Beständeübersicht
Bestand
20235 Kreistag / Kreisrat Oschatz
Datierung | (1925 - 1943) 1945 - 1962 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 21,94 |
Zur Geschichte von Kreistag und Landkreisverwaltung Oschatz nach 1945
Der Neuaufbau kommunaler Verwaltungen in der Sowjetischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von grundlegenden Umbrüchen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens begleitet. An die Stelle der seit 1874 bestehenden Amtshauptmannschaft Oschatz (seit 1939 Landkreis) trat seit dem Frühjahr 1945 die Kreisverwaltung Oschatz. Seit Ende April/Anfang Mai 1945 stand der Landkreis unter sowjetischer Militärverwaltung.
Die wirtschaftliche und soziale Struktur des Landkreises wurde durch die chemische Industrie, den Maschinenbau, die Leichtindustrie, das Berg- und Hüttenwesen (Kaolinwerke Kemmlitz) wie auch von der Landwirtschaft (Pflanzen- und Tierproduktion, Gartenbau) bestimmt. Hergestellt wurden u. a. Kaolin, technische Filze, Türen und Fenster, Waagen, Kinderbekleidung und Hausschuhe.
Nach der Volks- und Berufszählung in der sowjetischen Besatzungszone vom Oktober 1946 betrug die Wohnbevölkerung im Landkreis Oschatz damals 84.381 Einwohner. [01] Zum 1. Januar 1948 umfasste die Fläche des Kreises 565,58 km². Der Landkreis bestand aus 118 Gemeinden, davon die Städte Dahlen, Mügeln, Oschatz und Strehla. Im Juli 1950 erfolgte die Eingemeindungen bzw. Zusammenlegungen von 31 kreisangehörigen Gemeinden. Außerdem wechselten zwei Gemeinden in den Landkreis Döbeln.
Die Landkreisverwaltung unterlag in ihrem Entwicklungsprozess vielfachen strukturellen Änderungen. Die Konzentration der regionalen Verwaltung in einer Kreisbehörde führte zu einem erheblichen Bedeutungszuwachs. Ehemals selbständige untere staatliche Sonderbehörden, wie z. B. Arbeits-, Gesundheits-, Finanz-, Steuer-, Kataster- und Vermessungsämter, wurden in die Kreisverwaltung eingegliedert. Damit erstreckte sich die Zuständigkeit auf annähernd alle öffentliche Bereiche im Kreisgebiet. Daneben entstanden entsprechend der politischen und zeitbedingten Aufgabenstellung eine Reihe spezieller Einrichtungen und Abteilungen, die als Strukturteile in die Kreisverwaltung eingingen, wie z. B. die Kreisboden-, Kreissequester- und Kreisentnazifizierungskommission, das Umsiedler- und Wiederaufbauamt. Die Behördenbezeichnung für die Kreisverwaltungen wechselte mehrfach. So galt 1945/46 noch der alte Begriff "Der Landrat". Ab April 1946 wurde der Name "Landratsamt" verbindlich. Zwischen 1947 und 1951 hieß die Kreisbehörde "Kreisrat" und danach "Rat des Kreises" bzw. "Rat des Landkreises". Die Rechts- und Fachaufsicht über die Landkreise lag unmittelbar beim Sächsischen Ministerium des Innern.
Der Aufbau der neuen Kommunalverwaltung erfolgte in den ersten Wochen und Monaten unter Leitung der sowjetischen Kreiskommandantur mit Unterstützung von Ausschüssen, die die Verbindung von Verwaltung und Bevölkerung herstellen sollten und beratende Funktion hatten. Erste Aufgabe war es, Betriebe und Versorgungseinrichtungen wieder in Gang zu setzen sowie die Entnazifizierung der öffentlichen Verwaltung einzuleiten. Parallel dazu musste die Versorgung der Besatzungstruppen und -verwaltung gesichert werden. Die erste Reparationswelle kam zum Tragen.
Auf der Grundlage der "Verordnung zur Bildung von beratenden repräsentativen Körperschaften bei der Landesverwaltung und den Selbstverwaltungen im Bundesland Sachsen" vom 13. Mai 1946 entstanden Beratende Versammlungen bei den Verwaltungsorganen der Länder, Städte, Kreise und Gemeinden. [02] Die Beratenden Versammlungen stellten ein "Vorparlament" dar. Sie bestanden wie die Kreisausschüsse nur eine historisch relativ kurze Zeit, da sie im Herbst 1946 durch gewählte Körperschaften abgelöst wurden.
