Beständeübersicht
Bestand
20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG
Datierung | 1913 - 1950 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 6,84 |
Geschichte der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG
Die Firma "Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG" wurde am 25. Juli 1923 als Rechtsnachfolgerin der wirtschaftlich schwer angeschlagenen "Technischen Abteilung des Messamts für die Mustermessen in Leipzig GmbH" gegründet. Der Eintrag in das Handelsregister (Blatt 22515) erfolgte am 11. September 1923.[01]
Geschäftsgegenstand war laut Paragraph 2 der Unternehmenssatzung "die Beschaffung von Ausstellungsräumen und -plätzen in Leipzig und deren Vermietung insbesondere an Aussteller der Mustermessen."[02] Das Grundkapital der Firma betrug inflationsbedingt zwei Milliarden Mark und war in 180000 Stück Aktien aufgeteilt. Hauptanteile hielten zunächst die Stadtgemeinde Leipzig und die Technische Abteilung des Messamts für die Mustermessen in Leipzig GmbH.
Die Stadtgemeinde brachte als Sacheinlage ein 23443 qm großes Grundstück auf dem Ausstellungsgelände in Leipzig-Thonberg (Technische Messe) in die AG ein.[03]
Die Technische Abteilung des Messamts für die Mustermessen in Leipzig GmbH übertrug ihr gesamtes Vermögen, wozu zahlreiche Messegebäude gehörten, an die AG. U. a. zählten nun die Hallen auf dem Markt-, Ross- und Fleischerplatz, die Halle an der Gohliser Straße und das Messhaus am Alten Theater zum Besitz der neugegründeten Firma. Gepachtet waren die Messegebäude Handelshof und Städtisches Kaufhaus, einige Universitätsräume und die Turnhalle Leplaystraße.
Weitere Kapitalgeber waren die Werkwagen AG, Leipzig, die Reichs-Kredit-GmbH, die Sächsische Staatsbank, die Firma Kroch jun. KG, die Thüringische Staatsbank, die AG für Haus- und Grundbesitz, Leipzig und die Lager- und Speditions-GmbH, Hamburg.[04] Der Aufsichtsrat setzte sich zunächst aus 32, seit 1926 aus 18, ordentlichen und acht Ersatzmitgliedern zusammen.[05] Mitglieder des ersten Aufsichtsrates waren u. a. Oberbürgermeister Dr. Karl Rothe (Aufsichtsratsvorsitzender), Rechtsanwalt Curt Kroch und Bankier Hans Kroch. Zum Vorstand wurden die bisherigen Geschäftsführer der Technischen Abteilung des Messamtes für die Mustermesse in Leipzig, Baudirektor Dr. Ludwig Fraustadt und Edgar Hoffmann gewählt.
Auf dem von der Stadt Leipzig eingebrachten Grundstück wurde trotz der schwierigen Wirtschaftslage 1923 sofort mit dem Bau der Messehalle 9 begonnen, die neben einer großen Ausstellungsfläche für Maschinenbauindustrie während der Messen auch Geschäfts- und Repräsentationsräume des Unternehmens beherbergte.[06] Die Messe- und Ausstellungs-AG verfügte auch in der Innenstadt über Büros. Das Unternehmen zog hier mehrfach um, es befand sich zunächst in der Gerberstraße 3, dann in der Zentralstraße 3, seit 1928 im Ringmesshaus, Tröndlinring 9, ab 1934 in "Kochs Hof" am Markt und nach Kriegsende in der Katharinenstraße 10/12.
Nach Fertigstellung der Halle 9 errichtete die Firma 1924 – 1926 aufgrund großer Ausstellernachfrage u. a. die Messehallen 8, 18 und 21 und übernahm die alte Halle 7 auf dem Ausstellungsgelände der Technischen Messe. Der Geschäftsbereich in der Innenstadt wurde durch die langfristige Übernahme der Verwaltung des Concentra- und Ringmesshauses erheblich erweitert. Zur Frühjahrsmesse 1925 erfolgte die Eröffnung des Untergrundmessehauses, das sofort voll belegt war. Zum 1. Januar 1927 übernahm die Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG die Schletterhaus-AG und die Messhaus Petershof-AG und wurde dadurch Besitzer des Concentra-Messhauses und des im Bau befindlichen, zur Frühjahrsmesse 1929 eröffneten, Petershofes.[07] Das Kellergeschoss des Petershofes erhielt vor dem Hintergrund der geschäftlichen Auslastung ein modernes Lichtspieltheater, das Erdgeschoss des Concentra-Messhauses wurde zum Café umgebaut.[08] 1927 gelang der AG ein großer geschäftlicher Erfolg, indem sie nach langen Verhandlungen den Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten als dauerhaften Messehallenmieter gewinnen konnte.
