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Beständeübersicht

Bestand

20918 Villeroy & Boch, Steingutfabrik Torgau

Datierung(1904) 1926 - 1953 (1960)
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)6,62

Bestand enthält auch 4 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular

Zur Geschichte der Firma Villeroy & Boch

Im Jahre 1748 errichtete Peter Joseph Boch (1737 - 1818) zusammen mit zwei Brüdern eine Töpferei in Deutsch-Oth (Audun-le-Tiche) in Lothringen, die er jedoch aufgab, um 1767 eine neue Töpferei in Siebenbrunnen (Septfontaines) in Lu¬xemburg zu begründen, zu der die Kaiserin Maria-Theresia die Konzession erteilte. Die Fabrik erhielt den Titel "Manufacture Imperiale et Royale". Auf den von ihr hergestellten Fayencen führte sie den österreichischen Doppeladler. 1795 wurde diese Fabrik im Zuge der revolutionären Ereignisse zerstört und später in mühevoller Arbeit wieder aufgebaut. Nach dem Tode Peter Joseph Bochs 1818 übernahm sein Sohn Johann Franz Boch (1782 - 1858) die Farik. Schon vorher, im Jahre 1809 (vielleicht auch 1812), kaufte er von der französischen Republik die als Nationalgut versteigerte ehemalige Benediktinerabtei Mettlach, die von Christian Kretschmar erbaut worden war, und richtete dort eine neue Steingutfabrik ein. Die Steingutfabrik Mettlach war die erste Keramfabrik auf dem europäischen Festland, die mit Steinkohle betrieben wurde. Die Steinkohle wurde von den Saarbergwerken bezogen. Im Jahre 1849 wurde in Mettlach das Verfahren der Trockenpressung, welches in England schon praktiziert worden war, von dort übernommen. Die so hergestellten Produkte wurden unter der Bezeichnung "Mettlacher Platten" verkauft, welche bald einen guten Ruf genossen.
Wandfliesen und Mosaikplatten von Villeroy & Boch wurden unter anderem benutzt zur Ausgestaltung von Bahnhöfen (Untergrundbahnhof Hamburg, Hauptbahnhof Heidelberg) und Kirchen (Hochaltar der St. Michaelis-Kirche in Saarbrücken, St. Bonifatius-Kirche in Frankfurt a. M.).
Der Sohn Johann Franz Bochs, Eugen Boch (1809 - 1898) begründete durch Zusammenschluss mit der Familie Villeroy im Jahre 1839 die spätere Weltfirma Villeroy & Boch. Die Familie Villeroy hatte seit 1789 in Wallerfangen eine gleichartige Fabrik betrieben. Der Sitz der Firma Villeroy & Boch, die als offene Handelsgesellschaft, also mit voller Haftung jedes einzelnen Teilhabers, betrieben wurde, war in Mettlach. Die geschäftliche Bindung wurde auch privat besiegelt, indem Eugen Boch Oktavie Villeroy, die Schwester Alfred Villeroys, zur Frau nahm.
Durch die Vereinigung beider Betriebe wurden die finanziellen Voraussetzungen geschaffen, um eine umfassende Investitionstätigkeit zu betreiben. 1856 wurde die Steingutfabrik in Dresden und 1869 die Mosaikfabrik in Mettlach errichtet. Außerdem wurde im Jahre 1841 als Gemeinschaftsaktion von Eugen Boch, Alfred Villeroy und Eduard Karcher in Wadgassen die Glashütte Villeroy & Boch, Karcher & Co. gegründet.
Eugen Boch versuchte auch, seinen geschäftlichen Erfolg durch gute politische Verbindungen zu untermauern. So war er Geheimer Kommerzienrat Preußens und wurde sogar vom preußischen König geadelt. Er und seine Nachfahren konnten sich also künftig "von" Boch nennen.
1878 übernahm René von Boch (1843 - 1908) das Geschäft, nachdem sich sein Vater zurückgezogen hatte und nun in der Mettlacher Gegend Landwirtschaft und Tierzucht betrieb.
Auch unter René von Boch wurde der Betrieb ständig vergrößert und ausgeweitet. 1879 wurde die Terracottafabrik Fellenberg & Co. in Merzig übernommen und 1883 die Glashütte Villeroy & Boch Karcher & Co. der Firma Villeroy & Boch angegliedert. Außerdem wurden unter seiner Leitung 1883 eine Steingutfabrik in Schramberg (Württemberg) und 1906 eine Wandplattenfabrik in Dänischburg bei Lübeck erbaut.
