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Beständeübersicht

Bestand

20605 Stadt Geithain (Stadtgericht)

Datierung1606 - 1868
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)16,00
"Geithain" wird namenkundlich als eine slawisch-deutsche Wortverbindung des späten 15. Jahrhunderts definiert. [01] Eine am 29. April 1186 in Halle ausgefertigte Urkunde enthält den ältesten schriftlichen Beleg einer Siedlung "Chiten". [02] Die Stadtgründung an der Straße zwischen Altenburg und Rochlitz vermutet man um das Jahr 1200. [03] Schon 1335 besaß Geithain eine Ratsverfassung mit einem Bürgermeister an der Spitze, [04] sechs Ratsmännern, einem juristisch bewanderten Stadtschreiber und dazu vier Viertelsmeistern als Bürgervertreter. [05] Die Amtsspitze wechselte im Rotationsverfahren ihr Ressort. [06] Eine Erhebung des Rochlitzer Amtshauptmanns für den sächsischen König aus dem Jahre 1789 zählte in der Stadt 1068 Einwohner, die in 365 Wohnhäusern lebten [07] und sich vorwiegend von der Landwirtschaft ernährten, mit geringem finanziellem Erfolg auch Leineweberei und Brauwesen betrieben. [08]

Geithain war schriftsässige Stadt, [09] und der Rat hatte zu seiner Erbgerichtsbarkeit bereits 1392 die Obergerichtsbarkeit hinzugepachtet. [10] 1834 wurde in Befolgung der allgemeinen Städteordnung von 1832 [11] die Obergerichtsbarkeit vom Justizamt Rochlitz übernommen. [12] Die Erbgerichtsbarkeit, um die sich seit 1833 anstelle des Rates [13] ein eigenes Stadtgericht kümmerte, [14] kam 1852 vorübergehend ebenfalls zum Justizamt Rochlitz, [15] bevor sie an das noch im selben Jahr in Geithain gebildete Königliche Gericht überging. [16]

Bemerkenswert für Geithain ist - im Vergleich zu den Gerichtsbeständen anderer Städte - die Überlieferung des städtischen Landgerichts, des sogenannten Ratslandgerichts. Der Rat hatte am 1.12.1567 vom Kurfürsten August das Dorf Niederfrankenhain "samt den Ober- und Erbgerichten im Dorf und Felde ... erblich und unwiderruflich" gekauft [17] und damit eine Teilgerichtsbarkeit über Niederfrankenhain erworben. Während die Akten zur Gerichtsbarkeit in Niederfrankenhain im Geithainer Rathaus archiviert und hier gesondert in den Repertorienbüchern eingetragen wurden, [18] fanden die Jahresgerichte in der Gemeinde statt. [19] Zur Erleichterung für die bäuerliche Bevölkerung, [20] die mitunter gleichzeitig verschiedener Gerichtshoheit unterstand, lud abwechselnd in einem etwa dreijährigen Turnus der Geithainer Rat oder das von Einsiedelsche Gericht in Syhra zum gemeinsamen Gerichtstag ("Dingestuhl") ein. [21] Vorgetragen und an Ort und Stelle entschieden wurden vor allem Rügensachen, worüber die Protokolle hinlänglich Aufschluß geben. Gleichzeitig lassen sich durch die dem Termin jeweils vorangestellte namentliche Auflistung der zu Gericht sitzenden Personen einschließlich der Schöffen auch von der personellen Zusammensetzung des Gerichts her Einblicke in die Geschichte der Rechtsprechung gewinnen. [22]