Höhepunkte des Geschäftsjahres 1928 waren der Neubau der Halle 7 auf dem Ausstellungsgelände der Technischen Messe, die Übernahme der Verwaltung des Hansahauses und am 20. Dezember der Eintritt der AG als Gesellschafter in die neugegründete Leipziger Baumesse GmbH. Am 2. März 1928 erfolgte der Eintrag in das Handelsregister (Blatt 25557).[09] Firmengegenstand war die Förderung der Leipziger Baumesse und die Beschaffung und Vermietung von Ausstellungsräumen und –plätzen. Die Beteiligung an der Baumesse GmbH wurde kein geschäftlicher Erfolg, bereits 1935 wurde die Firma aufgelöst. Die Weiterführung der Baumesse und die Vermietung der zugehörigen Hallen 19 und 20 fielen danach in die Zuständigkeit der AG.
Aufgrund der Weltwirtschaftskrise hatte das Unternehmen Anfang der dreißiger Jahre hohe Verluste, v. a. durch den Rückzug von Ausstellern der Technischen Messe und die Kündigungen von Messmietverträgen aufgrund der vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen (Notverordnung) zu verkraften.[10] Zum Zweck der Unternehmensrettung erfolgte zum 31. Dezember 1932 die Übertragung des gesamten Grundbesitzes der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG auf das Leipziger Messamt. Die Firma wurde auf diesem Wege in ein reines Vermietungsunternehmen umgewandelt, Vorsitzender des Aufsichtsrates wurde Dr. Raimund Köhler, Direktor des Leipziger Messamtes.[11]
Die Geschäftslage des Unternehmens verbesserte sich seit 1934 durch kontinuierlich steigende Ausstellerzahlen und die Vermietung der Messehallen für Großveranstaltungen außerhalb der Messezeiten wieder. Dieser Aufschwung fand durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sein Ende. Bereits 1940 erfolgte die Stilllegung der Technischen Messe und der Baumesse, die Messehallen wurden durch Rüstungsbetriebe, v. a. die Junkers & Co. GmbH, und die Wehrmacht genutzt.[12] Am 10. Februar 1942 wurden alle deutschen Messen durch das zuständige Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda abgesagt.[13] Diese Unterbrechung des Messebetriebes blieb bis Kriegsende bestehen. Der Geschäftsbericht weist für 1942 35 fest angestellte Mitarbeiter im Unternehmen aus, davon waren 20 zur Wehrmacht eingezogen bzw. dienstverpflichtet. Der schwerste Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 fand im offiziellen Geschäftsbericht des Jahres 1943 keine Erwähnung, obwohl 80 Prozent aller Messeanlagen zerstört oder beschädigt wurden. In den Aufsichtsratssitzungen wurden die enormen Verluste des Unternehmens besprochen, wie die überlieferten Protokolle zeigen.