Rechtliche Grundlage für die Arbeit der Kreisverwaltungen war die vom Sächsischen Landtag beschlossenen "Demokratische Kreisordnung für das Land Sachsen" vom 16. Januar1947. [03] Nach der neuen Kreisordnung bildeten die Landgemeinden, einschließlich der nichtkreisfreien Städte, den Landkreis. Die Kreise waren Gebietskörperschaften, die sämtliche Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen hatten, die von den kreisangehörigen Gemeinden nicht direkt erfüllt werden konnten und sie hatten auf ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zu erfüllen.
Mit den Gemeinde- sowie Kreistags- und Landtagswahlen im Herbst 1946 wurden Volksvertretungen gewählt. Oberstes Beschlussorgan auf Kreisebene war nunmehr der Kreistag, der sich jedoch im Rahmen der vom Sächsischen Landtag beschlossenen Gesetze und Verordnungen bewegen musste und der durch Befehle der Besatzungsmacht eingeschränkt wurde. Die Zahl der Kreistagsmitglieder des Landkreises Oschatz betrug 50. [04] Der Kreistag wählte den Landrat als Vorsitzenden des ihm unterstellten Kreisrates. Die Kreisverwaltung Oschatz bestand aus dem Landrat, zwei Stellvertretern und vier weiteren Kreisräten, die jeweils ein oder mehrere Dezernate der Kreisverwaltung leiteten. Der Landrat war Dienstvorgesetzter sowohl für alle Kreisangestellten als auch für die Mitglieder des Kreisrates. Er vertrat im Auftrag des Kreistages den Kreis nach außen. Insbesondere regelte er die Zusammenarbeit mit der Landesregierung und den Dienststellen der Sowjetischen Militäradministration.
Bis zum 14. Mai 1945 blieb in Oschatz der alte Landrat Dr. Helmuth Haupt mit seinem Dienstpersonal im Amt. Ab 15. Mai 1945 übernahm Johann Reinhard, der bereits seit dem 10. Mai die Funktion als 1. Bürgermeisters von Oschatz inne hatte, auf Anordnung des sowjetischen Stadt- und Kreiskommandanten Petrosjan zusätzlich die Funktion des kommissarischen Landrates. [05] Leitungsfunktionen im Landratsamt erhielten für kurze Zeit auch andere Beauftragte der Stadtverwaltung, bevor im August 1945 die personelle Trennung zwischen Stadt- und Kreisverwaltung Oschatz vorgenommen wurde.
Auf der 1. Kreistagssitzung am 11. Februar 1947 wurde Johann Reinhard (SED) als Landrat gewählt. Kreistagsvorsitzender wurde Walter Stange (SED) aus Oschatz. [06]
Im Dezember 1947 bestand die Verwaltung des Kreisrates Oschatz aus den folgenden sechs Dezernaten (Ämter), die in Abteilungen und Sachgebiete untergliedert waren:
Amt für allgemeine Verwaltung und Volksbildung
Amt für Handel und Versorgung
Amt für Sozialfürsorge
Amt für Wirtschaft und Arbeit
Amt für Land- und Forstwirtschaft
Kreisfinanzamt
Der Personalbestand der Landkreisverwaltung Döbeln betrug zum gleichen Zeitpunkt 305 Beschäftigte. [07]
Die kommunale Handlungsfreiheit wurde seit 1948 im Zuge der zentralistischen Umstrukturierung des politisch-administrativen Systems in der Sowjetischen Besatzungszone (Eingriffe von Zentralverwaltungen und Deutscher Wirtschaftskommission) immer mehr eingeengt. Einschränkungen gab es zuerst auf dem Gebiet der Polizei und des Schulwesens, später auch im Finanzbereich.