Der Weg der Akten verlief vom Königlichen Gericht Geithain (1852) über das Gerichtsamt Geithain (1856) an das Amtsgericht Geithain (1879). Nach 1945 gelangten sie in das Dresdner Hauptstaatsarchiv bzw. Landeshauptarchiv und wurden nach Gründung des Landesarchivs Leipzig ab 1956 als Abgabegemeinschaft mit der Bezeichnung "Amtsgericht Geithain" hierher gebracht. Im Staatsarchiv Leipzig wurde dieser Mischbestand nach Provenienzen getrennt, wobei u. a. der Bestand "Stadtgericht Geithain" gebildet wurde, der zunächst in einer vorläufigen Findkartei, die 783 Einheiten umfaßte, verzeichnet und 1998 im Rahmen der Bearbeitung der gesamten Bestandsgruppe mit einem Findbuch zugänglich gemacht wurde. Die Bestandsbezeichnung ist aufgrund der noch nicht vollzogenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung und der vorgefundenen Provenienzstellen Rat, Stadtgericht (StG) und Ratslandgericht (RLG) in "Stadt Geithain" geändert worden. Enthalten sind außerdem Archivalien von Handwerkerinnungen. Gleichzeitig wurden bei der Bearbeitung die Akten des Geistlichen Vorstehereigerichts in Geithain, einer kirchlichen Gerichtsbarkeit, die mit kommunaler Amtshilfe ausgeübt wurde, ausgesondert, um als eigener Bestand formiert zu werden.

Der Bestand "Stadt Geithain" umfaßt 444 Akten über einen Zeitraum von 1606 bis 1868. Er wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows verzeichnet, mit dem auch das Register erstellt wurde. Er wurde abschließend mit einer ordnungsabhängigen Signatur versehen. Alte Signaturen, sowohl Registratursignaturen als auch frühere Signaturen des Sächsischen Hauptstaatsarchivs und des Staatsarchivs Leipzig, wurden übernommen und sind im Findbuch enthalten. Für die Bestellung und Zitierung ist: SächsStAL, Stadt Geithain Nr. (fettgedruckte Ziffer) zu verwenden.