Der Geschäftsbetrieb kam mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Leipzig am 18. April 1945 und der nachfolgenden Beschlagnahmung des Messegeländes vollständig zum Erliegen. Im Juni nahm die AG die Arbeit sehr eingeschränkt wieder auf. Auf Anweisung der sowjetischen Militäradministration fand vom 18. – 25. Oktober 1945 eine erste kleine Messe in Form einer Musterschau Leipziger Erzeugnisse in zwei freigegebenen Messehallen statt, an der 640 Firmen teilnahmen. Trotz dieser als Erfolg gewerteten Ausstellung blieb die wirtschaftliche Lage der Firma schwierig, sie beschäftigte nur noch 7 Angestellte und 8 Arbeiter.[14] Die erste große Messe nach dem Krieg fand im Mai 1946, Frühjahrs- und Herbstmesse wieder 1947 statt. Mit dem regulären Messeturnus normalisierte sich auch der Unternehmensbetrieb und die vermietete Ausstellungsfläche umfasste bereits 44000 qm. 1947 waren sechzig Personen fest bei der Messe- und Ausstellungs-AG angestellt, hinzu kamen rund 500 Aushilfskräfte für die Messezeit.[15] Es erfolgten umfangreiche Investitionen zur Wiederherstellung der Technischen Messe und der Messhäuser. Zur Frühjahrsmesse 1948 umfasste die Ausstellungsfläche 62000 qm. Zur Herbstmesse des genannten Jahres setzte ein Rückgang der Aussteller aus dem westlichen Ausland ein, der sich nach der Gründung der beiden deutschen Staaten fortsetzte. Die durch die 1948 durchgeführte Währungsreform verursachten finanziellen Verluste konnte die Firma kompensieren.[16] 1949 wurden 97000 qm Ausstellungsfläche vermietet.[17] Außerdem war die AG nun auch wieder für die Vermietung des Hansahauses und der Messeräume des Grassimuseums zuständig, weitere Hallen des Messegeländes wurden wieder hergestellt und erweitert.[18] Durch Verordnung vom 30. November 1950 wurde das Leipziger Messamt in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt. Im Zuge dessen wurde auf Anordnung der Landesregierung Sachsen, Amt zum Schutze des Volkseigentums und des Ministeriums des Innern der DDR, Hauptabteilung, Amt zum Schutze des Volkseigentums die Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG mit Wirkung vom 5. Dezember 1950 in den volkseigenen Betrieb "Messeamt Leipzig" eingegliedert. Die Firma wurde am 12. Oktober 1951 im Handelsregister gelöscht.[19] Ihre Aufgaben übernahm die Abteilung Ausstellerdienst des Leipziger Messeamts.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Das Schriftgut der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG gelangte 1977 in das Staatsarchiv Leipzig.[20] Es handelte sich dabei um 6,9 lfm Akten aus dem Zeitraum 1913 - 1950. Die Akten wurden im Zugangsjahr erschlossen und eine klassifizierte Findkartei erstellt. 2010 erfolgte im Rahmen eines Praktikums die Retrokonversion der Findkartei von 1977 in das Verzeichnungsprogramm Augias-Archiv 7.4. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank. Eine Überprüfung der Inhalte anhand der Akten konnte zu diesem Zeitpunkt nur im Ausnahmefall, z. B. bei unklaren Datumsangaben, vorgenommen werden. 2014 erfolgten eine fachlich notwendige Überarbeitung des Bestandes und seiner Klassifikation sowie die Ausarbeitung einer Einleitung. Im Dezember 2017 erfolgte eine Übergabe von verfilmten Mietverträgen zu Messehallen und Messehäusern durch das Stadtarchiv Leipzig, in deren Folge acht weitere Akteneinheiten Eingang in den Bestand fanden
Überlieferungsschwerpunkte
Die Gründung und Entwicklung der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG ist durch die überlieferten Protokolle der Aufsichtsratssitzungen und General- bzw. Hauptversammlungen gut dokumentiert. Gleiches gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Maschinenbauindustrie, die Entwicklung der Baumesse und die Vermietung der Messhäuser und –hallen. Hinzuweisen ist auch auf die umfangreiche Überlieferung von Formularen und Rundschreiben (15 Bände), die Einblick in die Werbung von und den Umgang mit Ausstellern gibt. Besonders interessant wird der vorliegende Bestand dadurch, dass sich die Folgen der Weltwirtschaftskrise für viele Zweige des Handels und der Wirtschaft in allen Unterlagen aus dem Zeitraum 1929 – 1933 deutlich widerspiegeln.
Verweise auf korrespondierende Bestände
20202 Leipziger Messeamt (I)
21000 Leipziger Messeamt (II)
20124 Amtsgericht Leipzig
K. Heil
Oktober 2014 / Juli 2018
[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 358, Geschäftsbericht 1923, S. 93, S. 135; Nr. 360, Rückblick auf die Geschichte der AG, 1944.
[02] Ebenda, S. 147f.
[03] Ebenda, S.122, 150.
