Beständeübersicht
Bestand
20613 Stadt Mittweida (Stadtgericht)
Datierung | 1515 - 1853 |
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Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 19,00 |
1136 gelangte ein großer Teil der Grafschaft Rochlitz in den Besitz des Meißnischen Markgrafen Konrad, und bei dieser Gelegenheit findet sich eine erste Ortsnennung von Mittweida. Als Stadt erscheint die Ansiedlung an der Zschopau in zwei Urkunden des Jahres 1286, da seinerzeit der Markgraf Heinrich Mittweida an den Landgrafen Albert von Thüringen verpfändete. [01] Um 1550 lebten in der gut befestigten Stadt nur etwas mehr als dreihundert Bürger, 1620 vierhundert, 1770 rund zweieinhalbtausend, 1800 waren es dann dreieinhalbtausend, dreißig Jahre später schon fünftausend und zur Jahrhundertmitte siebentausend. [02] Gewerke wie Tuchmacher, Leineweber, Bäcker oder Bierbrauer besaßen erst nach den Jahrzehnten des Rückgangs durch natürliche und herbeigeführte Katastrophen wie Pest und Kriege günstige Entwicklungsmöglichkeiten durch lebhafte Handelsbeziehungen.
Mittweida war schriftsässig und wurde von einem Rat aus meistens drei Bürgermeistern, zwei Stadtrichtern, Kämmerern und weiteren Amtspersonen regiert, die zwischen 1614 und 1832 kontinuierlich am Ostersonnabend gewählt wurden und von denen jeweils sechs aktiv amtierten. Die Erbgerichtsbarkeit hatte der Rat 1398 und die Obergerichtsbarkeit 1423 gekauft. Auch in einigen Dörfern der Umgebung besaß Mittweida Grundstücke mit erblicher Gerichtsbarkeit, so in Altmittweida, Weinsdorf, Neudörfchen und Erlau, und 1619 wurde - außer für Erlau - auch hier die Obergerichtsbarkeit hinzuerworben. Zwischen Verwaltung und Justiz gab es keine deutliche Trennung, aber wie in den anderen sächsischen Städten wurde mit der Einführung der Allgemeinen Städteordnung 1832 auch in Mittweida 1834 ein eigenes Stadtgericht gebildet. Als 1853 ein Königliches Landgericht in Mittweida seine Arbeit aufnahm, ging die städtische Gerichtsbarkeit an diese staatliche Einrichtung über. [03]
Die Akten wurden ab 1853 ebenfalls an das Königliche Landgericht Mittweida abgegeben und gelangten 1856 durch die neue Gerichtsverfassung an das Gerichtsamt Mittweida, das dem Bezirksgericht Mittweida unterstand. Nach 1879 kamen sie an das Amtsgericht Mittweida und von da aus an das Hauptstaatsarchiv Dresden. Ab 1961 wurden sie an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben, wo der Mischbestand nach Provenienzen getrennt und der Bestand "Stadtgericht Mittweida" gebildet wurde. Bei der Bearbeitung der gesamten Bestandsgruppe ab 1997 wurde er mit einem Findbuch zugänglich gemacht. Die Bestandsbezeichnung ist aufgrund der noch nicht vollzogenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung und der vorgefundenen Provenienzstellen Rat und Stadtgericht (StG) in "Stadt Mittweida" geändert worden. Als korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig sind das Königliche Landgericht Mittweida, das Gerichtsamt Mittweida und das Amtsgericht Mittweida zu nutzen.
Die 558 Akteneinheiten des Bestandes erstrecken sich über einen Zeitraum von 1515 bis 1853 und wurden beim Rat bzw. beim Stadtgericht angelegt. Repertorienbücher sind nicht vorhanden. Über 80 Akten stammen aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Man hat die zusammengehefteten Schriftstücke als "Rats- und Gerichtsprotokolle" bezeichnet, obwohl erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts eigentliche Protokollierungen von Amtsvorgängen zu finden sind, während es sich vorher eher um Schriftverkehr mit Ämtern handelt. Der auffallend gute Zustand dieser ältesten Dokumente zeugt zum einen von der hohen Qualität des Papier- und Tintenmaterials, deutet zum anderen aber auch darauf hin, welchen Wert man ihnen beigemessen und mit wieviel Sorgfalt man sie aufbewahrt hat. Auch wenn ab 1750 zeitlich parallel Aktenbände mit den Titeln "Ratsprotokolle" bzw. "Gerichtsprotokolle" der Stadt Mittweida geführt wurden, lässt sich - abgesehen von Grundstückskäufen, die nur gerichtlich "confirmiert" werden konnten, und von testamentarischen Festlegungen - keine Kompetenzabgrenzung erkennen.
