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Beständeübersicht

Bestand

21007 Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft a. G., Leipzig

Datierung1882 - 1955
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)16,14
Geschichte der Alten Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft a. G.

Die "Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit" wurde im Jahre 1830 als "Lebensversicherungs-Gesellschaft zu Leipzig" gegründet. Die Initiative zur Gründung ging Ende der 1820er Jahre vom Leipziger Kaufmann August Olearius aus. In enger Zusammenarbeit mit einigen Leipziger Honoratioren - darunter den Bankiers Christian Gottlob Frege von Frege & Co., Carl Leberecht Hammer von Hammer & Schmidt sowie Wilhelm Seyffert von Vetter & Co. - arbeitete er den Entwurf eines Gründungsstatuts aus. Dieses wurde durch Regierungsreskript vom 26. Februar 1830 genehmigt. Das Versicherungsunternehmen basierte hiernach auf dem Prinzip der gegenseitigen Garantie der Versicherungen durch die Vereinsmitglieder. Oberstes Leitungsorgan war ein siebenköpfiges Direktorium, das die geschäftlichen Leitlinien setzte. Aus seiner Mitte wurde ein "Erster Direktor" ernannt, der diese Leitlinien umzusetzen hatte. Bis zum Jahre 1861 fungierte in dieser Eigenschaft der Unternehmensgründer Olearius. Kontrolliert wurde die Geschäftsführung durch einen wiederum siebenköpfigen Ausschuss der Versicherten. Dessen Mitglieder wurden durch die Mitglieder auf Lebenszeit gewählt, zwei Ausschussmitglieder dabei allerdings vom Magistrat der Stadt Leipzig ernannt. Den beiden Magistratsdeputierten oblag einerseits die Revision des Rechnungswesens, andererseits die statuarische Überwachung der Geschäftsführung.[01]

In geschäftlicher Hinsicht verzeichnete der Versicherungsverein in den ersten Jahrzehnten nach seiner Gründung eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung, die in den 1860er Jahren in eine erste Boomphase überging. Der Versicherungsbestand bei den Todesfallversicherungen etwa konnte von 1831 bis 1874 von 453 auf 22140 Personen gesteigert werden, wobei das Versicherungsvolumen von 2.001.000 auf 93.114.450 Mark anstieg.[02] Im Jahre 1875 erfolgte dann eine grundlegendere Statutsreform. Durch die Reform wurde einesteils die Geschäftsführung des Direktoriums professionalisiert, anderenteils aber auch die Kontrolle der Geschäftsführung durch die Organe der Versicherungsmitglieder, den Verwaltungsrat sowie die Generalversammlung, ausgebaut. Fast zeitgleich wurde das Versicherungsgeschäft auf die Lebensversicherung ausgedehnt, in der das Unternehmen beträchtliche Zuwachsraten erzielte.[03] Rechtsgrundlage des Versicherungsvereins blieb dabei weiterhin das Genossenschaftsrecht.

In der Folge des Reichsgesetzes über die privaten Versicherungsunternehmen vom 12. Mai 1901 wandelte sich der Verein dann jedoch mit Satzungsbeschluss vom 1. Juni 1907 in einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit nach Handelsrecht bzw. in eine Aktiengesellschaft um. Er firmierte nunmehr als "Leipziger Lebensversicherungs-Gesellschaft auf Gegenseitigkeit (Alte Leipziger)" mit Hauptsitz zu Leipzig.[04] Oberstes Organ der Gesellschaft war nach dem Versicherungsgesetz die jährliche Generalversammlung der Versicherten. Ihr standen die Abnahme der Jahresrechnung, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, die Festsetzung der Dividende sowie die statuarische Beschlussfassung zu. Insbesondere oblag ihr aber auch die Einsetzung des Aufsichtsrates. Dieser fungierte als ständiges Kontrollorgan des Vorstandes und gab die Leitlinien für die Geschäftspolitik vor. Insbesondere war der Aufsichtsrat jedoch zur Berufung und Abberufung des Vorstands ermächtigt. Er hatte die tatsächliche Geschäftsleitung einschließlich der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der Gesellschaft inne.[05]