[04] 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 358, S. 115, 145.
[05] Ebenda, S. 118.
[06] http://www.alte-messe-leipzig.de/historie.
[07] 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Geschäftsbericht, 1927, S. 30b.
[08] Ebenda, Geschäftsbericht, 1929, S. 9b.
[09] Ebenda, Nr. 362.
[10] Ebenda, Nrn. 133, 307, 309.
[11] Ebenda, Nr. 358, S. 168f. und Nr. 357, Geschäftsbericht 1933, S. 161b.
[12] Ebenda, Nrn. 211, 212, 215, 216, 218; http://www.leipzigermesse.de/Unternehmen/Geschichte/Chronik/Zeittafel/
[13] 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 357, Geschäftsbericht 1942, S. 49b.
[14] Ebenda, Nr. 357, S. 14b.
[15] Ebenda, S. 11b.
[16] Ebenda S. 4.
[17] Ebenda, Nr. 360, Aufsichtsratssitzung 31. Mai 1950.
[18] 20124 Amtsgericht Leipzig, Nr. HRB 80, Teil 2, S. 201f.
[19] 20124 Amtsgericht Leipzig, Nr. HRB 80, Teil 2, S. 210f., Teil 3.
[20] 22030 Staatsarchiv Leipzig, Nr. 564 (Zugangsbuch).
Die Firma "Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG" wurde am 25. Juli 1923 als Rechtsnachfolgerin der wirtschaftlich schwer angeschlagenen "Technischen Abteilung des Messamts für die Mustermessen in Leipzig GmbH" gegründet. Der Eintrag in das Handelsregister (Blatt 22515) erfolgte am 11. September 1923.[01]
Geschäftsgegenstand war laut Paragraph 2 der Unternehmenssatzung "die Beschaffung von Ausstellungsräumen und -plätzen in Leipzig und deren Vermietung insbesondere an Aussteller der Mustermessen."[02] Das Grundkapital der Firma betrug inflationsbedingt zwei Milliarden Mark und war in 180000 Stück Aktien aufgeteilt. Hauptanteile hielten zunächst die Stadtgemeinde Leipzig und die Technische Abteilung des Messamts für die Mustermessen in Leipzig GmbH.
Die Stadtgemeinde brachte als Sacheinlage ein 23443 qm großes Grundstück auf dem Ausstellungsgelände in Leipzig-Thonberg (Technische Messe) in die AG ein.[03]
Die Technische Abteilung des Messamts für die Mustermessen in Leipzig GmbH übertrug ihr gesamtes Vermögen, wozu zahlreiche Messegebäude gehörten, an die AG. U. a. zählten nun die Hallen auf dem Markt-, Ross- und Fleischerplatz, die Halle an der Gohliser Straße und das Messhaus am Alten Theater zum Besitz der neugegründeten Firma. Gepachtet waren die Messegebäude Handelshof und Städtisches Kaufhaus, einige Universitätsräume und die Turnhalle Leplaystraße.
Weitere Kapitalgeber waren die Werkwagen AG, Leipzig, die Reichs-Kredit-GmbH, die Sächsische Staatsbank, die Firma Kroch jun. KG, die Thüringische Staatsbank, die AG für Haus- und Grundbesitz, Leipzig und die Lager- und Speditions-GmbH, Hamburg.[04] Der Aufsichtsrat setzte sich zunächst aus 32, seit 1926 aus 18, ordentlichen und acht Ersatzmitgliedern zusammen.[05] Mitglieder des ersten Aufsichtsrates waren u. a. Oberbürgermeister Dr. Karl Rothe (Aufsichtsratsvorsitzender), Rechtsanwalt Curt Kroch und Bankier Hans Kroch. Zum Vorstand wurden die bisherigen Geschäftsführer der Technischen Abteilung des Messamtes für die Mustermesse in Leipzig, Baudirektor Dr. Ludwig Fraustadt und Edgar Hoffmann gewählt.
