Beständeübersicht
Bestand
20893 VVB MLW Medizin-, Labor- und Wägetechnik Leipzig
Datierung | 1946 - 1972 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 29,78 |
Vorbemerkung
Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer im Jahr 2012 erfolgten Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1986. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben ohne nennenswerte Veränderungen in die digitale Form überführt. Nacharbeiten ergaben sich bei den Bandreihen, da hier oft für alle Bände nur ein Enthält-Vermerk gebildet worden war, sowie bei der Reihung aufgrund von Fehlern bei der Konversion. Die im Findbuch von 1986 verwendete Terminologie, welche auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bearbeitung widerspiegelt, blieb folglich unberührt. Dies gilt sowohl für die einzelnen Verzeichnungseinheiten als auch für die Findbucheinleitung. Eine – fachlich wünschenswerte – Überarbeitung kann derzeit aus Kapazitätsgründen nicht erfolgen. Ergänzend zum alten Findbuch wurde im Jahr 2020 ein bisher nicht erschlossener Nachtrag im Umfang von 4,3 lfm verzeichnet (Signaturen 1820-1967) und in die bestehende Gliederung eingeordnet. Nach Abgleich mit der schon vorhandenen Überlieferung sonderten die Bearbeiter aus diesem Rest 0,7 lfm doppelte Berichte und Programme zur Vernichtung aus.
Januar 2021
Dolores Herrmann
Einleitung
Geschichte des VVB MLW Medizin-, Labor- und Wägetechnik Leipzig
Eine Folge des "Gesetzes über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit der Staatsapparates in der DDR" vom 11. Februar 1958 war die Reorganisation der Industrie. Seit März 1956 liefen in der Staatlichen Plankommission (nachfolgend SPK) und den wirtschaftsleitenden Organen vorbereitende Maßnahmen zur Umgestaltung der Organisationsstruktur der Industrie. Wesentliche Akzente setzten dann die 32. und 33. ZK-Tagung der SED im Jahre 1957, in denen das Profil der zu schaffenden Organisationsstruktur bereits festgelegt wurde, so dass nach Verkündigung des Gesetzes sofort mit der Verwirklichung der Reorganisationsarbeiten begonnen werden konnte. Die Schaffung einer mittleren Leitungsebene und die Neugestaltung der zentralen wirtschaftsleitenden Organe waren die Schwerpunkte dieser Reorganisationsmaßnahmen. Die mittlere Leitung wurde nach dem Industriezweigprinzip organisiert. Als Industriezweigleitungen wurden die "Vereinigung Volkseigener Betriebe" (VVB) geschaffen. Die Forderung nach der Stärkung der Befugnisse der SPK, um so die Herstellung der Einheit von Planung und Leitung zu realisieren, brachte die Auflösung der Industriezweigministerien. Die Rechte und Pflichten dieser Ministerien bzw. Hauptverwaltungen gingen auf die Fachabteilungen der SPK über, die somit das oberste wirtschaftsleitende Organ wurde. Es entstanden mehr als 70 VVB, die 1558 große und mittlere Betriebe anzuleiten hatten.[01]Auf dem Gebiet der Medizintechnik, Medizinmechanik, der Feinmechanik und Optik bestanden nach dem Ende des 2. Weltkrieges auf dem Territorium der DDR keine oder nur unbedeutende Produktionsstätten, deren Wirtschaftsleitung durch die Hauptverwaltung Feinmechanik/Optik wahrgenommen wurde. Der planmäßigen Entwicklung dieses Industriezweiges musste mehr Beachtung geschenkt werden, da vor allem die Produktion medizintechnischer Erzeugnisse für das Gesundheitswesen eine entscheidende Bedeutung hat. Am 5. Mai 1958 wurde die VVB Mechanik mit Sitz in Leipzig gegründet. Sie war juristisch selbständig und unterstand der Abteilung Allgemeiner Maschinenbau bei der Staatlichen Plankommission (SPK), später dem Ministerium für Verarbeitungsmaschinen und Fahrzeugbau, Die VVB war das ökonomische Führungsorgan für Betriebe der Industriezweige Medizintechnik/Medizinmechanik, Feinmechanik/Optik, Laboreinrichtungen und Wägetechnik. Neben der ökonomischen Verantwortung hatte sie noch nachfolgende Aufgaben:
- Verantwortung für den gesamten Reproduktionsprozess der ihr unterstellten Betriebe
- Bildung und Verwendung aller finanziellen Fonds in den VEB, Finanzrevisionen
- Ausarbeitung der Perspektiv- und Jahrespläne, Investitionen
- Gewährleistung der einheitlichen technischen Politik für alle Industriezweige
- Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Höchststandes, komplexe Leitung von Forschung, Entwicklung und Projektierung
- Produktion und Absatz zusammen mit den Organen des Innen- und Außenhandels
- Konsumgüterproduktion
- Vervollkommnung der technisch-ökonomischen Konzeptionen und Anwendung der ökonomischen Hebel
- Verwirklichung der Investitionspolitik
- Bilanzierung der Erzeugnisse
- Neuererarbeit[02]
Zum Zeitpunkt der Gründung waren der VVB folgende VEB unterstellt:
- VEB Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla (5054 Beschäftigte)
- VEB Glashütter Uhrenbetriebe (2154 Beschäftigte)
- VEB Feinmechanik Sonneberg (465 Beschäftigte)
- VEB Oschatzer Waagenbetrieb (548 Beschäftigte)
- VEB Spezialwaagenfabrik Radebeul (365 Beschäftigte)
- VEB Medizintechnik Leipzig (787 Beschäftigte)
- VEB Orthopädie Königsee (405 Beschäftigte)
- VEB Asepta Berlin (338 Beschäftigte)
- VEB Injecta Steinach (260 Beschäftigte)
- VEB Injecta Klingenthal (208 Beschäftigte)
- VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig (1304 Beschäftigte)
- VEB Prüfgerätewerk Medingen (312 Beschäftigte)
- VEB Industriewerk Rauenstein (793 Beschäftigte)
- VEB Laborbau Dresden (397 Beschäftigte).[03]
In den Folgejahren wechselte die Zahl der unterstellten VEB öfter, Betriebe wurden ausgegliedert, neue kamen hinzu.