Hauptgeschäftsgegenstand des Unternehmens war das Versicherungsgeschäft für den Todesfall. Infolge der versicherungsrechtlichen Beleihungsoption sowie der Lebensfallversicherung griff das Unternehmen zunehmend auf das Finanzgeschäft über, d.h. auf das Darlehns- und Hypothekengeschäft. In den letzten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg verzeichnete das Unternehmen erhebliche Mitglieds- und Policenzuwächse. Der Versicherungsbestand bei der Todesfallversicherung etwa stieg von 30.310 Personen mit einem Versicherungsvolumen von 160.094.800 Mark im Jahre 1880 bis zum Jahre 1914 auf 108.765 Personen mit 1.070.145.437 Mark Versicherungsvolumen an.[06] Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte das Unternehmen in Verbindung der Hyperinflation bzw. von Fremdwährungsversicherungen zunächst einen drastischen Einbruch, der die Ausgliederung der Auslandsversicherungen bzw. Unternehmensspaltung zur Folge hatte. Mit der Währungsstabilisierung 1923/24 konnte - kurzzeitig unterbrochen durch die Weltwirtschaftskrise - dann jedoch wieder an die günstige Geschäftsentwicklung der Vorkriegszeit angeknüpft werden.[07] Die Unternehmensstruktur blieb in der Folgezeit in ihren Grundzügen unverändert. Es wurden lediglich dem Vorstand noch ein ständiger Revisor als zusätzliches Kontrollorgan zugeordnet und die Berufungsverfahren für die Unternehmensorgane nach der neuen Versicherungsgesetzgebung modifiziert. Der Erwähnung bedürfen hierneben noch die Einrichtung eines Zweigsitzes für die abgetretenen westpreußischen Gebietsteile zu Danzig sowie die veränderte Titulatur. Mit der Satzung vom 1. Juli 1933 wurde die Gesellschaft in "Alte Leipziger", Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit, umbenannt.[08]

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte im Zuge der Reorganisation des Bank- und Versicherungswesens in der Sowjetischen Besatzungszone die schrittweise Abwicklung des Unternehmens. Durch die Verordnung über die Gründung des Landesversicherungsanstalt des Landes Sachsen vom 11. Oktober 1945 wurde die Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft a. G. in Leipzig als selbständiges Unternehmen liquidiert. Sie bestand hiernach lediglich noch als Zweigstelle der Versicherungsanstalt des Landes Sachsen in deren Auftrag, Namen und Rechnung fort. Es handelte sich jedoch nur um ein Provisorium. Durch Verfügung der Sowjetischen Militäradministration vom 29. März 1946 mußte die Geschäftstätigkeit des Unternehmens in Leipzig endgültig eingestellt werden. Im Juni 1948 erfolgte auf Antrag der Landesversicherungsanstalt des Landes Sachsen auch die Löschung aus dem Leipziger Handelsregister. Auf Beschluß der am 16. Mai 1946 zu Hamburg zusammengetretenen Mitgliedervertreterversammlung verlegte die in Leipzig bereits liquidierte Gesellschaft ihren Sitz allerdings in die britische Besatzungszone nach Bad Gandersheim/Harz, wo sie unter dem Namen "Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit" in das Handelsregister eingetragen wurde.[09] Im Mai 1952 erfolgte dann aus marktstrategischen Gründen der Umzug des Unternehmens zunächst nach Frankfurt am Main, von wo aus es dann 1975 seinen Hauptsitz nach Oberursel verlegt.[10]

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Der überwiegende Teil des Schriftgutes entstammt einer Ablieferung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (Niederlassung Berlin - Außenstelle Sachsen) aus dem Jahre 1995. Er wurde im Staatsarchiv Leipzig bearbeitet und mit Einzelakten der Provenienz aus dem fortbestehenden Mischbestand "Leipziger Versicherungen" ergänzt. Eine klassische Verzeichnung und Klassifikation nach Aktenplan bzw. Kompetenzen war dabei nicht mehr möglich. Es war kein Aktenplan der Gesellschaft mehr erhalten und auch eine Rekonstruktion desselben nicht möglich, da sich das erhaltene Schriftgut ausschließlich auf das Hypothekengeschäft, d. h. nur einen Ausschnitt der Geschäftstätigkeit des Provenienzbildners, beschränkt. Es erfolgte daher lediglich eine einfache Klassifikation nach den drei thematischen Hauptgruppen des erhaltenen Schriftguts. Die erste Hauptgruppe bilden die kompletten Hypothekenakten. Sie sind im Findbuch alphabetisch nach der Lokalität (Stadt/Gemeinde) der beliehenen Immobilien angeordnet. Gleiches gilt auch für die zweite Hauptgruppe, die Hypothekenbriefe. Die einzelnen Hypothekenbriefe wurden nach dem Ortsprinzip zu Sammelakten zusammengefasst. Zu einer dritten Klassifikationsgruppe musste schließlich eine - quantitativ unbedeutende - Restmenge von Akten zum Hypothekengeschäft, insbesondere Löschungsbewilligungen, formiert werden. Eine - archivwissenschaftlich indizierte - Kassation dieser Belegsammlung war aufgrund der erneuerten Aufbewahrungsfrist nach Handelsgesetzbuch durch die deutsche Wiedervereinigung noch nicht möglich. Der Bestand wurde vertieft erschlossen und das Findbuch mit einem ausführlichen Registerteil versehen.