Dietlind Gentsch
März 1998


[01] Vgl. Göschel, Joachim, Die Orts-, Flur- und Flußnamen der Kreise Borna und Geithain. Namenkundliche Untersuchungen zur Sprach- und Siedlungsgeschichte Nordwestsachsens. Köln, Graz 1964, S. 295.
[02] Vgl. Reich, Heinz u.a., Geithain 1186 - 1986. Hrsg. Rat der Stadt Geithain.1986, Abb. 1 und S. 58.
[03] Vgl. Deutsches Städtebuch. Hrsg. Erich Keyser. Bd 2. Stuttgart, Berlin 1841, S. 84.
[04] Die Zusammensetzung des Rates wechselte. Ende des 18. Jahrhunderts bestand der Rat, nach dessen Wahl jedesmal die königliche Bestätigung eingeholt werden mußte, aus einem ersten (regierenden) Bürgermeister, einem zweiten Bürgermeister, einem ersten (regierenden) Stadtrichter, einem zweiten Stadtrichter und Ratsbeisitzern bzw. Gerichtsschöffen. - Vgl. Reich, Heinz, a.a.O., S. 59. - Vgl. auch Deutsches Städtebuch, a.a.O., S. 85. - Vgl. auch StAL, Stadt Geithain Nr. 1, S. 13f.
[05] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 292, S. 4 zu Wahl und Bestätigung der Viertelsmeister 1692, "welche an eydes statt vermittelst Handschlages angelobet und versprochen, der gemeinen Stadt Nutzen und Wohlfarth ihren theuren Pflichten nach möglichst zu suchen, Schaden ab- und Nachtheil zu wehren."
[06] Ende des 17. Jahrhunderts gab der Rat Anlaß zu einer Untersuchung seiner Amtsführung durch eine königliche Kommission. Obwohl der Stadtschreiber Akten zurückhielt, setzten Viertelsmeister und Ausschußpersonen den Personalwechsel (einschließlich Stadtschreiber) durch. Doch um den beschuldigten alten Rat zu entfernen, bedurfte es wiederum königlicher Unterstützung. Auch mußte sich der neue Bürgermeister Christian Bärwald im Dezember 1699 nach anderthalbjähriger Amtsführung ohne eine Besoldung mit seiner Bitte an den König wenden. - Vgl. StAL, Amt Leisnig.
[07] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 199, S. 123.
[08] "...so ist diese Stadt im Ganzen genommen immer noch sehr arm und mit vielen Bettlern und liederlichem Gesindel angefüllt", lautet das abschließende Gutachten der Amtshauptmannschaft über Geithain im Jahre 1789. - Vgl. ebenda, S. 125.
[09] Vgl. Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Hrsg. Walter Schlesinger. Bd 8: Sachsen. Stuttgart 1965, S. 113. - Vgl. auch Leonhardi, Friedrich Gottlob, Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich-Sächsischen Lande. Bd 2. Leipzig 1803, S. 833.
[10] Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte. 1815 bis 1845. Hrsg. Thomas Klein. Bd 14: Sachsen. Marburg 1982, S.158.
[11] Vgl. Codex Saxonicus. Chronologische Sammlung der gesammten praktisch-gültigen Gesetze von den ältesten Zeiten, vom Jahre 1255 an bis zum Schlusse des Jahres 1840. Hrsg. Wilhelm Michael Schaffrath. Bd 2. Leipzig, 1842, S. 411.
[12] Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte, a.a.O., S. 158.
[13] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 1, S. 13: Noch 1764 betont der Rat, daß "wir, der Rat und Stadtgerichte, ein Corpus ausmachen".
[14] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 221, letzte Seite: Unter dem 10.6.1833 werden alle, die beim "vormaligen Stadtrathe" Käufe gerichtlich vollzogen haben, aufgefordert, jetzt beim Stadtgericht zu quittieren.
[15] Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte, a.a.O., S. 158.
[16] Vgl. ebenda, S. 158. - Vgl. auch Leipziger Zeitung vom 3.7.1852, S. 3171: "Bekanntmachung, die Eröffnung des Königl. Gerichts zu Geithain und sonstige Jurisdictionsveränderung betreffend."
[17] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 1, S. 7ff: Kopie der Originalurkunde. Der Kaufpreis betrug "400 Gulden Meißnischer Währung", d.h. 21 Groschen für 1 Gulden, die zu jährlich 20 Gulden abgezahlt wurden.
[18] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 5 und 8.
[19] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 1, S. 18f. - Als eine neue "Tax-Ordnung" für Gerichtsgebühren am 20.2.1764 in Kraft trat, reagierten die Dorfbewohner mit einer Verweigerung des Untertaneneides und der Gebührenzahlung. Den Streit beendete der König 1770 mit der Entscheidung, daß der Untertaneneid weiterhin gegenüber dem Geithainer Rat als dem Gerichtsherrn zu leisten sei (und damit auch die Gebührenzahlung), daß aber der Gerichtstag ("Dingestuhl") im Dorf Niederfrankenhain und nicht, wie vorübergehend von Geithain versucht, im städtischen Rathaus abgehalten werde.
[20] 1766 gehörten zum Dorf 14 Nachbarn und 13 Häusler. - Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 1, S. 18.
[21] Vgl. StAL, Stadt Geithain Nr. 266 und 267.
[22] Vgl. ebenda.
Gerichtsverwaltung.- Gerichtsbücher.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Kirchen- und Schulangelegenheiten.- Ablösungen.- Lehnsangelegenheiten.- Weberinnung (bis 1868).
Geithain war eine schriftsässige Stadt im Territorium des Amts Rochlitz. Der Stadtrat zu Geithain hatte neben der Erbgerichtsbarkeit seit 1392 auch die Obergerichtsbarkeit inne. Ab 1567 übte der Rat außerdem die Gerichtsbarkeit über das Dorf Niederfrankenhain aus. Die Erbgerichtsbarkeit wurde 1833 vom Stadtgericht Geithain, die Obergerichtsbarkeit 1834 vom Justizamt Rochlitz übernommen. Das Justizministerium übertrug am 29. Juni 1852 die zur Abtretung an den Staat angebotene Gerichtsbarkeit der Stadt Geithain in Geithain selbst und über Niederfrankenhain dem mit gleichem Datum errichteten Königlichen Gericht Geithain.
  • 1998 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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