Durch die gesteigerte Produktion wurde es notwendig, nun für einen gesamtdeutschen und auch ausländischen Absatzmarkt zu sorgen. Dies wurde gelöst durch die Errichtung von 25 selbständigen Handelsniederlassungen in verschiedenen Großstädten Deutschlands und auch des Auslands. Die Erzeugnisse der Firma Villeroy & Boch, die jetzt 9 Betriebe umfasste, wurden außerdem auf vielen Ausstellungen und Messen gezeigt und erhielten viele Auszeichnungen, z. B. die drei "Großen Preise" der Weltausstellungen in Melbourne 1880, Paris 1900, St. Louis 1904. Villeroy & Boch war eine Firma von internationalem Weltruf geworden.
René von Boch war gleich seinem Vater Geheimer Kommerzienrat und außerdem Vorsitzender des Verbandes Keramischer Gewerke in Deutschland. 1907 durfte er seinem Adelsnamen "von Boch" den Namen seines Freundes Galhau zufügen, da die Linie Galhau mit ihrem letzten Vertreter Adolf von Galhau erlosch und ihm dieser Name testamentarisch vererbt worden war. Der König von Preußen gab seine Zustimmung.
Nach dem Tode René von Boch-Galhaus 1908 übernahmen seine beiden Söhne Roger und Luitwin die Geschäfte der Generaldirektion. Roger von Boch-Galhau kam aber 1917 während des 1. Weltkrieges ums Leben, so dass Luitwin (1877 - 1932) die alleinige Führung der Firma übernahm.
Durch den Versailler Vertrag von 1919 und die damit verbundene 15-jährige Verwaltung des Saargebietes durch den alliierten Kontrollrat kam die Firma in große Schwierigkeiten. Die Betriebe des Saargebiets wurden vom deutschen Markt abgetrennt und mussten sich auf den französischen Bedarf umstellen. Außerdem mussten sie sich eine neue Rohstoffbasis schaffen.
Um auch auf dem deutschen Markt konkurrenzfähig zu bleiben, wurde Villeroy & Boch hier durch Erwerb der Steingutfabrik Franz Anton Mehlem in Bonn und der Mosaikfabrik Deutsch-
bei Breslau erweitert. Die Fabrik Dresden wurde ausgebaut und auf die Herstellung von Spülwaren spezialisiert. Zur Sicherung der Rohstoffversorgung wurden Ton- und Feldspatgruben im Westerwald und Hochwald erworben. 1926/27 schließlich wurde die neue, moderne Steingutfabrik in Torgau aufgebaut.
1922 wurde Villeroy & Boch von einer oHG in eine KG (Kommanditgesellschaft) umgewandelt. Alleinig haftender Gesellschafter war Luitwin von Boch-Galhau.
Da sich die Verwaltung der deutschen Betriebe durch die wirtschaftliche Abtrennung des Saarlandes von der Generalverwaltung in Mettlach aus schwierig gestaltete, wurden die außerhalb des Saargebietes gelegenen Werke und Verkaufsorganisationen zu einer Aktiengesellschaft namens Villeroy & Boch Keramische Werke AG zusammengefasst. Ihr Sitz war in Deutsch-Lissa. Luitwin von Boch-Galhau bekleidete dabei den Posten des Vorsitzenden des Aufsichtsrates und konnte somit seinen Einfluss geltend machen. 1935, mit der Rückgliederung des Saarlandes durch den Volksentscheid, wurde die Aktiengesellschaft aufgelöst und die deutschen Betriebe wieder von Mettlach aus geleitet.
Am 20. Februar 1928 wurde in Dresden die Keramische Versuchsanstalt des Villeroy & Boch-Konzerns gegründet. Sie diente der wissenschaftlichen Erforschung und zentralen Auswertung der Erfahrungswerte der einzelnen Fabriken. Die Forschungstätigkeit der einzelnen Betriebe hatte sich trotz Gedankenaustausches in technischen Konferenzen als ungenügend erwiesen, was auch an der mangelnden technischen Ausrüstung der Firmenlaboratorien lag. Durch die Arbeit der Keramischen Versuchsanstalt sollten wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Verbesserung und Rationalisierung der Produktion führen und somit die Konkurrenzfähigkeit erhalten sollten.
1931 wurde die alte Steingutfabrik in Wallerfangen aufgelöst. Die Belegschaft wurde nach Merzig verlegt.
Luitwin von Boch-Galhau war 1920 - 1932 Präsident der Handelskammer von Saarbrücken und in vielen anderen Vereinigungen tätig.
1932 übernahm sein gleichnamiger Sohn Luitwin von Boch-Galhau die Firma. Seine Leitungstätigkeit fiel in die Zeit der Wiedereingliederung des Saarlandes und damit der vier Saarfabriken in Mettlach, Merzig und Wadgassen ins deutsche Reich, der Hitlerregierung und des 2. Weltkrieges.
