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Beständeübersicht

Bestand

20979 Hans Klemm, Versteigerungshaus, Leipzig

Datierung1938 - 1948
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)0,50
Zur Geschichte des Versteigerungshauses Hans Klemm

Das Auktionshaus Klemm am Matthäikirchhof 29 bzw. in der Großen Fleischergasse 19 war lange Zeit eine stadtbekannte Firma. Friedrich Karl Klemm wurde am 10. Dez. 1888 in Leipzig geboren, sein Bruder Hans Paul Klemm am 6. Juni 1897, beide als Söhne von Karl Robert Klemm.[01] Die Brüder firmierten als Inhaber der Firma Hans Klemm, die im Handelsregister ab 1. Februar 1930 als offene Handelsgesellschaft eingetragen war.[02] Die Berufe der Geschäftsinhaber wurden mit "Versteigerer und Taxator" (Hans Klemm) und "Kaufmann" (Karl Klemm) angegeben.
Beide Brüder waren verheiratet. Aus der Ehe von Hans Klemm ging der Sohn Hans Karl (geb. 04.01.1930) hervor. Nachdem Hans Klemm und seine Familie in Leipzig mehrere Wohnsitze, u. a. in der Großen Fleischergasse in Geschäftsnähe, bezogen hatte, siedelte die Familie ab 1936 nach Böhlitz-Ehrenberg, Dölziger Weg 15, über.
Nach 1932 gab es in Leipzig nur noch zwei Versteigerungshäuser mit beeidigten und öffentlich bestellten Versteigerern. Nach der Zerstörung des Versteigerungshauses Hermann Thiemig 1943 wurde das Versteigerungshaus Hans Klemm der Monopolist in Leipzig.[03]
Die Firma wurde nach 1945 auf die Liste B der zu enteignenden Unternehmen[04] für Leipzig-Land gesetzt.[05] Ab 1948 sind mehrere Treuhänder nachweisbar, die ausschließlich die Firma vertreten durften.[06] Karl Klemm wurde am 26.05.1948 in die Strafanstalt Waldheim eingewiesen, jedoch am 13.10.1949 wieder entlassen. Hans Klemm befand sich kurzzeitig im Juni 1945 sowie seit dem 26. Mai 1948 im Polizeigefängnis Leipzig. Er wurde am 19. Februar 1949 vom Landgericht Leipzig nach dem Befehl 201 der SMAD verurteilt.[07] Die Firma wurde am 7. April 1951 auf Anordnung des Ministeriums des Innern des Landes Sachsen, Amt zum Schutz des Volkseigentums, liquidiert.[08] Infolge der Verurteilung wurde auch das Privatvermögen von Hans Klemm beschlagnahmt, u. a. sein Haus und Grundstück in Böhlitz-Ehrenberg sowie bewegliches Eigentum. Eine Aufstellung und Schätzung seines beweglichen Inventars durch den Kreisrat zu Leipzig 1950, die in Form und Inhalt sehr an die frühere Geschäftstätigkeit der Fa. Klemm erinnert, zeichnet das Bild einer gehobenen bürgerlichen Einrichtung.[09]