Der Industriezweig Feinmechanik/Optik - und hier speziell die Uhrenindustrie - war für die VVB Schwerpunkt der Leitungstätigkeit in dem ersten Jahren. Die Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla ist der größte VEB dieses Industriezweiges. Er wurde 1862 gegründet, im Juli 1945 sequestriert und unter die Verwaltung des Landes Thüringen gestellt, am 1. Mai 1952 dann volkseigen. Die Glashütter Uhrenbetriebe wurden bereits 1845 gegründet und 1951 in Volkseigentum überführt. Zum Industriezweig gehörten außerdem noch das Feingerätewerk Weimar und Feinmechanik Sonneberg. Die ökonomische Situation in der Uhrenindustrie war nach dem 2. Weltkrieg nicht einfach. Durch die Teilung Deutschlands waren enge Bezugs- und Lieferverbindungen zu Firmen in der BRD und der Schweiz unterbrochen. Erst ab 1956 kann man von einer beginnenden Stabilisierung sprechen. Wichtige Spezialmaschinen, die für die Herstellung von Einzelteilen für die Uhrenfertigung notwendig waren, mussten importiert werden. Im November 1960 fasste die Wirtschaftskommission beim Politbüro des ZK der SED den Beschluss zur "Entwicklung der Uhrenindustrie in der DDR". Schwerpunkte waren:
- Entwicklung der Uhrenindustrie nach den Kennziffern des Siebenjahrplanes
- Erhöhung des Exportanteils
- Erreichung von Weltstandsniveau bei den Erzeugnissen
- Maßnahmen zur Unabhängigmachung des Industriezweiges vom Import
- Durchsetzung von Automatisierungsmaßnahmen
- Spezialisierung der Technologien und auch der Produktionskräfte.[04]
Zum 1. Januar 1967 wurde aus der Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla, den Glashütter Uhrenbetrieben und dem Feingerätewerk Weimar das VEB Uhrenkombinat Ruhla gebildet und dieser Industriezweig aus der VVB Mechanik ausgegliedert.
Kompliziert war die Situation im Industriezweig Medizintechnik/Medizinmechanik. Bis 1945 befanden sich lediglich 25-30 % der Betriebe auf dem Gebiet der heutigen DDR, 70-75 % dagegen auf dem Territorium der heutigen BRD. Hauptträger der Produktion medizintechnischer Erzeugnisse in der DDR waren:
- VEB Medizintechnik Leipzig, volkseigen seit 1946, vorher Nitzsche AG Leipzig
- VEB Werkzeugring Suhl volkseigen seit 1948, vorher Waffenfabrik Ernst Kerner und Co., Suhl
- VEB Injecta Klingenthal, volkseigen seit 1948, vorher Injecta AG Berlin, während des 2. Weltkrieges nach Klingenthal verlagert
- VEB Orthopädie Königsee, volkseigen seit 1949, vorher Fa. Otto Bock
- VEB Asepta Berlin, volkseigen seit 1949, vorher Albatros AG Berlin
- VEB Metallindustrie Staaken, volkseigen seit 1949, vorher Tochtergesellschaft der Deutschen Lufthansa AG.[05]
Von 1945 - 1958 wurde der Entwicklung dieses Industriezweiges zu wenig Bedeutung beigemessen. Die Entwicklung der Produktion und die Neuentwicklung moderner technischer Geräte und Einrichtungen konnte mit den Anforderungen nicht Schritt halten. Ursachen dafür war die Zersplitterung des Industriezweiges. Fast 400 Betriebe in der DDR produzierten Erzeugnisse oder waren Zulieferer für Medizintechnik/Medizinmechanik. Diese waren 19 VVB und 11 Bezirkswirtschaftsräten unterstellt. Dazu kamen das Fehlen von wissenschaftlich-technischen Spezialkräften und die Unterschätzung der Bedeutung der medizin-technischen Industrie. Im September 1958 fasste das Politbüro des ZK der SED einen Beschluss, dem Ministerratsbeschlüsse vom August 1959 und 1960 folgten. Diese bildeten die Grundlage der Arbeit im Gesundheitswesen, in der medizintechnischen Industrie, im Handel und in der medizinischen Wissenschaft. Die Produktion medizinischer Instrumente und Geräte für die ärztliche Versorgung und die Gesunderhaltung der Werktätigen hatte eine entscheidende Bedeutung für die Lösung der Hauptaufgaben des Siebenjahrplanes. Das Gesundheitswesen kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn es mit den besten medizinischen Instrumenten, Geräten und Einrichtungen in ausreichendem Maße versehen wird. Dazu war es notwendig, eine schnellere Steigerung des Produktionsvolumens als bisher zu erreichen, die Entwicklung neuer und moderner Erzeugnisse in kürzester Frist durchzuführen und einen hohen Stand in der Qualität der medizintechnischen Erzeugnisse sicherzustellen.[06]
Am 1. Januar 1960 wurde in Leipzig das Wissenschaftlich-Technische Zentrum (WTZ) Medizinmechanik gegründet. Es war verantwortlich für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Medizinmechanik und hatte folgende Außenstellen:
- WTZ Labortechnik Dresden
- WTZ Waagen Radebeul
- WTZ Ärztliche Instrumente Suhl
- WTZ Orthopädie Königsee,
- WTZ Krankenhauseinrichtungen Dresden.[07]
Bis 1963 konnte die Produktion ärztlicher Instrumente, Geräte und Einrichtungen um 80 % gesteigert werden.
In der DDR gab es um 1960 zehn volkseigene Betriebe, zwei PGH, fünf Betriebe mit staatlicher Beteiligung und 18 Privatbetriebe der Waagenindustrie. Diese waren vier verschiedenen VVB zugeordnet. Zur VVB Mechanik gehörten:
- VEB Oschatzer Waagenfabrik
- VEB Großwaagen Berlin
- VEB Waagenreparatur Grimma
- VEB Rapido Radebeul
- VEB Thüringer Industriewerke Rauenstein.
Haupterzeugnisse waren:
- Präzisions- und Feinwaagen
- Neigungs-, Groß- und Kleinwaagen
- Sonderanfertigung und Spezialwaagen
- Haushaltwaagen, Personen- und Tafelwaagen
- Schienen- und Straßenfahrzeugwaagen
- Spezialwaagen für die Metallurgie.[08]
Im April 1969 wurden die Waagenbau- und -reparaturbetriebe der VVB Land- und Nahrungsgüterwirtschaft zugeordnet, ab Januar 1970 dem VEB Kombinat Verpackungsmaschinen. Der VEB Thüringer Industriewerke kam zusammen mit dem VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig zum VEB Systemkombinat "Fritz Heckert" in Karl-Marx-Stadt.[09]
Zum Industriezweig Laboreinrichtungen gehörten:
- VEB Laborbau Dresden
- VEB Labormöbelwerk Apolda
- VEB Labortechnik Ilmenau.
