Beständeübersicht
Bestand
20445 Rittergut Kössern
Datierung | 1514 - 1945 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 8,82 |
Geschichte des Ritterguts Kössern [01]
Kössern liegt nördlich von Colditz im heutigen Landkreis Leipzig (früher Amt Colditz; ab 1856 Gerichtsamt Grimma; ab 1875 Amtshauptmannschaft Grimma; ab 1952 Landkreis Grimma, ab 1994 Landkreis Muldentalkreis).
Erstmals urkundlich erwähnt wird Kössern 1300 im Zusammenhang mit der Übereignung von Fischereirechten in der Mulde an das Kloster Marienthron in Nimbschen. [02] Zunächst gehörte der Ort als Reichslehen zur Herrschaft Colditz. Mit der Übernahme der Herrschaft Colditz durch die Wettiner war Kössern zunächst dem Amt Colditz zugeordnet, bis es im 16. Jahrhundert den Status der Schriftsässigkeit erlangte und damit direkt der kurfürstlichen Kanzlei unterstand. [03] Im 16. Jahrhundert erscheint die Familie Luder als Besitzer des Gutes mit fünf Untertanen und dem Recht, die Erbgerichtsbarkeit auszuüben. [04] Ihr folgten die Familie von Haugwitz [05] und ab 1639 die Familie von Erdmannsdorf.
Mit der Übernahme des Ritterguts durch die Familie von Erdmannsdorf begann eine Phase der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung von Rittergut und Ort Kössern. Zunächst wurde der Landbesitz des Ritterguts durch den Kauf eines abgebrannten Pferdnergutes nahezu verdoppelt. [06] Mit dem Erwerb der Obergerichtsbarkeit durch Hans Dietrich von Erdmannsdorf wuchsen auch Macht und Ansehen des Gutes und seiner Besitzer. [07] Wolf Dietrich von Erdmannsdorf siedelte um 1700 45 Handwerker im Dorf Kössern an und ließ in der Zeit von 1703 bis 1718 u. a. 45 Wohnhäuser, eine Schenke, eine Mühle und das Jagdhaus mit dem sogenannten Kavalierhaus errichten, schon 1695 war das Herrenhaus des Ritterguts grundlegend neu aufgebaut worden. Kössern erhielt in dieser Zeit einen nahezu kleinstädtischen Charakter. [08] Die Entwicklung des dörflichen Handwerkes wurde allerdings in den folgenden Jahren durch Klagen der in Zünften organisierten Handwerker der Städte Grimma und Colditz, die auf ihren angestammten Vorrechten beharrten, stark eingeschränkt. [09]
Auch unter den neuen Besitzern, den von Abendroth, die das Gut am 4. November 1772 für 24500 Reichstaler für das Rittergut sowie 500 Reichstaler für das "vererbte" Pferdnergut erworben hatten, wurde das Rittergut weiter vergrößert. Besonders der Waldbesitz nahm durch den Kauf von ursprünglich staatlichen Flächen im angrenzenden Thümmlitzer Wald erheblich zu. Um 1800 übte das Rittergut die Herrschaft über 240 Einwohner in Kössern aus, darunter 10 Gärtner, außerdem besaß es Anteile am Dorf Förstgen. Alle Einwohner und die Rittergutsbesitzer waren nach Leipnitz gepfarrt. Am Anfang des 19. Jahrhunderts konnten dann einige in der Zeit der Ablösung von Dienst- und Abgabepflichten mit Schulden belastete Gärtnergüter dem Rittergut angegliedert werden. Die Gerichtsbarkeit des Ritterguts Kössern ging nach freiwilliger Abtretung an den Staat durch Herrmann von Abendroth bereits am 28. Dezember 1849 auf das Justizamt Grimma über. Bis zur Bodenreform im Jahr 1945 war der Landbesitz des Rittergutes auf rund 221 ha angewachsen. Dieses Land wurde dann im Zuge der Bodenreform an landarme und landlose Bauern und Umsiedler verteilt und ab den 1960er Jahren durch eine Landwirtschaftliche Produktionsgemeinschaft (LPG) mit Sitz in Großbothen genutzt. [10]
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Als schriftsässiges Rittergut stellte Kössern einen eigenständigen Gerichts- und Verwaltungsbezirk dar. Bei der Wahrnehmung der entsprechenden Kompetenzen in Justiz und Verwaltung entstand ein wesentlicher Teil des überlieferten Schriftgutes. Mit dem Übergang der privaten Gerichtsbarkeit an den Staat, der in Sachsen zwischen 1833 und 1856 erfolgte, wurde auch das Patrimonialgerichtsarchiv verstaatlicht. Aus diesem Überlieferungsstrang stammt der bisher völlig unerschlossene Teil des Bestandes mit einem Umfang von ca. 1,5 lfm.
