Beständeübersicht
Bestand
20118 Amtsgericht Colditz
Datierung | 1845 - 1952 (1953 - 2006) |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 25,30 |
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Geschichte des Amtsgerichtes Colditz[01]
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfuhr die komplizierte Gerichtsorganisation in Sachsen im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der Behördenorganisation und der endgültigen Übergabe der Gerichtsbarkeiten an den Staat eine grundlegende Änderung. Auf unterster Ebene wurden im Jahr 1856 Gerichtsämter geschaffen. Die Gerichtsbarkeiten des alten Justizamtes Colditz, das bereits 1846 die Stadtgerichtsbarkeit übernommen hatte, gingen auf das neu entstandene Gerichtsamt Colditz sowie auf die Gerichtsämter Leisnig, Grimma, Bad Lausick Rochlitz, Borna, Waldheim und Geithain über. Nach den durch das Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich vom 27. Januar 1877 ausgelösten Veränderungen der Gerichtsstrukturen traten an die Stelle der Gerichtsämter im Jahre 1879 die Amtsgerichte. Das Amtsgericht Colditz wurde dem Landgericht Leipzig unterstellt. Die seit 1856 für das geographische Einzugsgebiet des Gerichtsbezirkes festgelegten Zuständigkeiten für die Stadt Colditz und 35 Landgemeinden wurden nicht verändert. [02] Dagegen sind die Verwaltungsaufgaben, die bis 1872 noch das Gerichtsamt Colditz ausgeübt hatte, an die neu geschaffene Amtshauptmannschaft Grimma übergegangen.
Colditz liegt zu beiden Seiten der Zwickauer Mulde und ist durch sein imposantes Schloss, dessen Erbauung auf Wiprecht von Groitzsch um das Jahr 1080 zurückgehen soll, bedeutsam. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts war das Schloss Zentrum der sächsischen Landesherrschaft, diente als Jagdschloss und war ab 1800 Armenhaus für den Leipziger Kreis. 1829 ist das Schloss zur Landespflegeanstalt erklärt worden.[03] Zwischen 1846 und 1868 beherbergte es in den vorderen Räumen das Justizamt bzw. Gerichtsamt nebst Wohnung des Gerichtsvorstandes. 1940 zum Gefangenen- bzw. Internierungslager für Offiziere der Alliierten erklärt,[04] wurde es 1945 als Internierungslager für enteignete, zwangsevakuierte Rittergutsbesitzer und deren Familien eingerichtet.
Auf den vom Staatsfiskus 1860 erworbenen Grundstücken in der Töpfergasse entstanden im Jahr 1863 das Gefangenenhaus und in den Jahren 1865 - 1868 das Gerichtsgebäude, das am 10. August 1868 bezogen werden konnte.[05] Nach 1945 sind beide Gebäude von amerikanischen Truppen und - nach deren Abzug - von der sowjetischen Militärregierung besetzt worden.
Als Gerichtsvorstände wirkten bis 1890 Oberamtsrichter Mosch, die Amtsrichter Dr. Gilbert bis 1897, von Einsiedel bis 1901, Dr. Otto bis 1908 und bis 1919 Dr. Gensel, dessen Nachfolger Dr. Heintz wurde.
