Beständeübersicht
Bestand
20901 C. Fleischer & Sohn, Möbelfabrik, Eilenburg
Datierung | 1926 - 1952 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 4,73 |
Geschichte der Möbelfabrik C. Fleischer & Sohn, Eilenburg
Der Tischlermeister Carl Fleischer gründete das Unternehmen 1889 als Tischlerwerkstatt C. Fleischer in Eilenburg, vollzog aber um die Jahrhundertwende den Übergang zur fabrikmäßigen Herstellung von Möbeln, seit 1922 als Offene Handelsgesellschaft mit seinem Sohn Georg Fleischer.[01] Die Firma firmierte jetzt als "C. Fleischer & Sohn Möbelfabrik". Nach anfänglicher Nutzung einer alten Fabrik entstand in Eilenburg-Ost eine neue Fabrikanlage. Der Betrieb zählte bald zu den größten Möbelfabriken in Mitteldeutschland, bekannt für die Serienproduktion von Wohn- und Herrenzimmermöbeln mit einem über ganz Deutschland ausgedehnten Absatz. Nach dem Tod des Firmengründers 1937 wurde das Unternehmen Kommanditgesellschaft, indem seine Witwe Anna Fleischer geb. Schmidt seine Anteile erbte, aber nur als Kommanditistin in das Unternehmen eintrat und der Sohn es weiterführte. Aus dem Firmenname entfiel jetzt der Zusatz Möbelfabrik. Während der NS-Zeit wurde die Firma "NS-Musterbetrieb" und spätestens seit 1943 als einer der wenigen der Branche 100%iges Rüstungsunternehmen, offenbar als Zulieferbetrieb von Holzteilen für die Flugzeugproduktion, z.B. für Junkers-Kampfflugzeuge. Die Belegschaftsstärke lag bei Kriegsende bei etwa 1000 Arbeitern, wobei zahlreiche deutsche Arbeiter dienstverpflichtet und Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien sowie der Sowjetunion tätig waren. Die Enteignung erfolgte durch die sogenannte "Enteignungsverordnung" der Provinz Sachsen vom 30. Juli 1946. Überwiegend für die Besatzungsmacht und nicht private Aufträge wurde weiter produziert. Am 26. Oktober 1948 ist die Löschung des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen, "auf Grund des Ersuchens der Landesregierung Sachsen-Anhalts, Minister des Innern vom 27. Juli 1948".
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Der Bestand wurde 1983 aus den VEB Möbelwerken Eilenburg, die ansonsten aber nicht zu den Registraturbildnern des Staatsarchivs gehörten, in das Staatsarchiv Leipzig übernommen. Der Schwerpunkt der Bearbeitung 1986 und 1987 lag weniger auf der Verzeichnung als auf dem Gebiet der inneren Ordnung der Akteneinheiten. Angesichts des ganz unbefriedigenden Ausgangszustandes waren diese Arbeiten aufwändiger als ursprünglich erwartet, für die Qualifizierung des recht amorphen Schriftgutes zur Geschichtsquelle aber notwendig. Ergebnis war ein maschinenschriftliches Findbuch.
2017 erfolgte die Überführung der Verzeichnungsangaben in die Archivsoftware Augias-Archiv und die Bearbeitung des Findbuches zur Onlinestellung. Dabei wurde die Klassifikation, entsprechend der jetzt üblichen Form verändert und die Verzeichnung überarbeitet. Die Einleitung wurde auf der Grundlage heute zugänglicher Handelsregisterangaben und Bankakten ergänzt.