Überlieferungsschwerpunkte

Der Bestand umfasst ca. 12 lfm Schriftgut aus den Jahren 1889 bis ca. 1946[11] . Es handelt sich allerdings aufgrund von Kriegseinwirkungen[12] lediglich noch um einen Rumpfbestand mit eng begrenztem Dokumentationsspektrum. Das im Bestand erhaltene Schriftgut bezieht sich sondern auf das gesamte Gebiet des ehemaligen Deutschen Reiches in seinem Gebietsstand von 1937. Es werden dabei detailliert individuelle Wirtschaftsverhältnisse von der Zeit des Kaiserreiches bis zum Ende des Dritten Reiches dokumentiert. Daher kommt dem Bestand insbesondere für die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Forschung eine gewisse Bedeutung zu. Hierneben besteht mutmaßlich auch ein aktueller Wert für Restitutionsverfahren im Zusammenhang der Expropriation jüdischer Bürger in der Zeit des Dritten Reiches


Hinweise für die Benutzung

Die Erfassung erfolgte mit der Archivsoftware AUGIAS. Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 21007, Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft, Nr. (fettgedruckte Zahl).

M. Kukowski,
August 1997


[01] Vgl. Leipziger Lebensversicherung. Denkschrift zur Jahrhundertfeier 1830-1930, Leipzig 1930, S. 10f.
[02] Vgl. ebd., S. 226 ff. (Tab. 1).
[03] Vgl. ebd., S. 97 ff.; zur Lebensfallversicherung vgl. S. 232 ff. (Tab. 3).
[04] Vgl. ebd., S. 35 ff.; vgl. auch StA-L, Amtsgericht Leipzig, HR B 627, Bd. 1.
[05] Vgl. Satzung der Leipziger Lebensversicherungs-Gesellschaft a. G. vom 1. Juni 1907, in: StA-L, Amtsgericht Leipzig, HR B 627, Bd. 1.
[06] Vgl. Leipziger Lebensversicherung 1830-1930 (wie Anm. 1), S. 226 ff.. (Tab. 1-3).
[07] Vgl. Jahresberichte der Leipziger Lebensversicherungs-Gesellschaft a. G. 1907 ff., in: StA-L, Amtsgericht Leipzig, HR B 627, Bd. 1-6. Vgl. auch Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit. 125 Jahre, Frankfurt/Main 1955, S. 29ff.
[08] Vgl. StA-L, Amtsgericht Leipzig, HR B 627, Bd. 4.
[09] Vgl. StA-L, Amtsgericht Leipzig, HR B 627, Bd. 8. Alte Leipziger (wie Anm. 7), S. 49 ff.
[10] Vgl. Alte Leipziger (wie Anm. 7), S. 58; vgl. Volker Weiß, Leipziger Feuerversicherungsanstalt. Ein historischer Bogen von 1819 bis 1994, in: Die Vergangenheit bewahren - die Zukunft gewinnen. Festschrift der Alten Leipziger Versicherung AG zum 175jährigen Jubiläum, S. 78 ff.
[11] Vereinzelt finden sich im Bestand auch Akten, denen jüngere Bescheinigungen der Nachfolgeinstitute aus der Zeit nach der Abwicklung des Unternehmens beigemengt sind. Dies wird bei den Laufzeitangaben berücksichtigt. Die Provenienz der Akten bleibt hiervon indes unberührt, da es sich in der Regel nicht um wesentlichen organischen Schriftgutzuwachs handelt.
[12] Hinweis auf erhebliche kriegsbedingte Schriftgutverluste u. a. in: Bescheid der Deutschen Investitionsbank - Filiale Dresden an Dr. V. Wadynski vom 19.02.1960, in: StA-L Bestand Alte Leipziger Versicherung, Nr. 633; hierneben: Alte Leipziger (wie Anm. 7), S. 61.
Alte Leipziger Versicherung AG Oberursel (Taunus): Festschrift der Alten Leipziger Versicherung AG zum 175jährigen Jubiläum 1819 - 1994. (L)
Hypothekenunterlagen.- Lebensversicherungsscheine.
Die Alte Leipziger Lebensversicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit wurde auf Initiative des Leipziger Kaufmanns August Olearius im Jahre 1830 als "Lebensversicherungs-Gesellschaft zu Leipzig" gegründet. Hauptgeschäftsgegenstand des Unternehmens war das Versicherungsgeschäft für den Todesfall. Später wurde das Unternehmen auf die Lebensfallsversicherung ausgedehnt. Zunehmend griff die Gesellschaft auch das Darlehns- und Hypothekengeschäft auf. Auf Befehl der SMAD musste die Geschäftstätigkeit im März 1946 endgültig eingestellt werden. Im Juni 1948 erfolgte die Löschung im Handelsregister.
Infolge Kriegseinwirkung existiert lediglich noch eine fragmentarische Überlieferung. Die vorhandenen Unterlagen beziehen sich nicht nur auf den nordwestsächsischen Raum, sondern auf das gesamte Gebiet des Deutschen Reichs in seinen Grenzen von 1938.
  • 2015 | Findbuch / Datenbank
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