In den Jahren 1945 - 1948 war Colditz Zweiggericht (Z-Gericht) des Amtsgerichtes Grimma. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Annahme von Anträgen an zwei Tagen im Monat. Die Bearbeitung dagegen erfolgte beim Amtsgericht Grimma. Sämtliche Akten des Amtsgerichtes Colditz befanden sich in diesem Zeitraum in Grimma. Am 01. Juli 1948 wurde das Z-Gericht Colditz eröffnet und mit 2 Rechtspflegern und 2 Schreibkräften besetzt. Die Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden von Grimma nach Colditz zurückgeführt, hingegen verblieben die streitige Gerichtsbarkeit, Amtsanwaltschaft und Strafsachen, zur weiteren Bearbeitung in Grimma.[06] Im Ergebnis der Kreisreform im Jahre 1952 ist das Amtsgericht Colditz aufgelöst worden. Die Geschäfte gingen auf das neu geschaffene Kreisgericht Grimma, auf das Staatliche Notariat Grimma bzw. auf die örtlichen Organe des Rates des Kreises Grimma über.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Zuständigkeitshalber übernahm das Landeshauptarchiv Dresden (heute: Hauptstaatsarchiv Dresden) das Justiz- und Verwaltungsschriftgut unterschiedlicher Provenienzen aus dem Amtsgerichtsarchiv Colditz. Ab 1954 erfolgten sukzessiv Aktenübergaben entsprechend festgelegter Zuständigkeiten an das neu gegründete Landesarchiv Leipzig (heute: Staatsarchiv Leipzig).[07]
Unter der Bezeichnung "Abgabegemeinschaft Colditz, Borna, Lausick und Rötha" ging 1955 vom Landeshauptarchiv Dresden die größte Aktenlieferung - das Zugangsbuch des Staatsarchivs Leipzig weist 4 t aus - im Leipziger Archiv ein. Es handelte sich dabei um verschiedene Provenienzen, u. a. Justizämter, Patrimonialgerichte, Gerichtsämter und Amtsgerichte. Darüber hinaus wurden im Zugangsbuch folgende Eingänge registriert:[08]
Der Bestand Amtsgericht Colditz umfasste vor der 1997 begonnenen kompletten Bearbeitung der Justizbestände ca. 20 lfm Archivgut.
Nachdem Ende 2000 die Amtsgerichtsbestände des Staatsarchivs Leipzig bis auf wenige Gerichte vollständig erschlossen waren, kamen bis 2020 nur die Aktenübernahmen des Amtsgerichts Leipzig zu den Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregister zum Bestand Amtsgericht Colditz.
Nach einem neu erstellten Ordnungsschema für die Bestandsgruppe Amtsgerichte wurde um 1980 die Findkartei zum Bestand Amtsgericht Colditz überarbeitet. Eine provenienzgerechte Trennung der im Bestand vereinigten Akten von Vorgängerbehörden unterblieb, da eine Neuerschließung des Bestandes nicht vorgesehen war. Erst ab Mitte des Jahres 1997 begann die Überarbeitung der Justizbestände des 19./20. Jahrhunderts mit dem Ziel, u. a. die Bestandsgruppe Gerichtsämter wiederherzustellen. Im Zusammenhang mit der Beständebildung nach den Gerichts- und Verwaltungsstrukturen im 19. Jahrhunderts sind die Akten, die aus der Tätigkeit der Justizbehörden vor Entstehung des Amtsgerichtes Colditz 1879 hervorgingen und nicht von diesem fortgeführt wurden, aus dem Bestand Amtsgericht Colditz herausgelöst worden. Im Ergebnis der Provenienztrennung wurden 156 Aktenbände der Provenienz Gerichtsamt Colditz erkannt, insgesamt 1,5 lfm. Somit reduzierte sich der Bestand auf 17,0 lfm.
Im Übrigen blieb die innere Ordnung, deren Prinzip auf einer für die Bestandsbearbeitung 1996 erarbeiteten neuen Klassifikation für Justizschriftgut beruht, unverändert.[09]
Die 1998 aus dem Nachlassarchiv des Amtsgerichtes Grimma lose, in Bündeln verpackt, übernommenen Testaments- und Nachlasssachen sind im Staatsarchiv chronologisch und numerisch geordnet und einer Gruppenverzeichnung unterzogen worden. Die Qualität der älteren Verzeichnungsarbeiten ließ zu wünschen übrig. Es fehlten z. B. ältere Registratursignaturen und Registernummern der Handels- und Genossenschaftsregister. Ortsnamen, Aktentitel sowie die Laufzeiten der Akten wiesen offensichtliche Fehler auf und machten eine Neuverzeichnung unumgänglich. Insgesamt überwiegt die einfache Verzeichnung. Anlagen oder Abschriften zu einem Vorgang wurden, wenn diese erkennbar waren, bei der Verzeichnung des zeitlichen Umfanges in Klammern ausgewiesen. Mit Bandreihen und Verweisen auf Vorgängerprovenienzen ist insbesondere bei der Verzeichnung der Grund- und Hypothekenakten sowie der Testamentsprotokolle gearbeitet worden.
Im Zusammenhang mit der Vergabe neuer, ordnungsunabhängiger Archivsignaturen entstand eine Konkordanzliste, die die alten und neuen Archivsignaturen ausweist.
