Beständeübersicht
Bestand
20233 Kreistag / Kreisrat Grimma
Datierung | (1865, 1900 - 1944) 1945 - 1957 |
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Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 55,12 |
Bestand enthält auch 3 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular
Zur Geschichte von Kreistag und Kreisverwaltung Grimma zwischen 1945 und 1952
Der nordwestsächsische Landkreis Grimma, der im Jahre 1873 im Zuge der Neueinteilung der lokalen Verwaltungsbezirke in Sachsen entstanden war, nahm hinsichtlich seiner Flächengröße (832,02 km2 ) und seiner Gemeindezahl (1945: 159 Gemeinden) bis zum Jahre 1952 unter allen sächsischen Landkreisen die zweite Stelle ein. Für die innere Verwaltung des Kreisgebietes war bis 1945 die gleichnamige Amtshauptmannschaft zuständig, die 1939 in "Der Landrat des Landkreises" umbenannt wurde.
Im Rahmen des Neuaufbaues einer antifaschistisch-demokratischen Gesellschaftsordnung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands entstanden auch auf dem Territorium des Landkreises Grimma demokratische Verwaltungsorgane. An die Stelle der bisherigen Amtshauptmannschaft trat schon seit dem Frühjahr 1945 die Kreisverwaltung für die eigenverantwortliche Leitung der inneren Verwaltung des Landkreises.
Bedingt durch die großen gesellschaftlichen Umwälzungen der Jahre nach 1945 verliefen die Geschicke der Kreisverwaltung zunächst jedoch in einem ständigen Auf und Ab. Eine geordnete und einheitliche Verwaltung des gesamten Kreisgebietes durch eine Kreisbehörde war zunächst überhaupt nicht möglich, da der Landkreis von April bis Juli 1945 sowohl von den sowjetischen als auch von den amerikanischen Truppen besetzt war. Die vereinigte Mulde bildete damals die Demarkationslinie zwischen sowjetischem und amerikanischem Besatzungsgebiet. Dadurch entstanden für die Verwaltung des Landkreises zunächst zwei Landratsämter: Am 28. April 1945 nahm bereits im amerikanisch besetzten Teil des Landkreises das bisherige Landratsamt Grimma unter neuer personeller Leitung und unter veränderter Aufgabenstellung seine Tätigkeit wieder auf. Im östlichen Kreisgebiet wurde dagegen Anfang Mai 1945 auf Anordnung der sowjetischen Militärverwaltung in Wurzen ein weiteres Landratsamt gebildet. Erst nach Abzug der amerikanischen Besatzungsmacht konnten beide Teile des Landkreises Anfang Juli 1945 zusammengeführt werden. Die Auflösung und die endgültige Abwicklung des Landratsamtes Wurzen zog sich aber noch bis zum Frühjahr 1946 hin. Das zeitweilige Bestehen zweier Kreisverwaltungen auf dem Territorium des Landkreises Grimma war für dessen einheitliche politische und wirtschaftliche Entwicklung von folgenschwerer Bedeutung. Da im amerikanisch besetzten Gebiet die Entnazifizierung nur schleppend durchgeführt wurde, verlief die demokratische Neugestaltung in beiden Teilkreisen in unterschiedlicher Weise und wurde im westlichen Teil anfänglich bedeutend verzögert. Aber auch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht waren dem Landkreis große Schäden erwachsen. Doppelte Verwaltungskosten, unsachgemäße Verwaltungsführung und Steuerausfälle verursachten dem Landkreis bedeutende wirtschaftliche Rückschläge und finanzielle Unkosten.
Trotz der anfänglichen doppelten Besetzung des Landkreises waren aber die demokratischen Kräfte in beiden Teilen des Kreisgebietes nicht müßig gewesen, obgleich ihrer Tätigkeit im amerikanischen Besatzungsgebiet erhebliche Schwierigkeiten bereitet wurden. Schon zwischen Mitte und Ende Mai 1945 hatte sich in Grimma ein Volksfrontausschuss gebildet, der sich in einem Aufruf an die Bevölkerung des gesamten Kreisgebietes wandte. Darin wurde die vollständige Ausrottung der Überreste des Faschismus, die noch in "allen Amtsstuben und Dienststellen sein Unwesen treibt", gefordert. Zu diesem Zwecke waren sofort in allen Gemeinden Volksausschüsse zu bilden, die ihre Arbeit gemäß den von der KPD entwickelten Prinzipien der antifaschistischen Volksfront aufnehmen sollten.
Die Aktivität der das ganze Kreisgebiet erfassenden und unter der Führung der KPD stehen-den Volksfrontausschüsse zeigte schon bald sichtbare Erfolge, da unmittelbar nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen auf Vorschlag der KPD und auf der Grundlage ihres Aktionsprogramms vom 11. Juni 1945 ein gemeinsamer Arbeitsausschuss zwischen KPD und SPD gebildet wurde. Damit war im Landkreis Grimma der Grundstein für die bevorstehende Vereinigung beider Arbeiterparteien gelegt. Darüber hinaus begann sich unter einheitlicher Führung der Arbeiterklasse auch im westlichen Teile des Landkreises das politische Kräfteverhältnis grundlegend zu verändern.
Nachdem Anfang Juli 1945 der Landkreis Grimma wieder unter eine einheitliche Verwaltung gekommen war, konnte nunmehr auch eine kontinuierliche Entwicklung der Kreisverwaltung einsetzen. Dabei erstreckte sich der Aufbau des neuen Staatsapparates über einen längeren Zeitraum und durchlief bis zu seiner vollständigen Ausbildung mehrere Etappen. Die neuen Verwaltungsorgane waren nicht sofort voll ausgebildet, sondern sie entwickelten sich schrittweise mit den neuen Aufgaben der Staatsmacht. Die Kreisverwaltung wurde also erst allmählich den neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Beziehungen angepasst. In diesem Zusammenhang spielten die Entnazifizierung und die Umerziehung eines Teiles der Angestellten, die sich zu antifaschistisch-demokratischen Ort bekannten, eine entscheidende Rolle.