Die Überlieferung enthält außer einer Vielzahl von Verwaltungsangelegenheiten sowie Vorgängen der zivilen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit - auch der Ratsdörfer - von der Stadt selbst allein 11 Akten zu politischen Prozessen aus den Jahren der bürgerlichen Revolution von 1848/49. Für den Geschichtsforscher erweist sich der Bestand als lohnende Quelle für dokumentarische Belege zu den historischen Ereignissen. Vertiefen lassen sich die Quellenstudien noch durch einige Nachlassakten aus der Zeit kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert mit ihrer Auflistung des Bücherbesitzes von sozial genau definierten Personen - eines Großhändlers, eines Schuldirektors und eines Buchhalters -, woraus sich gewisse Rückschlüsse über geistige Interessen wie auch über die Aufnahme aktuellen politischen Schrifttums aus Deutschland oder Frankreich ableiten lassen. [04]
Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows verzeichnet, mit dem auch das Register erstellt wurde. Alte Signaturen wurden aufgenommen, hinzu kam eine ordnungsabhängige Signatur für den Bestand "Stadt Mittweida".
Bei Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, Stadt Mittweida, Nr. (fettgedruckte Ziffer).
Dietlind Gentsch
Mai 1998
[01] Vgl. Funk, C. A. und A. Sauer, Zur Geschichte der Stadt Mittweida und ihrer Umgebung. Mittweida 1898, S. 46f.
[02] Vgl. Deutsches Städtebuch. Hrsg. Erich Keyser. Bd. 2. Stuttgart, Berlin 1841, S. 153.
[03] Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte. 1815 bis 1845. Hrsg. Thomas Klein. Bd. 14: Sachsen. Marburg 1982, S. 159. - Vgl. auch Leipziger Zeitung vom 12.10. und 3.11.1853, S. 5081 und 5433.
[04] Vgl. SächsStAL, Stadt Mittweida, Nr. 103, 110, 112.
Mittweida war schriftsässig und wurde von einem Rat aus meistens drei Bürgermeistern, zwei Stadtrichtern, Kämmerern und weiteren Amtspersonen regiert, die zwischen 1614 und 1832 kontinuierlich am Ostersonnabend gewählt wurden und von denen jeweils sechs aktiv amtierten. Die Erbgerichtsbarkeit hatte der Rat 1398 und die Obergerichtsbarkeit 1423 gekauft. Auch in einigen Dörfern der Umgebung besaß Mittweida Grundstücke mit erblicher Gerichtsbarkeit, so in Altmittweida, Weinsdorf, Neudörfchen und Erlau, und 1619 wurde - außer für Erlau - auch hier die Obergerichtsbarkeit hinzuerworben. Zwischen Verwaltung und Justiz gab es keine deutliche Trennung, aber wie in den anderen sächsischen Städten wurde mit der Einführung der Allgemeinen Städteordnung 1832 auch in Mittweida 1834 ein eigenes Stadtgericht gebildet. Als 1853 ein Königliches Landgericht in Mittweida seine Arbeit aufnahm, ging die städtische Gerichtsbarkeit an diese staatliche Einrichtung über. [03]
Die Akten wurden ab 1853 ebenfalls an das Königliche Landgericht Mittweida abgegeben und gelangten 1856 durch die neue Gerichtsverfassung an das Gerichtsamt Mittweida, das dem Bezirksgericht Mittweida unterstand. Nach 1879 kamen sie an das Amtsgericht Mittweida und von da aus an das Hauptstaatsarchiv Dresden. Ab 1961 wurden sie an das Staatsarchiv Leipzig abgegeben, wo der Mischbestand nach Provenienzen getrennt und der Bestand "Stadtgericht Mittweida" gebildet wurde. Bei der Bearbeitung der gesamten Bestandsgruppe ab 1997 wurde er mit einem Findbuch zugänglich gemacht. Die Bestandsbezeichnung ist aufgrund der noch nicht vollzogenen Trennung von Gerichtsbarkeit und Verwaltung und der vorgefundenen Provenienzstellen Rat und Stadtgericht (StG) in "Stadt Mittweida" geändert worden. Als korrespondierende Bestände im Staatsarchiv Leipzig sind das Königliche Landgericht Mittweida, das Gerichtsamt Mittweida und das Amtsgericht Mittweida zu nutzen.
