Beständeübersicht
Bestand
20547 Rittergut Seerhausen
Datierung | 1547 - 1941 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 13,31 |
Zur Geschichte des Ritterguts Seerhausen
Das Dorf Seerhausen, im ehemaligen Meißner Kreis zum Amt Oschatz zählend, liegt südwestlich von Riesa. Die Existenz eines Ritterguts im Ort lässt sich weit zurückverfolgen. Bereits aus dem Jahr 1224 ist als Besitzer des Ritterguts ein Ritter Ulrich von Seeruse bekannt. Um 1400 gelangte das Rittergut an die Familie von Schleinitz, in deren Besitz es über drei Jahrhunderte verblieb. [01] Im Jahr 1693 wurde Johanna Charlotte von Schleinitz mit dem Rittergut Seerhausen belehnt. Sie ehelichte den Geheimen Rat Christoph Dietrich Bose und hinterließ 1727 testamentarisch das Rittergut Seerhausen zur Hälfte ihrer Mutter, der Freifrau Rahel Sophie von Meusebach geb. von Friesen, die in erster Ehe mit Hans Georg von Schleinitz verheiratet war, [02] und zur Hälfte ihrem Ehemann. Letzterer trat seine Hälfte über einen Vergleich am 26. März 1729 an die genannte Freifrau von Meusebach ab. Diese verkaufte das Gut am 16. Mai 1729 an den Leipziger Buchhändlersohn Thomas Fritsch. [03] Neben Gärten, Feldern, Wiesen, Weinbergen u. a. gehörte zum Rittergut Seerhausen auch ein Teil der Mark Förstchen (Lausaer Heide) nahe Belgern im Amt Torgau, der 1877 an einen Schildauer Gutsbesitzer verkauft wurde.
Das Rittergut Seerhausen war altschriftsässig und besaß demzufolge die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit. Dieser Gerichtsbarkeit unterstanden neben Seerhausen auch die Dörfer Groptitz, Kalbitz und Roitzsch sowie Teile von Striegnitz, Treben und Winkwitz. Nach der Säkularisierung gehörten auch das Meißner Amtsdorf Weida und eine Hälfte von Pausitz, zuvor im Besitz des Klosters Riesa, lange Zeit zum Rittergut Seerhausen. [04]
Bereits im Jahr 1839 bot Carl Wilhelm Freiherr von Fritsch dem Staat die Übernahme der dem Rittergut Seerhausen noch zustehenden Gerichtsbarkeit an. Grund dafür waren vermutlich die Verfassungsreformen der 1830er Jahre und speziell die Bekanntmachung vom 26. April 1838, die Abgabe von Patrimonialgerichten betreffend, mit detaillierten Durchführungsbestimmungen. [05] Am 30. April 1839 ging die Gerichtsbarkeit des Ritterguts über Groptitz, Kalbitz und Seerhausen an das Justizamt Oschatz, über einen Teil von Winkwitz an das Kreisamt Meißen.
Im Besitz der Familie von Fritsch erreichte das Rittergut Seerhausen seine Blütezeit. Thomas von Fritsch (1700-1775), 1730 geadelt und 1742 in den Freiherrenstand erhoben, ließ die dortige Wasserburg zu einem schlossartigen Wohnsitz umbauen und bis 1744 zahlreiche Wirtschaftsgebäude errichten. Nach seinem Tod erbte der älteste Sohn Jacob Friedrich (1731-1814) das Rittergut. Dieser trat das Gut 1800 an seinen erstgeborenen Sohn Friedrich August (1768-1845) ab, der es noch im selben Jahr seinem Bruder Carl Wilhelm (1769-1851) überließ. Nachfolger war dessen ältester Sohn Carl Friedrich Christian Wilhelm (1804-1892) nach einem einvernehmlichen Vertrag mit seinen Brüdern und einem Ausgleich der Lehnsquanten (siehe auch Anlage zum Lehnsstamm). [06]
Die genannten Freiherren von Fritsch standen sämtlich in Staatsdiensten in Dresden, Weimar und Frankfurt am Main. So war Thomas zunächst in Dresden als Hof- und Justizienrat und Direktor des Münzkabinetts tätig, später als Reichshofrat bei Kaiser Karl VII. in Frankfurt/Main, dann wieder in Dresden als Kaiserlicher Reichspfennigmeister im Ober- und Niedersächsischen Kreis. Als Geheimer Rat und Konferenzminister vertrat er als Unterhändler Sachsen 1763 bei den Hubertusburger Friedensverhandlungen und führte bei diesen Verhandlungen den Vorsitz. Jacob Friedrich erhielt seine