Die Kreisverwaltung unterlag in diesem mehrjährigen Prozess vielfachen strukturellen Veränderungen. Dadurch, dass in ihr letzten Endes ein großer Teil der vorher selbstständigen Verwaltungsbehörden in der lokalen Instanz zusammengefasst wurden, unterschied sie sich schließlich grundlegend von der Amtshauptmannschaft aus der Zeit vor 1945. Die Konzentration der gesamten unteren Verwaltung in einer Kreisbehörde führte zu ihrem erheblichen Bedeutungszuwachs. An ehemals lokalen Sonderbehörden auf Kreisebene wurden von 1945 bis 1948 im Wesentlichen folgende in die Kreisverwaltung eingegliedert: Kreisbauernschaft (Juni 1945), Kreisgesundheitsamt (September 1945), Finanzamt (Mai 1946), Bezirkstierarzt (Veterinäramt), Eichamt, Arbeitsamt, Bezirkschulrat, Straßen- und Wasserbauamt und Katasteramt. Daneben entstanden zur Durchführung der dem Landrat im Zusammenhang mit der Durchset-zung der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung neu übertragenen Aufgaben eine Reihe spezieller Dienststellen und Abteilungen, die als Strukturteile in die Kreisverwaltung eingingen. So wurden im September 1945 die Kreisbodenkommission, im Oktober 1945 die Kreissequesterkommission und Ende 1946 die Kreisentnazifizierungskommission errichtet.
Die Lösung der zeitbedingten Ernährungs-, Wirtschafts- und Umsiedlerprobleme wurde durch andere spezielle Dienststellen ermöglicht. So entstand z. B. bei der Kreisverwaltung schon im Oktober 1945 ein Umsiedlerstab, der im Sommer 1947 zum Umsiedleramt erweitert wurde. Im September 1945 wurden ein völlig neues, bisher nicht bestehendes Wirtschafts- und Wiederaufbauamt und im März 1946 ein selbstständiges Amt für Handel und Versorgung innerhalb der Kreisverwaltung errichtet.
Nachdem sich bis zum Herbst 1946 die neuen Verwaltungsorgane weitgehend konsolidiert hatten und entscheidende Maßnahmen in der Durchsetzung der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung durchgeführt worden waren, gab die sowjetische Militärverwaltung auf Vorschlag der demokratischen Parteien der Bevölkerung Gelegenheit, sich Volksvertretungen zu wählen. Oberstes Willens- und Beschlussorgan des Kreises und demokratische Vertretungskörperschaft der Bevölkerung wurde nunmehr der Kreistag. Als sein führendes Organ trat an die Stelle der bisher durch den Landrat monokratisch geleiteten Kreisverwaltung der vom Kreistag demokratisch gewählte Kreisrat, der eine kollegial organisierte Dienststelle war. Der Kreisrat setzte sich aus dem Landrat als Leiter und Dienstvorgesetzter und einer Anzahl von meist besoldeten Kreisräten zusammen, die jeweils ein oder mehrere Dezernate der Kreisverwaltung leiteten.
Mit dem Übergang von der rein administrativen Verwaltung zur parlamentarisch-demokratischen Tätigkeit erhielten die Kreise neben den bisher bereits wahrgenommenen Auftragsangelegenheiten eine Reihe wichtiger Selbstverwaltungsaufgaben übertragen. Der Landkreis war nunmehr in erster Linie Selbstverwaltungsorgan und in diesem Zusammenhang außer der sowjetischen Besatzungsmacht nur dem Landtag rechenschaftspflichtig.
Die Bewältigung der mit der Selbstverwaltung verbundenen vermehrten Aufgaben in allen wichtigen Lebensbereichen wie Landwirtschaft, Ernährung, Wirtschaft, Bau-, Sozial-, Umsiedler- und Schulwesen sowie die weitere Durchführung und Beendigung der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung konnte nur mit einem entsprechend aufgebauten und gegliederten Verwaltungsapparat gelöst werden. Die Zuständigkeits- und Aufgabenerweiterung erforderten sowohl die Errichtung neuer Strukturteile als auch die Ausdehnung bisher bestehender Sachgebiete zu Referaten und Abteilungen. Daher war die Landkreisverwaltung auch in der Folgezeit wieder manchen organisatorischen Änderungen unterworfen, die teilweise eine innere Umstrukturierung der Behörde und eine Neuaufteilung der Aufgabengebiete zur Folge hatten. Von Bedeutung für die Arbeit der Landkreisverwaltung Grimma war in diesem Zusammenhang die im Frühjahr 1947 verwirklichte Eingliederung der bisher kreisfreien Stadt Wurzen in den Landkreis.
Im Jahre 1948 musste die Tätigkeit des im Verlaufe der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung entstandenen Verwaltungsapparates erneut auf eine höhere Stufe gestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte nämlich durch den Abschluss der wichtigsten Teile der demokratischen Reformen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Sowjetischen Besatzungszone einen solchen Stand erreicht, dass weitere Fortschritte nur durch die Zusammenfassung aller Kräfte und Möglichkeiten und durch die Anwendung neuer Methoden erreicht werden konnten. In der zweiten Hälfte des Jahres 1948 wurde deshalb mit dem Halbjahresplan der Übergang zur Planwirtschaft vollzogen.
Der Beginn der langfristigen Planung in der Industrie bedurfte neuer Formen der zentralen staatlichen Leitung der Wirtschaft. Diese wurden durch die Gründung der Deutschen Wirtschaftskommission und durch die koordinierende Tätigkeit verwirklicht. Die erfolgreiche Durchführung der Pläne konnte aber nur dann restlos gewährleistet werden, wenn nicht nur die Wirtschaft sondern auch der Staatsapparat entsprechende Organisationsformen besaß. Daher bemühte sich die Deutsche Wirtschaftskommission in der Folgezeit durch die Herausgabe von Normalstrukturplänen, einen einheitlichen Verwaltungsaufbau auf allen Verwaltungsebenen zu schaffen. In ihnen wurde der ökonomischen Entwicklung, die zu einem weiteren wirtschaftlichen Zusammenschluss drängte, Rechnung getragen und alle wichtigen Planungsorgane wie Wirtschaftsplanung, Materialversorgung, Kontrolle und Statistik, die zur Lösung der Planaufgaben bei den Verwaltungen entstanden waren, dem jeweiligen Leiter bzw. Landrat direkt unterstellt. Damit verstärkte sich sowohl deren koordinierende Tätigkeit als auch deren Verantwortung für die Durchführung des Volkswirtschaftsplanes in ihrem Verwaltungsbereich. Auch im Landkreis Grimma vollzog sich diese Entwicklung, die sich darin ausdrückte, dass nach und nach unmittelbar unter dem Landrat die wichtigsten Strukturteile und Dienststellen der Kreisverwaltung zusammengefasst wurden.