Im Zuge der Auflösung des Landes Sachsen auf Grund des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR vom 23. Juli 1952 lösten territorial neu gegliederte Kreise und Bezirke die alten Verwaltungsstrukturen ab. So wurden die östlich gelegenen Teile des Landkreises Oschatz mit der Stadt Strehla dem neu geschaffenen Kreis Riesa sowie einige Gemeinden an der südlichen Kreisgrenze dem Kreis Döbeln zugeordnet. Dazu kamen je drei Gemeinden aus dem Landkreis Grimma und dem Landkreis Torgau.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Die Unterlagen der Landkreisverwaltung Oschatz wurden im Zeitraum 1965 - 1967 vom Kreisarchiv Oschatz an das Staatsarchiv Leipzig übergeben. Der Umfang der Unterlagen betrug ursprünglich ca. 61 lfm. Eine erste Bewertung der Unterlagen fand bereits vor der Übergabe der Unterlagen an das Staatsarchiv im Kreisarchiv statt, wobei ca. 30 lfm Schriftgut ausgesondert wurde. Weitere Bewertungsmaßnahmen erfolgten im Zuge der Erschließungsarbeiten. Ausgesondert wurden dabei v. a. Mehrfachüberlieferungen, operativer Schriftverkehr sowie Einzelinformationen bei Vorliegen aggregierter Zusammenfassungen. Mit Unterbrechungen wurden die archivwürdigen Unterlagen zwischen 1966 und 1977 im Staatsarchiv Leipzig erschlossen. Als Ergebnis der Bearbeitung entstand ein maschinenschriftliches Findbuch ohne Einleitung. Die Unterlagen sind verfilmt.
2009 wurde der Bestand durch Retrokonversion elektronisch nutzbar gemacht. In diesem Zusammenhang wurden einige Erschließungsverbesserungen vorgenommen. Diese beziehen sich auf die Konkretisierung von Aktentiteln, die Ergänzung von Datierungen, die Fertigung eines Abkürzungsverzeichnisses sowie die Erstellung einer Einleitung. Die ursprünglich verwendete Terminologie wurde weitestgehend beibehalten. Es ist zu beachten, dass sich in einigen wenigen Fällen der Enthält-Vermerk auf eine inhaltlich zusammengehörige Aktenreihe (Serienakten) bezieht.
Bei dem Bestand Kreistag/Kreisrat Oschatz handelt es sich um einen zusammengefassten Bestand. Er enthält Unterlagen des Kreistages (ab 1947) sowie Unterlagen der "Vorparlamente" (Kreisausschuss und beratende Versammlung). Zum anderen umfasst er die Unterlagen der Landkreisverwaltung hauptsächlich aus dem Zeitraum 1945 - 1952. Provenienzstellen können dabei sein: Landrat, Landratsamt, Kreisrat, Rat des Kreises, Rat des Landkreises. Außerdem sind im Bestand Unterlagen der ehemals eigenständigen lokalen Sonderbehörden, wie Gesundheits-, Arbeits-, Steuer- und Vermessungsamt enthalten, die nach 1945 in die Kreisverwaltungen eingegliedert worden sind.
Die Klassifikation des Bestands basiert auf dem 1966 von Dr. Heinz Welsch im Staatsarchiv Leipzig erarbeiteten Gliederungsschema für den Bestandstyp Kreisverwaltung als Vorläufer des Ordnungsmodells für die Bestandsgruppe Kreistag/Kreisrat, welches seit 1982 für diesen Bestandstyp in den sächsischen Staatsarchiven Anwendung fand. [08]
Überlieferungsschwerpunkte
Die überlieferten Unterlagen bieten vielfältige Auswertungsmöglichkeiten zur Entwicklung des Kreises Oschatz im Zeitraum 1945 bis 1952. Sie spiegeln die Nachkriegssituation auf lokaler und regionaler Ebene wider, die v. a. durch den Aufbau einer antifaschistischen, personell und strukturell erneuerten Verwaltung, der Beseitigung der Kriegschäden und der Wiederherstellung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaftstätigkeit geprägt war.
Die Archivalien belegen die Durchführung der Bodenreform, die Entnazifizierung in Verwaltung und Wirtschaft, die Enteignung von "Nazi- und Kriegsverbrechern", Vermögens-sequestrierungen im Bereich der Banken und Industrie, die Neuorganisation des Schulwesens, die Entwicklung im Gesundheitswesen sowie die Währungsreform. Gut dokumentiert ist die Tätigkeit und Rolle der sowjetischen Militäradministration im Kreisgebiet.
