.
- 1999 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5