Die Wiedereingliederung des Saargebietes durch den Volksentscheid von 1935 bedeutete für die Saarbetriebe eine neuerliche Umstellung auf den deutschen Markt und die Schaffung einer neuen Rohstoff- und Absatzbasis.
Zu Beginn des Krieges gegen Frankreich 1940 mussten die vier an der Saar, also im Räumungsgebiet, gelegenen Betriebe stillgelegt werden. Durch Räumkolonnen wurden wertvolle Maschinen demontiert und zusammen mit den Lagervorräten an Fertigerzeugnissen nach Deutschland geschafft. Dort wurden die Maschinen für die Kriegsproduktion verwendet. Zum Beispiel wurden 23 schwere Pressen nebst dazugehörigen Druckwasseraggregaten zur Einrichtung eines Pulverpressbetriebes in Ludwigsdorf bei Neurode eingesetzt. Von den ca. 4500 Arbeitern wurden 4000 entlassen. Sie wurden zum größten Teil zum Heeresdienst eingezogen oder zu kriegswichtigen Industrien verpflichtet. Es gelang nur in geringem Maße, die Arbeitskräfte, die ja fachlich gut ausgebildet waren, in die außerhalb des Saargebietes liegenden Werke, die durch Aushebungen großen Arbeitskräftebedarf hatten, überzusiedeln. Torgau nahm gerade 36 Leute auf.
Während der Zeit der Räumung des Saargebietes wurde die Generaldirektion von Mettlach nach Dresden verlegt. Dem vorausgegangen war die Bildung einer provisorischen Abwicklungsstelle in Frankfurt am Main. Von dort wurde die Räumung organisiert, noch vorhandene Lohnansprüche bearbeitet und versucht, die Gefolgschaftsmitglieder umzulenken. Anfang Dezember 1940, nach dem Sieg Hitlerdeutschlands über Frankreich, wurde die Generaldirektion wieder in ihren alten Sitz nach Mettlach zurückgeführt. Die Wiederaufnahme der Produktion in den Saarbetrieben wurde dann sehr erschwert durch fehlende Arbeitskräfte und Maschinen. 1942 kaufte Luitwin von Boch-Galhau die Steingutfabrik Saargemund in Lothringen auf, die seit Oktober 1940 von Villeroy & Boch in Treuhänderschaft betrieben worden war. Dafür wurden seit Dezember 1941 Verhandlungen mit der Zivilverwaltung in Lothringen geführt.
Am 24. März 1942 wurde Luitwin von Boch-Galhau zum Heeresdienst eingezogen. Anfangs stand seine Einheit in Kreta, wurde dann aber später in die el-Alamain-Stellung umgesetzt. Seine Abwesenheit erschwerte natürlich die übergreifende Leitung der Gesamtfirma bedeutend. Während des Armeedienstes leitete Direktor Röscher die Generaldirektion. Die Direktoren wurden angewiesen, wichtige Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen und erhielten für ihren Betrieb weitgehende Vollmachten. Das war auch bedingt durch die Kriegslage. Durch Fliegerangriffe und Transportschwierigkeiten wurde der Kontakt zwischen den Betrieben immer komplizierter.
Es traten immer größere Probleme auf in Bezug auf mangelnde Arbeitskräfte, Versand der hergestellten Erzeugnisse (es wurden nur beschränkt Güterwaggons zur Verfügung gestellt) und Beziehung der Rohstoffe (Kohle, Gips, Kaolin, Ton usw.), die kontingentiert wurden. Dem Abzug der Arbeitskräfte durch Aushebungen und Einsatz in der Rüstungsproduktion wurde versucht, durch Einsatz von Kriegsgefangenen zu begegnen.
Trotz dieser Schwierigkeiten stieg der Umsatz beträchtlich an. Während man früher durch Werbung und Messeausstellungen versuchte, den Kreis der Abnehmer zu vergrößern, konnte man nun der Nachfrage nicht mehr gerecht werden. Die Gründe dafür waren die umfassende Rüstungs- und Bautätigkeit vor dem Krieg, wo besonders sanitärkeramische Erzeugnisse und Wandplatten reißenden Absatz fanden, die Erhöhung des Auslandsabsatzes nach Eroberung Polens und Westeuropas, Wehrmachtslieferungen und steigender Bedarf durch Zerstörungen bei Fliegerangriffen.
Im Zeitraum 1942 - 1945 sind bei den Werken von Villeroy & Boch, besonders bei den Fabriken im Saargebiet und im Werk Dresden, starke Zerstörungen durch Fliegerangriffe zu verzeichnen. Der Krieg forderte auch von der Belegschaft der Firma Villeroy & Boch zahlreiche Menschenleben. Bis Ende Januar 1944 fielen 404 ehemalige Gefolgschaftsmitglieder.