Die Erschließung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch die Register erstellt wurden.
2013 erfolgte im Rahmen der Ausbildung von Fachangestellten für Medien- und Information, die nachträgliche Erschließung von ca. 0,3 lfm Akten, der seit 2006 angebotenen Registerakten des Registergerichts des Amtsgerichts Leipzig. Dabei wurde der Klassifikationspunkt 04.06. Register, der neuen seit 2009 gültigen, Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchiv angepasst und redaktionell überarbeitet. Es wurden alle Registerakten, die bis 1952 im damaligen Amtsgericht entstanden sind und eine Registernummer des alten Gerichts führten bis zur endgültigen Schließungen der Akten aufgenommen. Bei der Erschließung ist im Feld "Datierung Findbuch" die Laufzeit nach 1952 in einer Klammer ergänzt worden. Somit geht die Laufzeit des Bestandes weit über die Existenz des alten Amtsgerichts Colditz hinaus.
Der vorliegende Bestand hat nach einer Neuvermessung nun einen Umfang von 25,3 lfm und umfasst den Zeitraum 1845 – 1952 (1953 – 2006).
Überlieferungsschwerpunkte
Die Überlieferung des Justizschriftgutes aus der frühen Tätigkeit des Amtsgerichtes Colditz ist nur fragmentarisch. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt zwischen 1920 und 1945. General- oder Sammelakten sowie Personalakten fehlen im Bestand. Als eine seltene Überlieferung innerhalb der Bestandsgruppe Amtsgerichte kann die für das Amtsgerichtsgebäude Colditz erhalten gebliebene Bauakte aus dem Jahr 1936 betrachtet werden. Die Akte enthält u. a. Skizzen, Lagepläne und Zeichnungen des Amtsgerichtsgebäudes und der Räumlichkeiten.
Strafprozessakten und Zivilklagen beginnen, bis auf wenige Ausnahmen, erst 1930. Hervorzuheben sind ein überliefertes Register über erlassene Steckbriefe, 1896 - 1919, die Sammlung verschiedener politischer und zivilrechtlicher Urteile, ergangen beim Amtsgericht in den Jahren 1928 - 1945, sowie einzelne Strafsachen von in Schutzhaft wegen illegaler politischer Tätigkeiten genommener Personen, ab 1932. [10]
Testaments- und Nachlasssachen sowie Familienrechtssachen einschließlich Register und Protokolle, ab 1872 bis um 1950, sind relativ geschlossen überliefert. Allein 5 Bände betreffen die Nachlassregulierung des Fabrikbesitzers Arno Stockmann, Gründer und späterer Mitinhaber der Steingutfabrik Thomsberger & Hermann AG, Colditz sowie Gesellschafter der Dachziegelfabrik Eismann und Stockmann, Colditz, deren Handelsregisterakten im Bestand überliefert sind.
Ca. 70 Entmündigungssachen dokumentieren v. a. Entmündigungen wegen verschiedener Erkrankungen und Einweisungen in die Landesheilanstalten Colditz und Zschadraß, ab 1913 - 1942, und geben Hinweise zu Zwangssterilisationen, ab 1933.
Grund- und Hypothekenprotokolle enthalten z. T. Abschriften, die bis 1848 zurückgehen und beim Justizamt Colditz bzw. nach 1856 beim Gerichtsamt angelegt worden sind.
In größerem Umfang sind Register im Bestand vertreten, v. a. Handels-, Genossenschafts-, und Vereinsregisterakten, aber auch Güterrechtsregister und ein Musterregisterband.
Zu verweisen wäre noch auf die umfangreiche Überlieferung von über 100 Erbhofakten von Bauernhöfen des Amtsgerichtsbezirkes Colditz, die u. a. detaillierte Angaben zu den Eigentümern, zur Größe des Hofes und zur Bewirtschaftung beinhalten.
Eingeschätzt werden kann, dass die Überlieferung des Justizschriftgutes im Bestand Amtsgericht Colditz der Geschichtsforschung insgesamt vielfältige Möglichkeiten für Quellenforschungen bietet, insbesondere unter dem Aspekt wirtschaftlicher, sozialer aber auch genealogischer Betrachtungsweisen.
