Beständeübersicht
Bestand
20600 Stadt Colditz (Stadtgericht)
Datierung | 1540 - 1849 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 6,30 |
Die Stadt Colditz entwickelte sich am Fuße der Burg, die besonders im Zusammenhang mit der Ostkolonisation ein Stützpunkt kaiserlicher Macht war. [01] Der Name wird auf altslawischen Ursprung zurückgeführt und taucht bereits 1015 in der Chronik Thietmars von Merseburg auf [02] , da der in Leipzig verstorbene Bischof Egidius für seine Beisetzung die Colditzer Magnuskirche bestimmt hatte. [03] Der Bau des Schlosses verbindet sich mit Wiprecht von Groitzsch, der 1083 dieses Gebiet an der Mulde mit seinem strategisch wichtigen Muldenpaß von Kaiser Heinrich IV. erhielt. [04] Unter dem Staufer Friedrich Barbarossa war Colditz Reichsgut, mit dem in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts Timo von Colditz als Reichministerialer belehnt wurde. [05] Verfall der kaiserlichen Zentralgewalt und Erstarken fürstlicher Territorialmacht brachten Wechsel in den Herrschaftsverhältnissen auch für das Colditzer Gebiet, das 1404 durch Verkauf an den Markgrafen von Meißen und damit fest an die Wettiner kam. [06] 1423 bezog schließlich ein kurfürstlich-sächsischer Amtmann die Burg und übernahm die Verwaltung. [07]
Die Stadt Colditz spielt als "civitas" bereits in einer Urkunde vom 24. Mai 1265 eine Rolle [08] und war am Ende jenes Jahrhunderts durch eine Mauer befestigt. [09] Die Stadt erhielt 1514 durch den Kurfürsten Friedrich III., den Weisen, die Schriftsässigkeit, [10] und so wurden Bürgermeister und Ratsmitglieder von da an nicht mehr vom Colditzer Amtmann, sondern direkt vom sächsischen Kurfürsten bestätigt. [11] Diese höfische Gunst kostete die Stadt jährlich 15 Taler. [12]
Für das Stadtgebiet besaß der Rat die Erbgerichtsbarkeit. [13] Die Obergerichtsbarkeit über die Stadt (seit 1557) und die niedere Gerichtsbarkeit über die Fluren außerhalb der Stadtgrenzen (seit 1545) waren gepachtet. [14] Einige Grundstücke - wie das Schloß, die Forsthäuser, die Ziegelei oder die Walkmühle - blieben von dieser städtischen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen und unterstanden auch nach mehrmaliger Erhöhung des Pachtgeldes noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts dem Amt. [15] Ausgeübt wurde die städtische Gerichtsbarkeit zunächst durch den Rat, der aus Bürgermeister, Stadtrichter und Ratsherren bestand, 1806 waren es zwei Bürgermeister, ein Stadtrichter und ein Ratsherr. [16]
Der Bestand zeigt deutlich, Verwaltung und Justiz waren ineinander verwoben und auch personell oft nicht zu trennen, denn der Bürgermeister war zugleich Stadtrichter und unterschrieb in der einen wie in der anderen Funktion, der Stadtschreiber nannte sich auch Gerichtsschreiber (und konnte zum Richter avancieren). Rat und Stadtgericht befaßten sich über die Jahrhunderte mit gleichartigen Rechtsangelegenheiten, und erst Ende 1834, Anfang 1835 ist eine Zäsur im Bestand erkennbar, da von diesem Zeitpunkt an für die städtische Gerichtsbarkeit nur noch das Stadtgericht in Erscheinung tritt und nicht mehr der Rat. Diese Trennung ist im Zusammenhang mit der Einführung der allgemeinen Städteordnung vom 2. Februar 1832 zu sehen, die in ganz Sachsen gesetzliche Gültigkeit erhielt und die Kompetenzen gegeneinander abgrenzte. § 178 schreibt vor: "Jeder Stadt soll, als deren Obrigkeit, ein Stadtrath vorgesetzt sein, welcher in einer dreifachen Beziehung steht: a) als Verwalter der städtischen Gemeindeangelegenheiten, b) als, Kraft des Gesetzes, bestehende obrigkeitliche Behörde, c) als Organ der Staatsgewalt." [17] Wogegen sich die §§ 235ff. mit der "Gerichtsbarkeit in den Städten" befassen, die allerdings allmählich in Staatshand übergeleitet werden soll. [18] In § 235 wird die Rechtspflege durch das Stadtgericht geregelt: "Die