Der zweite Teil der Überlieferung, das Schriftgut der Gutswirtschaft und des Familienarchivs, blieb noch bis 1945 im Besitz der Familie von Abendroth und wurde erst mit der Bodenreform verstaatlicht.
Eine erste Bearbeitung erfuhr der Bestand ab 1821 unter Ferdinand Fürchtegott von Abendroth. Das angesammelte Schriftgut wurde sortiert, lose Papiere zu Akten formiert und verzeichnet. Diese Arbeiten führte der genannte Rittergutsbesitzer wahrscheinlich persönlich durch, wie einige in den Akten vermerkte Erklärungen zu seiner Systematik sowie Verweise auf korrespondierende Akten nahe legen. [11] In seinem Verständnis waren offensichtlich alle unter der Herrschaft des Rittergutes entstandenen Akten Eigentum des Rittergutes und so fand häufig keine klare Trennung zwischen den Akten patrimonialgerichtlicher und familiärer Herkunft statt. Die Akten erhielten eine Foliierung, ihnen wurde ein Inhaltsverzeichnis beigefügt und auf dem Titelblatt wurde häufig die Blattzahl der Akte vermerkt. Die auf den Vorderdeckel überlappende Rückenverstärkung wurde bei sehr vielen Akten farbig gestaltet und mit einem stilisierten Wappen versehen, das die Jahreszahl 1821 enthält. Dabei bekamen die Akten entsprechend ihrem Inhalt verschiedene Farben zugeordnet. [12] Die vergebenen Signaturen haben folgendes Schema: Großbuchstabe entsprechend dem Inhalt (J = Jagdangelegenheiten, V = Vererbung usw.); kleiner Buchstabe a-c (Bedeutung unklar); Nummer (1 für die älteste Akte mit diesem Großbuchstaben). Akten, die nach 1821 in Familien- und Gutswirtschaftangelegenheiten entstanden, wurden in diesem Bearbeitungsschritt nicht erfasst.
Die gesamte Überlieferung dieser Provenienz kam am 16. November 1959 aus der Schule in Kössern in das Staatsarchiv Leipzig. Sie war mit einem maschinenschriftlichen Verzeichnis versehen, erarbeitet im Jahr 1951 von Martin Stephanus, in dem Verbesserungen und Ergänzungen von Hand vorgenommen waren. Die Unterlagen waren in Sachgruppen A bis S untergliedert und mit alphanumerischen Signaturen versehen, die im Findbuch unter der alten Archivsignatur erfasst sind. Die Titelbildung erwies sich als unzureichend und musste grundsätzlich überarbeitet werden.