Im Juli 1969 schlossen sich der VEB Waagenreparatur Grimma und VEB Laborbau Dresden zum VEB MLW Anlagenbau Dresden zusammen. Dieser Betrieb war Spezialprojektant und Hauptlieferant für komplette medizintechnische Anlagen und Systeme, Laboratorien sowie wägetechnische Anlagen und Systeme.[10]
Von 1958 - 1970 war die VVB bzw. ihr unterstellte VEB an halbstaatlichen Betrieben beteiligt, so ab 1958 E. Zimmermann, Leipzig, wissenschaftlicher Gerätebau[11] , ab 1963 Fa. Rogerit, Lichtenstein/Erzgebirge, Medizinplaste[12] und ab 1967 Fa. Sonntag und Talke, Dresden, Baustoff-, Bitumen- und rheologische Prüfgeräte.[13]
Am 31. Oktober 1967 wurde die VVW Mechanik im "VVB Medizin-, Labor- und Wägetechnik Leipzig" umbenannt (nachfolgend VVB MLW). Mit der Umbenennung waren Strukturveränderungen und Produktionsumstellungen verbunden. Die einheitliche Gesamtentwicklung der medizintechnischen Produktion, besonders für komplette medizintechnische Funktionseinheiten, sollte gesichert sein. Betriebe mit medizintechnischer Produktion, die bis zu diesem Zeitpunkt anderen VVB unterstellt waren, wurden in die VVB MLW eingegliedert, so z.B. VEB Transfunda Berlin (vorher VVB Plastverarbeitung) und VEB Keradenta Radeberg (vorher VVB Keramik).
Ab 1966 waren Rationalisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse eine absolute Schwerpunktaufgabe der VVB. Durch die Anwendung moderner Produktionsverfahren und Fertigungsmethoden sollten weltmarktfähige Haupterzeugnisse hergestellt werden. Das Projekt "Komplexe Rationalisierung der Kanülenfertigung im Injecta Klingenthal" ist ein Beispiel dafür. Die Spezialisierung im Rahmen des RGW wies einen weiteren Weg. Im der Sowjetunion gab es eine leistungsfähige Uhrenindustrie. In der CSSR waren Medizinmechanik, in der VR Bulgarien Wägetechnik und Medizinmechanik, in der VR Ungarn Wägetechnik international konkurrenzfähige Industriezweige. Zwischen den verantwortlichen Außenhandelsorganen und Betrieben in diesen Ländern und der VVB MLW gab es enge Zusammenarbeit.[14]
Zur weiteren Überwindung der Zersplitterung der medizintechnischen Produktion war die Bildung eines Kombinats für medizin-technische Erzeugnisse dringend notwendig geworden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1970 wurde aus der VVB MLW Leipzig der "VEB Kombinat Medizin- und Labortechnik Leipzig". Zum Kombinat gehörten zwölf Betriebe mit insgesamt 7270 Beschäftigten:
- Medizintechnik Leipzig (Stammbetrieb) für Anästhesie- und Beatmungstechnik, Atemschutztechnik (1429 Beschäftigte)
- Medizinische Geräte Berlin für Sterilisatoren, Endoskope und stomatologische Technik (1490 Beschäftigte)
- Injecta Steinach für Spritzen (258 Beschäftigte)
- Injecta Klingenthal für Kanülen (353 Beschäftigte)
- Dentalfabrik Treffurt für Dentaleinrichtungen (152 Beschäftigte)
- Medizinplaste Lichtenberg für medizinische Plasterzeugnisse (308 Beschäftigte)
- Medizin-Orthopädie-Mechanik Suhl für chirurgische Instrumente, orthopädische und prothesische Erzeugnisse (525 Beschäftigte)
- Keradenta-Werk Radeberg für künstliche Zähne, medizinische Plasterzeugnisse (380 Beschäftigte)
- MLW-Anlagenbau Dresden für medizinische Raumeinheiten, komplette laboratorien, Medizinmöbel (574 Beschäftigte)
- Prüfgerätewerk Medingen/Freital für Analysemesssysteme, Laborgrundgeräte (1200 Beschäftige)
- Labortechnik Ilmenau für fahrbare Laboratorien, Laborgrundgeräte (531 Beschäftigte)
- Ingenieurbüro für Rationalisierung Leipzig für Rationalisierungsmittel (80 Beschäftigte).[15]
Die Bildung des Kombinats hatte folgende Zielfunktionen:
- Gesunderhaltung und ständige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung
- Deckung des wachsenden Bedarfs an medizinischen Erzeugnissen mit hohem Gebrauchswert
- Technische Lösungen für komplette Anlagen, Systeme und Erzeugnislinien für Gesundheitseinrichtungen, die speziell oder hauptsächlich für den medizinischen Einsatz an Menschen und Tieren entwickelt und produziert werden und der Vervollkommnung der Prophylaxe, Diagnose, Therapie, Metaphylaxe und Rehabilitation dienen.
Erreicht werden sollte damit die:
- erhebliche Senkung der Erkrankungshäufigkeit, der Krankenhausaufenthalte und somit eine Erhöhung der Lebenserwartungen,
- Frühdiagnose und Prophylaxe bestimmen entscheidend das Produktionsprofil der Kombinatsbetriebe,
- Verbesserung der apparativen und biochemischen Technik zur Früherkennung von Krankheiten,
- gezielte Untersuchungen ganzer Bevölkerungsgruppen.
Mit der Bildung des Kombinats war eine wichtige Entwicklungsetappe abgeschlossen, vor allem die Bemühungen um die Überwindung der territorialen Zersplitterung und um eine Konzentration der Produktion.
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Die Überlieferung der VVB MLW Leipzig umfasste ca. 200 lfm, die im Verwaltungsarchiv des Registraturbildners lagerten. 1980 und 1981 wurde vom Staatsarchiv Leipzig eine erste positive Wertauslese anhand der Ablieferungsverzeichnisse der aktenführenden Stellen durchgeführt. Die Archivgutpositionen wurden vom Gesamtbestand getrennt und 1983 zusammen mit den Ablieferungsverzeichnissen an das Staatsarchiv Leipzig übergeben. Das im Verwaltungsarchiv verbliebene dienstliche Schriftgut wurde nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen der Kassation zugeführt.
Der übernommene Bestand umfasste zunächst 46 lfm aus der Zeit 1951 – 1972. Im Jahre 1985 wurde im Staatsarchiv mit der Aufbereitung des Bestandes begonnen. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, bestehend aus einer Vorpraktikantin, vier Praktikanten der Fachschule für Archivwesen und einer Archivarin, die folgende Arbeitsschritte zu erledigen hatte:
- Vorordnung des Ausgangsbestandes nach Teilbeständen und Aktengruppen
- Feinbewertung zusammen mit der Verzeichnung des Archivgutes
- technische Bearbeitung
- innere Ordnung und redaktionelle Überarbeitung der Manuskriptkartei
- maschinenschriftliche Ausfertigung des Findbuches
- Erarbeitung und Ausfertigung der Findbucheinleitung
- Bearbeitungsbericht, Karten für den Zentralen Bestandsnachweis, Bestandskatalogblätter
Die Arbeiten am Bestand konnten im Herbst 1985 beendet werden. Die noch offenen Positionen, wie Ausfertigung des Findbuches einschließlich Einleitung, wurden erst im August 1986 abgeschlossen. Der Endbestand beträgt 26 lfm (1822 Verzeichniseinheiten) aus der Zeit 1951-1972. [Durch den im Jahr 2020 ergänzten Nachtrag beträgt der Umfang jetzt 30 lfm Akten].