1944 gehörten zur Firma Villeroy & Boch folgende Werke:
Steingutfabrik Mettlach (Hauptwerk)
Steingutfabrik Dresden
Steingutfabrik Torgau
Steingutfabrik Siebenbrunnen bei Luxemburg
Steingutfabrik Saargemund/Lothringen
Mosaikfabrik Mettlach
Mosaikfabrik Merzig
Mosaikfabrik Breslau-Lissa
Wandplattenfabrik Dänischburg bei Lübeck
Kristallfabrik Wadgassen

Handelsniederlassungen für Steingutgeschirr befanden sich in Berlin, Köln, Frankfurt am Main und für Wand- und Bodenplatten in Berlin, Köln, Hamburg, Dresden, Leipzig, Hannover, Frankfurt am Main, München, Nürnberg, Wien.
Im Barockbau der Steingutfabrik in Mettlach befindet sich ein Museum zur Geschichte der Firma Villeroy & Boch. Dort sind auch bemerkenswerte Erzeugnisse der Firma ausgestellt.

Nach Kriegsende gehörte das Saargebiet zur französischen Besatzungszone, erhielt später eine eigene Regierung unter Leitung eines französischen Hochkommissars und wurde dem französischen Zollgebiet angeschlossen.
Durch den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an Frankreich und die Einführung der Frankenwährung wurde abermals eine Änderung der Organisation der Firma Villeroy & Boch notwendig. Wie schon in der Zeit von 1922 - 1935 wurden die Betriebe, die außerhalb des Saargebietes lagen, zu einer Aktiengesellschaft vereinigt, die durch Pachtvertrag mit der Kommanditgesellschaft in Mettlach verbunden war. Die Villeroy & Boch Keramische Werke AG wurde am 1. Jan. 1948 gegründet. Der Hauptsitz war in Trier. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte erst am 17. Juli 1948, da die Militärregierung des Saarlandes diese hinauszögerte. Luitwin von Boch-Galhau wurde Vorsitzender des Aufsichtsrates. Die AG vereinigte in sich die Werke Dresden, Torgau und Dänischburg, die Lager Hamburg, Hannover, Köln, Frankfurt am Main und Nürnberg und den Grubenbetrieb von Siegersdorf. Das Werk in Bresslau-Lissa war schon vorher enteignet worden, so dass es nicht mehr zu dieser AG gehörte. Die Werke Torgau und Dresden folgten bald nach.
Nach Kriegsende wurde Luitwin von Boch-Galhau von der Militärregierung zum Landrat des Kreises Merzig ernannt. Später wurde er Präsident der Industrie- und Handelskammer in Saarbrücken.