Diese Tendenz hielt bis zur Neugliederung der Kreisverwaltung im Jahre 1952 an. In Auswirkung des Beschlusses der 2. Parteikonferenz der SED, im Jahre 1952 mit dem Aufbau des So-zialismus in der DDR zu beginnen, wurde durch Gesetz vom 25. Juli 1952 in der DDR eine demokratische Verwaltungsreform durchgeführt. Da die überlieferte, oft historisch zufällig entstandene Verwaltungsgliederung nicht mehr den ökonomischen und gesellschaftlichen Er-fordernissen entsprach, wurden die Länder aufgelöst und an ihrer Stelle Bezirke gebildet. Diese gliederten sich in Kreise, die jetzt kleiner waren als die bis 1952 bestehenden. Aus den nordöstlichen Teilen des Landkreises Grimma wurde ein selbstständiger Landkreis Wurzen gebildet. Außerdem gingen einzelne Gemeinden des Landkreises Grimma an benachbarte Kreise, so an die Landkreise Leipzig-Land und Döbeln, über.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Da durch die demokratische Verwaltungsreform von 1952 eine Verwaltungstätigkeit auf einer höheren Stufe mit einer neuen Qualität begann, schließen die Aktenbestände der Kreisverwaltungen, so auch der der Kreisverwaltung Grimma, mit diesem Zeitpunkt ab. Ihr in den Jahren 1945 bis 1952 erwachsenes Schriftgut wurde auf Grund der archivgesetzlichen Bestimmungen von den dafür zuständigen Staatsarchiven übernommen, während das Aktenmaterial der Räte der Kreise ab 1952 in den jeweiligen Kreisarchiven verblieb.
Das Schriftgut der Kreisverwaltung Grimma wurde in den Jahren 1963 bis 1965 in mehreren Etappen vom Kreisarchiv Grimma an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben. 1983 erfolgte eine weitere Übernahme im Umfang von 9,5 lfm. In den 90-er Jahren gelangten weitere kleinere Nachträge zum Bestand. Der ursprüngliche Umfang des Bestandes betrug 1965 vor der Kassation 121,5 lfm. Nach der Aussonderung allen nichtwürdigen Schriftgutes von insgesamt 65,5 lfm und der Abgabe von 7 lfm durch vorgenommene Bestandsabgrenzung an andere Bestände verblieb ein archivwürdiger Bestand von 49 lfm. Durch die Einarbeitung der Nachträge nach 1967 erhöhte sich der Umfang auf 53,5 lfm.
Infolge der vielfachen Veränderungen in der Verwaltungsstruktur der Behörde weist der Aktenbestand keine feste Registraturordnung auf. Die nur bruchstückhaft überlieferte Regis-traturgliederung konnte deshalb bei der archivischen Bearbeitung nicht als Ordnungsgrundlage Verwendung finden. Es musste vielmehr ein vollkommen neues Ordnungsschema entwickelt werden, das im Wesentlichen die Aufgabenbereiche der Kreisverwaltung berücksichtigt, dagegen aber die vielfachen Strukturveränderungen außer Betracht lässt. Dieses Ordnungsschema wurde so elastisch gestaltet, dass es infolge der gleichgelagerten Verhältnisse bei den anderen nordwestsächsischen Kreisverwaltungen auch für deren Ordnung angewendet werden konnte.
Ordnung, Verzeichnung (unter Anwendung differenzierter Methoden und weitgehender Intensivverzeichnung mittels ausführlicher Enthält-Vermerke) und technische Bearbeitung des Bestandes sind von dem Unterzeichneten in der Zeit vom 1. April 1965 bis 30. Juni 1966 (mit größeren arbeitsbedingten Unterbrechungen) durchgeführt worden. Als unmittelbares Ergebnis der Bearbeitung entstand dabei eine behördengeschichtlich und quellenkundlich orientierte Staatsexamensarbeit über die Kreisverwaltung Grimma in der Zeit der 1. und 2. Etappe der Periode der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung (Mai 1945 - März 1948), die besonders die Quellen, die Auskunft über die Durchführung der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung im Landkreis Grimma geben, berücksichtigte und ausführlich beschrieb.
Bei dem Bestand Kreistag/Kreisrat Grimma handelt es sich um einen zusammengefassten Bestand. Neben den Unterlagen der Landkreisverwaltung beinhaltet er die Unterlagen des Kreistages (ab 1947), dessen "Vorparlamente" (Kreisausschuss und beratende Versammlung) sowie das Schriftgut der ehemals eigenständigen Sonderbehörden. Enthalten ist außerdem die Überlieferung von Boden- und Wassergenossenschaften bzw. -verbänden einschließlich von Gewässerkarten. Das diese Unterlagen aus dem Bereich der Wasserwirtschaft in ihrer Gesamtheit als Vorakten in die Registratur des Rates des Kreises eingingen führt dazu, dass hier die Überlieferung z. T. bis zum Beginn des 20. Jahrhundert zurückreicht. Auch einige Gemeindeakten beginnen in ihrer Laufzeit vor 1945. Einzelne Flurkarten sind im 19. Jahrhundert entstanden.
Überlieferungsschwerpunkte
Da die Kreisverwaltung Grimma die Dienststelle innerhalb des Kreisgebietes war, die für die gesamte innere Verwaltung des Landkreises eigenverantwortlich zeichnete, bietet die archivalische Überlieferung vielfältige Auswertungsmöglichkeiten zur Geschichte des Landkreises in den Jahren von 1945 bis 1952. Durch die Eingliederung bisher auf Kreisebene selbstständig bestehender Spezialbehörden, wie z. B. Bezirksschulrat, Kreisbauernschaft, Kreisgesundheitsamt, Finanzamt und der Sozialverwaltung (einschließlich Umsiedlerwesen) in die Kreisverwaltung erfuhr diese eine wesentliche Aufgabenerweiterung, so dass sie schließlich gegenüber der früheren Amtshauptmannschaft einen wesentlich größeren Verantwortungsbereich hatte. Diese Aufgabenvermehrung spiegelt sich auch in der Schriftgutüberlieferung wider. Im Allgemeinen ist die Quellenlage zu den einzelnen Aufgabenbereichen der Kreisverwaltung als gut zu bezeichnen. Da das Schwergewicht der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung unmittelbar von der örtlichen Ebene ausging, sind besonders die Primärquellen darüber in der Schriftgutüberlieferung des Aktenbestandes vorhanden. Die über die Herausbildung und Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung überlieferten Archivalien sind sehr aussagekräftig.