Probleme in der Bearbeitung waren die Bewertung und bei der Verzeichnung teilweise die Bildung neuer Sachakten. Bei der Bewertung machte die Ausschaltung der Mehrfachüberlieferung den größten Arbeitsanteil aus. Das System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, die Stellung der VEB zum wirtschaftsleitenden Organ sowie die Strukturteile der VVB zueinander, haben das Schriftgut teilweise enorm anwachsen lassen.
Die Qualität der Aktenbildung beim Registraturbildner konnte teilweise nicht befriedigen. Von den aktenführenden Stellen waren sehr umfangreiche Akteneinheiten angelegt worden, die zum größten Teil aufgelöst wurden und in mehrere Verzeichnungseinheiten umgebildet werden mussten.
Überlieferungsschwerpunkte
Die Überlieferung kann als gut eingeschätzt werden und ermöglicht einen umfassenden Einblick in die Probleme der sozialistischen Wirtschaft. Schwerpunkt ist dabei der Leitungsteil. Grundsatzdokumente zur Entwicklung der Industriezweige der VVB und des Kombinats sind von 1954 - 1970 lückenlos vorhanden. Die direkte Leitungstätigkeit des Haupt- bzw. Generaldirektors ist anhand von Anweisungen, Instruktionen, Rundschreiben, Leitungsvorlagen, Arbeits- und Maßnahmeplänen, Arbeitsberatungen u. a. aus der Zeit vom 1958-1972 dokumentiert. Breiten Raum nehmen auch Anleitung und Kontrolle der VEB ein, hier besonders die Bildung und Profilierung der VEB sowie Leistungsberichte, Rechenschaftslegungen und Analysen. Industriezweiganalysen, Branchenrichtlinien, ökonomische Konferenzen, Informationsmaterial und Fragen der Ordnung und Sicherheit runden die Überlieferung dieses Leitungsbereichs ab.
Auch die Zusammenarbeit mit übergeordneten Staats- und Wirtschaftsorganen, wie Industriezweigministerien, Staatliche Plankommission, Volkswirtschaftsrat, Außenhandelsbetrieben, mit den Räten der Bezirke, mit zentralen und territorialen Parteiorganisationen lässt sich analysieren.
Einen weiteren Schwerpunkt des Bestandes bilden die Dokumente zur internationalen Zusammenarbeit. Besonders ist dabei auf die Mitarbeit in der Ständigen Kommission Maschinenbau des RGW hinzuweisen und auf die ausgebauten Spezialisierungsvorhaben mit der Sowjetunion, der CSSR und der Volksrepublik Ungarn. Dokumente zur Beteiligung der VVB und der VEB an den Leipziger Messen sind lückenlos aus der Zeit 1958 - 1970 vorhanden. Neben Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Messen sind auch solche Dokumente von Bedeutung, in denen es um Ausstellung, Absatz und Auszeichnung von Spitzenerzeugnissen der zugehörigen Industriezweige geht. Der zeitliche Schwerpunkt dieses Teilbestandes liegt in den 1960er Jahren.
Hingewiesen werden soll noch auf die Quellen, die das ständige Bemühen der VVB und VEB um die Weiterentwicklung medizintechnischer Forschungsarbeiten, um die Einführung neuer Produktionsverfahren und die Probleme der Versorgung mit medizintechnischen und medizinischen Instrumenten und Geräten kennzeichnen. Komplexe Rationalisierung und Automatisierung spielt ab 1962 eine zunehmende Rolle. Bedeutungsvoll war dabei das Rationalisierungsprojekt "Vollautomatische Kanülenfertigung im VEB Injecta Klingenthal". Die Vorbereitungen begannen 1966 und 1970 konnte teilweise von einer Realisierung gesprochen werden. Zahlreiche Grundmodelle und technisch-ökonomische Analysen sind überliefert. Nach 1970 lässt die Quellenlage aber keine genaueren Aussagen mehr zu.
Von 1960 - 1961 sind die Bemühungen von Staat und Wirtschaft um die Unabhängigmachung der Industriezweige von Importen aus dem kapitalistischen Ausland besonders erkennbar und erfordern eine Reihe von Maßnahmen.
Zum Schluss soll noch auf eine umfangreiche fotografische Dokumentation zu Erzeugnissen der Uhrenindustrie - ca. 600 Fotos aus der Zeit 1963 – 1965 - und auf eine Sammlung von Presseveröffentlichungen im kapitalistischen Ausland von Mitte der 1960er Jahre aufmerksam gemacht werden. Bei der Fotosammlung sind auch zahlreiche Aufnahmen von Sportereignissen, so z.B. von der Internationalen Friedensfahrt enthalten, wo Erzeugnisse der Uhrenindustrie eingesetzt wurden.
Gemessen an der Vielfalt und Geschlossenheit der Überlieferung des Bestandes konnte die Analyse nur auf einige besonders erwähnenswerte Dokumente hinweisen. Auswertungsmöglichkeiten bieten sich sehr vielseitig an, so zur Entwicklung der sozialistischen Wirtschaft, zur Entwicklung der Produktivkräfte, zu internationalen Beziehungen und zur sozialistischen ökonomischen Integration.
August 1986
C. Fritsche
[01] Rösler, Jörg, Die Herausbildung der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR, Berlin 1978.
[02] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20893 VVB MLW, Nr. 821.
[03] Ebenda, Nr. 823.
[04] Ebenda, Nr. 480
[05] Ebenda, Nr. 711
[06] Ebenda, Nr. 711 und Nr. 1240
[07] Ebenda, Nr. 809
[08] Ebenda, Nr. 707.
[09] Ebenda, Nr. 793, 1440.
[10] Ebenda, Nr. 716, 793.
[11] Ebenda, Nr. 751.
[12] Ebenda, Nr. 1433.
[13] Ebenda, Nr. 790.
[14] Ebenda, Nr. 1624.
[15] Ebenda, Nr. 286.
Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer im Jahr 2012 erfolgten Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1986. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben ohne nennenswerte Veränderungen in die digitale Form überführt. Nacharbeiten ergaben sich bei den Bandreihen, da hier oft für alle Bände nur ein Enthält-Vermerk gebildet worden war, sowie bei der Reihung aufgrund von Fehlern bei der Konversion. Die im Findbuch von 1986 verwendete Terminologie, welche auch die gesellschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Bearbeitung widerspiegelt, blieb folglich unberührt. Dies gilt sowohl für die einzelnen Verzeichnungseinheiten als auch für die Findbucheinleitung. Eine – fachlich wünschenswerte – Überarbeitung kann derzeit aus Kapazitätsgründen nicht erfolgen. Ergänzend zum alten Findbuch wurde im Jahr 2020 ein bisher nicht erschlossener Nachtrag im Umfang von 4,3 lfm verzeichnet (Signaturen 1820-1967) und in die bestehende Gliederung eingeordnet. Nach Abgleich mit der schon vorhandenen Überlieferung sonderten die Bearbeiter aus diesem Rest 0,7 lfm doppelte Berichte und Programme zur Vernichtung aus.
Januar 2021
Dolores Herrmann
Einleitung
Geschichte des VVB MLW Medizin-, Labor- und Wägetechnik Leipzig
Eine Folge des "Gesetzes über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit der Staatsapparates in der DDR" vom 11. Februar 1958 war die Reorganisation der Industrie. Seit März 1956 liefen in der Staatlichen Plankommission (nachfolgend SPK) und den wirtschaftsleitenden Organen vorbereitende Maßnahmen zur Umgestaltung der Organisationsstruktur der Industrie. Wesentliche Akzente setzten dann die 32. und 33. ZK-Tagung der SED im Jahre 1957, in denen das Profil der zu schaffenden Organisationsstruktur bereits festgelegt wurde, so dass nach Verkündigung des Gesetzes sofort mit der Verwirklichung der Reorganisationsarbeiten begonnen werden konnte. Die Schaffung einer mittleren Leitungsebene und die Neugestaltung der zentralen wirtschaftsleitenden Organe waren die Schwerpunkte dieser Reorganisationsmaßnahmen. Die mittlere Leitung wurde nach dem Industriezweigprinzip organisiert. Als Industriezweigleitungen wurden die "Vereinigung Volkseigener Betriebe" (VVB) geschaffen. Die Forderung nach der Stärkung der Befugnisse der SPK, um so die Herstellung der Einheit von Planung und Leitung zu realisieren, brachte die Auflösung der Industriezweigministerien. Die Rechte und Pflichten dieser Ministerien bzw. Hauptverwaltungen gingen auf die Fachabteilungen der SPK über, die somit das oberste wirtschaftsleitende Organ wurde. Es entstanden mehr als 70 VVB, die 1558 große und mittlere Betriebe anzuleiten hatten.[01]Auf dem Gebiet der Medizintechnik, Medizinmechanik, der Feinmechanik und Optik bestanden nach dem Ende des 2. Weltkrieges auf dem Territorium der DDR keine oder nur unbedeutende Produktionsstätten, deren Wirtschaftsleitung durch die Hauptverwaltung Feinmechanik/Optik wahrgenommen wurde. Der planmäßigen Entwicklung dieses Industriezweiges musste mehr Beachtung geschenkt werden, da vor allem die Produktion medizintechnischer Erzeugnisse für das Gesundheitswesen eine entscheidende Bedeutung hat. Am 5. Mai 1958 wurde die VVB Mechanik mit Sitz in Leipzig gegründet. Sie war juristisch selbständig und unterstand der Abteilung Allgemeiner Maschinenbau bei der Staatlichen Plankommission (SPK), später dem Ministerium für Verarbeitungsmaschinen und Fahrzeugbau, Die VVB war das ökonomische Führungsorgan für Betriebe der Industriezweige Medizintechnik/Medizinmechanik, Feinmechanik/Optik, Laboreinrichtungen und Wägetechnik. Neben der ökonomischen Verantwortung hatte sie noch nachfolgende Aufgaben:
- Verantwortung für den gesamten Reproduktionsprozess der ihr unterstellten Betriebe
- Bildung und Verwendung aller finanziellen Fonds in den VEB, Finanzrevisionen
- Ausarbeitung der Perspektiv- und Jahrespläne, Investitionen
- Gewährleistung der einheitlichen technischen Politik für alle Industriezweige
- Durchsetzung des wissenschaftlich-technischen Höchststandes, komplexe Leitung von Forschung, Entwicklung und Projektierung
- Produktion und Absatz zusammen mit den Organen des Innen- und Außenhandels
- Konsumgüterproduktion
- Vervollkommnung der technisch-ökonomischen Konzeptionen und Anwendung der ökonomischen Hebel
- Verwirklichung der Investitionspolitik
- Bilanzierung der Erzeugnisse
- Neuererarbeit[02]
Zum Zeitpunkt der Gründung waren der VVB folgende VEB unterstellt:
- VEB Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla (5054 Beschäftigte)
- VEB Glashütter Uhrenbetriebe (2154 Beschäftigte)
- VEB Feinmechanik Sonneberg (465 Beschäftigte)
- VEB Oschatzer Waagenbetrieb (548 Beschäftigte)
- VEB Spezialwaagenfabrik Radebeul (365 Beschäftigte)
- VEB Medizintechnik Leipzig (787 Beschäftigte)
- VEB Orthopädie Königsee (405 Beschäftigte)
- VEB Asepta Berlin (338 Beschäftigte)
- VEB Injecta Steinach (260 Beschäftigte)
- VEB Injecta Klingenthal (208 Beschäftigte)
- VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig (1304 Beschäftigte)
- VEB Prüfgerätewerk Medingen (312 Beschäftigte)
- VEB Industriewerk Rauenstein (793 Beschäftigte)
- VEB Laborbau Dresden (397 Beschäftigte).[03]
In den Folgejahren wechselte die Zahl der unterstellten VEB öfter, Betriebe wurden ausgegliedert, neue kamen hinzu.
Der Industriezweig Feinmechanik/Optik - und hier speziell die Uhrenindustrie - war für die VVB Schwerpunkt der Leitungstätigkeit in dem ersten Jahren. Die Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla ist der größte VEB dieses Industriezweiges. Er wurde 1862 gegründet, im Juli 1945 sequestriert und unter die Verwaltung des Landes Thüringen gestellt, am 1. Mai 1952 dann volkseigen. Die Glashütter Uhrenbetriebe wurden bereits 1845 gegründet und 1951 in Volkseigentum überführt. Zum Industriezweig gehörten außerdem noch das Feingerätewerk Weimar und Feinmechanik Sonneberg. Die ökonomische Situation in der Uhrenindustrie war nach dem 2. Weltkrieg nicht einfach. Durch die Teilung Deutschlands waren enge Bezugs- und Lieferverbindungen zu Firmen in der BRD und der Schweiz unterbrochen. Erst ab 1956 kann man von einer beginnenden Stabilisierung sprechen. Wichtige Spezialmaschinen, die für die Herstellung von Einzelteilen für die Uhrenfertigung notwendig waren, mussten importiert werden. Im November 1960 fasste die Wirtschaftskommission beim Politbüro des ZK der SED den Beschluss zur "Entwicklung der Uhrenindustrie in der DDR". Schwerpunkte waren:
- Entwicklung der Uhrenindustrie nach den Kennziffern des Siebenjahrplanes
- Erhöhung des Exportanteils
- Erreichung von Weltstandsniveau bei den Erzeugnissen
- Maßnahmen zur Unabhängigmachung des Industriezweiges vom Import
- Durchsetzung von Automatisierungsmaßnahmen
- Spezialisierung der Technologien und auch der Produktionskräfte.[04]
Zum 1. Januar 1967 wurde aus der Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla, den Glashütter Uhrenbetrieben und dem Feingerätewerk Weimar das VEB Uhrenkombinat Ruhla gebildet und dieser Industriezweig aus der VVB Mechanik ausgegliedert.
