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Beständeübersicht

Bestand

20391 Rittergut Gersdorf bei Roßwein mit Böhrigen

Datierung1556 - 1920
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)20,05

Geschichte des Ritterguts Gersdorf (bei Roßwein) mit dem Rittergut Böhrigen
Gersdorf liegt nur wenige Kilometer östlich der Stadt Roßwein im heutigen Landkreis Mittelsachsen (früher Amt Nossen, 1856 Gerichtsamt Roßwein, 1875 Amthauptmannschaft Döbeln, 1952 Landkreis Hainichen, 1994 Landkreis Mittweida). Zum Rittergut Gersdorf gehörten noch Etzdorf, wohin Gersdorf gepfarrt war, die Wüstung Naundorf, welche im 18. Jahrhundert wiederbesiedelt wurde, das Vorwerk Hohenlauft und Goldborn, das (spätestens) seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Roßwein gehörte. Außerdem unterlag ein Teil der Roßweiner Stadtflur der Gersdorfer Gerichtsherrschaft. Darüber hinaus mussten mehrere Dörfer, die zum Amt Nossen gehörten, Dienste und Abgaben leisten. Im 18. Jahrhundert gehörten zur Gutswirtschaft eine Schäferei, eine Brennerei und eine Mühle (bei Etzdorf). Die Gerichtsbarkeit wurde 1849 an das Justizamt Nossen abgegeben. Es wurde auch in den Bergbau investiert, der bei Gersdorf in der Grube "Segen-Gottes-Erbstollen" intensiv betrieben wurde. Dieser Stollen gehörte im 18. und 19. Jahrhundert der Familie von Einsiedel (Ast Wolkenburg, Zweig Seidenberg-Reibersdorf). Zum westlich von Roßwein gelegenen Rittergut Böhrigen gehörte das Dorf Dittersdorf. Zur Wirtschaft des Ritterguts zählten u. a. eine Mühle und eine Schäferei.
Das altschriftsässige Rittergut Gersdorf ging aus einem Gut des Klosters Altzelle hervor. Nach der Säkularisierung bekam das damalige Vorwerk angeblich Hans von Komerstadt.[01] Es fiel jedoch wieder an den Kurfürsten zurück und 1556 kaufte es der Kurfürstliche Landrentmeister und Amtmann von Nossen Bartholomäus Lauterbach.[02] Nach dem Tod von Bartholomäus Lauterbach verblieb das Gut in der Familie, bis es Johann und Albrecht Lauterbach 1587 an den Kurfürsten von Sachsen Christian I. verkauften.[03] Kurfürst Christian II. verkaufte Gersdorf schließlich 1603 an Centurius Pflugk (1575–1619). Von diesem ging das Rittergut an dessen Sohn Christian Pflugk, der 1649 verstarb, wodurch es seine Witwe Sybille Pflugk übernahm.[04] Nach ihrem Ableben vier Jahr später erbten das Rittergut die Brüder Dam und Innocentius Pflugk, die es 1669 an Adam Heinrich von Starschedel (?–1695) verkauften.[05] Dessen Sohn Otto Haubold von Starschedel veräußerte Gersdorf nur ein Jahr nach dem Tod des Vaters an Friedrich Adolph von Haugwitz. Wahrscheinlich 1698 (oder 1699) erwarb es Hans Haubold von Einsiedel[06] aus dem Haus Wolkenburg der Familie von Einsiedel.[07] Obwohl er schon 1700 starb, trat nun Kontinuität in die Eigentumsverhältnisse von Gersdorf ein, das für über 170 Jahre im Besitz der Familie von Einsiedel verblieb. Zunächst führte die Witwe Anna Sophia von Einsiedel das Gut etwa bis 1720 für ihre drei Söhne weiter. 1702 tauschte sie durch einen Vertrag mit Julius Caesar Pflugk ihr Rittergut Löbichau gegen Böhrigen ein.[08] Böhrigen blieb bis 1847 zusammen mit Gersdorf im Besitz der Familie von Einsiedel, Zweig Seidenberg-Reibersdorf.
Die Besitzerfolge des Ritterguts Böhrigen ist nicht genau bekannt. Zunächst gehörte es der Familie von Knobelsdorff (ab 1602), danach gelangte es an Erasmus von Bennigsen, Hieronymus Brand von Arnstedt (bis zu dessen Tod 1636), Hanns Gostel (ab 1636) und dessen Erben, ehe 1698 Julius Caesar Pflugk Böhrigen erwarb.[09]