E. Kretzschmar / J. Ganz
1999 / 2021
Hinweis für die Benutzung
1. Das gedruckte Findbuch enthält folgende Register:
Personenregister, Ortsregister, Firmenregister, Genossenschaftsregister, Vereinsregister. Hier sind die Zahlenangaben im Registertitel identisch mit den Indexnummern im Findbuch.
2. Die für die Bestandsgruppe Amtsgerichte erarbeitete Klassifikation ist zur Vereinfachung der Recherche im vorliegenden Findbuch komplett ausgedruckt worden - ohne Berücksichtigung, ob die Klassifikationsgruppe durch Akten belegt ist. In diesem Fall erscheint im Inhaltsverzeichnis ein diesbezüglicher Vermerk "entfällt".
3. Der Bestand enthält einige personenbezogene Unterlagen, deren Schutzfristen im Einzelfall erst 2052 enden. Die Vorlage dieser Archivalien ist nur nach Verkürzung der Schutzfristen möglich. Aktentitel mit personenbezogenen Daten und laufenden Schutzfristen sind in der Online-Version des Findbuches nicht sichtbar.
Verweise auf korrespondierende Bestände im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig
Literaturverzeichnis [11]
- Gesetz- und Verordnungsblätter für das Königreich Sachsen, 1880/1881
- Staatshandbücher für das Königreich Sachsen, 1856-1879, 1914, 1927
- Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, 1814, hrsg. von August Schumann, Zwickau, Verlag Gebr. Schumann
- Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief, Potsdam 1958
- Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen, bearb. von Karlheinz Blaschke, Leipzig 1957
- Bellger, Heinrich Ferdinand, Historische Beschreibung der Stadt Colditz, Leipzig 1832
- 700 Jahre Stadt Colditz, Chronik, hrsg. vom Rat der Stadt Colditz, 1965
- Adreßbuch der Stadt Colditz und der zum Amtsbezirk gehörenden Ortschaften, Verlag Emil Friedrich, Colditz 1910
- Festschrift zum 2. Heimatfest in Colditz, 3.-5. Juli 1926, Druck von Guido Geißler, Colditz
[01] Vgl. Findbucheinleitung zu den Amtsgerichtsbeständen im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig von V. Jäger, 1999.
[02] Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1879 (62), S. 253-254 (s. Anhang zum Findbuch).
[03] Zum Amtsgerichtsbezirk Colditz gehörte darüber hinaus auch die Heil- und Pflegeanstalt Zschadraß.
[04] 700 Jahre Stadt Colditz, Chronik, Hrsg. Rat der Stadt Colditz 1965.
[05] Vgl. 20087 GerA Colditz, Nr. 172 und Grundstücksverzeichnis des Amtsgerichtes Colditz nach dem Stand vom 1. Apr. 1935. In: SächsHStAD, 11018 Ministerium der Justiz, Nr. 1599.
[06] Ebenda, HStAD 11018, Ministerium der Justiz Nr. 258.
[07] Überliefert sind Abgabelisten aus dem HStAD der Jahre 1898, 1924, 1937, 1955, 1965.
[08] StAL, 22030 Staatsarchiv Leipzig, Nr. 68 Zugangsbuch 1954 - 1975.
[09] Vgl. auch: AufbewBest., Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen von Schriftgut der Justiz, Stand 1993, 3. Ergänzung.
[10] In diesem Zusammenhang wird auf die im Bestand 20122 Amtsgericht Grimma überlieferten 3 Aktenbände zu Internierungen im Schloss Colditz, 1945, verwiesen. Diese enthalten u. a. Namenlisten von festgenommenen und ausgewiesenen Rittergutsbesitzern, Pächtern, Verwaltern und deren Familien (AG Grimma Nr. 144-145, 13502).
