Beständeübersicht
Bestand
20844 Mitteldeutsche Motorenwerke Taucha
Datierung | 1928 - 1956 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 2,50 |
Bestand enthält auch 2 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular
Vorbemerkung
Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1987. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben ohne inhaltliche Veränderung in die digitale Form überführt. Die im Findbuch von 1987 verwendete Terminologie, welche auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bearbeitung widerspiegelt, blieb folglich unberührt.
Der Bestand enthält zwei Verzeichnungseinheiten, die bis Ende 2027 einer personenbezogenen Schutzfrist unterliegen und die bis dahin nicht online angezeigt sind. Die enthaltenen Personennamen sind in einem Namensindex im Staatsarchiv Leipzig erfasst.
Der Bestand wurde zu seinem Schutz verfilmt und wird über die Schutzfilme benutzt (Stand April 2021).
Einleitung
Geschichte der Mitteldeutschen Motorenwerke Taucha
Die Mitteldeutsche Motorenwerke (MMW bzw. Mimo) waren in einer Reihe mit der HASAG und den Erla-Werken ein Großbetrieb der Rüstung in der Leipziger Region. Sie sind aus der Auto-Union hervorgegangen und haben dem Konzern während der zehn Jahre ihrer Existenz angehört.
Im Jahre 1934 beauftragte das Reichsluftfahrtministerium die Auto-Union mit der Übernahme der Produktion von Flugzeugmotoren. Das war einer der ersten Schritte der Kriegsvorbereitung. Der Konzern gründete dafür 1935 ein besonderes Unternehmen und stellte die Arbeitskräfte aus seiner Automotorenherstellung sowie die ersten Produktionsanlagen – anfangs eine Halle und eine Baracke – im Gelände der Horch-Werke zur Verfügung. Die erste Firmenbezeichnung lautete daher "Mitteldeutsche Motorenwerke GmbH Zwickau". Die Auto-Union übernahm anfangs 51% des Stammkapitals, ein weiterer Teil kam vom Luftkontor Berlin, einer direkten Instanz des faschistischen Staates. Einbezogen war ferner die Sächsische Staatsbank.
Von vornherein stand fest, "dass die Fabrikanlagen auf die Dauer nicht in Zwickau bleiben konnten wegen der damaligen Gefährdungslage im Hinblick auf die Tschechoslowakei", wie es rückblickend im August 1941 hieß.[01] Als endgültiger Standort bot sich der Leipziger Raum an. Nach Zwickau, wo die ersten Entwicklungsarbeiten liefen, galt dann vorübergehend Leipzig als Sitz, wo beim Amtsgericht auch die Firmeneintragung erfolgte. Als Gegenstand des Betriebs nannte man in verdeckter Weise "Herstellung und Vertrieb von Motoren aller Art".[02]
Von Leipzig aus lief Ende 1935 / Anfang 1936 der Erwerb des Geländes in Taucha, am Stadtrand nach Portitz, im Bogen der Parthe gelegen. Bis September 1937 war der Aufbau in Taucha schon so weit fortgeschritten, dass man die Zwickauer Anlagen wieder zurückgeben konnte. Der Sitz der Firma wurde dann auch förmlich Taucha. Das Gesellschaftskapital wurde im Zuge der Aufbaustufen mehrmals erhöht und erreichte 1939 15 Millionen Reichsmark (RM). Im Jahr 1940 erwarb die Auto-Union die restlichen Anteile, so dass die MMW völlig im Besitz des Konzerns lagen, was von vornherein beabsichtigt gewesen war. Der Ausbau ging weiter. Er hatte auch für die Stadt große Bedeutung, deren Einwohnerzahl sprunghaft stieg und wo Lager für dienstverpflichtete Deutsche, für Tausende Zwangsarbeiter aus okkupierten Ländern und Kriegsgefangene sowie KZ-Außenlager entstanden.
Für 1944/1945 waren noch einmal Investitionen für die MMW in der Höhe von 22 Millionen RM vorgesehen, Ende 1943 ging es z. B. um die Übernahme von zwei stillgelegten Textilbetrieben bei Reichenberg im damaligen Sudetenland für die Reparatur von Triebwerken[03] .