Infolge der überwiegend agrarischen Struktur des Landkreises und des verhältnismäßig stark ausgeprägten Großgrundbesitzes kommt den Quellen über die Bodenreform besondere Bedeutung zu, da mit ihnen die Durchführung der Bodenreform in fast jeder Gemeinde dokumentiert werden kann. Solche bis ins Detail gehende Quellen zur Bodenreform sind nur bei den Beständen der Kreisverwaltungen zu finden, da das Schriftgut der Landesbodenkommission in der Regel nur Angaben in zusammengefasster Form, also nicht hinunter bis zur einzelnen Gemeinde, enthält. Die Quellenlage ermöglicht es, alle Phasen der Bodenreform von der Erfassung und Aufteilung des Bodens bis zur Neubauernhilfe und der Entwicklung von Maschinen-Ausleih-Stationen darzustellen.
Nicht minder aussagekräftig sind die Archivalien über die Entnazifizierung von Verwaltung und Wirtschaft. Die verschiedenen Etappen der Entnazifizierung lassen sich aus verschiedenen Quellenarten ablesen. Besonders hervorzuheben sind hierbei die fast lückenlos überlieferten Protokolle der Kreisentnazifizierungskommission. Statistische Berichte und Zusammenstellungen geben darüber hinaus Auskunft über die Durchführung der Entnazifizierung in den Gemeinde- und Stadtverwaltungen sowie den Industrie-, Handels- und Handwerksbetrieben des Landkreises. Über die Entnazifizierung der Kreisverwaltung selbst konnten dagegen nur vereinzelte Materialien festgestellt werden.
Die demokratische Schulreform hat einen besonders reichen Aktenniederschlag hinterlassen. Fast ein Viertel der Unterlagen des gesamten Bestandes informiert über die Neuordnung des Schulwesens, über die Ausbildung von Neulehrern und insbesondere über die Schulverhältnisse in den einzelnen Gemeinden. Die schulische Entwicklung fast jeder Gemeinde in der Periode der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung kann relativ umfassend dargestellt werden.
Während Bodenreform, Entnazifizierung und Schulreform quellenmäßig gut belegt sind, fehlt fast vollständig die schriftliche Überlieferung zur Industriereform. Der Landkreis Grimma war zwar kein besonders industriell geprägter Landkreis, aber auch in ihm sind verschiedene größere Industriebetriebe im Rahmen des Volksentscheides vom Juni 1946 enteignet und in volkseigene Betriebe übergeben worden. Die die Enteignung vorbereitende Kreissequesterkommission hat im Aktenbestand der Kreisverwaltung kein Schriftgut hinterlassen. Sein Verbleib ist unbekannt. Für Forschungen zur Industriereform sind daher lediglich die Quellen über den Landkreis Grimma heranzuziehen, die sich in dem im Staatsarchiv Dresden verwahrten Aktenbestand der Landeskommission zur Durchführung der Befehle 124/126 der SMAD von 1945 befinden.
Neben den Quellen über die Durchsetzung der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung auf Kreis- und Gemeindeebene bietet der Bestand der Kreisverwaltung Grimma aber noch vielfältige andere Auswertungsmöglichkeiten. Der Aktenbestand ermöglicht Spezialuntersuchungen über die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des gesamten Landkreises oder einer einzelnen Gemeinde. Besonders auf die für über 100 Gemeinden überlieferten Gemeindeakten sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. Aus ihnen sind viele Einzelangaben, u. a. über die politische und wirtschaftliche Lage der Gemeinde, über Finanzlage und Schulverhältnis sowie über die politische Zusammensetzung und Tätigkeit der Gemeindevertretungen enthalten.
Darüber hinaus können aus dem archivwürdigen Schriftgut des Strukturteils Wirtschaft zahlreiche Einzelprobleme erforscht werden, so u. a. der Wiederaufbau der Wirtschaft im Landkreis, die Herausbildung und Festigung des volkseigenen Sektors in der Industrie, der Beginn und die Erfolge der Planwirtschaft, die Lage von Privatindustrie und Handwerk im Landkreis sowie die Zahlung von Reparationen an die sowjetische Besatzungsmacht.
Auch der Strukturteil Land- und Forstwirtschaft (ohne Bodenreform) beinhaltet aussagekräftige Archivalien über die Lage der Landwirtschaft, insbesondere zu Planung und Betriebswirtschaft, über Anbau und Ernteergebnisse, über Viehwirtschaft, über die Lage und Unterstützungsmaßnahmen für Neubauern, über die sozial Zusammensetzung der Bauernschaft in den Dörfern, über die Politik gegenüber den Großbauern in dieser Zeit und über die Erfassungs- und Aufkaufspolitik bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Relativ gering ist die Überlieferung zum Sozial- und Gesundheitswesen, die u. a. Auskunft über die Eingliederung der zahlreichen Umsiedler im Landkreis sowie über den Neuaufbau des Gesundheitswesens gibt.
Für die Benutzung muss abschließend noch darauf hingewiesen werden, dass sich Unterlagen zu einem bestimmten Themenkomplex oft an mehreren Stellen bzw. in verschiedenen Aktengruppen innerhalb des Bestandes befinden können. Dies trifft insbesondere für den Strukturteil "Büro des Landrates" zu. Beim Landrat als Leiter der Verwaltung wurden viele Vorgänge übergreifend bearbeitet, zu denen aber auch noch bei den einzelnen Fachabteilungen Unterlagen vorhanden sind. Ebenso spiegeln die Sitzungsniederschriften des Kreistages sowie die Protokolle der Kreistagsausschüsse die Tätigkeit der Kreisverwaltung in ihrer Gesamtheit wider.
E. Piersig/31. März 1967
M. Bähr/18. Dezember 2009
Der nordwestsächsische Landkreis Grimma, der im Jahre 1873 im Zuge der Neueinteilung der lokalen Verwaltungsbezirke in Sachsen entstanden war, nahm hinsichtlich seiner Flächengröße (832,02 km2 ) und seiner Gemeindezahl (1945: 159 Gemeinden) bis zum Jahre 1952 unter allen sächsischen Landkreisen die zweite Stelle ein. Für die innere Verwaltung des Kreisgebietes war bis 1945 die gleichnamige Amtshauptmannschaft zuständig, die 1939 in "Der Landrat des Landkreises" umbenannt wurde.
Im Rahmen des Neuaufbaues einer antifaschistisch-demokratischen Gesellschaftsordnung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands entstanden auch auf dem Territorium des Landkreises Grimma demokratische Verwaltungsorgane. An die Stelle der bisherigen Amtshauptmannschaft trat schon seit dem Frühjahr 1945 die Kreisverwaltung für die eigenverantwortliche Leitung der inneren Verwaltung des Landkreises.