Nahezu vollständige Protokollserien liegen für die Sitzungen des Kreistages, des Kreisrates, der Ausschüsse und Kommissionen ab 1947 vor, wobei die inhaltlichen Schwerpunkte der Beratungen und Zusammenkünfte in der Regel in den Enthält-Vermerken erfasst worden sind.
Breiten Raum nimmt die Anleitungs- und Kontrolltätigkeit der Kreisverwaltung für die Städte und Gemeinden des Kreisgebiets ein. In diesen Unterlagen spiegelt sich u. a. die Tätigkeit der Gemeindevertretungen, der Erlass von Ortssatzungen und die Änderung der Gemeindegren-zen wider.
Weitere Überlieferungsschwerpunkte sind Dokumente über den Aufbau und die Entwicklung der örtlichen Wirtschaft, die Schaffung von Kreisbetrieben und von Maschinen- und Ausleih-Stationen sowie zur Berufsausbildung im Kreis.
Die Unterlagen des Rates des Landkreises Oschatz ab 1952 befinden sich in der Außenstelle Oschatz des Kreisarchivs Nordsachsen.
Literatur
- Broszat, Martin, Weber, Hermann (Hrsg.): SBZ Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1949. R. Oldenbourg Verlag, München, 1990.
- Schöneburg, K.-H. u. a.: Vom Werden und Wachsen unseres Staates, Staatsverlag der DDR, Bd. 1 1946-1949, Berlin 1966, Bd. 2 1949-1955, Berlin, 1968.
- Grohmann, Ingrid: Erschließung des Bestandtyps "Kreistag / Kreisrat" 1945-1952 im Staatsarchiv Dresden. In: Archivmitteilungen, Potsdam 1981, Nr. 4 S. 127 ff.
- Heinz, Gerhard: Oschatz - Kriegsende 1945. Zeittafel zu den Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkrieges. Hrsg. Oschatzer Heimatverein e. V., Heft 2, 2005.
- Schubert, Sabine: Der Aufbau revolutionär-demokratischer Staatsorgane im Kreis Oschatz (1945 - 1947). Diplomarbeit. Karl-Marx-Universität Leipzig, 1976.
- Piersig, Erhard: Die Kreisverwaltung in der ersten und zweiten Etappe der Periode der antifaschistischen Umwälzung (Mai 1945 bis März 1948) und ihre archivalische Überlieferung. Eine verwaltungsgeschichtliche und quellenkundliche Untersuchung dargestellt an der Organisation und Tätigkeit der nordwestsächsischen Kreisverwaltung Grimma. Staatsexamensarbeit, Berlin 1966.
M. Bähr
Oktober 2009
[01] Volks- und Berufszählung vom 29. Oktober 1946 in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Bd. 1: Amtliches Gemeindeverzeichnis. Deutscher Zentralverlag GmbH, Berlin 1948.
[02] Gesetz- und Verordnungsblatt der Landesverwaltung Sachsen 1946, S. 242.
[03] Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen 1947, S. 22.
[04] Vgl. Hauptsatzung vom Juni 1947. In: StA-L, 20235 KT/KR Oschatz, Nr. 16.
[05] Vgl. Heinz, Gerhard, Oschatz - Kriegsende 1945, a. a. O., S. 87 ff.
[06] Vgl. StA-L, 20235 KT/KR Oschatz, Nr. 317.
[07] Vgl. StA-L, 20235 KT/KR Oschatz, Nr. 64.
[08] Grohmann, Ingrid: Erschließung des Bestandstyps Kreistag/Kreisrat 1945-1952 im Staatsarchiv Dresden. s. Literaturverzeichis.
Der Neuaufbau kommunaler Verwaltungen in der Sowjetischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von grundlegenden Umbrüchen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens begleitet. An die Stelle der seit 1874 bestehenden Amtshauptmannschaft Oschatz (seit 1939 Landkreis) trat seit dem Frühjahr 1945 die Kreisverwaltung Oschatz. Seit Ende April/Anfang Mai 1945 stand der Landkreis unter sowjetischer Militärverwaltung.
Die wirtschaftliche und soziale Struktur des Landkreises wurde durch die chemische Industrie, den Maschinenbau, die Leichtindustrie, das Berg- und Hüttenwesen (Kaolinwerke Kemmlitz) wie auch von der Landwirtschaft (Pflanzen- und Tierproduktion, Gartenbau) bestimmt. Hergestellt wurden u. a. Kaolin, technische Filze, Türen und Fenster, Waagen, Kinderbekleidung und Hausschuhe.