MMW war ein typischer Rüstungsbetrieb. Er produzierte die Motoren für die Junkers-Kampfflugzeuge. Das Unternehmen beruhte auf der brutalen Ausbeutung von deutschen und ausländischen Arbeitern. Der Anteil der letzteren nahm im Verlauf des Krieges zu. Bei einer Belegschaftsstärke des Werkes von 8400 im Frühjahr 1942 waren schon damals fast die Hälfte Lagerinsassen. Als man damals damit rechnen musste, dass 600 deutsche Arbeiter zur Wehrmacht eingezogen würden, sollten 1200 sowjetische und holländische Zwangsarbeiter aus der "Saukel-Aktion" Ersatz bieten. Im Oktober 1943 hatten die MMW 7765 Beschäftigte. Das waren 18% (1664) weniger als am Jahresanfang, wo offenbar der Höhepunkt lag[04] .
Über die Organisationsstruktur des Werkes, vor allem über die Lage der Arbeiter – der deutschen, der ausländischen, der Häftlinge und Gefangenen – ist bislang wenig bekannt und dokumentarisch kaum etwas greifbar. Dabei handelte es sich bei der Gegend um Taucha, Leipzig-Thekla usw. um eines der im Reichsmaßstab bedeutenden Rüstungszentren. Immerhin lässt die MMW-Leitung in den im Bestand Auto-Union überlieferten und an die Konzernleitung gewandten Berichten Widerstandsaktionen erkennen. So wurde z. B. Ende 1943 zugegeben, dass der Rückgang in der Beschäftigtenzahl auch darauf zurückzuführen war, dass nicht weniger als 800 ausländische Arbeitskräfte flüchtig waren. Schon im April 1942 werden 82 Mann genannt, die Flucht als Form des Widerstands anwandten. Es waren Ungarn, Franzosen u. a. Gleichzeitig kehrten 133 Ungarn, Italiener u. a. aus ihrem Urlaub nicht zurück.[05] Für die Unternehmensleitung zeigte sich das als ein Problem, den damals produzierten "Juno 211" in der verlangten Stückzahl liefern zu können.
Noch vor dem ersten großen Bombenangriff auf Leipzig im Dezember 1943 wurden von den MMW Maßnahmen der Tarnung der Werksanlagen getroffen, Löschwasser bereitgestellt usw. Am 07.07.1944 fielen die ersten Bomben, von denen die Hälfte traf. Mehrere Hallen und allein 644 Maschinen waren beschädigt. Schon am 28.07.1944 folgte der zweite, am 02.11.1944 der dritte Angriff, bei dem auch das Ostarbeiterlager getroffen und dort der Tod von Menschen zu beklagen war.[06] In Taucha kam die Produktion danach weitgehend zum Erliegen, aber ein Teil der Fertigung war inzwischen verlagert worden.
Im Sommer 1945 gab es Versuche der alten Leitung, den Tauchaer Restbetrieb auf polygraphischen Maschinenbau und entsprechende Reparaturleistungen umzustellen.[07] Das einstige Rüstungsunternehmen fiel unter die Demontage, die 1946/1947 lief. Für übrige Verbindlichkeiten wurde bei dem IFA-Getriebewerk Liebertwolkwitz (später Joliot-Curie) eine "Abwicklungsstelle MIMO" gebildet, die bis 1949 tätig war und unter den IFA-Betrieben z. B. 1948 in einer Reihe mit den Werken Audi und Horch, dem Schlepperwerk Triptis usw. geführt wurde. Als man im Sommer 1949 das Tauchaer Werksgelände besichtigte, glich es "einem großen Trümmerfeld, auf dem sich mit Stahl vermengte Schrottmassen stauen". Als es gelang, auch das zu bereinigen, war die Existenz des Werkes im Bild der Stadt völlig getilgt. Teile des Geländes wurde dann als Gartenland vergeben.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Bei der Größenordnung und der Art des Unternehmens ist auch an sich – trotz der wenigen Jahre der Existenz – mit einem denkbar umfangreichen Schriftgutbestand und nicht zuletzt mit einer großen technischen Dokumentation zu rechnen. Von der Seite der MMW Taucha ist aber nichts erhalten geblieben, über "Schriftstücke aus der Zeit vor dem Jahre 1946 (verfügte man) leider nichts mehr". "Durch Kriegseinwirkungen und die völlige Demontage (hatte man) sämtliche Unterlagen eingebüßt". Was in die Hände der Abwicklungsstelle geriet, waren tatsächlich nur vereinzelt Dokumente, darunter der Lohngruppenkatalog von 1943.