erste Anstellung bereits 1754 als Legationsrat bei der Regierung zu Eisenach und war ab 1756 über Jahrzehnte als Geheimer Rat und Hofrat in Weimar tätig, wo er 1772 auch zum Leiter des Geheimen Consiliums ernannt wurde. Carl Wilhelm trat bereits mit 20 Jahren als Hofjunker und Assessor cum voto in den Dienst am großherzoglichen Hof von Sachsen-Weimar. Bis 1843 war er dort u. a. als Kammerherr, Präsident des Landespolizeikollegiums und Staatsminister tätig. Ab 1819 hatte er die Oberaufsicht über das Weimarer Geheime Haupt- und Staatsarchiv, führte die Staatskorrespondenz und leitete die Geschäfte in den Deutschen Bundessachen. Beide standen in enger Beziehung zum Kreis der Weimarer Klassiker. Carl Friedrich Christian Wilhelm diente ab 1827 in verschiedenen Funktionen, so als Hofjunker, Kammerjunker, Geheimer Referendar, Kammerherr des Großherzogs und Wirklicher Geheimrat am Hof von Sachsen-Weimar. Höhepunkt seiner beruflichen Karriere war sicherlich seine Tätigkeit als Staatsrat und Gesandter der thüringischen Staaten beim Bundestag in Frankfurt/Main.
Schloss Seerhausen war für Familie von Fritsch teils Wohnsitz, teils nur Ferienaufenthalt. Das Gut selbst befand sich bis 1863 rund anderthalb Jahrhunderte in Pacht der Familie Roßberg. Karl Anton Emil von Fritsch (1837-1927), der jüngere Sohn von Carl Friedrich Christian Wilhelm, war in der Lehnsfolge der erste von Fritsch, der keinen Staatsdienst antrat. Er pachtete 1863 das Rittergut von seinem Vater, veranlasste den Bau von Wirtschaftsgebäuden sowie den Umbau des Schlosses und übernahm Seerhausen 1872 vollständig. Nach zeitweiliger Verpachtung ab 1897 übergab Karl Anton Emil das Rittergut Seerhausen 1920 seinem Sohn Karl Hugo (1869-1945). Dieser bewirtschaftete das Gut mit Inspektoren bis zur Enteignung am 25. September 1945. Wie aus einem Schreiben des Seerhausener Bürgermeisters an den Landrat des Kreises Oschatz hervorgeht, wurde der letzte Rittergutsbesitzer zusammen mit seinem Bruder Carlo von Fritsch am 22. Oktober 1945 "auf Anordnung des Herrn Landrates aus der Gemeinde Seerhausen entfernt und nach Oschatz eingeliefert". [07]
In seinem Testament hatte Thomas Freiherr von Fritsch u. a. die Übergabe von Seerhausen nebst Zubehör als Familien-Fideikommiss immer an den ältesten Sohn "an Lehn und Erbe" sowie ein Lehnsquantum aus seinem Gesamtbesitz an Gütern für seine männlichen Nachkommen bis in die vierte Generation bestimmt. Das Fideikommiss hatte Bestand bis 1931, seine Beendigung wurde durch das sächsische "Gesetz über die Auflösung der Familienanwartschaften" vom 9. Juli 1928 eingeleitet. [08] Der am 25. April 1929 gegründete "Freiherrlich von Fritschische Verein zu Schloss Seerhausen" verfolgte die in diesem Gesetz angestrebten Zwecke, wie z. B. Erhaltung und Fortführung wertvoller Sammlungen und Bereitstellung der Mittel dazu. [09]
Neben Seerhausen verfügte die Familie von Fritsch u. a. über folgende Besitzungen:
Rittergut Zschochau westlich von Lommatzsch (1746 von Thomas von Fritsch erworben und bereits 1764 seinem zweiten Sohn Heinrich Leopold als dessen künftiges Erbteil überlassen);
Rittergut Mautitz südwestlich von Riesa (1752 ebenfalls von Thomas von Fritsch erworben, ging 1775 aus dem Nachlass an seinen dritten Sohn Carl Abraham);
Rittergut Canitz zwischen Oschatz und Riesa (gelangte durch Heirat mit Philippine Charlotte von Gartenberg-Sadagorska in der zweiten Hälfte des 18. Jh. in den Besitz des Carl Abraham von Fritsch);
Rittergüter Groß- und Kleingoddula südlich von Merseburg (Erbteil der Johanne Charlotte geb. Freifrau von Fritsch aus dem Nachlass Ihres Ehemanns Johann Daniel Karl von Lohse 1779, gingen nach ihrem Tod 1804 testamentarisch an ihren Neffen Carl Wilhelm).