Bedingt durch die großen gesellschaftlichen Umwälzungen der Jahre nach 1945 verliefen die Geschicke der Kreisverwaltung zunächst jedoch in einem ständigen Auf und Ab. Eine geordnete und einheitliche Verwaltung des gesamten Kreisgebietes durch eine Kreisbehörde war zunächst überhaupt nicht möglich, da der Landkreis von April bis Juli 1945 sowohl von den sowjetischen als auch von den amerikanischen Truppen besetzt war. Die vereinigte Mulde bildete damals die Demarkationslinie zwischen sowjetischem und amerikanischem Besatzungsgebiet. Dadurch entstanden für die Verwaltung des Landkreises zunächst zwei Landratsämter: Am 28. April 1945 nahm bereits im amerikanisch besetzten Teil des Landkreises das bisherige Landratsamt Grimma unter neuer personeller Leitung und unter veränderter Aufgabenstellung seine Tätigkeit wieder auf. Im östlichen Kreisgebiet wurde dagegen Anfang Mai 1945 auf Anordnung der sowjetischen Militärverwaltung in Wurzen ein weiteres Landratsamt gebildet. Erst nach Abzug der amerikanischen Besatzungsmacht konnten beide Teile des Landkreises Anfang Juli 1945 zusammengeführt werden. Die Auflösung und die endgültige Abwicklung des Landratsamtes Wurzen zog sich aber noch bis zum Frühjahr 1946 hin. Das zeitweilige Bestehen zweier Kreisverwaltungen auf dem Territorium des Landkreises Grimma war für dessen einheitliche politische und wirtschaftliche Entwicklung von folgenschwerer Bedeutung. Da im amerikanisch besetzten Gebiet die Entnazifizierung nur schleppend durchgeführt wurde, verlief die demokratische Neugestaltung in beiden Teilkreisen in unterschiedlicher Weise und wurde im westlichen Teil anfänglich bedeutend verzögert. Aber auch in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht waren dem Landkreis große Schäden erwachsen. Doppelte Verwaltungskosten, unsachgemäße Verwaltungsführung und Steuerausfälle verursachten dem Landkreis bedeutende wirtschaftliche Rückschläge und finanzielle Unkosten.
Trotz der anfänglichen doppelten Besetzung des Landkreises waren aber die demokratischen Kräfte in beiden Teilen des Kreisgebietes nicht müßig gewesen, obgleich ihrer Tätigkeit im amerikanischen Besatzungsgebiet erhebliche Schwierigkeiten bereitet wurden. Schon zwischen Mitte und Ende Mai 1945 hatte sich in Grimma ein Volksfrontausschuss gebildet, der sich in einem Aufruf an die Bevölkerung des gesamten Kreisgebietes wandte. Darin wurde die vollständige Ausrottung der Überreste des Faschismus, die noch in "allen Amtsstuben und Dienststellen sein Unwesen treibt", gefordert. Zu diesem Zwecke waren sofort in allen Gemeinden Volksausschüsse zu bilden, die ihre Arbeit gemäß den von der KPD entwickelten Prinzipien der antifaschistischen Volksfront aufnehmen sollten.
Die Aktivität der das ganze Kreisgebiet erfassenden und unter der Führung der KPD stehen-den Volksfrontausschüsse zeigte schon bald sichtbare Erfolge, da unmittelbar nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen auf Vorschlag der KPD und auf der Grundlage ihres Aktionsprogramms vom 11. Juni 1945 ein gemeinsamer Arbeitsausschuss zwischen KPD und SPD gebildet wurde. Damit war im Landkreis Grimma der Grundstein für die bevorstehende Vereinigung beider Arbeiterparteien gelegt. Darüber hinaus begann sich unter einheitlicher Führung der Arbeiterklasse auch im westlichen Teile des Landkreises das politische Kräfteverhältnis grundlegend zu verändern.
Nachdem Anfang Juli 1945 der Landkreis Grimma wieder unter eine einheitliche Verwaltung gekommen war, konnte nunmehr auch eine kontinuierliche Entwicklung der Kreisverwaltung einsetzen. Dabei erstreckte sich der Aufbau des neuen Staatsapparates über einen längeren Zeitraum und durchlief bis zu seiner vollständigen Ausbildung mehrere Etappen. Die neuen Verwaltungsorgane waren nicht sofort voll ausgebildet, sondern sie entwickelten sich schrittweise mit den neuen Aufgaben der Staatsmacht. Die Kreisverwaltung wurde also erst allmählich den neuen gesellschaftlichen und ökonomischen Beziehungen angepasst. In diesem Zusammenhang spielten die Entnazifizierung und die Umerziehung eines Teiles der Angestellten, die sich zu antifaschistisch-demokratischen Ort bekannten, eine entscheidende Rolle.
Die Kreisverwaltung unterlag in diesem mehrjährigen Prozess vielfachen strukturellen Veränderungen. Dadurch, dass in ihr letzten Endes ein großer Teil der vorher selbstständigen Verwaltungsbehörden in der lokalen Instanz zusammengefasst wurden, unterschied sie sich schließlich grundlegend von der Amtshauptmannschaft aus der Zeit vor 1945. Die Konzentration der gesamten unteren Verwaltung in einer Kreisbehörde führte zu ihrem erheblichen Bedeutungszuwachs. An ehemals lokalen Sonderbehörden auf Kreisebene wurden von 1945 bis 1948 im Wesentlichen folgende in die Kreisverwaltung eingegliedert: Kreisbauernschaft (Juni 1945), Kreisgesundheitsamt (September 1945), Finanzamt (Mai 1946), Bezirkstierarzt (Veterinäramt), Eichamt, Arbeitsamt, Bezirkschulrat, Straßen- und Wasserbauamt und Katasteramt. Daneben entstanden zur Durchführung der dem Landrat im Zusammenhang mit der Durchset-zung der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung neu übertragenen Aufgaben eine Reihe spezieller Dienststellen und Abteilungen, die als Strukturteile in die Kreisverwaltung eingingen. So wurden im September 1945 die Kreisbodenkommission, im Oktober 1945 die Kreissequesterkommission und Ende 1946 die Kreisentnazifizierungskommission errichtet.
Die Lösung der zeitbedingten Ernährungs-, Wirtschafts- und Umsiedlerprobleme wurde durch andere spezielle Dienststellen ermöglicht. So entstand z. B. bei der Kreisverwaltung schon im Oktober 1945 ein Umsiedlerstab, der im Sommer 1947 zum Umsiedleramt erweitert wurde. Im September 1945 wurden ein völlig neues, bisher nicht bestehendes Wirtschafts- und Wiederaufbauamt und im März 1946 ein selbstständiges Amt für Handel und Versorgung innerhalb der Kreisverwaltung errichtet.