Geschichte der Steingutfabrik Torgau

Die Steingutfabrik Torgau gehörte als Zweigwerk zur Firma Villeroy & Boch. Sie wurde in den Jahren 1926/27 auf Anweisung des damaligen Generaldirektors Luitwin von Boch-Galhau senior errichtet. Dazu wurden Gebäude und Grundstück des stillgelegten Eisenhüttenwerks Linke-Hoffmann-Lauchhammer aufgekauft. Das Grundstück hatte eine Größe von 17.122 m2 im Wert von 25.683 RM und der Kaufpreis betrug, vorhandene Gebäude und Einrichtungen eingeschlossen, 160.000 RM. Die Steingutfabrik wurde in den vorhandenen Gebäuden eingerichtet. Später wurden weitere Gebäude angebaut.
Das Betriebsgelände wurde 1936 durch Ankauf des Nachbargrundstücks der Fabrik Marx & Moschütz erweitert.
Die Steingutfabrik Torgau wurde seit ihrem Aufbau der Villeroy & Boch Keramische Werke AG angegliedert, die dieses Werk von der Firma Villeroy & Boch Kommanditgesellschaft Mettlach gepachtet hatte. 1935, mit der Rückgliederung des Saarlandes, wurde der Pachtvertrag aufgelöst und das Werk unter Leitung der Kommanditgesellschaft betrieben.
Die Fabrik wurde 1927 mit einer Belegschaft von ca. 300 Gefolgschaftsmitgliedern und einer Leistung von ca. 1200 to im Jahr in Betrieb genommen. Sie wurde modern eingerichtet und die Produktion stieg stetig an. 1930 wurden 2 neue Tunnelöfen aufgebaut und damit eine Produktionssteigerung erreicht. Der Tunnelofen entsprach dem neuesten Stand der Technik und arbeitete weitaus effektiver als der bisher gebräuchliche Rundofen. 1938 beschäftigte die Fabrik schon ca. 1100 Arbeiter mit einer Leistung von ca. 9000 to im Jahr.
Der Betrieb stellte sanitärkeramische Erzeugnisse (Waschbecken, Toiletten) und gebrauchskeramische Erzeugnisse (Teller, Tassen etc.) her. Die Produkte wurden im Inland abgesetzt, aber auch in großem Maße ins Ausland exportiert. Zu den wichtigsten Exportländern zählten Dänemark, Norwegen, Schweden und Rumänien. Außerdem wurden geringere Posten auch in viele andere europäische Länder exportiert. Vor Kriegsausbruch wurden auch Erzeugnisse der Steingutfabrik Torgau nach Amerika, Afrika und Asien geliefert. Diese Lieferungen und auch Lieferungen nach Griechenland, Litauen, Jugoslawien und Polen wurden bis 1940 eingestellt. 1942 betrug der Gesamtumsatz der Steingutfabrik Torgau ungefähr 836.000 RM (davon Inland ca. 749.000 RM und Ausland ca. 87.000 RM), 1943 schon 1.421.000 RM (davon Inland 1.262.000 und Ausland 159.000). Das entspricht einer Steigerung von ca. 70% gegenüber dem Vorjahr. Der Krieg führte also zu einer beträchtlichen Steigerung des Warenumsatzes.
Der Betrieb stellte bis Herbst 1941 seine Erzeugnisse auf der Leipziger Messe im Grassi-Museum aus.
Mit Kriegsbeginn wurden in Torgau von den 1160 zu dieser Zeit beschäftigten Gefolgschaftsmitgliedern 500 abgezogen, einesteils zum Heeresdienst und zum anderen Teil zum Einsatz in kriegswichtigen Industrien. Das hatte eine Produktionssenkung auf 65% zur Folge. Der Betrieb wurde auch später oft zu Aushebungen herangezogen. Die Beschaffung von Arbeitskräften wurde zum Hauptproblem. Es kam zum Einsatz von Kriegsgefangenen und Arbeitskräften aus dem Gefängnis. Im Oktober 1940 betrug der Arbeiterbestand an französischen Kriegsgefangenen, deutschen Militärgefangenen und Zivilgefangenen etwa 250 Personen. Die französischen Kriegsgefangenen waren auf einem außerhalb des Fabrikgeländes gelegenen Grundstück der Fabrik in besonderen Baracken untergebracht und standen unter Aufsicht. Die anderen Gefangenen waren nur während der Arbeitszeit in der Fabrik und wurden von Wachmannschaften beaufsichtigt. Später kommt es auch zum Einsatz von russischen Kriegsgefangenen und Ostarbeitern.
An Versorgungseinrichtungen für die Arbeiter des Werkes sind zu nennen die Kleingärten, die Werkssiedlung, die Unfallversicherung in der Töpferei-Berufsgenossenschaft, die Kantine und die jährlichen Weihnachtszuwendungen.