Auf dem von der Stadt Leipzig eingebrachten Grundstück wurde trotz der schwierigen Wirtschaftslage 1923 sofort mit dem Bau der Messehalle 9 begonnen, die neben einer großen Ausstellungsfläche für Maschinenbauindustrie während der Messen auch Geschäfts- und Repräsentationsräume des Unternehmens beherbergte.[06] Die Messe- und Ausstellungs-AG verfügte auch in der Innenstadt über Büros. Das Unternehmen zog hier mehrfach um, es befand sich zunächst in der Gerberstraße 3, dann in der Zentralstraße 3, seit 1928 im Ringmesshaus, Tröndlinring 9, ab 1934 in "Kochs Hof" am Markt und nach Kriegsende in der Katharinenstraße 10/12.
Nach Fertigstellung der Halle 9 errichtete die Firma 1924 – 1926 aufgrund großer Ausstellernachfrage u. a. die Messehallen 8, 18 und 21 und übernahm die alte Halle 7 auf dem Ausstellungsgelände der Technischen Messe. Der Geschäftsbereich in der Innenstadt wurde durch die langfristige Übernahme der Verwaltung des Concentra- und Ringmesshauses erheblich erweitert. Zur Frühjahrsmesse 1925 erfolgte die Eröffnung des Untergrundmessehauses, das sofort voll belegt war. Zum 1. Januar 1927 übernahm die Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG die Schletterhaus-AG und die Messhaus Petershof-AG und wurde dadurch Besitzer des Concentra-Messhauses und des im Bau befindlichen, zur Frühjahrsmesse 1929 eröffneten, Petershofes.[07] Das Kellergeschoss des Petershofes erhielt vor dem Hintergrund der geschäftlichen Auslastung ein modernes Lichtspieltheater, das Erdgeschoss des Concentra-Messhauses wurde zum Café umgebaut.[08] 1927 gelang der AG ein großer geschäftlicher Erfolg, indem sie nach langen Verhandlungen den Verein Deutscher Maschinenbau-Anstalten als dauerhaften Messehallenmieter gewinnen konnte.
Höhepunkte des Geschäftsjahres 1928 waren der Neubau der Halle 7 auf dem Ausstellungsgelände der Technischen Messe, die Übernahme der Verwaltung des Hansahauses und am 20. Dezember der Eintritt der AG als Gesellschafter in die neugegründete Leipziger Baumesse GmbH. Am 2. März 1928 erfolgte der Eintrag in das Handelsregister (Blatt 25557).[09] Firmengegenstand war die Förderung der Leipziger Baumesse und die Beschaffung und Vermietung von Ausstellungsräumen und –plätzen. Die Beteiligung an der Baumesse GmbH wurde kein geschäftlicher Erfolg, bereits 1935 wurde die Firma aufgelöst. Die Weiterführung der Baumesse und die Vermietung der zugehörigen Hallen 19 und 20 fielen danach in die Zuständigkeit der AG.
Aufgrund der Weltwirtschaftskrise hatte das Unternehmen Anfang der dreißiger Jahre hohe Verluste, v. a. durch den Rückzug von Ausstellern der Technischen Messe und die Kündigungen von Messmietverträgen aufgrund der vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen (Notverordnung) zu verkraften.[10] Zum Zweck der Unternehmensrettung erfolgte zum 31. Dezember 1932 die Übertragung des gesamten Grundbesitzes der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG auf das Leipziger Messamt. Die Firma wurde auf diesem Wege in ein reines Vermietungsunternehmen umgewandelt, Vorsitzender des Aufsichtsrates wurde Dr. Raimund Köhler, Direktor des Leipziger Messamtes.[11]
Die Geschäftslage des Unternehmens verbesserte sich seit 1934 durch kontinuierlich steigende Ausstellerzahlen und die Vermietung der Messehallen für Großveranstaltungen außerhalb der Messezeiten wieder. Dieser Aufschwung fand durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs sein Ende. Bereits 1940 erfolgte die Stilllegung der Technischen Messe und der Baumesse, die Messehallen wurden durch Rüstungsbetriebe, v. a. die Junkers & Co. GmbH, und die Wehrmacht genutzt.[12] Am 10. Februar 1942 wurden alle deutschen Messen durch das zuständige Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda abgesagt.[13] Diese Unterbrechung des Messebetriebes blieb bis Kriegsende bestehen. Der Geschäftsbericht weist für 1942 35 fest angestellte Mitarbeiter im Unternehmen aus, davon waren 20 zur Wehrmacht eingezogen bzw. dienstverpflichtet. Der schwerste Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 fand im offiziellen Geschäftsbericht des Jahres 1943 keine Erwähnung, obwohl 80 Prozent aller Messeanlagen zerstört oder beschädigt wurden. In den Aufsichtsratssitzungen wurden die enormen Verluste des Unternehmens besprochen, wie die überlieferten Protokolle zeigen.