Kompliziert war die Situation im Industriezweig Medizintechnik/Medizinmechanik. Bis 1945 befanden sich lediglich 25-30 % der Betriebe auf dem Gebiet der heutigen DDR, 70-75 % dagegen auf dem Territorium der heutigen BRD. Hauptträger der Produktion medizintechnischer Erzeugnisse in der DDR waren:
- VEB Medizintechnik Leipzig, volkseigen seit 1946, vorher Nitzsche AG Leipzig
- VEB Werkzeugring Suhl volkseigen seit 1948, vorher Waffenfabrik Ernst Kerner und Co., Suhl
- VEB Injecta Klingenthal, volkseigen seit 1948, vorher Injecta AG Berlin, während des 2. Weltkrieges nach Klingenthal verlagert
- VEB Orthopädie Königsee, volkseigen seit 1949, vorher Fa. Otto Bock
- VEB Asepta Berlin, volkseigen seit 1949, vorher Albatros AG Berlin
- VEB Metallindustrie Staaken, volkseigen seit 1949, vorher Tochtergesellschaft der Deutschen Lufthansa AG.[05]
Von 1945 - 1958 wurde der Entwicklung dieses Industriezweiges zu wenig Bedeutung beigemessen. Die Entwicklung der Produktion und die Neuentwicklung moderner technischer Geräte und Einrichtungen konnte mit den Anforderungen nicht Schritt halten. Ursachen dafür war die Zersplitterung des Industriezweiges. Fast 400 Betriebe in der DDR produzierten Erzeugnisse oder waren Zulieferer für Medizintechnik/Medizinmechanik. Diese waren 19 VVB und 11 Bezirkswirtschaftsräten unterstellt. Dazu kamen das Fehlen von wissenschaftlich-technischen Spezialkräften und die Unterschätzung der Bedeutung der medizin-technischen Industrie. Im September 1958 fasste das Politbüro des ZK der SED einen Beschluss, dem Ministerratsbeschlüsse vom August 1959 und 1960 folgten. Diese bildeten die Grundlage der Arbeit im Gesundheitswesen, in der medizintechnischen Industrie, im Handel und in der medizinischen Wissenschaft. Die Produktion medizinischer Instrumente und Geräte für die ärztliche Versorgung und die Gesunderhaltung der Werktätigen hatte eine entscheidende Bedeutung für die Lösung der Hauptaufgaben des Siebenjahrplanes. Das Gesundheitswesen kann seiner Aufgabe nur gerecht werden, wenn es mit den besten medizinischen Instrumenten, Geräten und Einrichtungen in ausreichendem Maße versehen wird. Dazu war es notwendig, eine schnellere Steigerung des Produktionsvolumens als bisher zu erreichen, die Entwicklung neuer und moderner Erzeugnisse in kürzester Frist durchzuführen und einen hohen Stand in der Qualität der medizintechnischen Erzeugnisse sicherzustellen.[06]
Am 1. Januar 1960 wurde in Leipzig das Wissenschaftlich-Technische Zentrum (WTZ) Medizinmechanik gegründet. Es war verantwortlich für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Medizinmechanik und hatte folgende Außenstellen:
- WTZ Labortechnik Dresden
- WTZ Waagen Radebeul
- WTZ Ärztliche Instrumente Suhl
- WTZ Orthopädie Königsee,
- WTZ Krankenhauseinrichtungen Dresden.[07]
Bis 1963 konnte die Produktion ärztlicher Instrumente, Geräte und Einrichtungen um 80 % gesteigert werden.
In der DDR gab es um 1960 zehn volkseigene Betriebe, zwei PGH, fünf Betriebe mit staatlicher Beteiligung und 18 Privatbetriebe der Waagenindustrie. Diese waren vier verschiedenen VVB zugeordnet. Zur VVB Mechanik gehörten:
- VEB Oschatzer Waagenfabrik
- VEB Großwaagen Berlin
- VEB Waagenreparatur Grimma
- VEB Rapido Radebeul
- VEB Thüringer Industriewerke Rauenstein.
Haupterzeugnisse waren:
- Präzisions- und Feinwaagen
- Neigungs-, Groß- und Kleinwaagen
- Sonderanfertigung und Spezialwaagen
- Haushaltwaagen, Personen- und Tafelwaagen
- Schienen- und Straßenfahrzeugwaagen
- Spezialwaagen für die Metallurgie.[08]
Im April 1969 wurden die Waagenbau- und -reparaturbetriebe der VVB Land- und Nahrungsgüterwirtschaft zugeordnet, ab Januar 1970 dem VEB Kombinat Verpackungsmaschinen. Der VEB Thüringer Industriewerke kam zusammen mit dem VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig zum VEB Systemkombinat "Fritz Heckert" in Karl-Marx-Stadt.[09]
Zum Industriezweig Laboreinrichtungen gehörten:
- VEB Laborbau Dresden
- VEB Labormöbelwerk Apolda
- VEB Labortechnik Ilmenau.
Im Juli 1969 schlossen sich der VEB Waagenreparatur Grimma und VEB Laborbau Dresden zum VEB MLW Anlagenbau Dresden zusammen. Dieser Betrieb war Spezialprojektant und Hauptlieferant für komplette medizintechnische Anlagen und Systeme, Laboratorien sowie wägetechnische Anlagen und Systeme.[10]
Von 1958 - 1970 war die VVB bzw. ihr unterstellte VEB an halbstaatlichen Betrieben beteiligt, so ab 1958 E. Zimmermann, Leipzig, wissenschaftlicher Gerätebau[11] , ab 1963 Fa. Rogerit, Lichtenstein/Erzgebirge, Medizinplaste[12] und ab 1967 Fa. Sonntag und Talke, Dresden, Baustoff-, Bitumen- und rheologische Prüfgeräte.[13]
Am 31. Oktober 1967 wurde die VVW Mechanik im "VVB Medizin-, Labor- und Wägetechnik Leipzig" umbenannt (nachfolgend VVB MLW). Mit der Umbenennung waren Strukturveränderungen und Produktionsumstellungen verbunden. Die einheitliche Gesamtentwicklung der medizintechnischen Produktion, besonders für komplette medizintechnische Funktionseinheiten, sollte gesichert sein. Betriebe mit medizintechnischer Produktion, die bis zu diesem Zeitpunkt anderen VVB unterstellt waren, wurden in die VVB MLW eingegliedert, so z.B. VEB Transfunda Berlin (vorher VVB Plastverarbeitung) und VEB Keradenta Radeberg (vorher VVB Keramik).