Rechtspflege innerhalb des städtischen Gemeindebezirks wird, insoweit dem Stadtrathe darin die Gerichtsbarkeit zusteht, durch ein von dem Stadtrathe nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu besetzendes Stadtgericht ausgeübt." § 243 spricht das "Verhältnis des Stadtrathes zum Stadtgerichte" direkt an: "Mit den Angelegenheiten der Rechtspflege (§ 235) wird auch das Kaufs-, Lehns-, Hypotheken- und Vormundschaftswesen ausschließlich an das Stadtgericht übertragen. Eine Verbindung des Stadtrathes mit dem Stadtgerichte zu Einem Collegio findet in der Regel nicht Statt. Ausnahmen von der letztern mögen nur in kleinern Städten, wegen besonderer und gehörig nachzuweisender Schwierigkeiten der Trennung beider Behörden, mit Genehmigung der vorgesetzten Regierungsbehörde, verstattet werden." [19] Nach dieser sächsischen Städteordnung hat ein Stadtgericht folgendermaßen auszusehen: "Die innere Organisation des Stadtgerichts und namentlich auch die Bestimmung, ob solche collegialisch sein soll, gehört in die örtlichen Statuten. Jedenfalls erhält es einen Vorsitzenden, welcher die gesetzliche Befähigung als Richter haben muß. Er heißt Stadtrichter. Auch kann derselbe erforderlichen Falls zugleich verpflichteter Protocollant des Stadtgerichts sein." [20] Aber auch nach den am 1. Mai 1835 in Kraft getretenen sogenannten "ABC-Gesetzen" [21] , deren erster Teil (A) sich mit den Kompetenzen zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden beschäftigt, blieben "Justiz und Verwaltung ... in der lokalen Ebene verschmolzen". [22] Diesen Zustand versuchte das Gesetz über die "Umgestaltung der Untergerichte" vom 23. November 1848 zu bereinigen: "Die Rechtspflege wird von der Verwaltung auch in der untern Instanz getrennt." [23] Es blieb zunächst nur Theorie, die, wenn auch inkonsequent, [24] dann acht Jahre später nach der Verstaatlichung der gesamten Gerichtsbarkeit und der Einführung von Gerichtsämtern und übergeordneten Bezirksgerichten durch die neue Gerichtsverfassung vom 1. Oktober 1856 praktische Bedeutung erhielt. [25]
Der Bestand "Stadt Colditz (Gerichtsakten)" umfaßt 106 Einheiten, wovon 3 zum sogenannten Städtischen Landgericht gehören, denn einige Dörfer wie Seupahn (seit 1492) und Möseln (seit 1743) waren Ratsbesitz. [26] Noch 1846 arbeitete in Colditz ein Stadtgericht, wie der Bestand ausweist. [27] Da für Colditz kein Königliches Gericht gebildet wurde, ging 1846 die Stadtgerichtsbarkeit und damit der Aktenbestand an das schon 1814 bestehende Justizamt Colditz über [28] und 1856 an das neu eingeführte Gerichtsamt, "das sich als Nachfolger des früheren Justizamtes ansehen läßt". [29] Über diesen Vorgang gibt die Notiz des Archivars
August Stock in dem Band "Des Stadtgerichts zu Colditz Aktenrepertorium" Auskunft, der im StAL vorhanden ist. [30] Nach den durch das Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich vom 27.Januar 1877 [31] ausgelösten Veränderungen der Gerichtsstrukturen hatte Colditz ab 1879 ein Amtsgericht, das zum Landgericht Leipzig als übergeordneter Behörde gehörte, die dem Oberlandesgericht in Dresden unterstand. [32] Nach 1945 gelangte der Bestand in das Dresdner Hauptstaatsarchiv bzw. Landeshauptarchiv und wurde nach Gründung des Landesarchivs Leipzig ab 1955 als Abgabegemeinschaft mit der Bezeichnung "Amtsgericht Colditz" hierher gebracht. [33] Im Staatsarchiv Leipzig wurde dieser Mischbestand nach Provenienzen getrennt, wobei u. a. der Bestand "Stadtgericht Colditz" gebildet wurde. 1997 ist der Bestand im Rahmen der Bearbeitung der gesamten Bestandsgruppe verzeichnet worden. Als Provenienz traten aufgrund der noch nicht vollzogenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung [34] sowohl Rat als auch Stadtgericht in Erscheinung. Daher wurde die Bezeichnung des Bestandes in "Stadt Colditz" geändert.