Die 558 Akteneinheiten des Bestandes erstrecken sich über einen Zeitraum von 1515 bis 1853 und wurden beim Rat bzw. beim Stadtgericht angelegt. Repertorienbücher sind nicht vorhanden. Über 80 Akten stammen aus der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg. Man hat die zusammengehefteten Schriftstücke als "Rats- und Gerichtsprotokolle" bezeichnet, obwohl erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts eigentliche Protokollierungen von Amtsvorgängen zu finden sind, während es sich vorher eher um Schriftverkehr mit Ämtern handelt. Der auffallend gute Zustand dieser ältesten Dokumente zeugt zum einen von der hohen Qualität des Papier- und Tintenmaterials, deutet zum anderen aber auch darauf hin, welchen Wert man ihnen beigemessen und mit wieviel Sorgfalt man sie aufbewahrt hat. Auch wenn ab 1750 zeitlich parallel Aktenbände mit den Titeln "Ratsprotokolle" bzw. "Gerichtsprotokolle" der Stadt Mittweida geführt wurden, lässt sich - abgesehen von Grundstückskäufen, die nur gerichtlich "confirmiert" werden konnten, und von testamentarischen Festlegungen - keine Kompetenzabgrenzung erkennen.
Die Überlieferung enthält außer einer Vielzahl von Verwaltungsangelegenheiten sowie Vorgängen der zivilen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit - auch der Ratsdörfer - von der Stadt selbst allein 11 Akten zu politischen Prozessen aus den Jahren der bürgerlichen Revolution von 1848/49. Für den Geschichtsforscher erweist sich der Bestand als lohnende Quelle für dokumentarische Belege zu den historischen Ereignissen. Vertiefen lassen sich die Quellenstudien noch durch einige Nachlassakten aus der Zeit kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert mit ihrer Auflistung des Bücherbesitzes von sozial genau definierten Personen - eines Großhändlers, eines Schuldirektors und eines Buchhalters -, woraus sich gewisse Rückschlüsse über geistige Interessen wie auch über die Aufnahme aktuellen politischen Schrifttums aus Deutschland oder Frankreich ableiten lassen. [04]
Der Bestand wurde mit dem PC-Programm AUGIAS für Windows verzeichnet, mit dem auch das Register erstellt wurde. Alte Signaturen wurden aufgenommen, hinzu kam eine ordnungsabhängige Signatur für den Bestand "Stadt Mittweida".
Bei Bestellung und Zitierung ist anzugeben: SächsStAL, Stadt Mittweida, Nr. (fettgedruckte Ziffer).
Dietlind Gentsch
Mai 1998
[01] Vgl. Funk, C. A. und A. Sauer, Zur Geschichte der Stadt Mittweida und ihrer Umgebung. Mittweida 1898, S. 46f.
[02] Vgl. Deutsches Städtebuch. Hrsg. Erich Keyser. Bd. 2. Stuttgart, Berlin 1841, S. 153.
[03] Vgl. Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte. 1815 bis 1845. Hrsg. Thomas Klein. Bd. 14: Sachsen. Marburg 1982, S. 159. - Vgl. auch Leipziger Zeitung vom 12.10. und 3.11.1853, S. 5081 und 5433.
[04] Vgl. SächsStAL, Stadt Mittweida, Nr. 103, 110, 112.
Gerichtsverwaltung.- Gerichtsprotokolle.- Strafgerichtsbarkeit.- Zivilgerichtsbarkeit.- Freiwillige Gerichtsbarkeit.- Lokalverwaltung.- Kirchen- und Schulangelegenheiten.- Lehnsangelegenheiten.
Die schriftsässige Stadt Mittweida lag ursprünglich im Territorium des Amts Rochlitz und kam 1836 durch Umbezirkung zum Amt Frankenberg mit Sachsenburg. Die Erbgerichtsbarkeit hatte der Rat zu Mittweida 1398 gekauft, die Obergerichtsbarkeit 1423. Auch über einige Grundstücke in Dörfern der Umgebung übte der Rat die Gerichtsbarkeit aus, so in Altmittweida, Erlau, Neudörfchen und Weinsdorf. Nach Einführung der Allgemeinen Städteordnung wurde in Mittweida 1834 für die gerichtlichen Belange ein eigenständiges Stadtgericht gebildet. Dessen Befugnisse gingen nach Abtretung an den Staat am 10. Oktober 1853 auf das Königliche Landgericht Mittweida über.
- 1998 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5