Der Geschäftsbetrieb kam mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen in Leipzig am 18. April 1945 und der nachfolgenden Beschlagnahmung des Messegeländes vollständig zum Erliegen. Im Juni nahm die AG die Arbeit sehr eingeschränkt wieder auf. Auf Anweisung der sowjetischen Militäradministration fand vom 18. – 25. Oktober 1945 eine erste kleine Messe in Form einer Musterschau Leipziger Erzeugnisse in zwei freigegebenen Messehallen statt, an der 640 Firmen teilnahmen. Trotz dieser als Erfolg gewerteten Ausstellung blieb die wirtschaftliche Lage der Firma schwierig, sie beschäftigte nur noch 7 Angestellte und 8 Arbeiter.[14] Die erste große Messe nach dem Krieg fand im Mai 1946, Frühjahrs- und Herbstmesse wieder 1947 statt. Mit dem regulären Messeturnus normalisierte sich auch der Unternehmensbetrieb und die vermietete Ausstellungsfläche umfasste bereits 44000 qm. 1947 waren sechzig Personen fest bei der Messe- und Ausstellungs-AG angestellt, hinzu kamen rund 500 Aushilfskräfte für die Messezeit.[15] Es erfolgten umfangreiche Investitionen zur Wiederherstellung der Technischen Messe und der Messhäuser. Zur Frühjahrsmesse 1948 umfasste die Ausstellungsfläche 62000 qm. Zur Herbstmesse des genannten Jahres setzte ein Rückgang der Aussteller aus dem westlichen Ausland ein, der sich nach der Gründung der beiden deutschen Staaten fortsetzte. Die durch die 1948 durchgeführte Währungsreform verursachten finanziellen Verluste konnte die Firma kompensieren.[16] 1949 wurden 97000 qm Ausstellungsfläche vermietet.[17] Außerdem war die AG nun auch wieder für die Vermietung des Hansahauses und der Messeräume des Grassimuseums zuständig, weitere Hallen des Messegeländes wurden wieder hergestellt und erweitert.[18] Durch Verordnung vom 30. November 1950 wurde das Leipziger Messamt in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt. Im Zuge dessen wurde auf Anordnung der Landesregierung Sachsen, Amt zum Schutze des Volkseigentums und des Ministeriums des Innern der DDR, Hauptabteilung, Amt zum Schutze des Volkseigentums die Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG mit Wirkung vom 5. Dezember 1950 in den volkseigenen Betrieb "Messeamt Leipzig" eingegliedert. Die Firma wurde am 12. Oktober 1951 im Handelsregister gelöscht.[19] Ihre Aufgaben übernahm die Abteilung Ausstellerdienst des Leipziger Messeamts.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Das Schriftgut der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG gelangte 1977 in das Staatsarchiv Leipzig.[20] Es handelte sich dabei um 6,9 lfm Akten aus dem Zeitraum 1913 - 1950. Die Akten wurden im Zugangsjahr erschlossen und eine klassifizierte Findkartei erstellt. 2010 erfolgte im Rahmen eines Praktikums die Retrokonversion der Findkartei von 1977 in das Verzeichnungsprogramm Augias-Archiv 7.4. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank. Eine Überprüfung der Inhalte anhand der Akten konnte zu diesem Zeitpunkt nur im Ausnahmefall, z. B. bei unklaren Datumsangaben, vorgenommen werden. 2014 erfolgten eine fachlich notwendige Überarbeitung des Bestandes und seiner Klassifikation sowie die Ausarbeitung einer Einleitung. Im Dezember 2017 erfolgte eine Übergabe von verfilmten Mietverträgen zu Messehallen und Messehäusern durch das Stadtarchiv Leipzig, in deren Folge acht weitere Akteneinheiten Eingang in den Bestand fanden
Überlieferungsschwerpunkte
Die Gründung und Entwicklung der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG ist durch die überlieferten Protokolle der Aufsichtsratssitzungen und General- bzw. Hauptversammlungen gut dokumentiert. Gleiches gilt auch für die Zusammenarbeit mit der Maschinenbauindustrie, die Entwicklung der Baumesse und die Vermietung der Messhäuser und –hallen. Hinzuweisen ist auch auf die umfangreiche Überlieferung von Formularen und Rundschreiben (15 Bände), die Einblick in die Werbung von und den Umgang mit Ausstellern gibt. Besonders interessant wird der vorliegende Bestand dadurch, dass sich die Folgen der Weltwirtschaftskrise für viele Zweige des Handels und der Wirtschaft in allen Unterlagen aus dem Zeitraum 1929 – 1933 deutlich widerspiegeln.
