Beständeübersicht
Bestand
21082 E. A. Seemann, Leipzig
Datierung | 1864 - 1953 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 2,58 |
Bestand enthält auch 1 Archivalien, die aus rechtlichen Gründen hier nicht angezeigt werden können. Bitte wenden Sie sich im Bedarfsfall direkt an das Staatsarchiv Kontaktformular
Zur Verlegerfamilie Seemann
Der Verlagsgründer Ernst Elert Arthur Heinrich Seemann wurde am 9. März 1829 in Herford geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters absolvierte er 1845 – 1849 in der Verlagsbuchhandlung Velhagen & Klasing in Bielefeld eine Ausbildung zum Buchhändler. Nach Anstellungen bei verschiedenen Buchhandlungen bzw. Verlagen, u. a. bei Friedrich Volckmar in Leipzig und Alfred Pierer in Altenburg, eröffnete er am 1. Dezember 1858 in Essen die Verlags- und Sortimentsbuchhandlung "E. A. Seemann". Nach dem Verkauf der Sortimentsabteilung 1861 verlegte Seemann den Firmensitz nach Leipzig. Neben seiner Verlegertätigkeit war er hier als Stadtverordneter und erster Schatzmeister des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler aktiv. Ernst Seemann starb am 5. Oktober 1904 in Großbothen.
Bereits 1891 hatte er seinen am 30. November 1861 geborenen Sohn Artur Gustav Otto Emil Seemann als Teilhaber in die Firma aufgenommen und ihm nach seinem Austritt aus der Firma 1899 die Leitung übertragen. 1902 wurde der mit Seemann befreundete Gustav Kirstein Mitinhaber des Unternehmens.[01] Artur Seemann zog sich im Lauf der Zeit mehr und mehr ins Privatleben zurück. Im Dezember 1923, zwei Jahre vor seinem Tod, schied Artur Seemann offiziell aus dem Unternehmen aus. An seine Stelle trat sein am 27. Februar 1892 geborener Sohn Elert Theodor Alfred Seemann.[02]
Dieser trennte sich 1933 aufgrund dessen jüdischer Herkunft vom Teilhaber Gustav Kirstein und führte den Verlag E. A. Seemann bis 1945 allein weiter. Nach Kriegsende versuchte Elert A. Seemann eine neue Verlagslizenz von der sowjetischen Militäradministration zu erlangen, um den schwer zerstörten Verlag wieder aufzubauen. Diese wurde ihm wegen seiner aktiven Mitarbeit in der NSDAP verwehrt. Daraufhin übergab Seemann den Verlag an seine Schwester Irmgard Nußbaum-Seemann, verließ die sowjetische Besatzungszone und baute in Köln einen neuen Kunstverlag auf.[03] Er starb 1989.
Irmgard Nussbaum-Seemann wurde 1946 die Verlagsgenehmigung für das Leipziger Unternehmen erteilt und sie begann mit dem Wiederaufbau der Firma. Aufgrund der immer schwieriger werdenden Bedingungen für Privatunternehmen verließ Irmgard Nußbaum 1952 die DDR, um ihre Verlagstätigkeit in Bayern fortzuführen.
Verlagsgeschichte
Ernst Elert Arthur Heinrich Seemann ließ seinen Verlag mit Sitz in Leipzig am 17. März 1862 in das Handelsregister eintragen.[04] Der Firmenstandort befand sich zunächst in der Garten-, später in der Querstraße. 1912 bezog das Unternehmen einen Neubau, das sog. "Seemann-Haus", in der Hospitalstraße.[05]
1892 gründete Artur Seemann mit Eugen Twietmeyer, seinem Schwager, eine Firma E. A. Seemann Separatkonto, die seit 1897 unter dem Namen Seemann & Co. firmierte und 1927 wieder erlosch, deren Bezeichnung 1930 aber wieder aufgegriffen wurde.[06]
1923 beschlossen Artur Gustav Otto Emil Seemann und Gustav Kirstein die Abtrennung der Lichtbildanstalt vom Verlag und meldeten diese als eigenständige Firma "E. A. Seemanns Lichtbildanstalt" beim Amtsgericht Leipzig an. 1934 erlosch die Firma und wurde wieder E. A. Seemann zugeordnet.[07]