Durch einen Erbteilungsrezess erhielt der zweite Sohn, Cay Rudolph Haubold von Einsiedel, 1721 Gersdorf und Böhrigen. Sechs Jahre später, nach dem Tod der Mutter, wurden die Familienbesitzverhältnisse jedoch neu geordnet und nun übernahm der älteste Sohn Johann Georg Graf von Einsiedel beide Güter als alleiniger Besitzer.[10] Nach dessen Tod 1760 fielen die Rittergüter Gersdorf und Böhrigen an seinen ältesten Sohn Johann Georg Friedrich Graf von Einsiedel auf Seidenberg und Reibersdorf. 33 Jahre später folgte wiederum dessen zweiter Sohn, Heinrich Graf von Einsiedel, der auch 1842 in Gersdorf verstarb. Von diesem erbte Georg Alexander Graf von Einsiedel Gersdorf mit Böhrigen.[11] Der ältere Bruder Kurt Heinrich Ernst von Einsiedel übernahm hingegen Reibersdorf. 1847 verkaufte Georg Alexander Graf von Einsiedel Böhrigen an Stephan Schmidt, einem Kaufmann aus Dresden. Anschließend wurde das Gut zergliedert und viele Grundstücke verkauft, von denen Georg Alexander Graf von Einsiedel einige erwarb.[12] Die Erben Georg Alexanders verkauften Gersdorf 1874 an die Familie von Arnim. Seit 1886 besaß es Johanna Caroline von Carlowitz, geb. Arnim, auf Proschwitz,[13] danach Marie von Carlowitz.[14] 1925 gehörte das Rittergut Gersdorf Frieda Prinzessin zur Lippe.[15]
JahrBesitzer des Ritterguts Gersdorf,
1702–1847 mit dem Rittergut Böhrigen[16]
um 1545
Hans von Komerstadt?
1556–ca. 1578
Bartholomäus Lauterbach
ca. 1578–1587
Johann Christoph Moritz, Siegmund und Albrecht Lauterbach
1587–1603
Kurfürsten von Sachsen
1603–1619
Centurius Pflugk
1620–1649
Christian Pflugk
1649–1653
Sybille Pflugk
1653–1669
Dam und Innocentius Pflugk
1669–1695
Adam Heinrich von Starschedel
1695–1696
Otto Haubold von Starschedel
1696–1698
Friedrich Adolph von Haugwitz
1699–1700
Hans Haubold von Einsiedel
1700–1720?
Anna Sophia von Einsiedel
1721–1726
Cay Rudolph Haubold von Einsiedel
1726–1760
Johann Georg Graf von Einsiedel
1760–1793?
Johann Georg Friedrich Graf von Einsiedel
1793–1842
Heinrich Graf von Einsiedel
1842–1867
Georg Alexander Graf von Einsiedel
1867–1874
Johann Georg Graf von Einsiedel?
1874–1886
Familie von Arnim
ab 1886
Johanna Caroline von Carlowitz
um 1913
Marie von Carlowitz
um 1925
Frieda Prinzessin zur Lippe
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Zu Beginn der 1960er Jahre gelangten die Akten der Patrimonialgerichtsbarkeit Gersdorf in das Staatsarchiv Leipzig. Zusammen mit einigen Akten aus dem Kreisarchiv Döbeln wurde der Bestand Rittergut Gersdorf mit 1141 AE gebildet und 1965 mit einem maschinenschriftlichen Findbuch, das 1979 ein Personenregister erhielt, erschlossen. 2003 wurden dem Bestand Fremdprovenienzen entnommen und den Beständen Amt Nossen, Kgl. Gericht Roßwein und Gerichtsamt Roßwein hinzugefügt. Dadurch sind 35 Fehlsignaturen entstanden.
Im Jahr 2010 wurde der Bestand durch Retrokonversion in die Augias-Datenbank eingegeben sowie ein Personen- und Ortsregister erstellt. Dabei wurden zahlreiche Angaben zu den Akten überprüft und berichtigt. Die vorhandenen Gerichtsbücher im Bestand 12613 wurden virtuell verzeichnet. Zusätzlich wurden 6 Kartons mit bisher unerschlossenen Akten verzeichnet und daraus die AE 1142–1224 formiert. Es handelte sich fast ausschließlich um Nachlassakten des Patrimonialgerichts Gersdorf und um Akten zur Schule von Gersdorf aus dem Rittergutsarchiv. Außerdem wurde die Gliederung der Systematik für Rittergutsbestände des Staatsarchivs Leipzig angepasst. Diese unterteilt sich nun in vier Hauptgruppen: Patrimonialherrschaft, Gutswirtschaft, Familienarchiv und Schulen in Gersdorf.
Der letzte Punkt weicht vom üblichen Gliederungsschema ab, da die Akten zur Schule Gersdorf aus dem Gutsarchiv vom Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts nichts direkt mit dem Rittergut zu tun haben.