Nach der Volks- und Berufszählung in der sowjetischen Besatzungszone vom Oktober 1946 betrug die Wohnbevölkerung im Landkreis Oschatz damals 84.381 Einwohner. [01] Zum 1. Januar 1948 umfasste die Fläche des Kreises 565,58 km². Der Landkreis bestand aus 118 Gemeinden, davon die Städte Dahlen, Mügeln, Oschatz und Strehla. Im Juli 1950 erfolgte die Eingemeindungen bzw. Zusammenlegungen von 31 kreisangehörigen Gemeinden. Außerdem wechselten zwei Gemeinden in den Landkreis Döbeln.
Die Landkreisverwaltung unterlag in ihrem Entwicklungsprozess vielfachen strukturellen Änderungen. Die Konzentration der regionalen Verwaltung in einer Kreisbehörde führte zu einem erheblichen Bedeutungszuwachs. Ehemals selbständige untere staatliche Sonderbehörden, wie z. B. Arbeits-, Gesundheits-, Finanz-, Steuer-, Kataster- und Vermessungsämter, wurden in die Kreisverwaltung eingegliedert. Damit erstreckte sich die Zuständigkeit auf annähernd alle öffentliche Bereiche im Kreisgebiet. Daneben entstanden entsprechend der politischen und zeitbedingten Aufgabenstellung eine Reihe spezieller Einrichtungen und Abteilungen, die als Strukturteile in die Kreisverwaltung eingingen, wie z. B. die Kreisboden-, Kreissequester- und Kreisentnazifizierungskommission, das Umsiedler- und Wiederaufbauamt. Die Behördenbezeichnung für die Kreisverwaltungen wechselte mehrfach. So galt 1945/46 noch der alte Begriff "Der Landrat". Ab April 1946 wurde der Name "Landratsamt" verbindlich. Zwischen 1947 und 1951 hieß die Kreisbehörde "Kreisrat" und danach "Rat des Kreises" bzw. "Rat des Landkreises". Die Rechts- und Fachaufsicht über die Landkreise lag unmittelbar beim Sächsischen Ministerium des Innern.
Der Aufbau der neuen Kommunalverwaltung erfolgte in den ersten Wochen und Monaten unter Leitung der sowjetischen Kreiskommandantur mit Unterstützung von Ausschüssen, die die Verbindung von Verwaltung und Bevölkerung herstellen sollten und beratende Funktion hatten. Erste Aufgabe war es, Betriebe und Versorgungseinrichtungen wieder in Gang zu setzen sowie die Entnazifizierung der öffentlichen Verwaltung einzuleiten. Parallel dazu musste die Versorgung der Besatzungstruppen und -verwaltung gesichert werden. Die erste Reparationswelle kam zum Tragen.
Auf der Grundlage der "Verordnung zur Bildung von beratenden repräsentativen Körperschaften bei der Landesverwaltung und den Selbstverwaltungen im Bundesland Sachsen" vom 13. Mai 1946 entstanden Beratende Versammlungen bei den Verwaltungsorganen der Länder, Städte, Kreise und Gemeinden. [02] Die Beratenden Versammlungen stellten ein "Vorparlament" dar. Sie bestanden wie die Kreisausschüsse nur eine historisch relativ kurze Zeit, da sie im Herbst 1946 durch gewählte Körperschaften abgelöst wurden.
Rechtliche Grundlage für die Arbeit der Kreisverwaltungen war die vom Sächsischen Landtag beschlossenen "Demokratische Kreisordnung für das Land Sachsen" vom 16. Januar1947. [03] Nach der neuen Kreisordnung bildeten die Landgemeinden, einschließlich der nichtkreisfreien Städte, den Landkreis. Die Kreise waren Gebietskörperschaften, die sämtliche Selbstverwaltungsaufgaben zu übernehmen hatten, die von den kreisangehörigen Gemeinden nicht direkt erfüllt werden konnten und sie hatten auf ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet zu erfüllen.