Bestandsgeschichte und –bearbeitung

Die wenigen noch vorhandenen Akten des Versteigungshauses wurden 1989/1990 im Verwaltungsarchiv der Staatsanwaltschaft Leipzig gefunden. Vermutlich waren sie bei Ermittlungen gegen die Firma Klemm nach 1945 beschlagnahmt worden und bei der Staatsanwaltschaft verblieben. 1989 wurden 20 Aktenhefte aufgefunden und ins Staatsarchiv übernommen, 1990 kamen weitere hinzu, darunter zwei Bände (Nr. 21 und 47), die sowohl eine Übersicht über die 1938-1944 durchgeführten Versteigerungen als auch generelle Aussagen enthalten. Vor allem ist auf den "Kurzbericht: Vorgänge bei der Durchführung von Verwertungen beweglichen Vermögens zwangsweise abtransportierter Juden in Leipzig", den Hans Klemm am 29. Mai 1945 im Zusammenhang mit den gegen ihn geführten Untersuchungen geschrieben hat, zu verweisen.
Nach der Übergabe der Unterlagen in das Staatsarchiv Leipzig wurden diese erschlossen. Diese (noch maschinenschriftliche) Verzeichnung des Bestands von 1991 erfasste im Wesentlichen die Namen der betroffenen Personen, deren Besitz zur Versteigerung kam, gelegentlich Enthält-Vermerke, sowie den zeitlichen Umfang und die Archivsignatur der Akte. Im Jahr 2007 wurde der Bestand mit der Fachsoftware AUGIAS-Archiv neu erfasst und vertieft erschlossen. Ziel war es, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens besser dokumentieren zu können und die Namen der meist jüdischen Bürger, auch der Beauftragten und Beteiligten, möglichst vollständig zu erfassen.

Der Aktentitel enthält bei den reinen Versteigerungsakten folgende Angaben:
- Datum der Versteigerung
- Gegenstand und der Eigentümer mit Wohnort
- Auftraggeber der Versteigerung.

Der Bestand ist durchgängig erweitert verzeichnet worden. Die im Titel und Enthält-Vermerk erwähnten Personen und Firmen sind in das Register aufgenommen worden, so dass die Recherche sehr erleichtert wird. Die Akteneinheiten sind chronologisch gereiht worden, die Sortierfolge richtet sich nach dem Zeitpunkt der Versteigerung.

Von 2011 bis 2012 wurde im Staatsarchiv ein Projekt zur Erstellung eines Spezialfindmittels für die Provenienzrecherche zu den Aktivitäten des Leipziger Versteigerungshauses Klemm bei der Verwertung NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere solchem aus jüdischem Besitz, durchgeführt. Gefördert wurde es vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg. Im Ergebnis entstand unter Nutzung der archivischen Erschließungssoftware ein Spezialinventar, das relevante Daten zur Enteignung, kostenlosen Weitergabe, zum Verkauf und Erwerb von Gütern aus dem Besitz rassisch Verfolgter enthält.[10]

Überlieferungsschwerpunkte

Der Bestand umfasst 66 Akten, die einen zeitlichen Schwerpunkt mit Versteigerungen 1938 haben. Mit wenigen Dokumenten (Nr. 47, Nr. 65) reichen sie bis in die frühe Nachkriegszeit, in denen bereits die Vorbereitungen des Prozesses gegen Klemm sichtbar werden. Erhalten ist die "Rechtfertigungsschrift für die Angeklagten-Herren Klemm", die der Rechtsanwalt Dr. jur. Curt Fritzsche 1949 für die Verhandlung in II. Instanz verfasst hatte (Nr. 65). Die Akten der Staatsanwaltschaft des Bezirks Leipzig zum Strafverfahren gegen die beeidigten und öffentlich bestellten Versteigerer Hans Klemm und Karl Klemm in Leipzig wegen Verbrechens nach Direktive Nr. 38 des Alliierten Kontrollrats sind im Bestand 13471 NS-Archiv des MfS, ZAst 93, im Hauptstaatsarchiv Dresden überliefert. Auf das Urteil wird in den Unterlagen zur Beschlagnahme des Vermögens im Bestand Bezirkstag/Rat des Bezirkes Leipzig Bezug genommen.[11]

In der überwiegenden Zahl der Akten handelt es sich um Versteigerungen von Haushalten und Geschäftsinventaren; sie geben detailliert Auskunft über die Lebens- und Wohnverhältnisse der zumeist jüdischen Leipziger Bevölkerung. Die Verzeichnisse der versteigerten Gegenstände geben einen guten Verweis zu dem wandelnden Lebensstandard und Ausstattung der Wohnungen bzw. Aufenthaltsorte der betroffenen Personen im Zeitraum von 1938 bis 1944. Hinzuweisen ist auf eine Aufstellung der sich im Besitz der Klara Theres Kirstein befindlichen Bilder so genannter "entarteter" Künstler (Nr. 66) mit Werken von Max Liebermann, Lovis Corinth, Otto Engel und Berthold Kirstein. Einen Einblick in die Ausstattung des Richmond Park Hotels Karlsbad gibt ein umfangreiches Inventarbuch mit Schätzwerten von 1944 (Nr. 32).