Der Zeitraum des Bestandes erstreckt sich von 1540 bis 1846 mit späteren Eintragungen von 1847 bis 1850. Besaß Colditz zu Beginn dieser Zeitspanne rund 1000 Einwohner, war ihre Zahl nach 1850 auf über 3600 gestiegen. [35] Die Akten enthalten Auflistungen über Hausrat und Vieh, Bargeld, Bücherbesitz, Kleidung und Wertgegenstände. Durch die Wertangaben in den Inventarverzeichnissen der Testamente und die Kostenaufstellungen für Amtshandlungen, Begräbnisse und andere Leistungen lassen sich Rückschlüsse auf die Vermögensverhältnisse und das soziale Leben ziehen. Einblick in die Kriminalgerichtsbarkeit gewährt eine Mordprozeßakte von 1626. Der Fall ereignete sich in einer angesehenen Familie, aus der Bürgermeister und einflußreiche Amtspersonen hervorgegangen sind.
Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows erschlossen, mit dem auch das Register erstellt wurde. Die alten Registratursignaturen und das Repertorienbuch ermöglichten eine Vorordnung des Bestandes. Das Repertorium gibt Aufschluß über Umfang, Inhalt und Gliederung der Akten des Stadtgerichts. Bei der Verzeichnung wurden die alten Registratursignaturen mit erfaßt, wodurch der Weg der Abgabe des Bestandes über das Gerichtsamt an das Amtsgericht Colditz erkennbar wird. Die endgültige Gliederung erfolgte in Anlehnung an ähnliche Gerichtsbestände in Staatsarchiv. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf das Stadtarchiv in Colditz.
Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows verzeichnet, mit dem auch das Register erstellt wurde. Alte Signaturen wurden aufgenommen, hinzu kam eine ordnungsabhängige Signatur für den Bestand "Stadt Colditz". Bei Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, Stadt Colditz, Nr. (fettgedruckte Ziffer).
Dietlind Gentsch
September 1997
[01] Vgl. Blaschke, Karlheinz, Stadt und Landschaft Colditz. Ihre Stellung in der Landesgeschichte. In: 700 Jahre Stadt Colditz. Hrsg. Rat der Stadt Colditz. Colditz 1965, S. 67.
[02] Vgl. Naumann, Horst, Die Orts- und Flurnamen der Kreise Grimma und Wurzen. In: Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. Hrsg. Theodor Frings und Rudolf Fischer. Nr. 13. Berlin 1962, S. 56.
[03] Vgl. Bellger, Heinrich Ferdinand, Historische Beschreibung der Stadt Colditz und des dasigen königlichen Schlosses in älterer und neuerer Zeit. Leipzig 1832, S. 16.
[04] Vgl. Deutsches Städtebuch. Hrsg. Erich Keyser. Bd 2. Stuttgart, Berlin 1941, S. 40.
[05] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[06] Vgl. Rothe, C., Zur Geschichte des Amtes Colditz. Einleitung zum Findbuch "Amt Colditz" im StAL. Ms. Leipzig 1988, S. I.
[07] Vgl. Blaschke, Stadt und Landschaft, a.a.O., S. 77.
[08] Vgl. Blaschke, Stadt und Landschaft, a.a.O., S. 10f.
[09] Vgl. Bellger, a.a.O., S. 20.
[10] Vgl. Leonhardi, Friedrich Gottlob, Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich-Sächsischen Lande. Bd. 2. Leipzig 1803, S. 877.