Mit den Gemeinde- sowie Kreistags- und Landtagswahlen im Herbst 1946 wurden Volksvertretungen gewählt. Oberstes Beschlussorgan auf Kreisebene war nunmehr der Kreistag, der sich jedoch im Rahmen der vom Sächsischen Landtag beschlossenen Gesetze und Verordnungen bewegen musste und der durch Befehle der Besatzungsmacht eingeschränkt wurde. Die Zahl der Kreistagsmitglieder des Landkreises Oschatz betrug 50. [04] Der Kreistag wählte den Landrat als Vorsitzenden des ihm unterstellten Kreisrates. Die Kreisverwaltung Oschatz bestand aus dem Landrat, zwei Stellvertretern und vier weiteren Kreisräten, die jeweils ein oder mehrere Dezernate der Kreisverwaltung leiteten. Der Landrat war Dienstvorgesetzter sowohl für alle Kreisangestellten als auch für die Mitglieder des Kreisrates. Er vertrat im Auftrag des Kreistages den Kreis nach außen. Insbesondere regelte er die Zusammenarbeit mit der Landesregierung und den Dienststellen der Sowjetischen Militäradministration.
Bis zum 14. Mai 1945 blieb in Oschatz der alte Landrat Dr. Helmuth Haupt mit seinem Dienstpersonal im Amt. Ab 15. Mai 1945 übernahm Johann Reinhard, der bereits seit dem 10. Mai die Funktion als 1. Bürgermeisters von Oschatz inne hatte, auf Anordnung des sowjetischen Stadt- und Kreiskommandanten Petrosjan zusätzlich die Funktion des kommissarischen Landrates. [05] Leitungsfunktionen im Landratsamt erhielten für kurze Zeit auch andere Beauftragte der Stadtverwaltung, bevor im August 1945 die personelle Trennung zwischen Stadt- und Kreisverwaltung Oschatz vorgenommen wurde.
Auf der 1. Kreistagssitzung am 11. Februar 1947 wurde Johann Reinhard (SED) als Landrat gewählt. Kreistagsvorsitzender wurde Walter Stange (SED) aus Oschatz. [06]
Im Dezember 1947 bestand die Verwaltung des Kreisrates Oschatz aus den folgenden sechs Dezernaten (Ämter), die in Abteilungen und Sachgebiete untergliedert waren:
Amt für allgemeine Verwaltung und Volksbildung
Amt für Handel und Versorgung
Amt für Sozialfürsorge
Amt für Wirtschaft und Arbeit
Amt für Land- und Forstwirtschaft
Kreisfinanzamt
Der Personalbestand der Landkreisverwaltung Döbeln betrug zum gleichen Zeitpunkt 305 Beschäftigte. [07]
Die kommunale Handlungsfreiheit wurde seit 1948 im Zuge der zentralistischen Umstrukturierung des politisch-administrativen Systems in der Sowjetischen Besatzungszone (Eingriffe von Zentralverwaltungen und Deutscher Wirtschaftskommission) immer mehr eingeengt. Einschränkungen gab es zuerst auf dem Gebiet der Polizei und des Schulwesens, später auch im Finanzbereich.
Im Zuge der Auflösung des Landes Sachsen auf Grund des Gesetzes über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern der DDR vom 23. Juli 1952 lösten territorial neu gegliederte Kreise und Bezirke die alten Verwaltungsstrukturen ab. So wurden die östlich gelegenen Teile des Landkreises Oschatz mit der Stadt Strehla dem neu geschaffenen Kreis Riesa sowie einige Gemeinden an der südlichen Kreisgrenze dem Kreis Döbeln zugeordnet. Dazu kamen je drei Gemeinden aus dem Landkreis Grimma und dem Landkreis Torgau.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Die Unterlagen der Landkreisverwaltung Oschatz wurden im Zeitraum 1965 - 1967 vom Kreisarchiv Oschatz an das Staatsarchiv Leipzig übergeben. Der Umfang der Unterlagen betrug ursprünglich ca. 61 lfm. Eine erste Bewertung der Unterlagen fand bereits vor der Übergabe der Unterlagen an das Staatsarchiv im Kreisarchiv statt, wobei ca. 30 lfm Schriftgut ausgesondert wurde. Weitere Bewertungsmaßnahmen erfolgten im Zuge der Erschließungsarbeiten. Ausgesondert wurden dabei v. a. Mehrfachüberlieferungen, operativer Schriftverkehr sowie Einzelinformationen bei Vorliegen aggregierter Zusammenfassungen. Mit Unterbrechungen wurden die archivwürdigen Unterlagen zwischen 1966 und 1977 im Staatsarchiv Leipzig erschlossen. Als Ergebnis der Bearbeitung entstand ein maschinenschriftliches Findbuch ohne Einleitung. Die Unterlagen sind verfilmt.