Ab 1966 waren Rationalisierung und Automatisierung der Arbeitsprozesse eine absolute Schwerpunktaufgabe der VVB. Durch die Anwendung moderner Produktionsverfahren und Fertigungsmethoden sollten weltmarktfähige Haupterzeugnisse hergestellt werden. Das Projekt "Komplexe Rationalisierung der Kanülenfertigung im Injecta Klingenthal" ist ein Beispiel dafür. Die Spezialisierung im Rahmen des RGW wies einen weiteren Weg. Im der Sowjetunion gab es eine leistungsfähige Uhrenindustrie. In der CSSR waren Medizinmechanik, in der VR Bulgarien Wägetechnik und Medizinmechanik, in der VR Ungarn Wägetechnik international konkurrenzfähige Industriezweige. Zwischen den verantwortlichen Außenhandelsorganen und Betrieben in diesen Ländern und der VVB MLW gab es enge Zusammenarbeit.[14]
Zur weiteren Überwindung der Zersplitterung der medizintechnischen Produktion war die Bildung eines Kombinats für medizin-technische Erzeugnisse dringend notwendig geworden. Mit Wirkung vom 1. Januar 1970 wurde aus der VVB MLW Leipzig der "VEB Kombinat Medizin- und Labortechnik Leipzig". Zum Kombinat gehörten zwölf Betriebe mit insgesamt 7270 Beschäftigten:
- Medizintechnik Leipzig (Stammbetrieb) für Anästhesie- und Beatmungstechnik, Atemschutztechnik (1429 Beschäftigte)
- Medizinische Geräte Berlin für Sterilisatoren, Endoskope und stomatologische Technik (1490 Beschäftigte)
- Injecta Steinach für Spritzen (258 Beschäftigte)
- Injecta Klingenthal für Kanülen (353 Beschäftigte)
- Dentalfabrik Treffurt für Dentaleinrichtungen (152 Beschäftigte)
- Medizinplaste Lichtenberg für medizinische Plasterzeugnisse (308 Beschäftigte)
- Medizin-Orthopädie-Mechanik Suhl für chirurgische Instrumente, orthopädische und prothesische Erzeugnisse (525 Beschäftigte)
- Keradenta-Werk Radeberg für künstliche Zähne, medizinische Plasterzeugnisse (380 Beschäftigte)
- MLW-Anlagenbau Dresden für medizinische Raumeinheiten, komplette laboratorien, Medizinmöbel (574 Beschäftigte)
- Prüfgerätewerk Medingen/Freital für Analysemesssysteme, Laborgrundgeräte (1200 Beschäftige)
- Labortechnik Ilmenau für fahrbare Laboratorien, Laborgrundgeräte (531 Beschäftigte)
- Ingenieurbüro für Rationalisierung Leipzig für Rationalisierungsmittel (80 Beschäftigte).[15]
Die Bildung des Kombinats hatte folgende Zielfunktionen:
- Gesunderhaltung und ständige Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Bevölkerung
- Deckung des wachsenden Bedarfs an medizinischen Erzeugnissen mit hohem Gebrauchswert
- Technische Lösungen für komplette Anlagen, Systeme und Erzeugnislinien für Gesundheitseinrichtungen, die speziell oder hauptsächlich für den medizinischen Einsatz an Menschen und Tieren entwickelt und produziert werden und der Vervollkommnung der Prophylaxe, Diagnose, Therapie, Metaphylaxe und Rehabilitation dienen.
Erreicht werden sollte damit die:
- erhebliche Senkung der Erkrankungshäufigkeit, der Krankenhausaufenthalte und somit eine Erhöhung der Lebenserwartungen,
- Frühdiagnose und Prophylaxe bestimmen entscheidend das Produktionsprofil der Kombinatsbetriebe,
- Verbesserung der apparativen und biochemischen Technik zur Früherkennung von Krankheiten,
- gezielte Untersuchungen ganzer Bevölkerungsgruppen.
Mit der Bildung des Kombinats war eine wichtige Entwicklungsetappe abgeschlossen, vor allem die Bemühungen um die Überwindung der territorialen Zersplitterung und um eine Konzentration der Produktion.
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Die Überlieferung der VVB MLW Leipzig umfasste ca. 200 lfm, die im Verwaltungsarchiv des Registraturbildners lagerten. 1980 und 1981 wurde vom Staatsarchiv Leipzig eine erste positive Wertauslese anhand der Ablieferungsverzeichnisse der aktenführenden Stellen durchgeführt. Die Archivgutpositionen wurden vom Gesamtbestand getrennt und 1983 zusammen mit den Ablieferungsverzeichnissen an das Staatsarchiv Leipzig übergeben. Das im Verwaltungsarchiv verbliebene dienstliche Schriftgut wurde nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen der Kassation zugeführt.
Der übernommene Bestand umfasste zunächst 46 lfm aus der Zeit 1951 – 1972. Im Jahre 1985 wurde im Staatsarchiv mit der Aufbereitung des Bestandes begonnen. Es wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, bestehend aus einer Vorpraktikantin, vier Praktikanten der Fachschule für Archivwesen und einer Archivarin, die folgende Arbeitsschritte zu erledigen hatte:
- Vorordnung des Ausgangsbestandes nach Teilbeständen und Aktengruppen
- Feinbewertung zusammen mit der Verzeichnung des Archivgutes
- technische Bearbeitung
- innere Ordnung und redaktionelle Überarbeitung der Manuskriptkartei
- maschinenschriftliche Ausfertigung des Findbuches
- Erarbeitung und Ausfertigung der Findbucheinleitung
- Bearbeitungsbericht, Karten für den Zentralen Bestandsnachweis, Bestandskatalogblätter
Die Arbeiten am Bestand konnten im Herbst 1985 beendet werden. Die noch offenen Positionen, wie Ausfertigung des Findbuches einschließlich Einleitung, wurden erst im August 1986 abgeschlossen. Der Endbestand beträgt 26 lfm (1822 Verzeichniseinheiten) aus der Zeit 1951-1972. [Durch den im Jahr 2020 ergänzten Nachtrag beträgt der Umfang jetzt 30 lfm Akten].