Wenn es dennoch einen Archivgutbestand gibt, dann deshalb, weil eine bei der Bauaufsicht der Tauchaer Stadtverwaltung entstandene Dokumentation über das Betriebsgelände überliefert ist und ins Staatsarchiv Leipzig übernommen werden konnte. Die Provenienz dieser Akten ist eindeutig "Stadt Taucha". Aber es schien trotzdem zweckmäßig, damit einen Bestand unter der Werksbezeichnung zu bilden. Das geschah auf Grund der Tatsache, dass alle Dokumente von den MMW ausgefertigt wurden und die im Vergleich zum Werk kleine Stadtverwaltung kaum mehr als einen formalen Genehmigungsvermerk anbrachte. Auch hinsichtlich der Tektonik des Gesamtbestandes des StA-L schien dieses Verfahren begründet.
Im Findmittel zum Bestand "Stadt Taucha" war natürlich ein Verweis anzubringen. Das hat es auch erleichtert, die Akten der Liebertwolkwitzer Abwicklungsstelle hier zuzuordnen und nicht etwa als eigenen Bestand zu führen. Sie sind aus dem Verwaltungsarchiv des Fahrzeuggetriebewerkes übernommen und als eigene Gruppe eingearbeitet worden. Sie stellen an sich eine zweite Provenienz dar, so dass die Bestandsbildung auf der den beiden Teilen gemeinsamen Pertinenz beruht. Sie bedingt auch die beiden inhaltlichen Schwerpunkte: die Baumaßnahmen mit zahlreichen Zeichnungen zu den Hallen und anderen Anlagen und die Abwicklung nach der Demontage. Angaben zu den Arbeitern, zu den Lagern gibt es bis auf abstrakte Positionen der "lagermäßigen Unterbringung" und Beschäftigtenzahlen im Finanz-Schriftgut einschließlich des Lohngruppenkatalogs nicht. Immerhin sind z.B. der Grundriss der Gesamtanlage und ein Dokument wie die 1946 aufgestellten Bilanz zum 31.12.1944 besonders bemerkenswert.
In der militärisch- und wirtschaftsgeschichtlichen Literatur sind die MMW kaum genannt. Im Unterschied etwa zum Junkers-Konzern fehlen sie z. B. im Register von D. Eichholtz' Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft (1985). Das lässt darauf schließen, dass auch die Überlieferung über die MMW in Beständen von Organen des faschistischen Staats gering ist. Der vorliegende Bestand vermag die Lücke eigentlich nicht zu schließen, aber er ist geeignet, die Schlüsseldokumente der Ebene der Konzernleitung im Bestand Auto-Union im Hauptstaatsarchiv Dresden zu ergänzen.
Manfred Unger
April 1987
Nachtrag zu den Akten 114 bis 150
Im Jahre 1992 wurde bei der Verzeichnung von unerschlossenen Teilen des Bestandes "Stadt Taucha" eine Reihe von Akten zum Bau der Mimo (einschließlich Wohnungsbau) aussortiert und Anfang 1993 erschlossen. Die Bestandsabgrenzung erfolgte im Sinne der in der Einleitung begründeten Notwendigkeit eines Pertinenzbestandes.
Die Provenienz ist hier ebenso "Stadt Taucha" (Baupolizeiamt) bzw. bei vielen Akten ursprünglich sogar "Stadt Leipzig". Das hängt mit dem anfangs von Leipzig geplanten Bau des Werksgeländes am Stadtrand in Portitz zusammen (vgl. dazu die Verhandlungen über den Fluraustausch 1935-1936, Nr. 143). Nachdem das Werk am 24.04.1939 Taucha übertragen wurde, sind die Akten an die Stadt Taucha übergeben worden. Ein entsprechendes Verzeichnis vom Juni 1939 mit "Sachstandsfeststellung" des Bürgermeisters Dr. Uhlemann ist in Nr. 139 enthalten. Aus entsprechenden Vermerken im Übergabeverzeichnis lässt sich die Einarbeitung in die Registratur der Stadtverwaltung Taucha ablesen. Die Übernahme betrifft also alle im Nachtrag bis 1939 entstandenen Akten, außer denen zum Wohnungsbau (Nr. 116, 133, 140 und 145) und der erwähnten Akte zum Fluraustausch (Nr. 143), die originär in Taucha geführt wurden.