2009 wurde der Bestand durch Retrokonversion elektronisch nutzbar gemacht. In diesem Zusammenhang wurden einige Erschließungsverbesserungen vorgenommen. Diese beziehen sich auf die Konkretisierung von Aktentiteln, die Ergänzung von Datierungen, die Fertigung eines Abkürzungsverzeichnisses sowie die Erstellung einer Einleitung. Die ursprünglich verwendete Terminologie wurde weitestgehend beibehalten. Es ist zu beachten, dass sich in einigen wenigen Fällen der Enthält-Vermerk auf eine inhaltlich zusammengehörige Aktenreihe (Serienakten) bezieht.
Bei dem Bestand Kreistag/Kreisrat Oschatz handelt es sich um einen zusammengefassten Bestand. Er enthält Unterlagen des Kreistages (ab 1947) sowie Unterlagen der "Vorparlamente" (Kreisausschuss und beratende Versammlung). Zum anderen umfasst er die Unterlagen der Landkreisverwaltung hauptsächlich aus dem Zeitraum 1945 - 1952. Provenienzstellen können dabei sein: Landrat, Landratsamt, Kreisrat, Rat des Kreises, Rat des Landkreises. Außerdem sind im Bestand Unterlagen der ehemals eigenständigen lokalen Sonderbehörden, wie Gesundheits-, Arbeits-, Steuer- und Vermessungsamt enthalten, die nach 1945 in die Kreisverwaltungen eingegliedert worden sind.
Die Klassifikation des Bestands basiert auf dem 1966 von Dr. Heinz Welsch im Staatsarchiv Leipzig erarbeiteten Gliederungsschema für den Bestandstyp Kreisverwaltung als Vorläufer des Ordnungsmodells für die Bestandsgruppe Kreistag/Kreisrat, welches seit 1982 für diesen Bestandstyp in den sächsischen Staatsarchiven Anwendung fand. [08]
Überlieferungsschwerpunkte
Die überlieferten Unterlagen bieten vielfältige Auswertungsmöglichkeiten zur Entwicklung des Kreises Oschatz im Zeitraum 1945 bis 1952. Sie spiegeln die Nachkriegssituation auf lokaler und regionaler Ebene wider, die v. a. durch den Aufbau einer antifaschistischen, personell und strukturell erneuerten Verwaltung, der Beseitigung der Kriegschäden und der Wiederherstellung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaftstätigkeit geprägt war.
Die Archivalien belegen die Durchführung der Bodenreform, die Entnazifizierung in Verwaltung und Wirtschaft, die Enteignung von "Nazi- und Kriegsverbrechern", Vermögens-sequestrierungen im Bereich der Banken und Industrie, die Neuorganisation des Schulwesens, die Entwicklung im Gesundheitswesen sowie die Währungsreform. Gut dokumentiert ist die Tätigkeit und Rolle der sowjetischen Militäradministration im Kreisgebiet.
Nahezu vollständige Protokollserien liegen für die Sitzungen des Kreistages, des Kreisrates, der Ausschüsse und Kommissionen ab 1947 vor, wobei die inhaltlichen Schwerpunkte der Beratungen und Zusammenkünfte in der Regel in den Enthält-Vermerken erfasst worden sind.
Breiten Raum nimmt die Anleitungs- und Kontrolltätigkeit der Kreisverwaltung für die Städte und Gemeinden des Kreisgebiets ein. In diesen Unterlagen spiegelt sich u. a. die Tätigkeit der Gemeindevertretungen, der Erlass von Ortssatzungen und die Änderung der Gemeindegren-zen wider.
Weitere Überlieferungsschwerpunkte sind Dokumente über den Aufbau und die Entwicklung der örtlichen Wirtschaft, die Schaffung von Kreisbetrieben und von Maschinen- und Ausleih-Stationen sowie zur Berufsausbildung im Kreis.
Die Unterlagen des Rates des Landkreises Oschatz ab 1952 befinden sich in der Außenstelle Oschatz des Kreisarchivs Nordsachsen.