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Der Bestand Rittergut Seerhausen gelangte in drei Abgaben vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden (HStA) in das Sächsische Staatsarchiv Leipzig (StAL). Im Jahr 1962 wurden 1,5 lfm abgegeben, die im vorliegenden Findbuch unter Nr. 342-391 verzeichnet sind, dazu sieben Urkunden (Nr. U1-U7); 2002 kamen 0,8 lfm (Nr. 496-533) hierher. Bei den Akten dieser beiden Abgaben handelte es sich hauptsächlich um Akten des Patrimonialgerichts Seerhausen, die nach Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat den Nachfolgebehörden übergeben wurden und mit den Abgaben des Amtsgerichts Oschatz und der Amtshauptmannschaft Oschatz an das HStA gingen. Diese Akten waren mit Findkarteien erschlossen. 1999 erhielt das StAL weitere zwei Urkunden (Nr. U8-U9) sowie unter der Bezeichnung "Grundherrschaft Seerhausen" den größten Teil der Akten (8,7 lfm, Nr. 1-341, 401-495), erschlossen mit einem handgeschriebenen Findbuch aus dem Jahr 1951. Diese 1994 verfilmten Akten bilden den Hauptteil des Seerhausener Gutsarchivs. Sie gelangten im Zusammenhang mit der Sicherung und Überführung der Schlossbibliothek Seerhausen Anfang 1946 in die Sächsische Landesbibliothek Dresden und die meisten von ihnen von dort am 5. April gleichen Jahres in das damalige Landeshauptarchiv (jetzt HStA) Dresden. Auch die restlichen Archivalien, die die Landesbibliothek wegen ihrer literarischen Bedeutung für ihre Handschriftensammlung beanspruchte, mussten infolge einer entsprechenden Verordnung [10] an das Landeshauptarchiv abgetreten werden.
Im StAL konnten die drei Teilbestände des Ritterguts Seerhausen 2003 zu einem Bestand zusammengeführt werden. Hinzu kamen die vier Akten des aufgelösten Bestands Patrimonialgericht Mautitz (Nr. 534-537), da sich im Bestand Rittergut Seerhausen bereits 15 Akten des von dort mit verwalteten Ritterguts Mautitz befanden. Die verfilmten Akten des Hauptteils behielten ihre Nummern bei, da viele von ihnen bereits unter diesen Nummern zitiert worden waren. Neu nummeriert wurden die beiden kleineren Teile und die o. g. vier Mautitzer Akten. Konsequent erfasst sind die Signaturen des HStA (siehe auch beigefügte Konkordanz) und nach Möglichkeit auch die alten Registratursignaturen. Das Gesamtregister der Orts- und Personennamen orientiert sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht.
Ergänzend konnten 2011 aus Privatbesitz fünf Konvolute mit Korrespondenzen von Jacob Friedrich und Carl Wilhelm von Fritsch übernommen werden. Sie wurden dem Bestand unter den Nr. 540 – 544 zugeordnet, anschließend verfilmt und zum Teil digitalisiert. Die äußerst wertvollen Bände enthalten Briefe von Goethe, Herder, Wieland u. a. Vertretern der Weimarer Klassik. [11]
Überlieferungsschwerpunkte
Insgesamt sind 544 Akteneinheiten aus einem Zeitraum von 1601 bis 1941 überliefert. Dazu kommen neun Urkunden, die zwischen 1550 und 1742 ausgestellt wurden. Von diesen Urkunden betreffen sieben die Familie von Schleinitz und haben Lehnssachen zum Inhalt. Mit rund 225 Einheiten dominieren die Akten des Familienarchivs den Bestand. Die ältesten davon (5 AE) gehen auf die Familie von Schleinitz zurück. Den Schwerpunkt des Familienarchivs bilden neben einem umfangreichen Briefwechsel und persönlichen Erinnerungen zahlreiche Berichte über die staatsmännische Tätigkeit der Freiherren von Fritsch im 18. und 19. Jahrhundert sowie über entsprechende Würdigungen und Auszeichnungen. Die Wirkungen dieser Tätigkeit gehen weit über die Grenzen Sachsens hinaus. Einen weiteren Schwerpunkt im Bestand bilden die vielfältigen Bereiche der Gutswirtschaft mit über 100 Einzelakten. Auch zu den Punkten Gerichtsverwaltung und Gerichtsbarkeit sind zahlreiche Akten überliefert. Von historischem Interesse sind ferner einige Akten mit Aufstellungen von Kriegsleistungen und -kontributionen des Ritterguts im 18. und 19. Jahrhundert. Dazu gehören u. a. Angaben zu Ritterpferdsbeiträgen. Die Punkte 11 und 12 enthalten Unterlagen der Rittergüter Mautitz und Goddula, die lange Zeit zum Rittergut Seerhausen gehörten und von dort aus mit verwaltet wurden.