[11] Vgl. Bellger, a.a.O., S. 66.
[12] Ebenda, S. 66.
[13] Vgl. Leonhardi, a.a.O., S. 878.
[14] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[15] Vgl. Bellger, a.a.O., S. 68f.
[16] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[17] Vgl. Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Hrsg. Wilhelm Michael Schaffrath. Bd. 2. Leipzig, 1842, S. 411.
[18] Ebenda, S. 416, Städteordnung, §§ 236-238.
[19] Ebenda, S. 417.
[20] Ebenda, S. 417, § 244.
[21] Vgl. Codex Saxonicus, a.a.O., S. 728ff.
[22] Vgl. Jäger, Volker, Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Amtsgerichte im StAL Leipzig. Ms. Leipzig 1997, S. 1.
[23] Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1848. Dresden 1848, S. 295.
[24] Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief 3. Unveröff. Ms. Potsdam 1959, S. 122.
[25] Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1856. Dresden 1856, S. 243 und 270f.
[26] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[27] Vgl. auch Staats-Handbuch für das Königreich Sachsen. 1846 und 1847, wonach 1847 in Colditz kein Stadtgericht mehr existiert.
[28] Vgl. Deutsche Städtebuch, a.a.O., S. 40. - Vgl. auch: Grundriß zur Deutschen Verwaltungsgeschichte. 1815 bis 1945. Hrsg. Thomas Klein. Bd. 14. Marburg 1982, S. 148. Hier wird für die Gründung des Justizamtes Colditz das Jahr 1816 angegeben. Der Bestand (Akte 56, S. 138) enthält jedoch eine Urkunde des Justizamtes Colditz vom 5. Mai 1814.
[29] Vgl. Blaschke, Sächsische Verwaltungsgeschichte, S. 122.
[30] Vgl. StAL, Gerichtsamt Colditz.
[31] Vgl. Reichsgesetzblatt, 1877, S. 41ff.
[32] Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1879. Dresden 1879, S. 59ff.
[33] Vgl. Verwaltungsarchiv Nr. 187 (Zugangsbuch).
[34] Vgl. Codex Saxonicus, a.a.O., S. 391ff.
[35] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 39.
Die Stadt Colditz spielt als "civitas" bereits in einer Urkunde vom 24. Mai 1265 eine Rolle [08] und war am Ende jenes Jahrhunderts durch eine Mauer befestigt. [09] Die Stadt erhielt 1514 durch den Kurfürsten Friedrich III., den Weisen, die Schriftsässigkeit, [10] und so wurden Bürgermeister und Ratsmitglieder von da an nicht mehr vom Colditzer Amtmann, sondern direkt vom sächsischen Kurfürsten bestätigt. [11] Diese höfische Gunst kostete die Stadt jährlich 15 Taler. [12]
Für das Stadtgebiet besaß der Rat die Erbgerichtsbarkeit. [13] Die Obergerichtsbarkeit über die Stadt (seit 1557) und die niedere Gerichtsbarkeit über die Fluren außerhalb der Stadtgrenzen (seit 1545) waren gepachtet. [14] Einige Grundstücke - wie das Schloß, die Forsthäuser, die Ziegelei oder die Walkmühle - blieben von dieser städtischen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen und unterstanden auch nach mehrmaliger Erhöhung des Pachtgeldes noch im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts dem Amt. [15] Ausgeübt wurde die städtische Gerichtsbarkeit zunächst durch den Rat, der aus Bürgermeister, Stadtrichter und Ratsherren bestand, 1806 waren es zwei Bürgermeister, ein Stadtrichter und ein Ratsherr. [16]