Literatur
- Broszat, Martin, Weber, Hermann (Hrsg.): SBZ Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1949. R. Oldenbourg Verlag, München, 1990.
- Schöneburg, K.-H. u. a.: Vom Werden und Wachsen unseres Staates, Staatsverlag der DDR, Bd. 1 1946-1949, Berlin 1966, Bd. 2 1949-1955, Berlin, 1968.
- Grohmann, Ingrid: Erschließung des Bestandtyps "Kreistag / Kreisrat" 1945-1952 im Staatsarchiv Dresden. In: Archivmitteilungen, Potsdam 1981, Nr. 4 S. 127 ff.
- Heinz, Gerhard: Oschatz - Kriegsende 1945. Zeittafel zu den Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkrieges. Hrsg. Oschatzer Heimatverein e. V., Heft 2, 2005.
- Schubert, Sabine: Der Aufbau revolutionär-demokratischer Staatsorgane im Kreis Oschatz (1945 - 1947). Diplomarbeit. Karl-Marx-Universität Leipzig, 1976.
- Piersig, Erhard: Die Kreisverwaltung in der ersten und zweiten Etappe der Periode der antifaschistischen Umwälzung (Mai 1945 bis März 1948) und ihre archivalische Überlieferung. Eine verwaltungsgeschichtliche und quellenkundliche Untersuchung dargestellt an der Organisation und Tätigkeit der nordwestsächsischen Kreisverwaltung Grimma. Staatsexamensarbeit, Berlin 1966.
M. Bähr
Oktober 2009
[01] Volks- und Berufszählung vom 29. Oktober 1946 in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands. Bd. 1: Amtliches Gemeindeverzeichnis. Deutscher Zentralverlag GmbH, Berlin 1948.
[02] Gesetz- und Verordnungsblatt der Landesverwaltung Sachsen 1946, S. 242.
[03] Gesetz- und Verordnungsblatt des Landes Sachsen 1947, S. 22.
[04] Vgl. Hauptsatzung vom Juni 1947. In: StA-L, 20235 KT/KR Oschatz, Nr. 16.
[05] Vgl. Heinz, Gerhard, Oschatz - Kriegsende 1945, a. a. O., S. 87 ff.
[06] Vgl. StA-L, 20235 KT/KR Oschatz, Nr. 317.
[07] Vgl. StA-L, 20235 KT/KR Oschatz, Nr. 64.
[08] Grohmann, Ingrid: Erschließung des Bestandstyps Kreistag/Kreisrat 1945-1952 im Staatsarchiv Dresden. s. Literaturverzeichis.
Kreistagsbüro.- Sitzungen und Ausschüsse des Kreistages.- Zusammenarbeit mit der Sowjetischen Militärverwaltung und der Landesregierung.- Leitung, Organisation und Information.- Personal und Umschulung.- Entnazifizierung.- Wahlen, Statistik und Personenstandswesen.- Anleitung der Gemeinden.- Kreis- und Gemeindehaushalt.- Steuern und Abgaben.- Vermögenssequestrierungen und Enteignungen.- Bodenreform.- Land- und Forstwirtschaft.- Wasserwirtschaft.- Örtliche Industrie, Bauwesen, Verkehr, Handwerk und Gewerbe.- Handel und Versorgung.- Eingliederung von Umsiedlern.- Gesundheits- und Sozialwesen.- Berufsausbildung.- Arbeitskräfteplanung und -lenkung.- Volksbildung.- Jugend, Kultur und Sport.
Der 1945 neu strukturierte Landkreis Oschatz ging auf die 1874 gebildete gleichnamige Amtshauptmannschaft zurück. Mit Wirkung vom 1. Juli 1950 wurden 31 kreisangehörige Gemeinden zusammengelegt bzw. in andere Orte eingemeindet; weitere zwei Gemeinden wechselten in den Landkreis Döbeln. Im August 1952 erfolgte im Zuge der Bezirksbildung eine Neugliederung der Kreise. Dabei wurden die östlichen Gebiete des Landkreises mit der Stadt Strehla dem neu gebildeten Kreis Riesa und einige Gemeinden an der südlichen Kreisgrenze dem Kreis Döbeln zugeschlagen.
Weiter Angaben siehe 3.4.
Weiter Angaben siehe 3.4.
- 2009 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5