Hinweise zur Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows. Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, 20547, RG Seerhausen Nr. (fettgedruckte Zahl). Die verfilmten Akten sind aus Erhaltungsgründen nicht im Original zugänglich; bei der Bestellung ist die Film-Nr. anzugeben.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Als korrespondierende Bestände im StAL sind zu nutzen: Königl. Landgericht Oschatz, Gerichtsamt Oschatz, Amtsgericht Oschatz, Amtshauptmannschaft Oschatz. Des Weiteren ist auf die verfilmten Gerichtsbücher für das Patrimonialgericht Seerhausen nebst zugehörigen Orten zu verweisen ("Gerichtsbücher AG Oschatz"). Überliefert sind 17 Gerichtshandelsbücher für die Jahre von 1547 bis 1846 und sieben Konsensbücher, die den Zeitraum 1690 bis 1847 betreffen. Sie wurden virtuell in das Findbuch aufgenommen und sind mit den Signaturen des Gerichtsbuchbestands zu benutzen.
Ursula Hoffmann
Aug. 2003
Birgit Richter
Nov. 2011
[01] Vgl. A. Schumann, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, Bd. 11, Zwickau 1824, S. 52ff.
[02] Ahnenreihenwerk der Geschwister Fischer, Bd. 4/VIII, 1973.
[03] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (im Folgenden StA-L), RG Seerhausen 106 und 107.
[04] Schumann, a. a. O.
[05] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1838, S. 367ff.
[06] Vgl. Familienunterlagen der Freiherren von Fritsch, 2 Bde., bearb. u. hrsg. von Thomas Freiherr v. Fritsch-Seerhausen, 1991 und 1994.
[07] StA-L, KR/KT Oschatz 665.
[08] Sächsisches Gesetzblatt, 1928, S. 109ff.
[09] StA-L, AG Oschatz 468 und RG Seerhausen 138a.
[10] Verordnung über die Ablieferung von verlagerten oder verschleppten Aufzeichnungen, Akten und sonstigen Unterlagen aller Art vom 8. Juli 1950. In: Gesetzblatt der DDR, 2. Hj., Nr. 77, vom 15. Juli 1950, S. 651.
[11] Vgl. Johann Wolfgang Goethe, Repertorium sämtlicher Briefe 1764 - 1832 (http://or.a-web.swkk.de/swk-db/goerep/; WA-Nummern: 01184, 01547, 01729, 02124a, 04798a, 05137, 05473, 05898, 05900, 05911, 05918, 06186, 08187, 34273, 40217, 39128, 40052, 40065, 40064, 40117b, 40104, 40193, 47037, 48183, 00874).
Das Dorf Seerhausen, im ehemaligen Meißner Kreis zum Amt Oschatz zählend, liegt südwestlich von Riesa. Die Existenz eines Ritterguts im Ort lässt sich weit zurückverfolgen. Bereits aus dem Jahr 1224 ist als Besitzer des Ritterguts ein Ritter Ulrich von Seeruse bekannt. Um 1400 gelangte das Rittergut an die Familie von Schleinitz, in deren Besitz es über drei Jahrhunderte verblieb. [01] Im Jahr 1693 wurde Johanna Charlotte von Schleinitz mit dem Rittergut Seerhausen belehnt. Sie ehelichte den Geheimen Rat Christoph Dietrich Bose und hinterließ 1727 testamentarisch das Rittergut Seerhausen zur Hälfte ihrer Mutter, der Freifrau Rahel Sophie von Meusebach geb. von Friesen, die in erster Ehe mit Hans Georg von Schleinitz verheiratet war, [02] und zur Hälfte ihrem Ehemann. Letzterer trat seine Hälfte über einen Vergleich am 26. März 1729 an die genannte Freifrau von Meusebach ab. Diese verkaufte das Gut am 16. Mai 1729 an den Leipziger Buchhändlersohn Thomas Fritsch. [03] Neben Gärten, Feldern, Wiesen, Weinbergen u. a. gehörte zum Rittergut Seerhausen auch ein Teil der Mark Förstchen (Lausaer Heide) nahe Belgern im Amt Torgau, der 1877 an einen Schildauer Gutsbesitzer verkauft wurde.