Der Bestand zeigt deutlich, Verwaltung und Justiz waren ineinander verwoben und auch personell oft nicht zu trennen, denn der Bürgermeister war zugleich Stadtrichter und unterschrieb in der einen wie in der anderen Funktion, der Stadtschreiber nannte sich auch Gerichtsschreiber (und konnte zum Richter avancieren). Rat und Stadtgericht befaßten sich über die Jahrhunderte mit gleichartigen Rechtsangelegenheiten, und erst Ende 1834, Anfang 1835 ist eine Zäsur im Bestand erkennbar, da von diesem Zeitpunkt an für die städtische Gerichtsbarkeit nur noch das Stadtgericht in Erscheinung tritt und nicht mehr der Rat. Diese Trennung ist im Zusammenhang mit der Einführung der allgemeinen Städteordnung vom 2. Februar 1832 zu sehen, die in ganz Sachsen gesetzliche Gültigkeit erhielt und die Kompetenzen gegeneinander abgrenzte. § 178 schreibt vor: "Jeder Stadt soll, als deren Obrigkeit, ein Stadtrath vorgesetzt sein, welcher in einer dreifachen Beziehung steht: a) als Verwalter der städtischen Gemeindeangelegenheiten, b) als, Kraft des Gesetzes, bestehende obrigkeitliche Behörde, c) als Organ der Staatsgewalt." [17] Wogegen sich die §§ 235ff. mit der "Gerichtsbarkeit in den Städten" befassen, die allerdings allmählich in Staatshand übergeleitet werden soll. [18] In § 235 wird die Rechtspflege durch das Stadtgericht geregelt: "Die Rechtspflege innerhalb des städtischen Gemeindebezirks wird, insoweit dem Stadtrathe darin die Gerichtsbarkeit zusteht, durch ein von dem Stadtrathe nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu besetzendes Stadtgericht ausgeübt." § 243 spricht das "Verhältnis des Stadtrathes zum Stadtgerichte" direkt an: "Mit den Angelegenheiten der Rechtspflege (§ 235) wird auch das Kaufs-, Lehns-, Hypotheken- und Vormundschaftswesen ausschließlich an das Stadtgericht übertragen. Eine Verbindung des Stadtrathes mit dem Stadtgerichte zu Einem Collegio findet in der Regel nicht Statt. Ausnahmen von der letztern mögen nur in kleinern Städten, wegen besonderer und gehörig nachzuweisender Schwierigkeiten der Trennung beider Behörden, mit Genehmigung der vorgesetzten Regierungsbehörde, verstattet werden." [19] Nach dieser sächsischen Städteordnung hat ein Stadtgericht folgendermaßen auszusehen: "Die innere Organisation des Stadtgerichts und namentlich auch die Bestimmung, ob solche collegialisch sein soll, gehört in die örtlichen Statuten. Jedenfalls erhält es einen Vorsitzenden, welcher die gesetzliche Befähigung als Richter haben muß. Er heißt Stadtrichter. Auch kann derselbe erforderlichen Falls zugleich verpflichteter Protocollant des Stadtgerichts sein." [20] Aber auch nach den am 1. Mai 1835 in Kraft getretenen sogenannten "ABC-Gesetzen" [21] , deren erster Teil (A) sich mit den Kompetenzen zwischen Justiz- und Verwaltungsbehörden beschäftigt, blieben "Justiz und Verwaltung ... in der lokalen Ebene verschmolzen". [22] Diesen Zustand versuchte das Gesetz über die "Umgestaltung der Untergerichte" vom 23. November 1848 zu bereinigen: "Die Rechtspflege wird von der Verwaltung auch in der untern Instanz getrennt." [23] Es blieb zunächst nur Theorie, die, wenn auch inkonsequent, [24] dann acht Jahre später nach der Verstaatlichung der gesamten Gerichtsbarkeit und der Einführung von Gerichtsämtern und übergeordneten Bezirksgerichten durch die neue Gerichtsverfassung vom 1. Oktober 1856 praktische Bedeutung erhielt. [25]
Der Bestand "Stadt Colditz (Gerichtsakten)" umfaßt 106 Einheiten, wovon 3 zum sogenannten Städtischen Landgericht gehören, denn einige Dörfer wie Seupahn (seit 1492) und Möseln (seit 1743) waren Ratsbesitz. [26] Noch 1846 arbeitete in Colditz ein Stadtgericht, wie der Bestand ausweist. [27] Da für Colditz kein Königliches Gericht gebildet wurde, ging 1846 die Stadtgerichtsbarkeit und damit der Aktenbestand an das schon 1814 bestehende Justizamt Colditz über [28] und 1856 an das neu eingeführte Gerichtsamt, "das sich als Nachfolger des früheren Justizamtes ansehen läßt". [29] Über diesen Vorgang gibt die Notiz des Archivars
