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Beständeübersicht

Bestand

20557 Rittergut Stötteritz (Patrimonialgericht)

Datierung1576 - 1856
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)17,80
Geschichte der Rittergüter in Stötteritz [01]

Das ehemalige Dorf Stötteritz liegt etwa 4 km südöstlich vom Stadtzentrum Leipzig und wurde am 1. Januar 1910 zusammen mit Dölitz, Dösen, Möckern, Probstheida und Stünz nach Leipzig eingemeindet (1547: Amt; 1856: Gerichtsamt Leipzig I; 1875: Amtshauptmannschaft Leipzig).
Stötteritz ist aus dem Dorf Melsch, dem Ober- und Unterdorf mit je einem Rittergut und der armen, vorwiegend von Tagelöhnern bewohnten Tragkorbgemeinde [02] zusammengewachsen. Die Güter wechselten häufig ihre meist bürgerlichen Besitzer. Für den oberen Teil ist ab 1575 eine Besitzerfamilie namens Heinze bekannt. [03] Ungefähr ab 1630 besaß die Familie Schmidt von Schmiedefeld das Rittergut. Nach dem Tode des Heinrich Schmidt von Schmiedefeld, etwa 1680, heiratete seine Witwe Maria Magdalena um 1687 Rink von Dorstig. In der Familie Rink blieb das Rittergut, bis im Jahre 1745 eine Tochter den Hofrat Adam Friedrich von Glafey heiratet. 1782 erwarb Prof. Dr. Heinrich Gottfried Bauer, Ordinarius der Juristenfakultät in Leipzig, das Gut. Seine Kinder verkauften es 1817 für 29.000 Taler an Erdmann Hermann. 1819 war der obere Teil von Stötteritz in den Händen von Ferdinand Semmel, Stadthauptmann in Gera, von dem es der Leipziger Kaufmann Richter kaufte. Im Jahre 1823 übernahm der Hofrat Prof. Dr. Heinrich Karl Abraham Eichstädt das Rittergut für 42.500 Taler, in dessen Familie es bis 1856 verblieb. 1849 wird Louise Seidel, Nichte und Erbin von Heinrich Carl Abraham Eichstädt, als Besitzerin des Guts genannt. Im Jahre 1887 wurde das Rittergut Stötteritz (oberer Teil) von der Leipziger Immobiliengesellschaft und der Allgemeinen Deutschen Kreditanstalt aufgekauft, um dessen Felder für die Bebauung zu erschließen. 1908 wurde im Rahmen von Neubebauungsplänen das Rittergut (oberer Teil) mitsamt seinem Herrenhaus abgebrochen.
Als Besitzer von Stötteritz (unterer Teil) ist ab 1652 Johann von der Burgk bekannt. Im Besitze der Familie von der Burgk war das Rittergut bis 1734. In den Jahren von 1734 bis 1750 besaß Dr. Christian Gregorius Altner das Gut, der es dann an die Familie Faber (1750 – 1789) verkaufte. 1788 vererbte Frau Faber Stötteritz (unterer Teil) an ihre Schwester, die Frau des Leipziger Kreissteuereinnehmers Christian Felix Weiße. Dieser ist als Dichter und Jugendschriftsteller (Freund von Gellert und Gottsched) und Herausgeber des "Kinderfreund" bekannt. Seine Erben hatten das Rittergut wahrscheinlich bis zum Verkauf an die Stadt Leipzig im Jahre 1864 im Besitz.
Das Herrenhaus des unteren Gutes wurde zwischen 1780 und 1790 erbaut. Nachdem Christian Felix Weiße das untere Gut erworben hatte, veranlasste er Umgestaltungsarbeiten und legte den Park nach englischem Vorbild an.
Während der Völkerschlacht 1813 lag Stötteritz im Zentrum des Geschehens. Am Abend des 17. Oktober wird das Hauptquartier Napoleons nach Stötteritz verlegt. Am folgenden Tag tobt die Schlacht auf Stötteritzer Flur. Von der auf dem Thonberg gelegenen Quandtschen Tabaksmühle (dem heutigen Napoleonstein) beobachtete Napoleon den Verlauf der Schlacht, während er im Gasthof "Löwenpark" in Stötteritz wohnte. Nach der Schlacht sind 15 Häuser und die Quandtsche Tabaksmühle abgebrannt, 40 weitere Häuser beschädigt und alle Futtervorräte und Lebensmittel geplündert. Die Marienkirche diente als Lazarett.
Im Gegensatz zu den anderen im Jahre 1910 eingemeindeten Vororten bestanden in Stötteritz bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts keine Bauerngüter mehr. Landwirtschaft wurde nur noch von den beiden Rittergütern betrieben. Die Einwohner von Stötteritz waren hauptsächlich Arbeiter, die entweder in Leipzig Arbeit fanden oder in den in Stötteritz betriebenen Gewerben tätig waren. Bis zum Einsetzen der industriellen Entwicklung in der Mitte des 19. Jahrhunderts spielten die Papiermühle und die Tabaksmühle, an deren Lage die heutigen Straßenbezeichnungen erinnern, eine Hauptrolle. Für den Tabakanbau, der seit 1765 betrieben wurde, war Stötteritz der bedeutendste Ort in ganz Sachsen. [04]
Am 1. Januar 1871 vereinten sich die zwei bis dahin selbstständig bestehenden Gemeindeteile Stötteritz oberer und Stötteritz unterer Teil (auch Ober- und Untergemeinden genannt) zu einer Gemeinde. In der Folgezeit entwickelte sich Stötteritz zu einem industriell geprägten Vorort. Es entstand die jetzt noch erkennbare Zusammensetzung von Geschäften, kleineren und größeren Betrieben und Wohnhäusern.
Von 1950 bis 1991 vermietete die Stadt den unteren Gutshof an Industrieunternehmen, zuletzt an den VEB Geräte- und Reglerwerk Teltow, der die Gebäude als Lagerstätte nutzte. Das Herrenhaus wurde zwar unter Denkmalschutz gestellt, verfiel aber mehr und mehr. Erst nach 1990 erfolgt eine umfassende Renovierung des Herrenhauses.