Am 1. Juli 1933 wurde der Gesellschaftsvertrag zwischen Elert Seemann und Gustav Kirstein für das Unternehmen E. A. Seemann gelöst. Letzterer musste die Firma verlassen und wurde mit dem Verlag Seemann & Co., der auf den Druck von Kunstblättern spezialisiert war, abgefunden. Nach Kirsteins Tod 1934 führte seine Frau Cläre den Verlag zunächst weiter. 1938 musste aufgrund rechtlicher Probleme der Name des Unternehmens in "Meister der Farbe" geändert werden.[08] Im November desselben Jahres wurde Frau Kirstein aufgrund ihrer jüdischen Herkunft die Genehmigung zur Verlagsführung entzogen. "Meister der Farbe" wurde zunächst treuhänderisch durch den SS-Standartenführer G. Noatzke, danach durch den Wirtschaftsprüfer Gerhard Schulze verwaltet. Im September 1942 übernahm Elert Seemann den Verlag, nun wieder unter der Bezeichnung Seemann & Co., in sein Unternehmen E. A. Seemann.[09] In das Firmengefüge gehörte außerdem die Versandbuchhandlung "Bildungsdienst zur Verbreitung guter Bücher und Bilder", die 1946 in "Gute Bücher und Bilder Irmgard Nußbaum" umbenannt wurde.[10]
Am 4. Dezember 1943 wurde der Verlag E. A. Seemann während des Bombenangriffs auf Leipzig vollständig zerstört. Aus diesem Grund wurde der Firmensitz nach Belgershain verlegt, wo der Geschäftsbetrieb am 4. Januar 1944 notdürftig wieder aufgenommen wurde. Die Redaktion des Künstlerlexikons "Thieme-Becker" wurde mit der zugehörigen Bibliothek schon vor der Bombardierung in das Schloss Königsfeld ausgelagert.[11]
1944 errichtete der Verlag die ursprünglich in Leipzig befindliche und dort 1943 zerstörte Abteilung Strahlbilder als Zweigniederlassung unter Leitung Irmgard Nußbaum-Seemanns in Dresden.[12] Dort wurde sie 1945 wiederum zerstört. Frau Nußbaum-Seemann kehrte nach Leipzig zurück und übernahm dort im Februar 1946 offiziell die Verlagsführung, die sie bis zu ihrer Ausreise Anfang 1952 innehatte. Im Februar des genannten Jahres wurde der Buchbinder Georg Willy Rasp als Treuhänder bestellt, im April 1952 übernahm der VEB Verlag der Kunst Dresden die Treuhänderschaft.[13] Der Verlag E. A. Seemann wurde ab August 1952 als eigenständiger volkseigener Betrieb in der Jacobstraße 6 weitergeführt.
Verlagsprogramm
Ernst Seemann konzentrierte sich seit der Gründung seines Unternehmens auf die Verlagstätigkeit im Bereich Kunst und Kunstgeschichte. Unter dem aus dem Familiennamen abgeleiteten Verlagssignet, einem auf einem Delfin reitenden Putto, wurden Kunstliteratur und hochwertige Reproduktionen bedeutender Kunstwerke verlegt, die das Unternehmen über die Grenzen Deutschlands hinaus, zu einem der angesehensten Kunstverlage machten.
Das erste Verlagsprojekt war die Neuauflage der aus dem Rengerschen Verlag übernommenen "Geschichte der Architektur" von Wilhelm Lübke. Ein großer Erfolg war der Kauf der Verlagsrechte an den Werken des Schweizer Kunsthistorikers Jacob Burckhardt, z. B. "Cicerone".[14] 1879 bis 1889 verlegte Seemann die dreibändige "Geschichte der Malerei von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts", den sog. "Woltmann-Woermann". Außerdem begründete er die "Zeitschrift für bildende Kunst" und produzierte die "Jahrbücher für Kunstwissenschaft" in seinem Verlag. Seit 1877 wurden die bei einem breiten Publikum sehr beliebten "Kunsthistorischen Bilderbogen" herausgegeben, die auf dem großen Holzstichbestand des Verlags basierten.[15]
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts legte der Verlag einen Schwerpunkt auf die Herausgabe farbiger Reproduktionen berühmter Gemälde. Der Vertrieb erfolgte sowohl in Einzelblattform als auch in Kunstmappen, außerdem wurden Postkarten gedruckt. Dieser Produktionszweig entwickelte sich zu einem großen wirtschaftlichen Erfolg und das Unternehmen war bestrebt, technische Neuerungen des Farbendrucks zu übernehmen, um eine Wiedergabe der Kunstwerke in hoher Qualität zu ermöglichen.