Direktor des Betriebes war seit dem 1. Jan. 1930 Wilhelm Schäfer, der neben seiner Tätigkeit als Fabrikdirektor euch Beirat der Industrie- und Handelskammer zu Halle, Vertrauensmann der Wirtschaftsgruppe Mittelelbe, Vorsitzender der Preiskommission des Steingutverbandes und Vorsitzender der Exportkommission der Wirtschaftsgruppe Keramische Industrie war.
Die Fabrik war eingegliedert in die Organisationen Steingutverband e. V., der im März 1943 aufgelöst und in die Gemeinschaft Gebrauchskeramik einbezogen wurde, die Industrie- und Handelskammer zu Halle, die im Januar 1943 in die Gauwirtschaftskammer Halle Merseburg überführt wurde, seit Januar 1943 in die neu gegründete Gemeinschaft Sanitärkeramik und andere. Bei der Töpferei-Berufsgenossenschaft war der Betrieb gegen Unfälle versichert, die Feuer- und Haftpflichtversicherung lief beim Gerling-Konzern.
Durch Fliegerangriffe wurde der Betrieb nicht betroffen. Jedoch sind öfter Brände zu verzeichnen. So brannte am 19. Jan. 1940 das freistehende Frittegebäude und am 17. Sept. des gleichen Jahres die Unterglasurmalerei und Brennhaushalle nieder. Am 23. April 1939 wurden das Dach und die obere Etage des Drehereigebäudes durch Feuer zerstört. Am 13. Okt. 1945 brannte im Fabrikgelände eine Holzfachwerkbaracke nieder.
Am 14. April 1945, bei Räumung der Stadt Torgau, wird die Fabrik stillgelegt. Die Produktionseinrichtungen wurden durch die Kampfhandlungen nicht in Mitleidenschaft gezogen, dafür aber die Büroräume verwüstet und geplündert. Am 14. Mai erteilte die sowjetische Militärkommandantur die Genehmigung für die Wiederinbetriebsetzung der Fabrik. Die ehemalige Gefolgschaft begann mit Aufräumungsarbeiten und der Vorbereitung zur Wiederaufnahme einer Produktion. Der Betriebsrat wurde am 11. Juni gebildet. Ende Juni wurde der erste der 4 Tunnelöfen in Betrieb gesetzt und eine geringe Produktion aufgenommen. Zu dieser Zeit arbeiteten 294 Arbeiter im Betrieb. Bis Ende August wurde die Zahl der Arbeiter auf 302 erhöht. Trotz Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Rohstoffe und dem Transport wurden monatlich 141 to Erzeugnisse hergestellt. Vom Sept. 1945 bis Nov. 1945 wurde der Betrieb von der sowjetischen Besatzungsmacht zu 75% demontiert. Die Produktion musste abermals stillgelegt werden, da die Arbeiter die Demontagearbeiten durchführen mussten. Das Werk in Dresden wurde zu 100% demontiert. Nach der Demontage wurde mit dem einen verbliebenen Tunnelofen eine kleine Produktion von 20 to monatlich aufgenommen, die bis Februar 1946 auf 73 to gesteigert werden konnte. Hauptsächlich wurden sanitäre Erzeugnisse für Reparationsleistungen hergestellt.
Gemäß Anordnung 311 vom 21. April 1946 der Sowjetischen Militäradministration wurde die Steingutfabrik Torgau in die Verfügungsgewalt der Provinz Sachsen übernommen, also enteignet. Nach wiederholtem Einspruch des Generaldirektors Luitwin von Boch-Galhau und weil man keine faschistische Belastung der Kapitalseigner nachweisen konnte, wurde die Enteignung im August 1946 rückgängig gemacht. Dem vorausgegangen war auch ein Schreiben des Betriebsrates mit der Bitte um Rückgängigmachung der Enteignung. Im März 1948 wurde die Fabrik dann endgültig enteignet, obwohl starke Beteiligung an ausländischem Kapital vorhanden war. Der Betrieb wurde der Vereinigung volkseigener Betriebe - Land Sachsen - Kaolin, Glas, Keramik unterstellt.
Direktor Wilhelm Schäfer, der vorher schon zweimal wegen "reaktionären Verhaltens" degradiert worden war, aber wegen Haltlosigkeit dieser Vorwürfe und Eintretens des Betriebsrates für ihn rehabilitiert wurde, setzte sich im Februar 1949 in die westlichen Besatzungszonen ab. Sein Eigentum und seine Wohnung wurden beschlagnahmt.
In der Zeit zwischen Aufhebung der ersten Enteignung und der endgültigen Enteignung wurde der Betrieb aus Firmenmitteln wiederaufgebaut und beträchtliche finanzielle Unterstützungen an das Werk Dresden, welches nach vollständiger Demontage unter dem neuen kommunistischen Fabrikdirektor Beyer wiederaufgebaut wurde, geleistet.