Der gesamte Bestand, der bisher mit dem maschinenschriftlichen Verzeichnis benutzbare und der völlig unbearbeitete Teil, wurde 2008 erschlossen, die Akten mit Hilfe einer neu erarbeiteten Klassifikation geordnet und in der AUGIAS-Datenbank verzeichnet. Arbeitsgrundlage für die Verzeichnung war die "Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchivs". Sie erfolgte in der Regel in einfacher und, wenn erforderlich, in erweiterter Form, d. h., wenn die Akten Einzelvorgänge und Schriftstücke enthalten, die für die Auswertung von besonderer Bedeutung sind oder wegen ihres speziellen Inhalts noch unter abweichenden, im Aktentitel nicht zum Ausdruck kommenden Gesichtspunkten ausgewertet werden können. Die mitunter umfangreichen Enthält-Vermerke sollen die Benutzung des Findbuchs erleichtern. Erfasst wurden nach Möglichkeit die alten Registratursignaturen sowie frühere Archivsignaturen. Die Bildung von Bandreihen entstand in der Regel neu und in chronologischer Folge. Die neuen Archivsignaturen wurden fortlaufend nach dem Bär'schen Prinzip vergeben.
Die Register der Orts- und Personennamen, ebenfalls mit dem o. g. PC-Programm erstellt, orientiert sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht.
Bei der Erarbeitung der Klassifikation wurden drei Überlieferungskomplexe als Gliederungspunkte übernommen: [13]
1. Patrimonialherrschaft,
2. Gutswirtschaft,
3. Familienarchiv.
Die aus dem Familienarchiv vorhandenen Akten wurden zunächst nach dem Provenienzprinzip den Familien und, wenn möglich, einzelnen Familienmitgliedern zugeordnet. Einige Akten aus dem Besitz der Familie von Abendroth wurden nach ihrem Sachbetreff unter gesonderten Gliederungspunkten erfasst, so eine Sammlung von Rittergutsanschlägen sowie die Akten, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit einzelner Familienmitglieder in der Ritterschaft des Amtes Colditz entstanden waren.
Aussortiert wurden drei Akten mit fremder Provenienz (Amt Colditz und Rittergut Böhlen).
Virtuell erfasst wurden die Gerichtsbücher des Ritterguts Kössern, die sich heute im Teilbestand "Gerichtsbücher des Amtsgerichtes Grimma" befinden.
Der mit dem vorliegenden Findbuch nun vollständig erschlossene Bestand "Rittergut Kössern" besteht aus 580 Akteneinheiten, hat einen Umfang von rund 9,3 lfm und umfasst den Zeitraum von 1514 bis 1945.
Überlieferungsschwerpunkte
Den mengenmäßigen Schwerpunkt der Überlieferung bilden die Unterlagen der Patrimonialherrschaft und hierbei wiederum die Akten der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. In großer Anzahl sind auch so genannte Gerichtsprotokolle überliefert, die gemeinsam mit den Gerichtsbüchern einen Überblick über die Tätigkeit der Patrimonialgerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit geben.
Von den Akten der Gutswirtschaft, die bei der Bewirtschaftung der "eigentümlichen Stücke", also der zum Rittergut gehörenden Eigenwirtschaft, entstanden, sind immerhin rund 80 Stück überliefert, die vor allem Rechnungen sowie Forst- und Jagdangelegenheiten beinhalten.
Von großem Wert für Historiker ist das Familienarchiv der Rittergutsbesitzer. Neben Familienverträgen, Testamenten, persönlichen Rechnungen und Quittungen sowie privaten Akten zu Gerichtsstreitigkeiten findet sich Material über die Erweiterung des Rittergutes und die Umgestaltung des Dorfes Kössern. Ebenso haben sich die Beziehung der Rittergutsbesitzer zur zuständigen Pfarrkirche in Leipnitz und der Versuch, in Kösseren eine Filialkirche zu errichten, in der Überlieferung niedergeschlagen. Des Weiteren sind auch Unterlagen überliefert, die im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit einzelner Familienmitglieder in der Ritterschaft des Amtes Colditz entstanden sind. [14] Besonders umfangreich und aussagekräftig ist die Überlieferung, die auf Ferdinand Fürchtegott von Abendroth zurückgeht.