Nachdem sich bis zum Herbst 1946 die neuen Verwaltungsorgane weitgehend konsolidiert hatten und entscheidende Maßnahmen in der Durchsetzung der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung durchgeführt worden waren, gab die sowjetische Militärverwaltung auf Vorschlag der demokratischen Parteien der Bevölkerung Gelegenheit, sich Volksvertretungen zu wählen. Oberstes Willens- und Beschlussorgan des Kreises und demokratische Vertretungskörperschaft der Bevölkerung wurde nunmehr der Kreistag. Als sein führendes Organ trat an die Stelle der bisher durch den Landrat monokratisch geleiteten Kreisverwaltung der vom Kreistag demokratisch gewählte Kreisrat, der eine kollegial organisierte Dienststelle war. Der Kreisrat setzte sich aus dem Landrat als Leiter und Dienstvorgesetzter und einer Anzahl von meist besoldeten Kreisräten zusammen, die jeweils ein oder mehrere Dezernate der Kreisverwaltung leiteten.
Mit dem Übergang von der rein administrativen Verwaltung zur parlamentarisch-demokratischen Tätigkeit erhielten die Kreise neben den bisher bereits wahrgenommenen Auftragsangelegenheiten eine Reihe wichtiger Selbstverwaltungsaufgaben übertragen. Der Landkreis war nunmehr in erster Linie Selbstverwaltungsorgan und in diesem Zusammenhang außer der sowjetischen Besatzungsmacht nur dem Landtag rechenschaftspflichtig.
Die Bewältigung der mit der Selbstverwaltung verbundenen vermehrten Aufgaben in allen wichtigen Lebensbereichen wie Landwirtschaft, Ernährung, Wirtschaft, Bau-, Sozial-, Umsiedler- und Schulwesen sowie die weitere Durchführung und Beendigung der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung konnte nur mit einem entsprechend aufgebauten und gegliederten Verwaltungsapparat gelöst werden. Die Zuständigkeits- und Aufgabenerweiterung erforderten sowohl die Errichtung neuer Strukturteile als auch die Ausdehnung bisher bestehender Sachgebiete zu Referaten und Abteilungen. Daher war die Landkreisverwaltung auch in der Folgezeit wieder manchen organisatorischen Änderungen unterworfen, die teilweise eine innere Umstrukturierung der Behörde und eine Neuaufteilung der Aufgabengebiete zur Folge hatten. Von Bedeutung für die Arbeit der Landkreisverwaltung Grimma war in diesem Zusammenhang die im Frühjahr 1947 verwirklichte Eingliederung der bisher kreisfreien Stadt Wurzen in den Landkreis.
Im Jahre 1948 musste die Tätigkeit des im Verlaufe der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung entstandenen Verwaltungsapparates erneut auf eine höhere Stufe gestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte nämlich durch den Abschluss der wichtigsten Teile der demokratischen Reformen die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in der Sowjetischen Besatzungszone einen solchen Stand erreicht, dass weitere Fortschritte nur durch die Zusammenfassung aller Kräfte und Möglichkeiten und durch die Anwendung neuer Methoden erreicht werden konnten. In der zweiten Hälfte des Jahres 1948 wurde deshalb mit dem Halbjahresplan der Übergang zur Planwirtschaft vollzogen.
Der Beginn der langfristigen Planung in der Industrie bedurfte neuer Formen der zentralen staatlichen Leitung der Wirtschaft. Diese wurden durch die Gründung der Deutschen Wirtschaftskommission und durch die koordinierende Tätigkeit verwirklicht. Die erfolgreiche Durchführung der Pläne konnte aber nur dann restlos gewährleistet werden, wenn nicht nur die Wirtschaft sondern auch der Staatsapparat entsprechende Organisationsformen besaß. Daher bemühte sich die Deutsche Wirtschaftskommission in der Folgezeit durch die Herausgabe von Normalstrukturplänen, einen einheitlichen Verwaltungsaufbau auf allen Verwaltungsebenen zu schaffen. In ihnen wurde der ökonomischen Entwicklung, die zu einem weiteren wirtschaftlichen Zusammenschluss drängte, Rechnung getragen und alle wichtigen Planungsorgane wie Wirtschaftsplanung, Materialversorgung, Kontrolle und Statistik, die zur Lösung der Planaufgaben bei den Verwaltungen entstanden waren, dem jeweiligen Leiter bzw. Landrat direkt unterstellt. Damit verstärkte sich sowohl deren koordinierende Tätigkeit als auch deren Verantwortung für die Durchführung des Volkswirtschaftsplanes in ihrem Verwaltungsbereich. Auch im Landkreis Grimma vollzog sich diese Entwicklung, die sich darin ausdrückte, dass nach und nach unmittelbar unter dem Landrat die wichtigsten Strukturteile und Dienststellen der Kreisverwaltung zusammengefasst wurden.
Diese Tendenz hielt bis zur Neugliederung der Kreisverwaltung im Jahre 1952 an. In Auswirkung des Beschlusses der 2. Parteikonferenz der SED, im Jahre 1952 mit dem Aufbau des So-zialismus in der DDR zu beginnen, wurde durch Gesetz vom 25. Juli 1952 in der DDR eine demokratische Verwaltungsreform durchgeführt. Da die überlieferte, oft historisch zufällig entstandene Verwaltungsgliederung nicht mehr den ökonomischen und gesellschaftlichen Er-fordernissen entsprach, wurden die Länder aufgelöst und an ihrer Stelle Bezirke gebildet. Diese gliederten sich in Kreise, die jetzt kleiner waren als die bis 1952 bestehenden. Aus den nordöstlichen Teilen des Landkreises Grimma wurde ein selbstständiger Landkreis Wurzen gebildet. Außerdem gingen einzelne Gemeinden des Landkreises Grimma an benachbarte Kreise, so an die Landkreise Leipzig-Land und Döbeln, über.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Da durch die demokratische Verwaltungsreform von 1952 eine Verwaltungstätigkeit auf einer höheren Stufe mit einer neuen Qualität begann, schließen die Aktenbestände der Kreisverwaltungen, so auch der der Kreisverwaltung Grimma, mit diesem Zeitpunkt ab. Ihr in den Jahren 1945 bis 1952 erwachsenes Schriftgut wurde auf Grund der archivgesetzlichen Bestimmungen von den dafür zuständigen Staatsarchiven übernommen, während das Aktenmaterial der Räte der Kreise ab 1952 in den jeweiligen Kreisarchiven verblieb.