Probleme in der Bearbeitung waren die Bewertung und bei der Verzeichnung teilweise die Bildung neuer Sachakten. Bei der Bewertung machte die Ausschaltung der Mehrfachüberlieferung den größten Arbeitsanteil aus. Das System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft, die Stellung der VEB zum wirtschaftsleitenden Organ sowie die Strukturteile der VVB zueinander, haben das Schriftgut teilweise enorm anwachsen lassen.
Die Qualität der Aktenbildung beim Registraturbildner konnte teilweise nicht befriedigen. Von den aktenführenden Stellen waren sehr umfangreiche Akteneinheiten angelegt worden, die zum größten Teil aufgelöst wurden und in mehrere Verzeichnungseinheiten umgebildet werden mussten.
Überlieferungsschwerpunkte
Die Überlieferung kann als gut eingeschätzt werden und ermöglicht einen umfassenden Einblick in die Probleme der sozialistischen Wirtschaft. Schwerpunkt ist dabei der Leitungsteil. Grundsatzdokumente zur Entwicklung der Industriezweige der VVB und des Kombinats sind von 1954 - 1970 lückenlos vorhanden. Die direkte Leitungstätigkeit des Haupt- bzw. Generaldirektors ist anhand von Anweisungen, Instruktionen, Rundschreiben, Leitungsvorlagen, Arbeits- und Maßnahmeplänen, Arbeitsberatungen u. a. aus der Zeit vom 1958-1972 dokumentiert. Breiten Raum nehmen auch Anleitung und Kontrolle der VEB ein, hier besonders die Bildung und Profilierung der VEB sowie Leistungsberichte, Rechenschaftslegungen und Analysen. Industriezweiganalysen, Branchenrichtlinien, ökonomische Konferenzen, Informationsmaterial und Fragen der Ordnung und Sicherheit runden die Überlieferung dieses Leitungsbereichs ab.
Auch die Zusammenarbeit mit übergeordneten Staats- und Wirtschaftsorganen, wie Industriezweigministerien, Staatliche Plankommission, Volkswirtschaftsrat, Außenhandelsbetrieben, mit den Räten der Bezirke, mit zentralen und territorialen Parteiorganisationen lässt sich analysieren.
Einen weiteren Schwerpunkt des Bestandes bilden die Dokumente zur internationalen Zusammenarbeit. Besonders ist dabei auf die Mitarbeit in der Ständigen Kommission Maschinenbau des RGW hinzuweisen und auf die ausgebauten Spezialisierungsvorhaben mit der Sowjetunion, der CSSR und der Volksrepublik Ungarn. Dokumente zur Beteiligung der VVB und der VEB an den Leipziger Messen sind lückenlos aus der Zeit 1958 - 1970 vorhanden. Neben Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Messen sind auch solche Dokumente von Bedeutung, in denen es um Ausstellung, Absatz und Auszeichnung von Spitzenerzeugnissen der zugehörigen Industriezweige geht. Der zeitliche Schwerpunkt dieses Teilbestandes liegt in den 1960er Jahren.
Hingewiesen werden soll noch auf die Quellen, die das ständige Bemühen der VVB und VEB um die Weiterentwicklung medizintechnischer Forschungsarbeiten, um die Einführung neuer Produktionsverfahren und die Probleme der Versorgung mit medizintechnischen und medizinischen Instrumenten und Geräten kennzeichnen. Komplexe Rationalisierung und Automatisierung spielt ab 1962 eine zunehmende Rolle. Bedeutungsvoll war dabei das Rationalisierungsprojekt "Vollautomatische Kanülenfertigung im VEB Injecta Klingenthal". Die Vorbereitungen begannen 1966 und 1970 konnte teilweise von einer Realisierung gesprochen werden. Zahlreiche Grundmodelle und technisch-ökonomische Analysen sind überliefert. Nach 1970 lässt die Quellenlage aber keine genaueren Aussagen mehr zu.
Von 1960 - 1961 sind die Bemühungen von Staat und Wirtschaft um die Unabhängigmachung der Industriezweige von Importen aus dem kapitalistischen Ausland besonders erkennbar und erfordern eine Reihe von Maßnahmen.
Zum Schluss soll noch auf eine umfangreiche fotografische Dokumentation zu Erzeugnissen der Uhrenindustrie - ca. 600 Fotos aus der Zeit 1963 – 1965 - und auf eine Sammlung von Presseveröffentlichungen im kapitalistischen Ausland von Mitte der 1960er Jahre aufmerksam gemacht werden. Bei der Fotosammlung sind auch zahlreiche Aufnahmen von Sportereignissen, so z.B. von der Internationalen Friedensfahrt enthalten, wo Erzeugnisse der Uhrenindustrie eingesetzt wurden.
Gemessen an der Vielfalt und Geschlossenheit der Überlieferung des Bestandes konnte die Analyse nur auf einige besonders erwähnenswerte Dokumente hinweisen. Auswertungsmöglichkeiten bieten sich sehr vielseitig an, so zur Entwicklung der sozialistischen Wirtschaft, zur Entwicklung der Produktivkräfte, zu internationalen Beziehungen und zur sozialistischen ökonomischen Integration.
August 1986
C. Fritsche
[01] Rösler, Jörg, Die Herausbildung der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR, Berlin 1978.
[02] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20893 VVB MLW, Nr. 821.
[03] Ebenda, Nr. 823.
[04] Ebenda, Nr. 480
[05] Ebenda, Nr. 711
[06] Ebenda, Nr. 711 und Nr. 1240
[07] Ebenda, Nr. 809
[08] Ebenda, Nr. 707.
[09] Ebenda, Nr. 793, 1440.
[10] Ebenda, Nr. 716, 793.
[11] Ebenda, Nr. 751.
[12] Ebenda, Nr. 1433.
[13] Ebenda, Nr. 790.
[14] Ebenda, Nr. 1624.
[15] Ebenda, Nr. 286.
Industriezweigleitung.- Bildung, Anleitung und Kontrolle der unterstellten VEB.- Internationale Zusammenarbeit.- Absatz.- Forschung und Entwicklung.- Fotos zur Uhrenproduktion 1963 - 1965.
Als mittlere Leitungsebene für den Industriezweig Feinmechanik/Optik in der DDR bestanden nacheinander mit Sitz in Leipzig: 1952 - 1958 Hauptverwaltung Feinmechanik-Optik, 1958 - 1967/70 VVB Mechanik (ab 1967 VVB Medizin-, Labor-, Wägetechnik Leipzig) und seit dem 1. Januar 1970 VEB Kombinat Medizin- und Labortechnik Leipzig. Unterstellt waren Betriebe aller Eigentumsformen aus der gesamten DDR. Der Bestand enthält als Provenienzen alle diese Industriezweigleitungen. 1990 wurde der VEB Kombinat Medizin- und Labortechnik Leipzig in die Deutsche MED-LAB GmbH Leipzig umgewandelt.
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