Eine Besonderheit des Bestandes sind Akten mit der Provenienz "Volksschule Kössern", die vermutlich durch eine Vermischung der Unterlagen während der Lagerung des enteigneten Gutsarchivs in der Schule in Kössern in den jetzt erschlossenen Bestand gelangt sind. Diese Akten wurden in einem gesonderten Gliederungspunkt erfasst.
Hinweise zur Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS 7.4 für Windows, mit dem auch das Orts- und das Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. (fettgedruckte Zahl).
Verweise auf korrespondierende Bestände
12613 Gerichtsbücher (HStA Dresden)
20007 Amt Colditz
20020 Schulamt Grimma
20027 Amtshauptmannschaft Grimma
20344 Rittergut Böhlen bei Leisnig
Literatur
- Hofmann, Die Rittergüter des Königreichs Sachsen. Ein Abriss ihrer Geschichte und rechtlichen Stellung nebst topographischen und statistischen Nachrichten über sämtliche Rittergüter …, Dresden 1901.
- Berger, Manfred, Kössern (Krs. Grimma). Geschichte eines Dorfes (9. Arbeitsheft des Kulturbundes e.V., Bezirksgeschäftsstelle Leipzig), Leipzig 1985.
Jens Kunze
Dezember 2008
Besitzer des Ritterguts Kössern
[01] Ausführlich zur Geschichte des Ortes Kössern siehe: Berger, Manfred, Kössern (Krs. Grimma). Geschichte eines Dorfes (9. Arbeitsheft des Kulturbundes e.V., Bezirksgeschäftsstelle Leipzig), Leipzig 1985.
[02] "… usque ad obstaculum, quod dicitur Kozzerwer". Codex diplomaticus saxoniae regiae. Zweiter Hauptteil, 15. Band, Urkundenbuch der Stadt Grimma und des Klosters Nimbschen, S. 213, Leipzig 1864).
[03] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 1 und 501.
[04] StA-D, 10004 Kopiale, Lehns-Cop. L. 1523, fol. 107b, Asmus Luder Lehenbrieve.
[05] StA-D, 10004 Kopiale, Lehn-Cop. GG. 1, 1586, fol. 129, Dittrich von Haugwitz Lehenbrieff uber Kössern.
[06] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 76 und 77.
[07] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 1 und 501.
[08] Berger, Kössern (wie Anm. 1), S. 19-21.
[09] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 412, 433 und 440.
[10] Ausführlich über die Zeit nach 1945 siehe Berger, Kössern (wie Anm. 1), S. 30-34.
[11] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 352.
[12] Grün für Jagdsachen, Blau für Vererbungsangelegenheiten, helles Rot für Familienangelegenheiten, Braun für Kirchenangelegenheiten.
[13] Vgl. Enders, Lieselott, Ordnungsprobleme bei Guts- und Familienarchiven im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, in: Archivmitteilungen 10 (1960) 3, S. 96-106; Richter, Birgit, Familienarchive in den Rittergutsbeständen der Staatsarchive, in: Archive in Thüringen. Nachlässe in Archiven, Sonderheft 2004.
[14] Siehe zu der politischen Tätigkeit einzelner Familienmitglieder die Aufstellung der Rittergutsbesitzer.
[15] Erbteilungsvertrag von 18. Februar 1758: Kössern bleibt gemeinsamer Besitz der lebenden Brüder. Vgl. StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 7.
Kössern liegt nördlich von Colditz im heutigen Landkreis Leipzig (früher Amt Colditz; ab 1856 Gerichtsamt Grimma; ab 1875 Amtshauptmannschaft Grimma; ab 1952 Landkreis Grimma, ab 1994 Landkreis Muldentalkreis).