Bestandsanalyse

Der Bestand umschließt hauptsächlich den Zeitraum von 1926 (Gründung des Betriebes) bis 1948 (endgültige Enteignung). Einzelne Dokumente reichen bis ins Jahr 1906 zurück, stehen aber in funktionalem Zusammenhang. In geringem Umfange sind noch Akten des vorherigen Betriebes Linke-Hoffmann-Lauchhammer vorhanden. Die Akten aus dem Zeitraum von 1945 - 1948 wurden zum Bestand gerechnet, da die endgültige Enteignung erst im März 1948 erfolgte und diese Zeit eine Übergangsphase darstellt.
Relativ dicht überliefert sind die Beziehungen des Werkes Torgau zur Generaldirektion in Mettlach. Die Rundschreiben der Generaldirektion und auch der Briefwechsel mit dieser enthalten eine Fülle von Informationen zu Belangen der Fabrik. Die Rundschreiben dienten zur umfassenden Anleitung und Benachrichtigung aller Zweigwerke von Villeroy & Boch. Sie enthalten unter anderem Berichte über die Lage der Betriebe (auch Konkurrenzunternehmen), über Marktlage, Export, Umsatzentwicklung, Messeteilnahmen und vieles andere. Es sind auch Protokolle zu Tagungen der Fabrikdirektoren erhalten.
Außerdem sind Informationen über die Lage der Saarwerke und über den Ankauf des Werkes Saargemund vorhanden. Interessant sind Berichte zu Auswirkungen des Krieges auf die Firma, so zum Beispiel Schäden durch Flugzeugangriffe, Einziehung von Arbeitern zum Heeresdienst, Einsatz von Kriegsgefangenen, Einsatz von Arbeitern zu Schanzarbeiten. In diesem Zusammenhang ist auf den Bericht über die Tätigkeit einer sowjetischen Widerstandsgruppe im Werk Dänischburg (Nr. 119) hinzuweisen. Außerdem sind Dokumente über Enteignung, Demontage und Bildung von Betriebsräten erhalten. Der Betrieb erhielt auch Beziehungen zu anderen Zweigwerken der Firma (hauptsächlich Dresden) und den Versandlagern. Dies spiegelt sich in Korrespondenzakten wider.
Beziehungen des Betriebes zu übergeordneten Organen und Verbänden sind dicht überliefert. Sie umfassen hauptsächlich Rundschreiben, Anordnungen, Gesetze, Zollbestimmungen und Kriegsauflageprogramme. Außerdem sind Sitzungsprotokolle und Dokumente zum Einsatz von Kriegsgefangenen vorhanden. Die Arbeits- und Betriebsordnung des Betriebes ist überliefert.
Zur Betriebsgeschichte sind bemerkenswert eine Broschüre mit Fotografien aller sechs Generaldirektoren und aller Zweigwerke (Nr. 334), Fotografien zum Besuch des Gauleiters im Werk Torgau (Nr. 197), auf denen auch der Fabrikdirektor Wilhelm Schäfer abgebildet ist, und zwei Exemplare der Betriebszeitung "Keramos" (Nr. 104). Zum Werdegang des Fabrikdirektors Schäfer existieren auch drei Akten mit persönlichem und dienstlichen Schriftwechsel, die bis ins Jahr 1910 zurückreichen. Außerdem ist eine relativ dichte Überlieferung zu den Bränden, welche das Werk häufig betroffen haben, vorhanden, die, auch unterstützt durch Fotografien, gut dokumentiert werden können.
Material, welches die Lage der Arbeiter widerspiegelt, ist aussagekräftig vorhanden. Neben Lohn- und Belegschaftszusammenstellungen sind drei Bände mit Unfallanzeigen, ein Band über Lehrlingsausbildung mit Aufsätzen der Lehrlinge über die Produktion keramischer Erzeugnisse, Dokumente über Anstellung von Betriebsärzten, Errichtung einer Kantine zur Arbeiterversorgung, Betrieb von Kleingartenanlagen und jährliche Weihnachtszuwendungen erwähnenswert. Es sind auch Angaben zur erzwungenen Räumung von Kleingartenland, welches zum Betriebsgelände gehörte und für Erweiterungsbauten benötigt wurde, vorhanden. Interessant ist ein Band mit Feldpostzuschriften ehemaliger Belegschaftsmitglieder (Nr. 67). Dokumente, hauptsächlich Statistiken, zu Finanzen und Vermögen des Betriebes sind gut überliefert. Umfassend vorhanden sind Selbstkostenaufstellungen, Jahresberichte und Akten zu Steuer- und Versicherungsangelegenheiten. Außerdem gibt es umfassende Maschinen-, Inventar- und Gebäudetaxen verschiedener Jahrgänge, die auch Vergleiche zulassen, und aussagekräftige Dokumente über den Ankauf des Grundstückes.
Forschungsangelegenheiten des Betriebes sind mit nur acht Bänden schwach vertreten. Sie bestehen hauptsächlich aus Protokollen der 3. und 5. Sitzung der technischen Gesellschaft von Villeroy & Boch, Berichten der keramischen Versuchsanstalt in Dresden und dem Protokoll einer Versuchsreihe im Werk Deutsch-Lissa zum Brennen von Platten.
Stark vertreten sind Dokumente über Betriebserweiterungsbauten. Sie spiegeln die starke Investitionstätigkeit des Betriebes wider. Zum Bereich der Produktion ist eine schwache Überlieferung zu verzeichnen. Es existieren ziemlich wenige buchhalterische Dokumente (nur ein Produktionsbuch und einige Stückkalkulationen) und nur wenige Informationen zu Produktionstechniken und -ablauf. Ausgenommen davon sind Unterlagen über Tunnelöfen, die aussagekräftig vertreten sind. Daneben sind noch Akten über Beziehungen des Werkes zu Strom- und Wasserwerken vorhanden. Maßnahmen zum Umweltschutz, ausgenommen kriegsbedingte Strom- und Kohleeinsparungen, scheinen nicht unternommen worden zu sein. Überlieferungslücken treten auch auf beim Bezug der Rohstoffe. Demgegenüber aussagekräftig überliefert ist der Bereich Absatz und Werbung. Der Bestand enthält hier umfangreiche monatliche Verkaufsstatistiken, auch über den Export ins Ausland. Auch über die Absatzorganisation des Betriebes kann man sich ein gutes Bild verschaffen. Zu nennen sind hier die Akten, welche die Beziehungen des Betriebes zu Verkaufsorganisationen, Abnehmerfirmen, Spediteuren und mit dem Verkaufsleiter Bönker (Nr. 27) widerspiegeln. Außerdem ist ein Kundenregister aus dem Jahr 1943 erhalten.
Anhand des Prozesses im Devisenordnungsstrafverfahren Fall Moenich (England) kann man Einblick in die verschärften Wirtschaftsbeziehungen und erschwerten Exportbedingungen während des Dritten Reiches zu diesem "Feindesland" erhalten.
Besonders umfangreich überliefert sind Kataloge und Preislisten der Erzeugnisse der Steingutfabrik Torgau. Außerdem sind Kataloge anderer Zweigwerke und auch von Konkurrenzfirmen vorhanden. Sie ermöglichen einen verblüffenden Einblick in die erstaunliche Formenvielfalt und Leistungsfähigkeit der Keramischen Industrie zu diesen Zeiten.
Zur Entwicklung des Betriebes nach 1945, also Demontage, Enteignung, Wiederaufbau usw. kann man sich anhand der Akten ein gutes Bild machen. Man erhält Einblick in die Verfahrensweisen und Praktiken während der Enteignung, die, jedenfalls aus der Sicht der Betriebsführung und des Betriebsrates, ungerechtfertigt erscheint.
Diese Analyse spiegelt natürlich nicht den gesamten Inhalt des Bestandes wider. Darüber hinaus sind noch mannigfaltigste Informationen zu verschiedensten Themengebieten vorhanden, die nicht oder nur zusammenfassend erwähnt wurden.