Verweise auf korrespondierende Bestände
20202 Leipziger Messeamt (I)
21000 Leipziger Messeamt (II)
20124 Amtsgericht Leipzig
K. Heil
Oktober 2014 / Juli 2018
[01] Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 358, Geschäftsbericht 1923, S. 93, S. 135; Nr. 360, Rückblick auf die Geschichte der AG, 1944.
[02] Ebenda, S. 147f.
[03] Ebenda, S.122, 150.
[04] 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 358, S. 115, 145.
[05] Ebenda, S. 118.
[06] http://www.alte-messe-leipzig.de/historie.
[07] 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Geschäftsbericht, 1927, S. 30b.
[08] Ebenda, Geschäftsbericht, 1929, S. 9b.
[09] Ebenda, Nr. 362.
[10] Ebenda, Nrn. 133, 307, 309.
[11] Ebenda, Nr. 358, S. 168f. und Nr. 357, Geschäftsbericht 1933, S. 161b.
[12] Ebenda, Nrn. 211, 212, 215, 216, 218; http://www.leipzigermesse.de/Unternehmen/Geschichte/Chronik/Zeittafel/
[13] 20982 Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG, Nr. 357, Geschäftsbericht 1942, S. 49b.
[14] Ebenda, Nr. 357, S. 14b.
[15] Ebenda, S. 11b.
[16] Ebenda S. 4.
[17] Ebenda, Nr. 360, Aufsichtsratssitzung 31. Mai 1950.
[18] 20124 Amtsgericht Leipzig, Nr. HRB 80, Teil 2, S. 201f.
[19] 20124 Amtsgericht Leipzig, Nr. HRB 80, Teil 2, S. 210f., Teil 3.
[20] 22030 Staatsarchiv Leipzig, Nr. 564 (Zugangsbuch).
Leitung und Organisation (Aufsichtsratssitzungen, Generalversammlungen, Geschäftsberichte).- Finanzen und Vermögen.- Mieten und Preisbildung.- Transport und Speditionswesen.- Zusammenarbeit mit dem Leipziger Messamt.- Veranstaltung von Messen und Sonderausstellungen.- Veröffentlichungen zu Messen.- Werbung und Reklame.- Arbeitsfilm.- Inhaltsverzeichnisse zu Arbeitsfilmen.
Die Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG wurde am 25. Juli 1923 gegründet. Sie war eine Nachfolgeeinrichtung der Technischen Abteilung des Messamtes und hatte die Aufgabe, die Leipziger Messe durch Beschaffung und Vermietung von Räumen und Plätzen zur Ausstellung von Industrieerzeugnissen zu unterstützen. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten war die AG 1933 gezwungen, Grundstücke, Gebäude, Anlagen sowie Teile des Finanzvermögens an das Leipziger Messamt zu verkaufen. Ihre Aufgabe bestand ab diesem Zeitpunkt nur noch in der Verwaltung der in den verkauften Grundstücken befindlichen Messe- und Ausstellungsräume. Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs bestand die Messe-AG zwar formal weiter, war aber in ihren Aufgaben und Funktionen stark eingeschränkt. 1951 erfolgte die Löschung der Leipziger Messe- und Ausstellungs-AG im Handelsregister. Ihre Aufgaben wurden von der Abteilung Ausstellerdienst des VEB Leipziger Messeamt übernommen.
- 2014 | Findbuch / Datenbank
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5