Das Rittergut Seerhausen war altschriftsässig und besaß demzufolge die hohe und die niedere Gerichtsbarkeit. Dieser Gerichtsbarkeit unterstanden neben Seerhausen auch die Dörfer Groptitz, Kalbitz und Roitzsch sowie Teile von Striegnitz, Treben und Winkwitz. Nach der Säkularisierung gehörten auch das Meißner Amtsdorf Weida und eine Hälfte von Pausitz, zuvor im Besitz des Klosters Riesa, lange Zeit zum Rittergut Seerhausen. [04]
Bereits im Jahr 1839 bot Carl Wilhelm Freiherr von Fritsch dem Staat die Übernahme der dem Rittergut Seerhausen noch zustehenden Gerichtsbarkeit an. Grund dafür waren vermutlich die Verfassungsreformen der 1830er Jahre und speziell die Bekanntmachung vom 26. April 1838, die Abgabe von Patrimonialgerichten betreffend, mit detaillierten Durchführungsbestimmungen. [05] Am 30. April 1839 ging die Gerichtsbarkeit des Ritterguts über Groptitz, Kalbitz und Seerhausen an das Justizamt Oschatz, über einen Teil von Winkwitz an das Kreisamt Meißen.
Im Besitz der Familie von Fritsch erreichte das Rittergut Seerhausen seine Blütezeit. Thomas von Fritsch (1700-1775), 1730 geadelt und 1742 in den Freiherrenstand erhoben, ließ die dortige Wasserburg zu einem schlossartigen Wohnsitz umbauen und bis 1744 zahlreiche Wirtschaftsgebäude errichten. Nach seinem Tod erbte der älteste Sohn Jacob Friedrich (1731-1814) das Rittergut. Dieser trat das Gut 1800 an seinen erstgeborenen Sohn Friedrich August (1768-1845) ab, der es noch im selben Jahr seinem Bruder Carl Wilhelm (1769-1851) überließ. Nachfolger war dessen ältester Sohn Carl Friedrich Christian Wilhelm (1804-1892) nach einem einvernehmlichen Vertrag mit seinen Brüdern und einem Ausgleich der Lehnsquanten (siehe auch Anlage zum Lehnsstamm). [06]
Die genannten Freiherren von Fritsch standen sämtlich in Staatsdiensten in Dresden, Weimar und Frankfurt am Main. So war Thomas zunächst in Dresden als Hof- und Justizienrat und Direktor des Münzkabinetts tätig, später als Reichshofrat bei Kaiser Karl VII. in Frankfurt/Main, dann wieder in Dresden als Kaiserlicher Reichspfennigmeister im Ober- und Niedersächsischen Kreis. Als Geheimer Rat und Konferenzminister vertrat er als Unterhändler Sachsen 1763 bei den Hubertusburger Friedensverhandlungen und führte bei diesen Verhandlungen den Vorsitz. Jacob Friedrich erhielt seine erste Anstellung bereits 1754 als Legationsrat bei der Regierung zu Eisenach und war ab 1756 über Jahrzehnte als Geheimer Rat und Hofrat in Weimar tätig, wo er 1772 auch zum Leiter des Geheimen Consiliums ernannt wurde. Carl Wilhelm trat bereits mit 20 Jahren als Hofjunker und Assessor cum voto in den Dienst am großherzoglichen Hof von Sachsen-Weimar. Bis 1843 war er dort u. a. als Kammerherr, Präsident des Landespolizeikollegiums und Staatsminister tätig. Ab 1819 hatte er die Oberaufsicht über das Weimarer Geheime Haupt- und Staatsarchiv, führte die Staatskorrespondenz und leitete die Geschäfte in den Deutschen Bundessachen. Beide standen in enger Beziehung zum Kreis der Weimarer Klassiker. Carl Friedrich Christian Wilhelm diente ab 1827 in verschiedenen Funktionen, so als Hofjunker, Kammerjunker, Geheimer Referendar, Kammerherr des Großherzogs und Wirklicher Geheimrat am Hof von Sachsen-Weimar. Höhepunkt seiner beruflichen Karriere war sicherlich seine Tätigkeit als Staatsrat und Gesandter der thüringischen Staaten beim Bundestag in Frankfurt/Main.