H. Hahn

Leipzig 1990

Nachbemerkung

Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1990.
Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben in die digitale Form überführt. Eine Überarbeitung erfolgte nicht, lediglich missverständliche oder offenkundig falsche Verzeichnungsangaben wurden nach Akteneinsicht ergänzt bzw. korrigiert. Außerdem erfolgte im Interesse der Verbesserung der Übersichtlichkeit des Findbuches eine Überarbeitung der Systematik des Bestandes. An die Übernahme und Bearbeitung der Verzeichnungsangaben schloss sich die Indizierung der in Aktentiteln und Enthält-Vermerken vorkommenden natürlichen und juristischen Personen, geografischen Bezeichnungen sowie Druckschriften an. Damit soll insbesondere den Benutzern des papiernen Findmittels ein zusätzliches Werkzeug für die Recherche an die Hand gegeben werden.
Das vorliegende Findbuch ist somit nur begrenzt Resultat einer neuen Bearbeitung; es spiegelt im Wesentlichen den Bearbeitungstand von 1990 wider.

T. Handke

Leipzig, November 2009
Zusammenarbeit mit der Generaldirektion von Villeroy und Boch, Behörden und Wirtschaftsverbänden.- Finanzen und Vermögen.- Arbeit, Personal und Soziales.- Fremdarbeiter und Zwangsarbeiter.- Absatz und Werbung.
Die Steingutfabrik Torgau wurde 1926/1927 als Zweigwerk der Villeroy & Boch, Keramische Werke AG, errichtet. Sie produzierte sanitärkeramische Erzeugnisse und Gebrauchskeramik für Haus und Küche. Nachfolgebetrieb war der VEB Steingutwerk Torgau.
  • 2009 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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