Das Schriftgut der Kreisverwaltung Grimma wurde in den Jahren 1963 bis 1965 in mehreren Etappen vom Kreisarchiv Grimma an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben. 1983 erfolgte eine weitere Übernahme im Umfang von 9,5 lfm. In den 90-er Jahren gelangten weitere kleinere Nachträge zum Bestand. Der ursprüngliche Umfang des Bestandes betrug 1965 vor der Kassation 121,5 lfm. Nach der Aussonderung allen nichtwürdigen Schriftgutes von insgesamt 65,5 lfm und der Abgabe von 7 lfm durch vorgenommene Bestandsabgrenzung an andere Bestände verblieb ein archivwürdiger Bestand von 49 lfm. Durch die Einarbeitung der Nachträge nach 1967 erhöhte sich der Umfang auf 53,5 lfm.
Infolge der vielfachen Veränderungen in der Verwaltungsstruktur der Behörde weist der Aktenbestand keine feste Registraturordnung auf. Die nur bruchstückhaft überlieferte Regis-traturgliederung konnte deshalb bei der archivischen Bearbeitung nicht als Ordnungsgrundlage Verwendung finden. Es musste vielmehr ein vollkommen neues Ordnungsschema entwickelt werden, das im Wesentlichen die Aufgabenbereiche der Kreisverwaltung berücksichtigt, dagegen aber die vielfachen Strukturveränderungen außer Betracht lässt. Dieses Ordnungsschema wurde so elastisch gestaltet, dass es infolge der gleichgelagerten Verhältnisse bei den anderen nordwestsächsischen Kreisverwaltungen auch für deren Ordnung angewendet werden konnte.
Ordnung, Verzeichnung (unter Anwendung differenzierter Methoden und weitgehender Intensivverzeichnung mittels ausführlicher Enthält-Vermerke) und technische Bearbeitung des Bestandes sind von dem Unterzeichneten in der Zeit vom 1. April 1965 bis 30. Juni 1966 (mit größeren arbeitsbedingten Unterbrechungen) durchgeführt worden. Als unmittelbares Ergebnis der Bearbeitung entstand dabei eine behördengeschichtlich und quellenkundlich orientierte Staatsexamensarbeit über die Kreisverwaltung Grimma in der Zeit der 1. und 2. Etappe der Periode der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung (Mai 1945 - März 1948), die besonders die Quellen, die Auskunft über die Durchführung der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung im Landkreis Grimma geben, berücksichtigte und ausführlich beschrieb.
Bei dem Bestand Kreistag/Kreisrat Grimma handelt es sich um einen zusammengefassten Bestand. Neben den Unterlagen der Landkreisverwaltung beinhaltet er die Unterlagen des Kreistages (ab 1947), dessen "Vorparlamente" (Kreisausschuss und beratende Versammlung) sowie das Schriftgut der ehemals eigenständigen Sonderbehörden. Enthalten ist außerdem die Überlieferung von Boden- und Wassergenossenschaften bzw. -verbänden einschließlich von Gewässerkarten. Das diese Unterlagen aus dem Bereich der Wasserwirtschaft in ihrer Gesamtheit als Vorakten in die Registratur des Rates des Kreises eingingen führt dazu, dass hier die Überlieferung z. T. bis zum Beginn des 20. Jahrhundert zurückreicht. Auch einige Gemeindeakten beginnen in ihrer Laufzeit vor 1945. Einzelne Flurkarten sind im 19. Jahrhundert entstanden.
Überlieferungsschwerpunkte
Da die Kreisverwaltung Grimma die Dienststelle innerhalb des Kreisgebietes war, die für die gesamte innere Verwaltung des Landkreises eigenverantwortlich zeichnete, bietet die archivalische Überlieferung vielfältige Auswertungsmöglichkeiten zur Geschichte des Landkreises in den Jahren von 1945 bis 1952. Durch die Eingliederung bisher auf Kreisebene selbstständig bestehender Spezialbehörden, wie z. B. Bezirksschulrat, Kreisbauernschaft, Kreisgesundheitsamt, Finanzamt und der Sozialverwaltung (einschließlich Umsiedlerwesen) in die Kreisverwaltung erfuhr diese eine wesentliche Aufgabenerweiterung, so dass sie schließlich gegenüber der früheren Amtshauptmannschaft einen wesentlich größeren Verantwortungsbereich hatte. Diese Aufgabenvermehrung spiegelt sich auch in der Schriftgutüberlieferung wider. Im Allgemeinen ist die Quellenlage zu den einzelnen Aufgabenbereichen der Kreisverwaltung als gut zu bezeichnen. Da das Schwergewicht der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung unmittelbar von der örtlichen Ebene ausging, sind besonders die Primärquellen darüber in der Schriftgutüberlieferung des Aktenbestandes vorhanden. Die über die Herausbildung und Festigung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung überlieferten Archivalien sind sehr aussagekräftig.
Infolge der überwiegend agrarischen Struktur des Landkreises und des verhältnismäßig stark ausgeprägten Großgrundbesitzes kommt den Quellen über die Bodenreform besondere Bedeutung zu, da mit ihnen die Durchführung der Bodenreform in fast jeder Gemeinde dokumentiert werden kann. Solche bis ins Detail gehende Quellen zur Bodenreform sind nur bei den Beständen der Kreisverwaltungen zu finden, da das Schriftgut der Landesbodenkommission in der Regel nur Angaben in zusammengefasster Form, also nicht hinunter bis zur einzelnen Gemeinde, enthält. Die Quellenlage ermöglicht es, alle Phasen der Bodenreform von der Erfassung und Aufteilung des Bodens bis zur Neubauernhilfe und der Entwicklung von Maschinen-Ausleih-Stationen darzustellen.
Nicht minder aussagekräftig sind die Archivalien über die Entnazifizierung von Verwaltung und Wirtschaft. Die verschiedenen Etappen der Entnazifizierung lassen sich aus verschiedenen Quellenarten ablesen. Besonders hervorzuheben sind hierbei die fast lückenlos überlieferten Protokolle der Kreisentnazifizierungskommission. Statistische Berichte und Zusammenstellungen geben darüber hinaus Auskunft über die Durchführung der Entnazifizierung in den Gemeinde- und Stadtverwaltungen sowie den Industrie-, Handels- und Handwerksbetrieben des Landkreises. Über die Entnazifizierung der Kreisverwaltung selbst konnten dagegen nur vereinzelte Materialien festgestellt werden.