Den Weg von Leipzig müssten ebenso alle Akten im Findbuch unter Punkt 1 (Aufbau- und Ausbau des Werkes) gegangen sein, die bis 1939 entstanden. Eine Ausnahme bilden die Akten Nr. 7 und 15, wo trotz Durchsicht keine Bezüge zur Mimo festgestellt werden konnten.
Bei der Verzeichnung wurden wichtige Hinweise über den Verbleib von Akten bzw. Einzeldokumente ermittelt. In Nr. 137 finden sich Vermerke über die Abgabe von Dokumenten an die amerikanische Militärregierung (1945) und an das "Ministerium für Aufbau" in Berlin (1956).
Die Akte Nr. 131 beinhaltet den Ausbau des Lagers Seegeritzer Weg für sowjetische Kriegsgefangene. Darin sind Zahlenangaben über die Lagerinsassen zu ermitteln. In Nr. 145 fanden sich Hinweise auf das Stammlager Mühlberg/Elbe und über die Verleihung von Zwangsarbeitern aus diesem Lager an kleinere Firmen.
Birgit Richter
April 1993
Verweise auf korrespondierende Bestände
Sächsisches Staatsarchiv, Staatarchiv Leipzig, 20626 Stadt Taucha, Verzeichnungsangaben online zugänglich
Sächsisches Staatsarchiv, Staatarchiv Chemnitz, 31050 Auto Union AG, Chemnitz, Verzeichnungsangaben online zugänglich
[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz, 31050 Auto Union AG, Chemnitz, Nr. 4840.
[02] Ebd., Nr. 721.
[03] Ebd., Nr. 781.
[04] Ebd., Nr. 724.
[05] Ebd., Nr. 486.
[06] Ebd.
[07] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20844 Mitteldeutsche Motorenwerke Taucha, Nr. 98, 99.
Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1987. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben ohne inhaltliche Veränderung in die digitale Form überführt. Die im Findbuch von 1987 verwendete Terminologie, welche auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bearbeitung widerspiegelt, blieb folglich unberührt.
Der Bestand enthält zwei Verzeichnungseinheiten, die bis Ende 2027 einer personenbezogenen Schutzfrist unterliegen und die bis dahin nicht online angezeigt sind. Die enthaltenen Personennamen sind in einem Namensindex im Staatsarchiv Leipzig erfasst.
Der Bestand wurde zu seinem Schutz verfilmt und wird über die Schutzfilme benutzt (Stand April 2021).
Einleitung
Geschichte der Mitteldeutschen Motorenwerke Taucha
Die Mitteldeutsche Motorenwerke (MMW bzw. Mimo) waren in einer Reihe mit der HASAG und den Erla-Werken ein Großbetrieb der Rüstung in der Leipziger Region. Sie sind aus der Auto-Union hervorgegangen und haben dem Konzern während der zehn Jahre ihrer Existenz angehört.
Im Jahre 1934 beauftragte das Reichsluftfahrtministerium die Auto-Union mit der Übernahme der Produktion von Flugzeugmotoren. Das war einer der ersten Schritte der Kriegsvorbereitung. Der Konzern gründete dafür 1935 ein besonderes Unternehmen und stellte die Arbeitskräfte aus seiner Automotorenherstellung sowie die ersten Produktionsanlagen – anfangs eine Halle und eine Baracke – im Gelände der Horch-Werke zur Verfügung. Die erste Firmenbezeichnung lautete daher "Mitteldeutsche Motorenwerke GmbH Zwickau". Die Auto-Union übernahm anfangs 51% des Stammkapitals, ein weiterer Teil kam vom Luftkontor Berlin, einer direkten Instanz des faschistischen Staates. Einbezogen war ferner die Sächsische Staatsbank.