Bestandsgeschichte und –bearbeitung

Beide Rittergüter in Stötteritz waren eigenständige Gerichts- und Verwaltungsbezirke. Das überlieferte Schriftgut entstand bei der Wahrnehmung der entsprechenden Kompetenzen in Justiz und Verwaltung. Mit dem Übergang der privaten Gerichtsbarkeit an den Staat, der in Sachsen zwischen 1833 und 1856 erfolgte, wurde auch das Patrimonialgerichtsarchiv verstaatlicht. Auf Anordnung des Justizministeriums wurde die Gerichtsbarkeit des Ritterguts Stötteritz (oberer Teil) am 25. Juli 1856, die des unteren Teils am 28. Juli 1856 dem Kreisamt Leipzig übertragen.
Der Hauptteil dieser Überlieferung (Nr. 1 - 300) gelangte um 1960 aus dem Archiv des Amtsgerichts Leipzig an das Staatsarchiv Leipzig. 1962 kamen noch ca. 8,5 lfm Akten aus dem Stadtarchiv Leipzig hinzu. Im Staatsarchiv Leipzig wurde der Bestand 1963 formiert und die 512 AE durch ein maschinenschriftliches Findbuch erschlossen. Später wurden weitere Nachträge eingearbeitet. 2002 wurden zwei Akteneinheiten provenienzgerecht dem Bestand Gerichtsamt Leipzig I zugeführt, die Nr. 180 und 486 sind daher heute Fehlsignaturen.
Das Findbuch von 1963 genügte nicht mehr heutigen archivfachlichen Anforderungen. Die Titelbildung war zumeist unzureichend, der Sachbetreff nicht immer eindeutig erkennbar.
Im Jahr 2012 fand eine Retrokonversion der Findmittel statt, in deren Rahmen der Erschließungsstand verbessert wurde. Im Zuge dieser Retrokonversion wurden die Akten mit Hilfe einer in Anlehnung an das Gliederungsschema für Rittergutsbestände neu erarbeiteten Klassifikation geordnet und in einer AUGIAS-Datenbank verzeichnet. Zusätzlich mussten viele der vorhandenen Titel korrigiert und, wenn nötig, Enthältvermerke angelegt werden. Arbeitsgrundlage für diese Verzeichnung war die "Erschließungsrichtlinie des Sächsischen Staatsarchivs". Erfasst wurden nach Möglichkeit die alten Registratursignaturen sowie frühere Archivsignaturen. Die Bildung von Bandreihen entstand in der Regel neu und in chronologischer Folge.
Die Register der Orts- und Personennamen, ebenfalls mit dem o. g. PC-Programm erstellt, orientieren sich an der fortlaufend vergebenen Indexnummer, die kursiv unter der Verzeichnungseinheit steht.