[11] Vgl. Bibliographische Angaben in Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Amtsgerichte im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig von V. Jäger, 1999.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts erfuhr die komplizierte Gerichtsorganisation in Sachsen im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der Behördenorganisation und der endgültigen Übergabe der Gerichtsbarkeiten an den Staat eine grundlegende Änderung. Auf unterster Ebene wurden im Jahr 1856 Gerichtsämter geschaffen. Die Gerichtsbarkeiten des alten Justizamtes Colditz, das bereits 1846 die Stadtgerichtsbarkeit übernommen hatte, gingen auf das neu entstandene Gerichtsamt Colditz sowie auf die Gerichtsämter Leisnig, Grimma, Bad Lausick Rochlitz, Borna, Waldheim und Geithain über. Nach den durch das Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich vom 27. Januar 1877 ausgelösten Veränderungen der Gerichtsstrukturen traten an die Stelle der Gerichtsämter im Jahre 1879 die Amtsgerichte. Das Amtsgericht Colditz wurde dem Landgericht Leipzig unterstellt. Die seit 1856 für das geographische Einzugsgebiet des Gerichtsbezirkes festgelegten Zuständigkeiten für die Stadt Colditz und 35 Landgemeinden wurden nicht verändert. [02] Dagegen sind die Verwaltungsaufgaben, die bis 1872 noch das Gerichtsamt Colditz ausgeübt hatte, an die neu geschaffene Amtshauptmannschaft Grimma übergegangen.
Colditz liegt zu beiden Seiten der Zwickauer Mulde und ist durch sein imposantes Schloss, dessen Erbauung auf Wiprecht von Groitzsch um das Jahr 1080 zurückgehen soll, bedeutsam. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts war das Schloss Zentrum der sächsischen Landesherrschaft, diente als Jagdschloss und war ab 1800 Armenhaus für den Leipziger Kreis. 1829 ist das Schloss zur Landespflegeanstalt erklärt worden.[03] Zwischen 1846 und 1868 beherbergte es in den vorderen Räumen das Justizamt bzw. Gerichtsamt nebst Wohnung des Gerichtsvorstandes. 1940 zum Gefangenen- bzw. Internierungslager für Offiziere der Alliierten erklärt,[04] wurde es 1945 als Internierungslager für enteignete, zwangsevakuierte Rittergutsbesitzer und deren Familien eingerichtet.
Auf den vom Staatsfiskus 1860 erworbenen Grundstücken in der Töpfergasse entstanden im Jahr 1863 das Gefangenenhaus und in den Jahren 1865 - 1868 das Gerichtsgebäude, das am 10. August 1868 bezogen werden konnte.[05] Nach 1945 sind beide Gebäude von amerikanischen Truppen und - nach deren Abzug - von der sowjetischen Militärregierung besetzt worden.
Als Gerichtsvorstände wirkten bis 1890 Oberamtsrichter Mosch, die Amtsrichter Dr. Gilbert bis 1897, von Einsiedel bis 1901, Dr. Otto bis 1908 und bis 1919 Dr. Gensel, dessen Nachfolger Dr. Heintz wurde.
In den Jahren 1945 - 1948 war Colditz Zweiggericht (Z-Gericht) des Amtsgerichtes Grimma. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Annahme von Anträgen an zwei Tagen im Monat. Die Bearbeitung dagegen erfolgte beim Amtsgericht Grimma. Sämtliche Akten des Amtsgerichtes Colditz befanden sich in diesem Zeitraum in Grimma. Am 01. Juli 1948 wurde das Z-Gericht Colditz eröffnet und mit 2 Rechtspflegern und 2 Schreibkräften besetzt. Die Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurden von Grimma nach Colditz zurückgeführt, hingegen verblieben die streitige Gerichtsbarkeit, Amtsanwaltschaft und Strafsachen, zur weiteren Bearbeitung in Grimma.[06] Im Ergebnis der Kreisreform im Jahre 1952 ist das Amtsgericht Colditz aufgelöst worden. Die Geschäfte gingen auf das neu geschaffene Kreisgericht Grimma, auf das Staatliche Notariat Grimma bzw. auf die örtlichen Organe des Rates des Kreises Grimma über.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Zuständigkeitshalber übernahm das Landeshauptarchiv Dresden (heute: Hauptstaatsarchiv Dresden) das Justiz- und Verwaltungsschriftgut unterschiedlicher Provenienzen aus dem Amtsgerichtsarchiv Colditz. Ab 1954 erfolgten sukzessiv Aktenübergaben entsprechend festgelegter Zuständigkeiten an das neu gegründete Landesarchiv Leipzig (heute: Staatsarchiv Leipzig).[07]
Unter der Bezeichnung "Abgabegemeinschaft Colditz, Borna, Lausick und Rötha" ging 1955 vom Landeshauptarchiv Dresden die größte Aktenlieferung - das Zugangsbuch des Staatsarchivs Leipzig weist 4 t aus - im Leipziger Archiv ein. Es handelte sich dabei um verschiedene Provenienzen, u. a. Justizämter, Patrimonialgerichte, Gerichtsämter und Amtsgerichte. Darüber hinaus wurden im Zugangsbuch folgende Eingänge registriert:[08]
Der Bestand Amtsgericht Colditz umfasste vor der 1997 begonnenen kompletten Bearbeitung der Justizbestände ca. 20 lfm Archivgut.