Erstmals urkundlich erwähnt wird Kössern 1300 im Zusammenhang mit der Übereignung von Fischereirechten in der Mulde an das Kloster Marienthron in Nimbschen. [02] Zunächst gehörte der Ort als Reichslehen zur Herrschaft Colditz. Mit der Übernahme der Herrschaft Colditz durch die Wettiner war Kössern zunächst dem Amt Colditz zugeordnet, bis es im 16. Jahrhundert den Status der Schriftsässigkeit erlangte und damit direkt der kurfürstlichen Kanzlei unterstand. [03] Im 16. Jahrhundert erscheint die Familie Luder als Besitzer des Gutes mit fünf Untertanen und dem Recht, die Erbgerichtsbarkeit auszuüben. [04] Ihr folgten die Familie von Haugwitz [05] und ab 1639 die Familie von Erdmannsdorf.
Mit der Übernahme des Ritterguts durch die Familie von Erdmannsdorf begann eine Phase der schnellen wirtschaftlichen Entwicklung von Rittergut und Ort Kössern. Zunächst wurde der Landbesitz des Ritterguts durch den Kauf eines abgebrannten Pferdnergutes nahezu verdoppelt. [06] Mit dem Erwerb der Obergerichtsbarkeit durch Hans Dietrich von Erdmannsdorf wuchsen auch Macht und Ansehen des Gutes und seiner Besitzer. [07] Wolf Dietrich von Erdmannsdorf siedelte um 1700 45 Handwerker im Dorf Kössern an und ließ in der Zeit von 1703 bis 1718 u. a. 45 Wohnhäuser, eine Schenke, eine Mühle und das Jagdhaus mit dem sogenannten Kavalierhaus errichten, schon 1695 war das Herrenhaus des Ritterguts grundlegend neu aufgebaut worden. Kössern erhielt in dieser Zeit einen nahezu kleinstädtischen Charakter. [08] Die Entwicklung des dörflichen Handwerkes wurde allerdings in den folgenden Jahren durch Klagen der in Zünften organisierten Handwerker der Städte Grimma und Colditz, die auf ihren angestammten Vorrechten beharrten, stark eingeschränkt. [09]
Auch unter den neuen Besitzern, den von Abendroth, die das Gut am 4. November 1772 für 24500 Reichstaler für das Rittergut sowie 500 Reichstaler für das "vererbte" Pferdnergut erworben hatten, wurde das Rittergut weiter vergrößert. Besonders der Waldbesitz nahm durch den Kauf von ursprünglich staatlichen Flächen im angrenzenden Thümmlitzer Wald erheblich zu. Um 1800 übte das Rittergut die Herrschaft über 240 Einwohner in Kössern aus, darunter 10 Gärtner, außerdem besaß es Anteile am Dorf Förstgen. Alle Einwohner und die Rittergutsbesitzer waren nach Leipnitz gepfarrt. Am Anfang des 19. Jahrhunderts konnten dann einige in der Zeit der Ablösung von Dienst- und Abgabepflichten mit Schulden belastete Gärtnergüter dem Rittergut angegliedert werden. Die Gerichtsbarkeit des Ritterguts Kössern ging nach freiwilliger Abtretung an den Staat durch Herrmann von Abendroth bereits am 28. Dezember 1849 auf das Justizamt Grimma über. Bis zur Bodenreform im Jahr 1945 war der Landbesitz des Rittergutes auf rund 221 ha angewachsen. Dieses Land wurde dann im Zuge der Bodenreform an landarme und landlose Bauern und Umsiedler verteilt und ab den 1960er Jahren durch eine Landwirtschaftliche Produktionsgemeinschaft (LPG) mit Sitz in Großbothen genutzt. [10]
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Als schriftsässiges Rittergut stellte Kössern einen eigenständigen Gerichts- und Verwaltungsbezirk dar. Bei der Wahrnehmung der entsprechenden Kompetenzen in Justiz und Verwaltung entstand ein wesentlicher Teil des überlieferten Schriftgutes. Mit dem Übergang der privaten Gerichtsbarkeit an den Staat, der in Sachsen zwischen 1833 und 1856 erfolgte, wurde auch das Patrimonialgerichtsarchiv verstaatlicht. Aus diesem Überlieferungsstrang stammt der bisher völlig unerschlossene Teil des Bestandes mit einem Umfang von ca. 1,5 lfm.