Schloss Seerhausen war für Familie von Fritsch teils Wohnsitz, teils nur Ferienaufenthalt. Das Gut selbst befand sich bis 1863 rund anderthalb Jahrhunderte in Pacht der Familie Roßberg. Karl Anton Emil von Fritsch (1837-1927), der jüngere Sohn von Carl Friedrich Christian Wilhelm, war in der Lehnsfolge der erste von Fritsch, der keinen Staatsdienst antrat. Er pachtete 1863 das Rittergut von seinem Vater, veranlasste den Bau von Wirtschaftsgebäuden sowie den Umbau des Schlosses und übernahm Seerhausen 1872 vollständig. Nach zeitweiliger Verpachtung ab 1897 übergab Karl Anton Emil das Rittergut Seerhausen 1920 seinem Sohn Karl Hugo (1869-1945). Dieser bewirtschaftete das Gut mit Inspektoren bis zur Enteignung am 25. September 1945. Wie aus einem Schreiben des Seerhausener Bürgermeisters an den Landrat des Kreises Oschatz hervorgeht, wurde der letzte Rittergutsbesitzer zusammen mit seinem Bruder Carlo von Fritsch am 22. Oktober 1945 "auf Anordnung des Herrn Landrates aus der Gemeinde Seerhausen entfernt und nach Oschatz eingeliefert". [07]
In seinem Testament hatte Thomas Freiherr von Fritsch u. a. die Übergabe von Seerhausen nebst Zubehör als Familien-Fideikommiss immer an den ältesten Sohn "an Lehn und Erbe" sowie ein Lehnsquantum aus seinem Gesamtbesitz an Gütern für seine männlichen Nachkommen bis in die vierte Generation bestimmt. Das Fideikommiss hatte Bestand bis 1931, seine Beendigung wurde durch das sächsische "Gesetz über die Auflösung der Familienanwartschaften" vom 9. Juli 1928 eingeleitet. [08] Der am 25. April 1929 gegründete "Freiherrlich von Fritschische Verein zu Schloss Seerhausen" verfolgte die in diesem Gesetz angestrebten Zwecke, wie z. B. Erhaltung und Fortführung wertvoller Sammlungen und Bereitstellung der Mittel dazu. [09]
Neben Seerhausen verfügte die Familie von Fritsch u. a. über folgende Besitzungen:
Rittergut Zschochau westlich von Lommatzsch (1746 von Thomas von Fritsch erworben und bereits 1764 seinem zweiten Sohn Heinrich Leopold als dessen künftiges Erbteil überlassen);
Rittergut Mautitz südwestlich von Riesa (1752 ebenfalls von Thomas von Fritsch erworben, ging 1775 aus dem Nachlass an seinen dritten Sohn Carl Abraham);
Rittergut Canitz zwischen Oschatz und Riesa (gelangte durch Heirat mit Philippine Charlotte von Gartenberg-Sadagorska in der zweiten Hälfte des 18. Jh. in den Besitz des Carl Abraham von Fritsch);
Rittergüter Groß- und Kleingoddula südlich von Merseburg (Erbteil der Johanne Charlotte geb. Freifrau von Fritsch aus dem Nachlass Ihres Ehemanns Johann Daniel Karl von Lohse 1779, gingen nach ihrem Tod 1804 testamentarisch an ihren Neffen Carl Wilhelm).
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Der Bestand Rittergut Seerhausen gelangte in drei Abgaben vom Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden (HStA) in das Sächsische Staatsarchiv Leipzig (StAL). Im Jahr 1962 wurden 1,5 lfm abgegeben, die im vorliegenden Findbuch unter Nr. 342-391 verzeichnet sind, dazu sieben Urkunden (Nr. U1-U7); 2002 kamen 0,8 lfm (Nr. 496-533) hierher. Bei den Akten dieser beiden Abgaben handelte es sich hauptsächlich um Akten des Patrimonialgerichts Seerhausen, die nach Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat den Nachfolgebehörden übergeben wurden und mit den Abgaben des Amtsgerichts Oschatz und der Amtshauptmannschaft Oschatz an das HStA gingen. Diese Akten waren mit Findkarteien erschlossen. 1999 erhielt das StAL weitere zwei Urkunden (Nr. U8-U9) sowie unter der Bezeichnung "Grundherrschaft Seerhausen" den größten Teil der Akten (8,7 lfm, Nr. 1-341, 401-495), erschlossen mit einem handgeschriebenen Findbuch aus dem Jahr 1951. Diese 1994 verfilmten Akten bilden den Hauptteil des Seerhausener Gutsarchivs. Sie gelangten im Zusammenhang mit der Sicherung und Überführung der Schlossbibliothek Seerhausen Anfang 1946 in die Sächsische Landesbibliothek Dresden und die meisten von ihnen von dort am 5. April gleichen Jahres in das damalige Landeshauptarchiv (jetzt HStA) Dresden. Auch die restlichen Archivalien, die die Landesbibliothek wegen ihrer literarischen Bedeutung für ihre Handschriftensammlung beanspruchte, mussten infolge einer entsprechenden Verordnung [10] an das Landeshauptarchiv abgetreten werden.