Ein weiteres verlegerisches Großprojekt bildete seit 1911 die Herausgabe des vom Verlag Walter Engelmann übernommenen "Allgemeinen Lexikons der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart", das in der Fachwelt nach seinen Bearbeitern als "Thieme-Becker" bezeichnet wird. Die Arbeit an dem umfassenden Werk wurde 1950 mit Band 37 durch Hans Vollmer abgeschlossen.
Ebenfalls seit 1911 produzierte E. A. Seemann als "Seemanns Lichtbildanstalt" die sog. Seestern-Lichtbilder, Diapositivreihen für Lehr- und Unterrichtszwecke.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Der vorliegende Bestand stellt mit 2,6 lfm Schriftgut und 31500 Fotos nur einen geringen Bruchteil des ursprünglichen Verlagsarchivs dar, das beim Bombenangriff am 4. Dezember 1943 zusammen mit den Verlagsgebäuden fast vollständig vernichtet wurde. Außerdem wurden nach dem Krieg weitere Unterlagen zum Zweck der Verlagsgründung von Irmgard Nußbaum-Seemann nach München gebracht, so dass weitere Überlieferungslücken entstanden.
Die ersten Unterlagen des Bestandes wurden im Verwaltungsarchiv des VEB E. A. Seemann Verlag Leipzig 1982 unter Leitung von G. Gebauer und C. Fritzsche erschlossen und technisch bearbeitet. Aufgrund des großen historischen Wertes und der geringen Überlieferungsdichte wurde keine Kassation durchgeführt. Die Unterlagen der Firmen E. A. Seemann, Leipzig; Seemann & Co., Leipzig sowie Gute Bücher und Bilder, Irmgard Nußbaum wurden aufgrund ihrer engen Verflechtung zu einem Bestand E. A. Seemann, Leipzig zusammengefasst.
Mit dem Übergang des Verlages in die Dornier-Gruppe 1992, seinem Umzug nach Berlin bzw. in das Haus des Buches Leipzig, wurden die Reste des Verlagsarchivs 1996 an das Sächsische Staatsarchiv Leipzig übergeben. Diese zuerst als Nachtrag chronologisch verzeichneten Akten wurden im Zuge der 2010 durchgeführten Retrokonversion in die Klassifikation eingearbeitet. 2011 kaufte das Sächsische Staatsarchiv zahlreiche mit Fotos, v. a. kunsthistorischen Inhalts, beklebte Tafeln aus Privathand an, die in Seemanns Lichtbildanstalt entstanden waren. 2015 erfolgte die Übernahme von 1,28 lfm Schriftgut von der Seemann Henschel Gmbh & Co. KG. Diese Unterlagen und Bildtafeln wurden 2015 erschlossen. 2016 erfolgte eine inhaltliche Überarbeitung des Bestandes und seiner Klassifikation. Dabei wurden auch alle Verlagsverträge erfasst.
Einige Akten weisen so starke Brandschäden auf, dass eine Einsicht in die Originale nicht möglich ist. Die Akten Nr. 1 – 140 sind verfilmt.
Überlieferungsschwerpunkte
Besonders hervorzuheben sind die Verlagsverträge mit Autoren und Künstlern, die wertvolle Autographen enthalten. Einen guten Einblick in das Verlagsprogramm im Bereich Lichtbildreihen bieten die o. g. Bildtafeln.[16] Eine Besonderheit im Bestand bilden die Akten mit der Verlagskorrespondenz des Marées-Reproduktions-Verlags, Halle. Dieser Verlag, der sich ausschließlich mit der Vermarktung der Werke Hans von Marées befasste, trat seine Verlagsrechte an E. A. Seemann ab und übergab offensichtlich seine Unterlagen an den neuen Besitzer.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Sächsisches Staatsarchiv Leipzig:
21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I)
20124 Amtsgericht Leipzig, Handelsregister
Sächsisches Wirtschaftsarchiv e. V. Leipzig:
U 83 Redaktion Allgemeines Künstlerlexikon, Leipzig
Katrin Heil
Juni 2016
[01] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 208, Bl. I b.
[02] Ebenda, Bl. 50.
[03] Ebenda, Bl. 87.
[04] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRB 154, HRA 208, Bl. I.
[05] Knopf, Sabine, Buchstadt Leipzig: der historische Reiseführer, S. 13 f.
[06] Langer, Alfred, Kunstliteratur und Reproduktion, Leipzig 1983, S. 134.
[07] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 22460.
[08] 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Nr. F 8584 Bl. 50.
[09] Ebenda, Bl. 32f.
[10] 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Nr. F 713, Bl. 33b.
[11] 21082 E. A. Seemann, Leipzig, Nr. 26.