Der zweite Teil der Überlieferung, das Schriftgut der Gutswirtschaft und des Familienarchivs, blieb noch bis 1945 im Besitz der Familie von Abendroth und wurde erst mit der Bodenreform verstaatlicht.
Eine erste Bearbeitung erfuhr der Bestand ab 1821 unter Ferdinand Fürchtegott von Abendroth. Das angesammelte Schriftgut wurde sortiert, lose Papiere zu Akten formiert und verzeichnet. Diese Arbeiten führte der genannte Rittergutsbesitzer wahrscheinlich persönlich durch, wie einige in den Akten vermerkte Erklärungen zu seiner Systematik sowie Verweise auf korrespondierende Akten nahe legen. [11] In seinem Verständnis waren offensichtlich alle unter der Herrschaft des Rittergutes entstandenen Akten Eigentum des Rittergutes und so fand häufig keine klare Trennung zwischen den Akten patrimonialgerichtlicher und familiärer Herkunft statt. Die Akten erhielten eine Foliierung, ihnen wurde ein Inhaltsverzeichnis beigefügt und auf dem Titelblatt wurde häufig die Blattzahl der Akte vermerkt. Die auf den Vorderdeckel überlappende Rückenverstärkung wurde bei sehr vielen Akten farbig gestaltet und mit einem stilisierten Wappen versehen, das die Jahreszahl 1821 enthält. Dabei bekamen die Akten entsprechend ihrem Inhalt verschiedene Farben zugeordnet. [12] Die vergebenen Signaturen haben folgendes Schema: Großbuchstabe entsprechend dem Inhalt (J = Jagdangelegenheiten, V = Vererbung usw.); kleiner Buchstabe a-c (Bedeutung unklar); Nummer (1 für die älteste Akte mit diesem Großbuchstaben). Akten, die nach 1821 in Familien- und Gutswirtschaftangelegenheiten entstanden, wurden in diesem Bearbeitungsschritt nicht erfasst.
Die gesamte Überlieferung dieser Provenienz kam am 16. November 1959 aus der Schule in Kössern in das Staatsarchiv Leipzig. Sie war mit einem maschinenschriftlichen Verzeichnis versehen, erarbeitet im Jahr 1951 von Martin Stephanus, in dem Verbesserungen und Ergänzungen von Hand vorgenommen waren. Die Unterlagen waren in Sachgruppen A bis S untergliedert und mit alphanumerischen Signaturen versehen, die im Findbuch unter der alten Archivsignatur erfasst sind. Die Titelbildung erwies sich als unzureichend und musste grundsätzlich überarbeitet werden.
Der gesamte Bestand, der bisher mit dem maschinenschriftlichen Verzeichnis benutzbare und der völlig unbearbeitete Teil, wurde 2008 erschlossen, die Akten mit Hilfe einer neu erarbeiteten Klassifikation geordnet und in der AUGIAS-Datenbank verzeichnet. Arbeitsgrundlage für die Verzeichnung war die "Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchivs". Sie erfolgte in der Regel in einfacher und, wenn erforderlich, in erweiterter Form, d. h., wenn die Akten Einzelvorgänge und Schriftstücke enthalten, die für die Auswertung von besonderer Bedeutung sind oder wegen ihres speziellen Inhalts noch unter abweichenden, im Aktentitel nicht zum Ausdruck kommenden Gesichtspunkten ausgewertet werden können. Die mitunter umfangreichen Enthält-Vermerke sollen die Benutzung des Findbuchs erleichtern. Erfasst wurden nach Möglichkeit die alten Registratursignaturen sowie frühere Archivsignaturen. Die Bildung von Bandreihen entstand in der Regel neu und in chronologischer Folge. Die neuen Archivsignaturen wurden fortlaufend nach dem Bär'schen Prinzip vergeben.