Neben den Einzelakten sind z. T. weiterreichende Informationen aus Statistiken und Listen der Firma zu entnehmen, so zu Geschäftszusammenhängen zwischen Versteigerer und Gestapo. Verwiesen werden soll auf die Unterlagen zu den Deportationswellen. In den Akten zur "Welle II" (Mai 1942, Nr. 35 und 21), "Welle VII" (Juli 1943, Nr. 47) und "Welle IX" (Febr. 1944, Nr. 20) befinden sich Aufstellungen der deportierten Personen. Zur "Welle VI" (März 1943, Nr. 51) findet sich eine Abrechnungsliste der Erlöse.

Literatur

Ahbe, Thomas: Das Versteigerungshaus Hans Klemm und die Ausplünderung der Leipziger Juden im "Dritten Reich": Opfer - Täter - Nutznießer. - In: Leipzigs Wirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Leipzig 2012, S. 305-335

Verweis auf korrespondierende Bestände

13471 NS-Archiv des MfS (Bestand im Hauptstaatsarchiv Dresden)
20031 Polizeipräsidium Leipzig
20124 Amtsgericht Leipzig
20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig

B. Richter

Juni 2018
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[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (im Folgenden: StAL), 20031 Polizeipräsidium Leipzig, Nr. PP-M 560.
[02] StAL, 20124 Amtsgericht Leipzig, Registerblatt HR 26440, ab 1939 HRA 5646.
[03] Ausführlich zur Tätigkeit des Versteigerungshauses: Ahbe, Thomas: Das Versteigerungshaus Hans Klemm und die Ausplünderung der Leipziger Juden im "Dritten Reich": Opfer - Täter - Nutznießer. - In: Leipzigs Wirtschaft in Vergangenheit und Gegenwart. Leipzig 2012, S. 305-335; online unter: http://www.thomas-ahbe.de/arisierung_versteigerungshaus_klemm.pdf (letzter Aufruf 20.11.2018).
[04] Die Liste B nach dem Volksentscheid in Sachsen enthielt Betriebe, die ursprünglich zur Rückgabe an ihre bisherigen Besitzer infolge ihrer geringen Schuld vorgesehen waren.
[05] StAL, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 2104.
[06] StAL, 20124 Amtsgericht Leipzig, Registerblatt.
[07] SMAD-Befehl 201/47 zur Entnazifizierung und vollständigen Säuberung aller öffentlichen Ämter und der Wirtschaft "von aktiven Faschisten, Militaristen und Kriegsverbrechern".
[08] StAL, 20124 Amtsgericht Leipzig, Registerblatt.
[09] StAL, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 2166.
[10] Vgl. Ahbe, Thomas: Das Versteigerungshaus Hans Klemm (wie Anm. 3). Bericht über das Projekt auf der Website des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste: https://www.kulturgutverluste.de/Content/03_Forschungsfoerderung/Projekt/Saechsisches-Staatsarchiv-Staatsarchiv-Leipzig/Projekt1.html (letzter Aufruf 20.11.2018).
[11] Siehe Anm 4.
Versteigerungen.- Wohnungsauflösungen.
Der Taxator und Versteigerer Hans Klemm gründete um 1920 das Auktionshaus Klemm, die Eintragung in das Handelsregister erfolgte erst 1930. Während des Dritten Reichs befasste sich das Haus in bedeutendem Umfang mit der Auflösung und Versteigerung jüdischen Vermögens.
  • 1991, 2007 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
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