[12] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 208, Bl. 83.
[13] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 208, Bl. 97ff.
[14] Langer, Alfred, Kunstliteratur und Reproduktion, Leipzig 1983, S. 29f.
[15] Ebenda, S. 46 ff.
[16] s. a. Dienstbibliothek, Hauptkatalog der Seestern-Lichtbilder, Leipzig 1926, Signatur 321533. Entsprechende Diapositive befinden sich u. a. im Dia-Archiv des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg, siehe http://www.dia-archiv-kunstgeschichte.uni-hamburg.de/ (Abruf 16.06.2016).
Der Verlagsgründer Ernst Elert Arthur Heinrich Seemann wurde am 9. März 1829 in Herford geboren. Nach dem frühen Tod seines Vaters absolvierte er 1845 – 1849 in der Verlagsbuchhandlung Velhagen & Klasing in Bielefeld eine Ausbildung zum Buchhändler. Nach Anstellungen bei verschiedenen Buchhandlungen bzw. Verlagen, u. a. bei Friedrich Volckmar in Leipzig und Alfred Pierer in Altenburg, eröffnete er am 1. Dezember 1858 in Essen die Verlags- und Sortimentsbuchhandlung "E. A. Seemann". Nach dem Verkauf der Sortimentsabteilung 1861 verlegte Seemann den Firmensitz nach Leipzig. Neben seiner Verlegertätigkeit war er hier als Stadtverordneter und erster Schatzmeister des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler aktiv. Ernst Seemann starb am 5. Oktober 1904 in Großbothen.
Bereits 1891 hatte er seinen am 30. November 1861 geborenen Sohn Artur Gustav Otto Emil Seemann als Teilhaber in die Firma aufgenommen und ihm nach seinem Austritt aus der Firma 1899 die Leitung übertragen. 1902 wurde der mit Seemann befreundete Gustav Kirstein Mitinhaber des Unternehmens.[01] Artur Seemann zog sich im Lauf der Zeit mehr und mehr ins Privatleben zurück. Im Dezember 1923, zwei Jahre vor seinem Tod, schied Artur Seemann offiziell aus dem Unternehmen aus. An seine Stelle trat sein am 27. Februar 1892 geborener Sohn Elert Theodor Alfred Seemann.[02]
Dieser trennte sich 1933 aufgrund dessen jüdischer Herkunft vom Teilhaber Gustav Kirstein und führte den Verlag E. A. Seemann bis 1945 allein weiter. Nach Kriegsende versuchte Elert A. Seemann eine neue Verlagslizenz von der sowjetischen Militäradministration zu erlangen, um den schwer zerstörten Verlag wieder aufzubauen. Diese wurde ihm wegen seiner aktiven Mitarbeit in der NSDAP verwehrt. Daraufhin übergab Seemann den Verlag an seine Schwester Irmgard Nußbaum-Seemann, verließ die sowjetische Besatzungszone und baute in Köln einen neuen Kunstverlag auf.[03] Er starb 1989.
Irmgard Nussbaum-Seemann wurde 1946 die Verlagsgenehmigung für das Leipziger Unternehmen erteilt und sie begann mit dem Wiederaufbau der Firma. Aufgrund der immer schwieriger werdenden Bedingungen für Privatunternehmen verließ Irmgard Nußbaum 1952 die DDR, um ihre Verlagstätigkeit in Bayern fortzuführen.