Die Register der Orts- und Personennamen, ebenfalls mit dem o. g. PC-Programm erstellt, orientiert sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht.
Bei der Erarbeitung der Klassifikation wurden drei Überlieferungskomplexe als Gliederungspunkte übernommen: [13]
1. Patrimonialherrschaft,
2. Gutswirtschaft,
3. Familienarchiv.
Die aus dem Familienarchiv vorhandenen Akten wurden zunächst nach dem Provenienzprinzip den Familien und, wenn möglich, einzelnen Familienmitgliedern zugeordnet. Einige Akten aus dem Besitz der Familie von Abendroth wurden nach ihrem Sachbetreff unter gesonderten Gliederungspunkten erfasst, so eine Sammlung von Rittergutsanschlägen sowie die Akten, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit einzelner Familienmitglieder in der Ritterschaft des Amtes Colditz entstanden waren.
Aussortiert wurden drei Akten mit fremder Provenienz (Amt Colditz und Rittergut Böhlen).
Virtuell erfasst wurden die Gerichtsbücher des Ritterguts Kössern, die sich heute im Teilbestand "Gerichtsbücher des Amtsgerichtes Grimma" befinden.
Der mit dem vorliegenden Findbuch nun vollständig erschlossene Bestand "Rittergut Kössern" besteht aus 580 Akteneinheiten, hat einen Umfang von rund 9,3 lfm und umfasst den Zeitraum von 1514 bis 1945.
Überlieferungsschwerpunkte
Den mengenmäßigen Schwerpunkt der Überlieferung bilden die Unterlagen der Patrimonialherrschaft und hierbei wiederum die Akten der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. In großer Anzahl sind auch so genannte Gerichtsprotokolle überliefert, die gemeinsam mit den Gerichtsbüchern einen Überblick über die Tätigkeit der Patrimonialgerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit geben.
Von den Akten der Gutswirtschaft, die bei der Bewirtschaftung der "eigentümlichen Stücke", also der zum Rittergut gehörenden Eigenwirtschaft, entstanden, sind immerhin rund 80 Stück überliefert, die vor allem Rechnungen sowie Forst- und Jagdangelegenheiten beinhalten.
Von großem Wert für Historiker ist das Familienarchiv der Rittergutsbesitzer. Neben Familienverträgen, Testamenten, persönlichen Rechnungen und Quittungen sowie privaten Akten zu Gerichtsstreitigkeiten findet sich Material über die Erweiterung des Rittergutes und die Umgestaltung des Dorfes Kössern. Ebenso haben sich die Beziehung der Rittergutsbesitzer zur zuständigen Pfarrkirche in Leipnitz und der Versuch, in Kösseren eine Filialkirche zu errichten, in der Überlieferung niedergeschlagen. Des Weiteren sind auch Unterlagen überliefert, die im Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit einzelner Familienmitglieder in der Ritterschaft des Amtes Colditz entstanden sind. [14] Besonders umfangreich und aussagekräftig ist die Überlieferung, die auf Ferdinand Fürchtegott von Abendroth zurückgeht.
Eine Besonderheit des Bestandes sind Akten mit der Provenienz "Volksschule Kössern", die vermutlich durch eine Vermischung der Unterlagen während der Lagerung des enteigneten Gutsarchivs in der Schule in Kössern in den jetzt erschlossenen Bestand gelangt sind. Diese Akten wurden in einem gesonderten Gliederungspunkt erfasst.
Hinweise zur Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS 7.4 für Windows, mit dem auch das Orts- und das Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. (fettgedruckte Zahl).