Nachdem Ende 2000 die Amtsgerichtsbestände des Staatsarchivs Leipzig bis auf wenige Gerichte vollständig erschlossen waren, kamen bis 2020 nur die Aktenübernahmen des Amtsgerichts Leipzig zu den Handels-, Genossenschafts- und Vereinsregister zum Bestand Amtsgericht Colditz.
Nach einem neu erstellten Ordnungsschema für die Bestandsgruppe Amtsgerichte wurde um 1980 die Findkartei zum Bestand Amtsgericht Colditz überarbeitet. Eine provenienzgerechte Trennung der im Bestand vereinigten Akten von Vorgängerbehörden unterblieb, da eine Neuerschließung des Bestandes nicht vorgesehen war. Erst ab Mitte des Jahres 1997 begann die Überarbeitung der Justizbestände des 19./20. Jahrhunderts mit dem Ziel, u. a. die Bestandsgruppe Gerichtsämter wiederherzustellen. Im Zusammenhang mit der Beständebildung nach den Gerichts- und Verwaltungsstrukturen im 19. Jahrhunderts sind die Akten, die aus der Tätigkeit der Justizbehörden vor Entstehung des Amtsgerichtes Colditz 1879 hervorgingen und nicht von diesem fortgeführt wurden, aus dem Bestand Amtsgericht Colditz herausgelöst worden. Im Ergebnis der Provenienztrennung wurden 156 Aktenbände der Provenienz Gerichtsamt Colditz erkannt, insgesamt 1,5 lfm. Somit reduzierte sich der Bestand auf 17,0 lfm.
Im Übrigen blieb die innere Ordnung, deren Prinzip auf einer für die Bestandsbearbeitung 1996 erarbeiteten neuen Klassifikation für Justizschriftgut beruht, unverändert.[09]
Die 1998 aus dem Nachlassarchiv des Amtsgerichtes Grimma lose, in Bündeln verpackt, übernommenen Testaments- und Nachlasssachen sind im Staatsarchiv chronologisch und numerisch geordnet und einer Gruppenverzeichnung unterzogen worden. Die Qualität der älteren Verzeichnungsarbeiten ließ zu wünschen übrig. Es fehlten z. B. ältere Registratursignaturen und Registernummern der Handels- und Genossenschaftsregister. Ortsnamen, Aktentitel sowie die Laufzeiten der Akten wiesen offensichtliche Fehler auf und machten eine Neuverzeichnung unumgänglich. Insgesamt überwiegt die einfache Verzeichnung. Anlagen oder Abschriften zu einem Vorgang wurden, wenn diese erkennbar waren, bei der Verzeichnung des zeitlichen Umfanges in Klammern ausgewiesen. Mit Bandreihen und Verweisen auf Vorgängerprovenienzen ist insbesondere bei der Verzeichnung der Grund- und Hypothekenakten sowie der Testamentsprotokolle gearbeitet worden.
Im Zusammenhang mit der Vergabe neuer, ordnungsunabhängiger Archivsignaturen entstand eine Konkordanzliste, die die alten und neuen Archivsignaturen ausweist.
Die Erschließung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch die Register erstellt wurden.
2013 erfolgte im Rahmen der Ausbildung von Fachangestellten für Medien- und Information, die nachträgliche Erschließung von ca. 0,3 lfm Akten, der seit 2006 angebotenen Registerakten des Registergerichts des Amtsgerichts Leipzig. Dabei wurde der Klassifikationspunkt 04.06. Register, der neuen seit 2009 gültigen, Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchiv angepasst und redaktionell überarbeitet. Es wurden alle Registerakten, die bis 1952 im damaligen Amtsgericht entstanden sind und eine Registernummer des alten Gerichts führten bis zur endgültigen Schließungen der Akten aufgenommen. Bei der Erschließung ist im Feld "Datierung Findbuch" die Laufzeit nach 1952 in einer Klammer ergänzt worden. Somit geht die Laufzeit des Bestandes weit über die Existenz des alten Amtsgerichts Colditz hinaus.