Im StAL konnten die drei Teilbestände des Ritterguts Seerhausen 2003 zu einem Bestand zusammengeführt werden. Hinzu kamen die vier Akten des aufgelösten Bestands Patrimonialgericht Mautitz (Nr. 534-537), da sich im Bestand Rittergut Seerhausen bereits 15 Akten des von dort mit verwalteten Ritterguts Mautitz befanden. Die verfilmten Akten des Hauptteils behielten ihre Nummern bei, da viele von ihnen bereits unter diesen Nummern zitiert worden waren. Neu nummeriert wurden die beiden kleineren Teile und die o. g. vier Mautitzer Akten. Konsequent erfasst sind die Signaturen des HStA (siehe auch beigefügte Konkordanz) und nach Möglichkeit auch die alten Registratursignaturen. Das Gesamtregister der Orts- und Personennamen orientiert sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht.
Ergänzend konnten 2011 aus Privatbesitz fünf Konvolute mit Korrespondenzen von Jacob Friedrich und Carl Wilhelm von Fritsch übernommen werden. Sie wurden dem Bestand unter den Nr. 540 – 544 zugeordnet, anschließend verfilmt und zum Teil digitalisiert. Die äußerst wertvollen Bände enthalten Briefe von Goethe, Herder, Wieland u. a. Vertretern der Weimarer Klassik. [11]
Überlieferungsschwerpunkte
Insgesamt sind 544 Akteneinheiten aus einem Zeitraum von 1601 bis 1941 überliefert. Dazu kommen neun Urkunden, die zwischen 1550 und 1742 ausgestellt wurden. Von diesen Urkunden betreffen sieben die Familie von Schleinitz und haben Lehnssachen zum Inhalt. Mit rund 225 Einheiten dominieren die Akten des Familienarchivs den Bestand. Die ältesten davon (5 AE) gehen auf die Familie von Schleinitz zurück. Den Schwerpunkt des Familienarchivs bilden neben einem umfangreichen Briefwechsel und persönlichen Erinnerungen zahlreiche Berichte über die staatsmännische Tätigkeit der Freiherren von Fritsch im 18. und 19. Jahrhundert sowie über entsprechende Würdigungen und Auszeichnungen. Die Wirkungen dieser Tätigkeit gehen weit über die Grenzen Sachsens hinaus. Einen weiteren Schwerpunkt im Bestand bilden die vielfältigen Bereiche der Gutswirtschaft mit über 100 Einzelakten. Auch zu den Punkten Gerichtsverwaltung und Gerichtsbarkeit sind zahlreiche Akten überliefert. Von historischem Interesse sind ferner einige Akten mit Aufstellungen von Kriegsleistungen und -kontributionen des Ritterguts im 18. und 19. Jahrhundert. Dazu gehören u. a. Angaben zu Ritterpferdsbeiträgen. Die Punkte 11 und 12 enthalten Unterlagen der Rittergüter Mautitz und Goddula, die lange Zeit zum Rittergut Seerhausen gehörten und von dort aus mit verwaltet wurden.
Hinweise zur Benutzung
Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows. Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, 20547, RG Seerhausen Nr. (fettgedruckte Zahl). Die verfilmten Akten sind aus Erhaltungsgründen nicht im Original zugänglich; bei der Bestellung ist die Film-Nr. anzugeben.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Als korrespondierende Bestände im StAL sind zu nutzen: Königl. Landgericht Oschatz, Gerichtsamt Oschatz, Amtsgericht Oschatz, Amtshauptmannschaft Oschatz. Des Weiteren ist auf die verfilmten Gerichtsbücher für das Patrimonialgericht Seerhausen nebst zugehörigen Orten zu verweisen ("Gerichtsbücher AG Oschatz"). Überliefert sind 17 Gerichtshandelsbücher für die Jahre von 1547 bis 1846 und sieben Konsensbücher, die den Zeitraum 1690 bis 1847 betreffen. Sie wurden virtuell in das Findbuch aufgenommen und sind mit den Signaturen des Gerichtsbuchbestands zu benutzen.