Überlieferungsschwerpunkte

Der vorliegende Bestand enthält 517 Verzeichnungseinheiten. Er umfasst die Jahre von 1576 bis 1858. Den mengenmäßigen Schwerpunkt der Überlieferung bilden die Unterlagen der Patrimonialherrschaft und hierbei wiederum die Akten der Straf- und Zivilgerichtsbarkeit sowie Erbschafts-, Nachlass- und Grundstücksangelegenheiten. In großer Anzahl sind auch so genannte Gerichtsprotokolle überliefert, die gemeinsam mit den Gerichtsbüchern einen Überblick über die Tätigkeit der Patrimonialgerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit geben.
Im Bestandsteil Stötteritz (oberer Teil) befinden sich einige Gerichtsakten über die Verpachtung des Rittergutes, die für die nicht mehr erhaltene Gutswirtschaftsregistratur einen Ersatz darstellen können. Von den Akten der Strafgerichtsbarkeit sind zwei Untersuchungsakten gegen die Teilnehmer der revolutionären Ereignisse im Jahre 1849 hervorzuheben. Ein großer Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit bezieht sich neben Nachlassverfahren auf Grundstücksangelegenheiten, von denen besonders die Versteigerung des Ludewigschen Papiermühlengrundstückes (1814 – 1835) zu nennen ist.
Im Bestandsteil Stötteritz (unterer Teil) befinden sich über das Rittergut selbst keine Quellen. Zahlreich sind die Akten über Nachlassverfahren, während die Grundstücksangelegenheiten in diesem Teil eine geringe Rolle spielen.
Von den Polizeiverwaltungsakten ist besonders auf eine Akte aus der Zeit von 1850 bis 1851 über die Ausweisung von politischen Flüchtlingen aus der Stadt und Umgebung von Leipzig hinzuweisen. [05]

Hinweise zur Benutzung

Die Erfassung erfolgte mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows, mit dem auch das Orts- und das Personenregister erstellt wurden.
Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 20557 Rittergut Stötteritz (Patrimonialgericht) Nr. (fettgedruckte Zahl).

Verweise auf korrespondierende Bestände

20009 Amt Leipzig
20021 Konsistorium Leipzig
20024 Kreishauptmannschaft Leipzig
20028 Amtshauptmannschaft Leipzig
20096 Gerichtsamt Leipzig I
20568 Rittergut Wachau

Jens Kunze

April 2012

Besitzer der Rittergüter

oberer Teil
bis 1517
Helena Krah
ab 1517
Ludwig Langschneider (Vorsteher des St. Anna-Alters in der Thomaskirche)
1540
Sigmund Breutigam
ab 1630
Familie Schmidt von Schmiedefeld (Heinrich Schmidt von Schmiedefeld)
ab 1687
Rink von Dorstig
1746–1753
Adam Friedrich von Glafey (Hofrat), Gerichtsherr beider Teile
1753–1811
Prof. Dr. Heinrich Gottfried Bauer (Domherr, Appellationsrat und Ordinarius der Juristenfakultät in Leipzig)
bis 1817
Heinrich Bauers Erben
1817
Erdmann Hermann
1819
Ferdinand Semmel (Stadthauptmann von Gera)
um 1820
Richter (Kaufmann in Leipzig)
1823
Prof. Dr. Heinrich Carl Abraham Eichstädt (Hofrat, Professor in Jena)
1849
Louise Seidel, Nichte und Erbin von Heinrich Carl Abraham Eichstädt
ab 1887
Leipziger Immobiliengesellschaft und Allgemeinen Deutschen Kreditanstalt


unterer Teil

um 1500
Erich Fachs
1652
Johann von der Burgk
bis 1734
Familie von der Burgk (?)
1734-1750
Dr. Christian Gregorius Altner
1750-1789
Familie Faber (Johann Balthasar Faber)
1788
Christian Felix Weiße (Leipziger Kreissteuereinnehmer)
bis 1868
Familie Weiße (1856 Professor Dr. Christian Hermann Weiße)
ab 1868
Stadt Leipzig
V


[01] Unter Verwendung der Einleitung von Helga Reich aus dem Jahr 1963.
[02] Der Name entstand wohl, weil die Bewohner mit ihren Körben an Markttagen nach Leipzig zogen.
[03] 1587 ist der Leipziger Ratsherr Peter Heintze Besitzer des offenbar einzigen Rittergutes Stötteritz.

[04] "Stötterizen" hießen bekannte Zigarren, "Stötterico" war der Name des hier angebauten Tabaks.
[05] StA-L, 20557 Rittergut Stötteritz (Patrimonialgericht) Nr. 509.
Rittergüter Stötteritz oberer und unterer Teil.- Gerichtsverwaltung.- Gerichtsbücher.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Patronat.- Einziehung landesherrlicher Steuern und Zölle.- Ablösungen.
In Stötteritz, im Osten Leipzigs gelegen, gab es zwei dem Amt Leipzig unmittelbar unterstellte Rittergüter, welche die Bezeichnungen Stötteritz oberen Teils und Stötteritz unteren Teils trugen. Das Rittergut oberen Teils gehörte seit dem 16. Jahrhundert den Familien Breutigam, Schmidt, von Dorstig, Glafey, Bauer, Herrmann, Semmel, Richter und Eichstädt. Als Besitzer des Ritterguts unteren Teils sind die Familien von der Burgk, Altner, Faber und Weiße bekannt. Auf Anordnung des Justizministeriums wurde die Gerichtsbarkeit des Ritterguts Stötteritz oberen Teils am 25. Juli 1856, die des unteren Teils am 28. Juli 1856 dem Kreisamt Leipzig übertragen.
Im Bestand sind die Akten sowohl des Ritterguts Stötteritz oberen Teils als auch des Ritterguts unteren Teils enthalten.
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