Überlieferungsschwerpunkte
Vom Archivgut der Firma ist kaum etwas erhalten geblieben. Was den Bestand bemerkenswert macht und der Grund für seine Übernahme war, ist die offenbar komplette Personalregistratur aus dem zweiten Weltkrieg. Sie stellt eine Seltenheit dar, weil sie einen Querschnitt von Angaben zu mehr als 1.000 Beschäftigten enthält. Das sind nicht nur Sachverhalte zu Alter und beruflicher Qualifikation, zur Beschäftigung von Frauen in der Rüstung, zu Löhnen usw. Es sind vor allem bestimmte und typische, aber nur hier überlieferte Schriftgutkategorien: "Verpflichtungsbescheid", "Entpflichtungsbescheid", unterschriebene Vordrucke von Geheimhaltungsverpflichtungen sowie Strafbestimmungen zu Landesverrat. Weniger im Einzelfall, aber umso mehr in der großen Zahl gleichzeitiger Belege, ergibt dieser Fonds Aussagen zur Zusammensetzung und auch zur Lage der Belegschaft eines Rüstungsbetriebes. Diese Personalakten enthalten viele Einzelheiten, die Rückschlüsse auf die Gesamtentwicklung des Betriebes zulassen: zum "Gemeinschaftslager", das die Firma in Eilenburg-Ost unterhielt, über die Verbindung zur Rüstungsinspektion des Wehrkreises IV in Halle, zu den Repressalien, die gegen deutsche und ausländische Arbeitskräfte angewandt wurden und zur Dienstverpflichtung und Umsetzung von Arbeitern.
Hinweise für die Benutzung
Die Personalakten unterliegen personenbezogenen Schutzfristen gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsArchivG, das heißt, dass sie erst 10 Jahre nach dem Tod der betreffenden Person bzw. 100 Jahre nach der Geburt für die Benutzung frei zugänglich sind.
Manfred Unger / Dolores Herrmann
1986 / 2017
[01] Zum Folgenden: Kopie der Handelsregistereinträge 1938-1948 in: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig [StA-L], 20901 C. Fleischer und Sohn, Möbelfabrik, Eilenburg, Nr. 10. Siehe auch: StA-L, 21036 Reichsbankhauptstelle Halle, Nebenstelle Eilenburg, Nr. 1.
Der Tischlermeister Carl Fleischer gründete das Unternehmen 1889 als Tischlerwerkstatt C. Fleischer in Eilenburg, vollzog aber um die Jahrhundertwende den Übergang zur fabrikmäßigen Herstellung von Möbeln, seit 1922 als Offene Handelsgesellschaft mit seinem Sohn Georg Fleischer.[01] Die Firma firmierte jetzt als "C. Fleischer & Sohn Möbelfabrik". Nach anfänglicher Nutzung einer alten Fabrik entstand in Eilenburg-Ost eine neue Fabrikanlage. Der Betrieb zählte bald zu den größten Möbelfabriken in Mitteldeutschland, bekannt für die Serienproduktion von Wohn- und Herrenzimmermöbeln mit einem über ganz Deutschland ausgedehnten Absatz. Nach dem Tod des Firmengründers 1937 wurde das Unternehmen Kommanditgesellschaft, indem seine Witwe Anna Fleischer geb. Schmidt seine Anteile erbte, aber nur als Kommanditistin in das Unternehmen eintrat und der Sohn es weiterführte. Aus dem Firmenname entfiel jetzt der Zusatz Möbelfabrik. Während der NS-Zeit wurde die Firma "NS-Musterbetrieb" und spätestens seit 1943 als einer der wenigen der Branche 100%iges Rüstungsunternehmen, offenbar als Zulieferbetrieb von Holzteilen für die Flugzeugproduktion, z.B. für Junkers-Kampfflugzeuge. Die Belegschaftsstärke lag bei Kriegsende bei etwa 1000 Arbeitern, wobei zahlreiche deutsche Arbeiter dienstverpflichtet und Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Italien sowie der Sowjetunion tätig waren. Die Enteignung erfolgte durch die sogenannte "Enteignungsverordnung" der Provinz Sachsen vom 30. Juli 1946. Überwiegend für die Besatzungsmacht und nicht private Aufträge wurde weiter produziert. Am 26. Oktober 1948 ist die Löschung des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen, "auf Grund des Ersuchens der Landesregierung Sachsen-Anhalts, Minister des Innern vom 27. Juli 1948".