Die demokratische Schulreform hat einen besonders reichen Aktenniederschlag hinterlassen. Fast ein Viertel der Unterlagen des gesamten Bestandes informiert über die Neuordnung des Schulwesens, über die Ausbildung von Neulehrern und insbesondere über die Schulverhältnisse in den einzelnen Gemeinden. Die schulische Entwicklung fast jeder Gemeinde in der Periode der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung kann relativ umfassend dargestellt werden.
Während Bodenreform, Entnazifizierung und Schulreform quellenmäßig gut belegt sind, fehlt fast vollständig die schriftliche Überlieferung zur Industriereform. Der Landkreis Grimma war zwar kein besonders industriell geprägter Landkreis, aber auch in ihm sind verschiedene größere Industriebetriebe im Rahmen des Volksentscheides vom Juni 1946 enteignet und in volkseigene Betriebe übergeben worden. Die die Enteignung vorbereitende Kreissequesterkommission hat im Aktenbestand der Kreisverwaltung kein Schriftgut hinterlassen. Sein Verbleib ist unbekannt. Für Forschungen zur Industriereform sind daher lediglich die Quellen über den Landkreis Grimma heranzuziehen, die sich in dem im Staatsarchiv Dresden verwahrten Aktenbestand der Landeskommission zur Durchführung der Befehle 124/126 der SMAD von 1945 befinden.
Neben den Quellen über die Durchsetzung der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung auf Kreis- und Gemeindeebene bietet der Bestand der Kreisverwaltung Grimma aber noch vielfältige andere Auswertungsmöglichkeiten. Der Aktenbestand ermöglicht Spezialuntersuchungen über die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des gesamten Landkreises oder einer einzelnen Gemeinde. Besonders auf die für über 100 Gemeinden überlieferten Gemeindeakten sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. Aus ihnen sind viele Einzelangaben, u. a. über die politische und wirtschaftliche Lage der Gemeinde, über Finanzlage und Schulverhältnis sowie über die politische Zusammensetzung und Tätigkeit der Gemeindevertretungen enthalten.
Darüber hinaus können aus dem archivwürdigen Schriftgut des Strukturteils Wirtschaft zahlreiche Einzelprobleme erforscht werden, so u. a. der Wiederaufbau der Wirtschaft im Landkreis, die Herausbildung und Festigung des volkseigenen Sektors in der Industrie, der Beginn und die Erfolge der Planwirtschaft, die Lage von Privatindustrie und Handwerk im Landkreis sowie die Zahlung von Reparationen an die sowjetische Besatzungsmacht.
Auch der Strukturteil Land- und Forstwirtschaft (ohne Bodenreform) beinhaltet aussagekräftige Archivalien über die Lage der Landwirtschaft, insbesondere zu Planung und Betriebswirtschaft, über Anbau und Ernteergebnisse, über Viehwirtschaft, über die Lage und Unterstützungsmaßnahmen für Neubauern, über die sozial Zusammensetzung der Bauernschaft in den Dörfern, über die Politik gegenüber den Großbauern in dieser Zeit und über die Erfassungs- und Aufkaufspolitik bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen.
Relativ gering ist die Überlieferung zum Sozial- und Gesundheitswesen, die u. a. Auskunft über die Eingliederung der zahlreichen Umsiedler im Landkreis sowie über den Neuaufbau des Gesundheitswesens gibt.
Für die Benutzung muss abschließend noch darauf hingewiesen werden, dass sich Unterlagen zu einem bestimmten Themenkomplex oft an mehreren Stellen bzw. in verschiedenen Aktengruppen innerhalb des Bestandes befinden können. Dies trifft insbesondere für den Strukturteil "Büro des Landrates" zu. Beim Landrat als Leiter der Verwaltung wurden viele Vorgänge übergreifend bearbeitet, zu denen aber auch noch bei den einzelnen Fachabteilungen Unterlagen vorhanden sind. Ebenso spiegeln die Sitzungsniederschriften des Kreistages sowie die Protokolle der Kreistagsausschüsse die Tätigkeit der Kreisverwaltung in ihrer Gesamtheit wider.
E. Piersig/31. März 1967
M. Bähr/18. Dezember 2009
Kreistagsbüro.- Sitzungen und Ausschüsse des Kreistages.- Zusammenarbeit mit der Sowjetischen Militärverwaltung und der Landesregierung.- Leitung, Organisation und Information.- Personal und Umschulung.- Entnazifizierung.- Wahlen, Statistik und Personenstandswesen.- Anleitung der Gemeinden.- Kreis- und Gemeindehaushalt.- Steuern und Abgaben.- Vermögenssequestrierungen und Enteignungen.- Bodenreform.- Land- und Forstwirtschaft.- Wasserwirtschaft.- Örtliche Industrie, Bauwesen, Verkehr, Handwerk und Gewerbe.- Handel und Versorgung.- Wohnungswesen.- Eingliederung von Umsiedlern.- Gesundheits- und Sozialwesen.- Berufsausbildung.- Arbeitskräfteplanung und -lenkung.- Volksbildung.- Jugend, Kultur und Sport.
Der 1945 neu strukturierte Landkreis Grimma ging auf die 1874 gebildete gleichnamige Amtshauptmannschaft zurück. Bis Ende Juni 1945 standen die westlich der Mulde gelegenen Gebiete des Landkreises unter amerikanischer Besatzung. Da die Leitung der östlich gelegenen sowjetisch besetzten Gebiete des Landkreises vom Sitz des Landratsamts in Grimma (amerikanisch besetzt) nicht möglich war, wurde für diese etwa 50 Prozent des Kreisgebiets umfassende Region vorübergehend in Wurzen ein Landrat installiert, der seine Amtsgeschäfte unabhängig vom Landrat in Grimma führte. Dieses Interim blieb über den Abzug der Amerikaner hinaus bis Anfang 1946 bestehen. Anfang 1947 ging die bis dahin kreisfreie Stadt Wurzen im Landkreis Grimma auf. Zwischen 1948 und 1952 erfolgten im Kreisgebiet Zusammenlegungen bzw. Eingemeindungen von 46 Orten. Im August 1952 wurde im Zuge der Bezirksbildung und Neugliederung der Kreise der frühere Landkreis Grimma halbiert und aus seinen nördlichen Gebieten der Kreis Wurzen gebildet.
Weiter Angaben siehe 3.4.
Weiter Angaben siehe 3.4.
- 2009 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5