Der vorliegende Bestand hat nach einer Neuvermessung nun einen Umfang von 25,3 lfm und umfasst den Zeitraum 1845 – 1952 (1953 – 2006).
Überlieferungsschwerpunkte
Die Überlieferung des Justizschriftgutes aus der frühen Tätigkeit des Amtsgerichtes Colditz ist nur fragmentarisch. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt zwischen 1920 und 1945. General- oder Sammelakten sowie Personalakten fehlen im Bestand. Als eine seltene Überlieferung innerhalb der Bestandsgruppe Amtsgerichte kann die für das Amtsgerichtsgebäude Colditz erhalten gebliebene Bauakte aus dem Jahr 1936 betrachtet werden. Die Akte enthält u. a. Skizzen, Lagepläne und Zeichnungen des Amtsgerichtsgebäudes und der Räumlichkeiten.
Strafprozessakten und Zivilklagen beginnen, bis auf wenige Ausnahmen, erst 1930. Hervorzuheben sind ein überliefertes Register über erlassene Steckbriefe, 1896 - 1919, die Sammlung verschiedener politischer und zivilrechtlicher Urteile, ergangen beim Amtsgericht in den Jahren 1928 - 1945, sowie einzelne Strafsachen von in Schutzhaft wegen illegaler politischer Tätigkeiten genommener Personen, ab 1932. [10]
Testaments- und Nachlasssachen sowie Familienrechtssachen einschließlich Register und Protokolle, ab 1872 bis um 1950, sind relativ geschlossen überliefert. Allein 5 Bände betreffen die Nachlassregulierung des Fabrikbesitzers Arno Stockmann, Gründer und späterer Mitinhaber der Steingutfabrik Thomsberger & Hermann AG, Colditz sowie Gesellschafter der Dachziegelfabrik Eismann und Stockmann, Colditz, deren Handelsregisterakten im Bestand überliefert sind.
Ca. 70 Entmündigungssachen dokumentieren v. a. Entmündigungen wegen verschiedener Erkrankungen und Einweisungen in die Landesheilanstalten Colditz und Zschadraß, ab 1913 - 1942, und geben Hinweise zu Zwangssterilisationen, ab 1933.
Grund- und Hypothekenprotokolle enthalten z. T. Abschriften, die bis 1848 zurückgehen und beim Justizamt Colditz bzw. nach 1856 beim Gerichtsamt angelegt worden sind.
In größerem Umfang sind Register im Bestand vertreten, v. a. Handels-, Genossenschafts-, und Vereinsregisterakten, aber auch Güterrechtsregister und ein Musterregisterband.
Zu verweisen wäre noch auf die umfangreiche Überlieferung von über 100 Erbhofakten von Bauernhöfen des Amtsgerichtsbezirkes Colditz, die u. a. detaillierte Angaben zu den Eigentümern, zur Größe des Hofes und zur Bewirtschaftung beinhalten.
Eingeschätzt werden kann, dass die Überlieferung des Justizschriftgutes im Bestand Amtsgericht Colditz der Geschichtsforschung insgesamt vielfältige Möglichkeiten für Quellenforschungen bietet, insbesondere unter dem Aspekt wirtschaftlicher, sozialer aber auch genealogischer Betrachtungsweisen.
E. Kretzschmar / J. Ganz
1999 / 2021
Hinweis für die Benutzung
1. Das gedruckte Findbuch enthält folgende Register:
Personenregister, Ortsregister, Firmenregister, Genossenschaftsregister, Vereinsregister. Hier sind die Zahlenangaben im Registertitel identisch mit den Indexnummern im Findbuch.
2. Die für die Bestandsgruppe Amtsgerichte erarbeitete Klassifikation ist zur Vereinfachung der Recherche im vorliegenden Findbuch komplett ausgedruckt worden - ohne Berücksichtigung, ob die Klassifikationsgruppe durch Akten belegt ist. In diesem Fall erscheint im Inhaltsverzeichnis ein diesbezüglicher Vermerk "entfällt".