Ursula Hoffmann
Aug. 2003
Birgit Richter
Nov. 2011
[01] Vgl. A. Schumann, Vollständiges Staats-, Post- und Zeitungslexikon von Sachsen, Bd. 11, Zwickau 1824, S. 52ff.
[02] Ahnenreihenwerk der Geschwister Fischer, Bd. 4/VIII, 1973.
[03] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (im Folgenden StA-L), RG Seerhausen 106 und 107.
[04] Schumann, a. a. O.
[05] Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen, 1838, S. 367ff.
[06] Vgl. Familienunterlagen der Freiherren von Fritsch, 2 Bde., bearb. u. hrsg. von Thomas Freiherr v. Fritsch-Seerhausen, 1991 und 1994.
[07] StA-L, KR/KT Oschatz 665.
[08] Sächsisches Gesetzblatt, 1928, S. 109ff.
[09] StA-L, AG Oschatz 468 und RG Seerhausen 138a.
[10] Verordnung über die Ablieferung von verlagerten oder verschleppten Aufzeichnungen, Akten und sonstigen Unterlagen aller Art vom 8. Juli 1950. In: Gesetzblatt der DDR, 2. Hj., Nr. 77, vom 15. Juli 1950, S. 651.
[11] Vgl. Johann Wolfgang Goethe, Repertorium sämtlicher Briefe 1764 - 1832 (http://or.a-web.swkk.de/swk-db/goerep/; WA-Nummern: 01184, 01547, 01729, 02124a, 04798a, 05137, 05473, 05898, 05900, 05911, 05918, 06186, 08187, 34273, 40217, 39128, 40052, 40065, 40064, 40117b, 40104, 40193, 47037, 48183, 00874).
Grundlagen der Patrimonialherrschaft.- Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Patronat.- Grundherrlich-bäuerliche Verhältnisse.- Landtagsangelegenheiten.- Gutswirtschaft.- Familienarchive von Schleinitz und von Fritsch.
Das altschriftsässige Rittergut Seerhausen südwestlich von Riesa lag im Territorium des Amts Oschatz. Seit Ende des 14. Jahrhunderts gehörte das Rittergut der Familie von Schleinitz. Von dieser Familie kaufte es Thomas Freiherr von Fritsch 1729. Das Gut blieb bis zur Enteignung im Zuge der Bodenreform 1945 im Besitz der Familie von Fritsch. Nach freiwilliger Abtretung der dem Rittergut zustehenden Gerichtsbarkeit durch Carl Wilhelm Freiherr von Fritsch ging diese am 30. April 1839 in Bezug auf Seerhausen, Groptitz und Kalbitz an das Justizamt Oschatz, hinsichtlich eines Teils von Winkwitz an das Kreisamt Meißen. Die Freiherren von Fritsch spielten als Staatsmänner eine bedeutende Rolle: Thomas als Geheimer Rat und Konferenzminister sowie sächsischer Unterhändler beim Hubertusburger Friedensschluss, Jacob Friedrich und Carl Wilhelm in Staatsdiensten am großherzoglichen Hof von Sachsen-Weimar, Carl Friedrich Christian Wilhelm als Staatsrat und Gesandter für die thüringischen Staaten in Frankfurt am Main.
Im Bestand befinden sich auch Akten des von Thomas von Fritsch 1752 erworbenen und vom Rittergut Seerhausen aus verwalteten Ritterguts Mautitz mit Gerichtsbarkeit über Roitzsch, Striegnitz und Treben. Diese Gerichtsbarkeit ging ebenfalls am 30. April 1839 an das Justizamt Oschatz. Ferner gehören zum Bestand Unterlagen der durch Erbschaft in den Besitz der Familie von Fritsch gelangten Rittergüter Groß- und Kleingoddula bei Merseburg.
Im Bestand befinden sich auch Akten des von Thomas von Fritsch 1752 erworbenen und vom Rittergut Seerhausen aus verwalteten Ritterguts Mautitz mit Gerichtsbarkeit über Roitzsch, Striegnitz und Treben. Diese Gerichtsbarkeit ging ebenfalls am 30. April 1839 an das Justizamt Oschatz. Ferner gehören zum Bestand Unterlagen der durch Erbschaft in den Besitz der Familie von Fritsch gelangten Rittergüter Groß- und Kleingoddula bei Merseburg.
- 2003 | Findbuch / Datenbank
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