Von vornherein stand fest, "dass die Fabrikanlagen auf die Dauer nicht in Zwickau bleiben konnten wegen der damaligen Gefährdungslage im Hinblick auf die Tschechoslowakei", wie es rückblickend im August 1941 hieß.[01] Als endgültiger Standort bot sich der Leipziger Raum an. Nach Zwickau, wo die ersten Entwicklungsarbeiten liefen, galt dann vorübergehend Leipzig als Sitz, wo beim Amtsgericht auch die Firmeneintragung erfolgte. Als Gegenstand des Betriebs nannte man in verdeckter Weise "Herstellung und Vertrieb von Motoren aller Art".[02]
Von Leipzig aus lief Ende 1935 / Anfang 1936 der Erwerb des Geländes in Taucha, am Stadtrand nach Portitz, im Bogen der Parthe gelegen. Bis September 1937 war der Aufbau in Taucha schon so weit fortgeschritten, dass man die Zwickauer Anlagen wieder zurückgeben konnte. Der Sitz der Firma wurde dann auch förmlich Taucha. Das Gesellschaftskapital wurde im Zuge der Aufbaustufen mehrmals erhöht und erreichte 1939 15 Millionen Reichsmark (RM). Im Jahr 1940 erwarb die Auto-Union die restlichen Anteile, so dass die MMW völlig im Besitz des Konzerns lagen, was von vornherein beabsichtigt gewesen war. Der Ausbau ging weiter. Er hatte auch für die Stadt große Bedeutung, deren Einwohnerzahl sprunghaft stieg und wo Lager für dienstverpflichtete Deutsche, für Tausende Zwangsarbeiter aus okkupierten Ländern und Kriegsgefangene sowie KZ-Außenlager entstanden.
Für 1944/1945 waren noch einmal Investitionen für die MMW in der Höhe von 22 Millionen RM vorgesehen, Ende 1943 ging es z. B. um die Übernahme von zwei stillgelegten Textilbetrieben bei Reichenberg im damaligen Sudetenland für die Reparatur von Triebwerken[03] .
MMW war ein typischer Rüstungsbetrieb. Er produzierte die Motoren für die Junkers-Kampfflugzeuge. Das Unternehmen beruhte auf der brutalen Ausbeutung von deutschen und ausländischen Arbeitern. Der Anteil der letzteren nahm im Verlauf des Krieges zu. Bei einer Belegschaftsstärke des Werkes von 8400 im Frühjahr 1942 waren schon damals fast die Hälfte Lagerinsassen. Als man damals damit rechnen musste, dass 600 deutsche Arbeiter zur Wehrmacht eingezogen würden, sollten 1200 sowjetische und holländische Zwangsarbeiter aus der "Saukel-Aktion" Ersatz bieten. Im Oktober 1943 hatten die MMW 7765 Beschäftigte. Das waren 18% (1664) weniger als am Jahresanfang, wo offenbar der Höhepunkt lag[04] .
Über die Organisationsstruktur des Werkes, vor allem über die Lage der Arbeiter – der deutschen, der ausländischen, der Häftlinge und Gefangenen – ist bislang wenig bekannt und dokumentarisch kaum etwas greifbar. Dabei handelte es sich bei der Gegend um Taucha, Leipzig-Thekla usw. um eines der im Reichsmaßstab bedeutenden Rüstungszentren. Immerhin lässt die MMW-Leitung in den im Bestand Auto-Union überlieferten und an die Konzernleitung gewandten Berichten Widerstandsaktionen erkennen. So wurde z. B. Ende 1943 zugegeben, dass der Rückgang in der Beschäftigtenzahl auch darauf zurückzuführen war, dass nicht weniger als 800 ausländische Arbeitskräfte flüchtig waren. Schon im April 1942 werden 82 Mann genannt, die Flucht als Form des Widerstands anwandten. Es waren Ungarn, Franzosen u. a. Gleichzeitig kehrten 133 Ungarn, Italiener u. a. aus ihrem Urlaub nicht zurück.[05] Für die Unternehmensleitung zeigte sich das als ein Problem, den damals produzierten "Juno 211" in der verlangten Stückzahl liefern zu können.
Noch vor dem ersten großen Bombenangriff auf Leipzig im Dezember 1943 wurden von den MMW Maßnahmen der Tarnung der Werksanlagen getroffen, Löschwasser bereitgestellt usw. Am 07.07.1944 fielen die ersten Bomben, von denen die Hälfte traf. Mehrere Hallen und allein 644 Maschinen waren beschädigt. Schon am 28.07.1944 folgte der zweite, am 02.11.1944 der dritte Angriff, bei dem auch das Ostarbeiterlager getroffen und dort der Tod von Menschen zu beklagen war.[06] In Taucha kam die Produktion danach weitgehend zum Erliegen, aber ein Teil der Fertigung war inzwischen verlagert worden.