3. Der Bestand enthält einige personenbezogene Unterlagen, deren Schutzfristen im Einzelfall erst 2052 enden. Die Vorlage dieser Archivalien ist nur nach Verkürzung der Schutzfristen möglich. Aktentitel mit personenbezogenen Daten und laufenden Schutzfristen sind in der Online-Version des Findbuches nicht sichtbar.
Verweise auf korrespondierende Bestände im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig
Literaturverzeichnis [11]
- Gesetz- und Verordnungsblätter für das Königreich Sachsen, 1880/1881
- Staatshandbücher für das Königreich Sachsen, 1856-1879, 1914, 1927
- Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, 1814, hrsg. von August Schumann, Zwickau, Verlag Gebr. Schumann
- Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief, Potsdam 1958
- Historisches Ortsverzeichnis von Sachsen, bearb. von Karlheinz Blaschke, Leipzig 1957
- Bellger, Heinrich Ferdinand, Historische Beschreibung der Stadt Colditz, Leipzig 1832
- 700 Jahre Stadt Colditz, Chronik, hrsg. vom Rat der Stadt Colditz, 1965
- Adreßbuch der Stadt Colditz und der zum Amtsbezirk gehörenden Ortschaften, Verlag Emil Friedrich, Colditz 1910
- Festschrift zum 2. Heimatfest in Colditz, 3.-5. Juli 1926, Druck von Guido Geißler, Colditz
[01] Vgl. Findbucheinleitung zu den Amtsgerichtsbeständen im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig von V. Jäger, 1999.
[02] Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1879 (62), S. 253-254 (s. Anhang zum Findbuch).
[03] Zum Amtsgerichtsbezirk Colditz gehörte darüber hinaus auch die Heil- und Pflegeanstalt Zschadraß.
[04] 700 Jahre Stadt Colditz, Chronik, Hrsg. Rat der Stadt Colditz 1965.
[05] Vgl. 20087 GerA Colditz, Nr. 172 und Grundstücksverzeichnis des Amtsgerichtes Colditz nach dem Stand vom 1. Apr. 1935. In: SächsHStAD, 11018 Ministerium der Justiz, Nr. 1599.
[06] Ebenda, HStAD 11018, Ministerium der Justiz Nr. 258.
[07] Überliefert sind Abgabelisten aus dem HStAD der Jahre 1898, 1924, 1937, 1955, 1965.
[08] StAL, 22030 Staatsarchiv Leipzig, Nr. 68 Zugangsbuch 1954 - 1975.
[09] Vgl. auch: AufbewBest., Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen von Schriftgut der Justiz, Stand 1993, 3. Ergänzung.
[10] In diesem Zusammenhang wird auf die im Bestand 20122 Amtsgericht Grimma überlieferten 3 Aktenbände zu Internierungen im Schloss Colditz, 1945, verwiesen. Diese enthalten u. a. Namenlisten von festgenommenen und ausgewiesenen Rittergutsbesitzern, Pächtern, Verwaltern und deren Familien (AG Grimma Nr. 144-145, 13502).
[11] Vgl. Bibliographische Angaben in Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Amtsgerichte im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig von V. Jäger, 1999.
Amtsgerichtsverwaltung.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Anerbengericht.
Durch die Veränderung der Gerichtsstrukturen trat 1879 an die Stelle des Gerichtsamts Colditz das Amtsgericht Colditz. Die territoriale Zuständigkeit erstreckte sich neben der Stadt Colditz auf weitere 35 Landgemeinden. Von 1945 bis 1948 war Colditz Zweiggericht des Amtsgerichts Grimma. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Annahme von Anträgen an zwei Tagen im Monat. Von 1948 bis 1952 wurden in Colditz nur noch Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bearbeitet. Die streitige Gerichtsbarkeit verblieb beim Amtsgericht Grimma. 1952 gingen die Geschäfte des Amtsgerichts Colditz auf das Kreisgericht Grimma über.
Weitere Angaben siehe 2.3.4.2.7 Amtsgerichte.
Weitere Angaben siehe 2.3.4.2.7 Amtsgerichte.
- 2021 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5