Bestandsgeschichte und –bearbeitung
Der Bestand wurde 1983 aus den VEB Möbelwerken Eilenburg, die ansonsten aber nicht zu den Registraturbildnern des Staatsarchivs gehörten, in das Staatsarchiv Leipzig übernommen. Der Schwerpunkt der Bearbeitung 1986 und 1987 lag weniger auf der Verzeichnung als auf dem Gebiet der inneren Ordnung der Akteneinheiten. Angesichts des ganz unbefriedigenden Ausgangszustandes waren diese Arbeiten aufwändiger als ursprünglich erwartet, für die Qualifizierung des recht amorphen Schriftgutes zur Geschichtsquelle aber notwendig. Ergebnis war ein maschinenschriftliches Findbuch.
2017 erfolgte die Überführung der Verzeichnungsangaben in die Archivsoftware Augias-Archiv und die Bearbeitung des Findbuches zur Onlinestellung. Dabei wurde die Klassifikation, entsprechend der jetzt üblichen Form verändert und die Verzeichnung überarbeitet. Die Einleitung wurde auf der Grundlage heute zugänglicher Handelsregisterangaben und Bankakten ergänzt.
Überlieferungsschwerpunkte
Vom Archivgut der Firma ist kaum etwas erhalten geblieben. Was den Bestand bemerkenswert macht und der Grund für seine Übernahme war, ist die offenbar komplette Personalregistratur aus dem zweiten Weltkrieg. Sie stellt eine Seltenheit dar, weil sie einen Querschnitt von Angaben zu mehr als 1.000 Beschäftigten enthält. Das sind nicht nur Sachverhalte zu Alter und beruflicher Qualifikation, zur Beschäftigung von Frauen in der Rüstung, zu Löhnen usw. Es sind vor allem bestimmte und typische, aber nur hier überlieferte Schriftgutkategorien: "Verpflichtungsbescheid", "Entpflichtungsbescheid", unterschriebene Vordrucke von Geheimhaltungsverpflichtungen sowie Strafbestimmungen zu Landesverrat. Weniger im Einzelfall, aber umso mehr in der großen Zahl gleichzeitiger Belege, ergibt dieser Fonds Aussagen zur Zusammensetzung und auch zur Lage der Belegschaft eines Rüstungsbetriebes. Diese Personalakten enthalten viele Einzelheiten, die Rückschlüsse auf die Gesamtentwicklung des Betriebes zulassen: zum "Gemeinschaftslager", das die Firma in Eilenburg-Ost unterhielt, über die Verbindung zur Rüstungsinspektion des Wehrkreises IV in Halle, zu den Repressalien, die gegen deutsche und ausländische Arbeitskräfte angewandt wurden und zur Dienstverpflichtung und Umsetzung von Arbeitern.
Hinweise für die Benutzung
Die Personalakten unterliegen personenbezogenen Schutzfristen gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsArchivG, das heißt, dass sie erst 10 Jahre nach dem Tod der betreffenden Person bzw. 100 Jahre nach der Geburt für die Benutzung frei zugänglich sind.
Manfred Unger / Dolores Herrmann
1986 / 2017
[01] Zum Folgenden: Kopie der Handelsregistereinträge 1938-1948 in: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig [StA-L], 20901 C. Fleischer und Sohn, Möbelfabrik, Eilenburg, Nr. 10. Siehe auch: StA-L, 21036 Reichsbankhauptstelle Halle, Nebenstelle Eilenburg, Nr. 1.
Personal, auch Fremd- und Zwangsarbeiter (1931 - 1951).
Die Firma wurde 1889 als Tischlerwerkstatt gegründet. Im Zweiten Weltkrieg produzierte sie Holzteile für die Flugzeugproduktion. Nachfolgebetrieb war der VEB Möbelwerk Eilenburg.
- 2017 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5