August Stock in dem Band "Des Stadtgerichts zu Colditz Aktenrepertorium" Auskunft, der im StAL vorhanden ist. [30] Nach den durch das Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich vom 27.Januar 1877 [31] ausgelösten Veränderungen der Gerichtsstrukturen hatte Colditz ab 1879 ein Amtsgericht, das zum Landgericht Leipzig als übergeordneter Behörde gehörte, die dem Oberlandesgericht in Dresden unterstand. [32] Nach 1945 gelangte der Bestand in das Dresdner Hauptstaatsarchiv bzw. Landeshauptarchiv und wurde nach Gründung des Landesarchivs Leipzig ab 1955 als Abgabegemeinschaft mit der Bezeichnung "Amtsgericht Colditz" hierher gebracht. [33] Im Staatsarchiv Leipzig wurde dieser Mischbestand nach Provenienzen getrennt, wobei u. a. der Bestand "Stadtgericht Colditz" gebildet wurde. 1997 ist der Bestand im Rahmen der Bearbeitung der gesamten Bestandsgruppe verzeichnet worden. Als Provenienz traten aufgrund der noch nicht vollzogenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung [34] sowohl Rat als auch Stadtgericht in Erscheinung. Daher wurde die Bezeichnung des Bestandes in "Stadt Colditz" geändert.
Der Zeitraum des Bestandes erstreckt sich von 1540 bis 1846 mit späteren Eintragungen von 1847 bis 1850. Besaß Colditz zu Beginn dieser Zeitspanne rund 1000 Einwohner, war ihre Zahl nach 1850 auf über 3600 gestiegen. [35] Die Akten enthalten Auflistungen über Hausrat und Vieh, Bargeld, Bücherbesitz, Kleidung und Wertgegenstände. Durch die Wertangaben in den Inventarverzeichnissen der Testamente und die Kostenaufstellungen für Amtshandlungen, Begräbnisse und andere Leistungen lassen sich Rückschlüsse auf die Vermögensverhältnisse und das soziale Leben ziehen. Einblick in die Kriminalgerichtsbarkeit gewährt eine Mordprozeßakte von 1626. Der Fall ereignete sich in einer angesehenen Familie, aus der Bürgermeister und einflußreiche Amtspersonen hervorgegangen sind.
Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows erschlossen, mit dem auch das Register erstellt wurde. Die alten Registratursignaturen und das Repertorienbuch ermöglichten eine Vorordnung des Bestandes. Das Repertorium gibt Aufschluß über Umfang, Inhalt und Gliederung der Akten des Stadtgerichts. Bei der Verzeichnung wurden die alten Registratursignaturen mit erfaßt, wodurch der Weg der Abgabe des Bestandes über das Gerichtsamt an das Amtsgericht Colditz erkennbar wird. Die endgültige Gliederung erfolgte in Anlehnung an ähnliche Gerichtsbestände in Staatsarchiv. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf das Stadtarchiv in Colditz.
Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows verzeichnet, mit dem auch das Register erstellt wurde. Alte Signaturen wurden aufgenommen, hinzu kam eine ordnungsabhängige Signatur für den Bestand "Stadt Colditz". Bei Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, Stadt Colditz, Nr. (fettgedruckte Ziffer).
Dietlind Gentsch
September 1997
[01] Vgl. Blaschke, Karlheinz, Stadt und Landschaft Colditz. Ihre Stellung in der Landesgeschichte. In: 700 Jahre Stadt Colditz. Hrsg. Rat der Stadt Colditz. Colditz 1965, S. 67.
[02] Vgl. Naumann, Horst, Die Orts- und Flurnamen der Kreise Grimma und Wurzen. In: Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. Hrsg. Theodor Frings und Rudolf Fischer. Nr. 13. Berlin 1962, S. 56.