Im Sommer 1945 gab es Versuche der alten Leitung, den Tauchaer Restbetrieb auf polygraphischen Maschinenbau und entsprechende Reparaturleistungen umzustellen.[07] Das einstige Rüstungsunternehmen fiel unter die Demontage, die 1946/1947 lief. Für übrige Verbindlichkeiten wurde bei dem IFA-Getriebewerk Liebertwolkwitz (später Joliot-Curie) eine "Abwicklungsstelle MIMO" gebildet, die bis 1949 tätig war und unter den IFA-Betrieben z. B. 1948 in einer Reihe mit den Werken Audi und Horch, dem Schlepperwerk Triptis usw. geführt wurde. Als man im Sommer 1949 das Tauchaer Werksgelände besichtigte, glich es "einem großen Trümmerfeld, auf dem sich mit Stahl vermengte Schrottmassen stauen". Als es gelang, auch das zu bereinigen, war die Existenz des Werkes im Bild der Stadt völlig getilgt. Teile des Geländes wurde dann als Gartenland vergeben.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Bei der Größenordnung und der Art des Unternehmens ist auch an sich – trotz der wenigen Jahre der Existenz – mit einem denkbar umfangreichen Schriftgutbestand und nicht zuletzt mit einer großen technischen Dokumentation zu rechnen. Von der Seite der MMW Taucha ist aber nichts erhalten geblieben, über "Schriftstücke aus der Zeit vor dem Jahre 1946 (verfügte man) leider nichts mehr". "Durch Kriegseinwirkungen und die völlige Demontage (hatte man) sämtliche Unterlagen eingebüßt". Was in die Hände der Abwicklungsstelle geriet, waren tatsächlich nur vereinzelt Dokumente, darunter der Lohngruppenkatalog von 1943.
Wenn es dennoch einen Archivgutbestand gibt, dann deshalb, weil eine bei der Bauaufsicht der Tauchaer Stadtverwaltung entstandene Dokumentation über das Betriebsgelände überliefert ist und ins Staatsarchiv Leipzig übernommen werden konnte. Die Provenienz dieser Akten ist eindeutig "Stadt Taucha". Aber es schien trotzdem zweckmäßig, damit einen Bestand unter der Werksbezeichnung zu bilden. Das geschah auf Grund der Tatsache, dass alle Dokumente von den MMW ausgefertigt wurden und die im Vergleich zum Werk kleine Stadtverwaltung kaum mehr als einen formalen Genehmigungsvermerk anbrachte. Auch hinsichtlich der Tektonik des Gesamtbestandes des StA-L schien dieses Verfahren begründet.
Im Findmittel zum Bestand "Stadt Taucha" war natürlich ein Verweis anzubringen. Das hat es auch erleichtert, die Akten der Liebertwolkwitzer Abwicklungsstelle hier zuzuordnen und nicht etwa als eigenen Bestand zu führen. Sie sind aus dem Verwaltungsarchiv des Fahrzeuggetriebewerkes übernommen und als eigene Gruppe eingearbeitet worden. Sie stellen an sich eine zweite Provenienz dar, so dass die Bestandsbildung auf der den beiden Teilen gemeinsamen Pertinenz beruht. Sie bedingt auch die beiden inhaltlichen Schwerpunkte: die Baumaßnahmen mit zahlreichen Zeichnungen zu den Hallen und anderen Anlagen und die Abwicklung nach der Demontage. Angaben zu den Arbeitern, zu den Lagern gibt es bis auf abstrakte Positionen der "lagermäßigen Unterbringung" und Beschäftigtenzahlen im Finanz-Schriftgut einschließlich des Lohngruppenkatalogs nicht. Immerhin sind z.B. der Grundriss der Gesamtanlage und ein Dokument wie die 1946 aufgestellten Bilanz zum 31.12.1944 besonders bemerkenswert.
In der militärisch- und wirtschaftsgeschichtlichen Literatur sind die MMW kaum genannt. Im Unterschied etwa zum Junkers-Konzern fehlen sie z. B. im Register von D. Eichholtz' Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft (1985). Das lässt darauf schließen, dass auch die Überlieferung über die MMW in Beständen von Organen des faschistischen Staats gering ist. Der vorliegende Bestand vermag die Lücke eigentlich nicht zu schließen, aber er ist geeignet, die Schlüsseldokumente der Ebene der Konzernleitung im Bestand Auto-Union im Hauptstaatsarchiv Dresden zu ergänzen.
Manfred Unger
April 1987
Nachtrag zu den Akten 114 bis 150
Im Jahre 1992 wurde bei der Verzeichnung von unerschlossenen Teilen des Bestandes "Stadt Taucha" eine Reihe von Akten zum Bau der Mimo (einschließlich Wohnungsbau) aussortiert und Anfang 1993 erschlossen. Die Bestandsabgrenzung erfolgte im Sinne der in der Einleitung begründeten Notwendigkeit eines Pertinenzbestandes.