Verweise auf korrespondierende Bestände
12613 Gerichtsbücher (HStA Dresden)
20007 Amt Colditz
20020 Schulamt Grimma
20027 Amtshauptmannschaft Grimma
20344 Rittergut Böhlen bei Leisnig
Literatur
- Hofmann, Die Rittergüter des Königreichs Sachsen. Ein Abriss ihrer Geschichte und rechtlichen Stellung nebst topographischen und statistischen Nachrichten über sämtliche Rittergüter …, Dresden 1901.
- Berger, Manfred, Kössern (Krs. Grimma). Geschichte eines Dorfes (9. Arbeitsheft des Kulturbundes e.V., Bezirksgeschäftsstelle Leipzig), Leipzig 1985.
Jens Kunze
Dezember 2008
Besitzer des Ritterguts Kössern
[01] Ausführlich zur Geschichte des Ortes Kössern siehe: Berger, Manfred, Kössern (Krs. Grimma). Geschichte eines Dorfes (9. Arbeitsheft des Kulturbundes e.V., Bezirksgeschäftsstelle Leipzig), Leipzig 1985.
[02] "… usque ad obstaculum, quod dicitur Kozzerwer". Codex diplomaticus saxoniae regiae. Zweiter Hauptteil, 15. Band, Urkundenbuch der Stadt Grimma und des Klosters Nimbschen, S. 213, Leipzig 1864).
[03] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 1 und 501.
[04] StA-D, 10004 Kopiale, Lehns-Cop. L. 1523, fol. 107b, Asmus Luder Lehenbrieve.
[05] StA-D, 10004 Kopiale, Lehn-Cop. GG. 1, 1586, fol. 129, Dittrich von Haugwitz Lehenbrieff uber Kössern.
[06] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 76 und 77.
[07] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 1 und 501.
[08] Berger, Kössern (wie Anm. 1), S. 19-21.
[09] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 412, 433 und 440.
[10] Ausführlich über die Zeit nach 1945 siehe Berger, Kössern (wie Anm. 1), S. 30-34.
[11] StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 352.
[12] Grün für Jagdsachen, Blau für Vererbungsangelegenheiten, helles Rot für Familienangelegenheiten, Braun für Kirchenangelegenheiten.
[13] Vgl. Enders, Lieselott, Ordnungsprobleme bei Guts- und Familienarchiven im Brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam, in: Archivmitteilungen 10 (1960) 3, S. 96-106; Richter, Birgit, Familienarchive in den Rittergutsbeständen der Staatsarchive, in: Archive in Thüringen. Nachlässe in Archiven, Sonderheft 2004.
[14] Siehe zu der politischen Tätigkeit einzelner Familienmitglieder die Aufstellung der Rittergutsbesitzer.
[15] Erbteilungsvertrag von 18. Februar 1758: Kössern bleibt gemeinsamer Besitz der lebenden Brüder. Vgl. StA-L, 20445, RG Kössern, Nr. 7.
Grundlagen der Patrimonialherrschaft.- Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Patronat.- Grundherrlich-bäuerliche Verhältnisse.- Gutswirtschaft.- Familienarchive von Erdmannsdorf und von Abendroth.- Tätigkeit in der Ritterschaft des Amtes Colditz.
Nördlich von Colditz im Amt Colditz befand sich das altschriftsässige Rittergut Kössern. Außer Kössern gehörten auch Teile von Förstgen sowie das Vorwerk Pielitzberg zum Gerichtsbezirk des Ritterguts. Das Rittergut übte zunächst die Erbgerichtsbarkeit, ab 17. Jahrhundert auch die Obergerichtsbarkeit im Gutsbezirk aus. Als Besitzer sind die Familien von Haugwitz, von Erdmannsdorf und von Abendroth bekannt. Die Gerichtsbarkeit des Ritterguts ging nach freiwilliger Abtretung an den Staat durch Hermann von Abendroth bereits am 28. Dezember 1849 auf das Justizamt Colditz über.
- 2008 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5