[03] Vgl. Bellger, Heinrich Ferdinand, Historische Beschreibung der Stadt Colditz und des dasigen königlichen Schlosses in älterer und neuerer Zeit. Leipzig 1832, S. 16.
[04] Vgl. Deutsches Städtebuch. Hrsg. Erich Keyser. Bd 2. Stuttgart, Berlin 1941, S. 40.
[05] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[06] Vgl. Rothe, C., Zur Geschichte des Amtes Colditz. Einleitung zum Findbuch "Amt Colditz" im StAL. Ms. Leipzig 1988, S. I.
[07] Vgl. Blaschke, Stadt und Landschaft, a.a.O., S. 77.
[08] Vgl. Blaschke, Stadt und Landschaft, a.a.O., S. 10f.
[09] Vgl. Bellger, a.a.O., S. 20.
[10] Vgl. Leonhardi, Friedrich Gottlob, Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich-Sächsischen Lande. Bd. 2. Leipzig 1803, S. 877.
[11] Vgl. Bellger, a.a.O., S. 66.
[12] Ebenda, S. 66.
[13] Vgl. Leonhardi, a.a.O., S. 878.
[14] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[15] Vgl. Bellger, a.a.O., S. 68f.
[16] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[17] Vgl. Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Hrsg. Wilhelm Michael Schaffrath. Bd. 2. Leipzig, 1842, S. 411.
[18] Ebenda, S. 416, Städteordnung, §§ 236-238.
[19] Ebenda, S. 417.
[20] Ebenda, S. 417, § 244.
[21] Vgl. Codex Saxonicus, a.a.O., S. 728ff.
[22] Vgl. Jäger, Volker, Findbucheinleitung zur Bestandsgruppe Amtsgerichte im StAL Leipzig. Ms. Leipzig 1997, S. 1.
[23] Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1848. Dresden 1848, S. 295.
[24] Blaschke, Karlheinz, Sächsische Verwaltungsgeschichte, Lehrbrief 3. Unveröff. Ms. Potsdam 1959, S. 122.
[25] Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1856. Dresden 1856, S. 243 und 270f.
[26] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 40.
[27] Vgl. auch Staats-Handbuch für das Königreich Sachsen. 1846 und 1847, wonach 1847 in Colditz kein Stadtgericht mehr existiert.
[28] Vgl. Deutsche Städtebuch, a.a.O., S. 40. - Vgl. auch: Grundriß zur Deutschen Verwaltungsgeschichte. 1815 bis 1945. Hrsg. Thomas Klein. Bd. 14. Marburg 1982, S. 148. Hier wird für die Gründung des Justizamtes Colditz das Jahr 1816 angegeben. Der Bestand (Akte 56, S. 138) enthält jedoch eine Urkunde des Justizamtes Colditz vom 5. Mai 1814.
[29] Vgl. Blaschke, Sächsische Verwaltungsgeschichte, S. 122.
[30] Vgl. StAL, Gerichtsamt Colditz.
[31] Vgl. Reichsgesetzblatt, 1877, S. 41ff.
[32] Vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1879. Dresden 1879, S. 59ff.
[33] Vgl. Verwaltungsarchiv Nr. 187 (Zugangsbuch).
[34] Vgl. Codex Saxonicus, a.a.O., S. 391ff.
[35] Vgl. Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 39.
Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.
Colditz, eine seit 1514 schriftsässige Stadt, zählte zum Territorium des Amts Colditz. Der Rat zu Colditz hatte die Erbgerichtsbarkeit über das Stadtgebiet inne. In Pacht stand ihm seit 1545 die niedere Gerichtsbarkeit über die Stadtfluren zu, seit 1557 auch die Obergerichtsbarkeit über die Stadt. Der Rat übte seit 1492 auch die Gerichtsbarkeit über Möseln aus, seit 1743 über Seupahn. Grundstücke wie Schloss, Ziegelei, Forsthäuser und Mühlen unterstanden jedoch der Gerichtsbarkeit des Amts. Für die Belange der städtischen Gerichtsbarkeit war nach 1833 nur noch das Stadtgericht zuständig. Nach Abtretung an den Staat ging diese Gerichtsbarkeit am 22. September 1846 an das Justizamt Colditz.
- 1997 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5