Überlieferungsschwerpunkte
Der Bestand umfasst den Zeitraum von 1556–1920, wobei die Akten aus dem 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Masse des Bestandes ausmachen. Der eindeutige inhaltliche Schwerpunkt des Bestandes liegt auf der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere auf Grundstücksangelegenheiten und Nachlässen. Außerdem sind zahlreiche Gerichtsprotokolle sowohl von Gersdorf als auch von Böhrigen vorhanden. Zu den Besonderheiten des Bestandes zählt, dass sich Akten des nach 1849 gebildeten Gutsbezirks Gersdorf erhalten haben, die bis ins Jahr 1920 reichen, da der Rittergutsbesitzer bzw. dessen eingesetzter Stellvertreter als Vorsteher des Gutsbezirks fungierte. Es befinden sich auch Akten der Schul- und Kircheninspektion von Etzdorf im Bestand, die über das Jahr 1849 hinaus reichen. Im Familienarchiv sind unter anderem Dokumente zur Bergbautätigkeit bei Gersdorf erhalten. Unter den Unterlagen der Schule von Gersdorf sind insbesondere die Schultagebücher hervorzuheben.Hinweise für die Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch Orts- und Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 20391, RG Gersdorf, Nr. (fettgedruckte Zahl).

Verweise auf korrespondierende BeständeHauptstaatsarchiv Dresden:
12613 Gerichtsbücher
12585 Nachlass (Familienarchiv) von Einsiedel
Staatsarchiv Leipzig:
20014 Amt Nossen
20026 Amtshauptmannschaft Döbeln
20073 Königliches Gericht Roßwein
20106 Gerichtsamt Roßwein
20378 RG Ehrenberg
20578 RG Wolkenburg mit Kaufungen
Staatsfilialarchiv Bautzen
50421 Standesherrschaft Reibersdorf-Seidenberg

Dr. Carsten Voigt
September 2010



[01] Otto Moser: Gersdorf bei Roßwein, in: Pönicke, Gustav Adolf (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser Sachsens, Bd. 4: Erzgebirgischer Kreis, Bautzen 1856, S. 25–27, hier S. 25.
[02] StA-L, 20391 RG Gersdorf bei Roßwein (im Folgenden: RG Gersdorf), Nr. 1.- Vgl. auch mit einigen Abweichungen: E. Th. Klette: Die Parochie Etzdorf, in: Neue Sächsische Kirchengalerie. Bd. 1: Die Ephorie Leisnig, Leipzig 1900, S. 227–260 (im Folgenden: Klette, Etzdorf).
[03] RG Gersdorf, Nr. 1.
[04] Ebd.; Klette, Etzdorf, S. 234.
[05] RG Gersdorf, Nr. 1.
[06] Ebd.; Klette, Etzdorf, S. 235.
[07] Vgl. dazu auch mit weiteren Literaturhinweisen: Die Familie von Einsiedel. Stand, Aufgaben und Perspektiven der Adelsforschung in Sachsen, hrsg. vom Sächsischen Staatsarchiv, Leipzig 2007; darin insbesondere: Helga Reich, Birgit Richter: Besitzgeschichte und Archivbildung bei der Familie von Einsiedel und die Überlieferung im Staatsarchiv Leipzig, S. 53–65; Helga Reich: Einleitung zum Findbuch StA-L, 20578 RG Wolkenburg mit Kaufungen.
[08] RG Gersdorf, Nr. 20.
[09] RG Gersdorf, Nr. 2; vgl. auch: Otto Moser: Böhrigen, in: Pönicke, Gustav Adolf (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser Sachsens, Bd. 4: Erzgebirgischer Kreis, Bautzen 1856, S. 218 f.
[10] RG Gersdorf, Nr. 4, 19; Hauptstaatsarchiv Dresden, 12613 Gerichtsbücher AG Roßwein, Nr. 112.
[11] RG Gersdorf, Nr. 29.
[12] RG Gersdorf, Nr. 35–37.
[13] Klette, Etzdorf, S. 235.
[14] RG Gersdorf, Nr. 1093.
[15] Landwirtschaftliches Adressbuch der Güter und Wirtschaften im Freistaat Sachsen. Hrsg. von Ernst Ullrich und Ernst Seyfert, Leipzig 19253, S. 331.
[16]  RG Gersdorf, Nr. 1, 2, 4, 827 und 1093; Klette, Etzdorf, S. 233–235.
Grundlagen der Patrimonialherrschaft.- Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Patronat.- Grundherrlich-bäuerliche Verhältnisse.- Gutswirtschaft.- Schulen in Gersdorf.- Familienarchive von Starschedel, von Haugwitz und von Einsiedel.
Das altschriftsässige Rittergut Gersdorf, östlich von Roßwein im Amt Nossen gelegen, ging im 16. Jahrhundert aus einem Gut des Klosters Altzella hervor. Erste Besitzer des Ritterguts waren die von Lauterbach. Ihnen folgten die Familien Pflugk, von Starschedel, von Haugwitz und ab 1698 von Einsiedel. Seit 1702 gehörte das Rittergut Böhrigen (mit Dittersdorf) zum Besitz. Die Grafen von Einsiedel traten am 27. Juli 1849 die ihnen zustehende Patrimonialgerichtsbarkeit über die Ortschaften Gersdorf, Etzdorf und Naundorf an den Staat ab. Diese Gerichtsbarkeit wurde wie die über Böhrigen dem Justizamt Nossen übertragen.
  • 2010 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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