Die Provenienz ist hier ebenso "Stadt Taucha" (Baupolizeiamt) bzw. bei vielen Akten ursprünglich sogar "Stadt Leipzig". Das hängt mit dem anfangs von Leipzig geplanten Bau des Werksgeländes am Stadtrand in Portitz zusammen (vgl. dazu die Verhandlungen über den Fluraustausch 1935-1936, Nr. 143). Nachdem das Werk am 24.04.1939 Taucha übertragen wurde, sind die Akten an die Stadt Taucha übergeben worden. Ein entsprechendes Verzeichnis vom Juni 1939 mit "Sachstandsfeststellung" des Bürgermeisters Dr. Uhlemann ist in Nr. 139 enthalten. Aus entsprechenden Vermerken im Übergabeverzeichnis lässt sich die Einarbeitung in die Registratur der Stadtverwaltung Taucha ablesen. Die Übernahme betrifft also alle im Nachtrag bis 1939 entstandenen Akten, außer denen zum Wohnungsbau (Nr. 116, 133, 140 und 145) und der erwähnten Akte zum Fluraustausch (Nr. 143), die originär in Taucha geführt wurden.
Den Weg von Leipzig müssten ebenso alle Akten im Findbuch unter Punkt 1 (Aufbau- und Ausbau des Werkes) gegangen sein, die bis 1939 entstanden. Eine Ausnahme bilden die Akten Nr. 7 und 15, wo trotz Durchsicht keine Bezüge zur Mimo festgestellt werden konnten.
Bei der Verzeichnung wurden wichtige Hinweise über den Verbleib von Akten bzw. Einzeldokumente ermittelt. In Nr. 137 finden sich Vermerke über die Abgabe von Dokumenten an die amerikanische Militärregierung (1945) und an das "Ministerium für Aufbau" in Berlin (1956).
Die Akte Nr. 131 beinhaltet den Ausbau des Lagers Seegeritzer Weg für sowjetische Kriegsgefangene. Darin sind Zahlenangaben über die Lagerinsassen zu ermitteln. In Nr. 145 fanden sich Hinweise auf das Stammlager Mühlberg/Elbe und über die Verleihung von Zwangsarbeitern aus diesem Lager an kleinere Firmen.
Birgit Richter
April 1993
Verweise auf korrespondierende Bestände
Sächsisches Staatsarchiv, Staatarchiv Leipzig, 20626 Stadt Taucha, Verzeichnungsangaben online zugänglich
Sächsisches Staatsarchiv, Staatarchiv Chemnitz, 31050 Auto Union AG, Chemnitz, Verzeichnungsangaben online zugänglich
[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Chemnitz, 31050 Auto Union AG, Chemnitz, Nr. 4840.
[02] Ebd., Nr. 721.
[03] Ebd., Nr. 781.
[04] Ebd., Nr. 724.
[05] Ebd., Nr. 486.
[06] Ebd.
[07] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20844 Mitteldeutsche Motorenwerke Taucha, Nr. 98, 99.
Aufbau des Werkes.- Wohnungsbau und Lager für Fremdarbeiter und Zwangsarbeiter.- Luftschutz.- Bombenschäden.- Finanzen.- Abwicklung des Betriebs.
Die Mitteldeutschen Motorenwerke Taucha waren ein aus der Auto-Union AG, Chemnitz, hervorgegangener Rüstungsgroßbetrieb der Leipziger Region, der seit 1937 Motoren für Kampfflugzeuge produzierte. Die Herstellung wurde während des Zweiten Weltkriegs in großem Umfang mit Fremd- bzw. Zwangsarbeitern durchgeführt. Im Verlauf des Jahres 1944 wurde das Werk durch Bombenangriffe schwer beschädigt. Im Sommer 1945 wurde versucht, den Restbetrieb auf polygraphischen Maschinenbau und Reparatur umzustellen. 1946/47 wurde der Betrieb demontiert.
Der Bestand umfasst v. a. eine bei der Bauaufsicht der Tauchaer Stadtverwaltung entstandene Dokumentation über das Betriebsgelände.
Der Bestand umfasst v. a. eine bei der Bauaufsicht der Tauchaer Stadtverwaltung entstandene Dokumentation über das Betriebsgelände.
- 2021 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5