Verlagsgeschichte
Ernst Elert Arthur Heinrich Seemann ließ seinen Verlag mit Sitz in Leipzig am 17. März 1862 in das Handelsregister eintragen.[04] Der Firmenstandort befand sich zunächst in der Garten-, später in der Querstraße. 1912 bezog das Unternehmen einen Neubau, das sog. "Seemann-Haus", in der Hospitalstraße.[05]
1892 gründete Artur Seemann mit Eugen Twietmeyer, seinem Schwager, eine Firma E. A. Seemann Separatkonto, die seit 1897 unter dem Namen Seemann & Co. firmierte und 1927 wieder erlosch, deren Bezeichnung 1930 aber wieder aufgegriffen wurde.[06]
1923 beschlossen Artur Gustav Otto Emil Seemann und Gustav Kirstein die Abtrennung der Lichtbildanstalt vom Verlag und meldeten diese als eigenständige Firma "E. A. Seemanns Lichtbildanstalt" beim Amtsgericht Leipzig an. 1934 erlosch die Firma und wurde wieder E. A. Seemann zugeordnet.[07]
Am 1. Juli 1933 wurde der Gesellschaftsvertrag zwischen Elert Seemann und Gustav Kirstein für das Unternehmen E. A. Seemann gelöst. Letzterer musste die Firma verlassen und wurde mit dem Verlag Seemann & Co., der auf den Druck von Kunstblättern spezialisiert war, abgefunden. Nach Kirsteins Tod 1934 führte seine Frau Cläre den Verlag zunächst weiter. 1938 musste aufgrund rechtlicher Probleme der Name des Unternehmens in "Meister der Farbe" geändert werden.[08] Im November desselben Jahres wurde Frau Kirstein aufgrund ihrer jüdischen Herkunft die Genehmigung zur Verlagsführung entzogen. "Meister der Farbe" wurde zunächst treuhänderisch durch den SS-Standartenführer G. Noatzke, danach durch den Wirtschaftsprüfer Gerhard Schulze verwaltet. Im September 1942 übernahm Elert Seemann den Verlag, nun wieder unter der Bezeichnung Seemann & Co., in sein Unternehmen E. A. Seemann.[09] In das Firmengefüge gehörte außerdem die Versandbuchhandlung "Bildungsdienst zur Verbreitung guter Bücher und Bilder", die 1946 in "Gute Bücher und Bilder Irmgard Nußbaum" umbenannt wurde.[10]
Am 4. Dezember 1943 wurde der Verlag E. A. Seemann während des Bombenangriffs auf Leipzig vollständig zerstört. Aus diesem Grund wurde der Firmensitz nach Belgershain verlegt, wo der Geschäftsbetrieb am 4. Januar 1944 notdürftig wieder aufgenommen wurde. Die Redaktion des Künstlerlexikons "Thieme-Becker" wurde mit der zugehörigen Bibliothek schon vor der Bombardierung in das Schloss Königsfeld ausgelagert.[11]
1944 errichtete der Verlag die ursprünglich in Leipzig befindliche und dort 1943 zerstörte Abteilung Strahlbilder als Zweigniederlassung unter Leitung Irmgard Nußbaum-Seemanns in Dresden.[12] Dort wurde sie 1945 wiederum zerstört. Frau Nußbaum-Seemann kehrte nach Leipzig zurück und übernahm dort im Februar 1946 offiziell die Verlagsführung, die sie bis zu ihrer Ausreise Anfang 1952 innehatte. Im Februar des genannten Jahres wurde der Buchbinder Georg Willy Rasp als Treuhänder bestellt, im April 1952 übernahm der VEB Verlag der Kunst Dresden die Treuhänderschaft.[13] Der Verlag E. A. Seemann wurde ab August 1952 als eigenständiger volkseigener Betrieb in der Jacobstraße 6 weitergeführt.
Verlagsprogramm
Ernst Seemann konzentrierte sich seit der Gründung seines Unternehmens auf die Verlagstätigkeit im Bereich Kunst und Kunstgeschichte. Unter dem aus dem Familiennamen abgeleiteten Verlagssignet, einem auf einem Delfin reitenden Putto, wurden Kunstliteratur und hochwertige Reproduktionen bedeutender Kunstwerke verlegt, die das Unternehmen über die Grenzen Deutschlands hinaus, zu einem der angesehensten Kunstverlage machten.
Das erste Verlagsprojekt war die Neuauflage der aus dem Rengerschen Verlag übernommenen "Geschichte der Architektur" von Wilhelm Lübke. Ein großer Erfolg war der Kauf der Verlagsrechte an den Werken des Schweizer Kunsthistorikers Jacob Burckhardt, z. B. "Cicerone".[14] 1879 bis 1889 verlegte Seemann die dreibändige "Geschichte der Malerei von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts", den sog. "Woltmann-Woermann". Außerdem begründete er die "Zeitschrift für bildende Kunst" und produzierte die "Jahrbücher für Kunstwissenschaft" in seinem Verlag. Seit 1877 wurden die bei einem breiten Publikum sehr beliebten "Kunsthistorischen Bilderbogen" herausgegeben, die auf dem großen Holzstichbestand des Verlags basierten.[15]
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts legte der Verlag einen Schwerpunkt auf die Herausgabe farbiger Reproduktionen berühmter Gemälde. Der Vertrieb erfolgte sowohl in Einzelblattform als auch in Kunstmappen, außerdem wurden Postkarten gedruckt. Dieser Produktionszweig entwickelte sich zu einem großen wirtschaftlichen Erfolg und das Unternehmen war bestrebt, technische Neuerungen des Farbendrucks zu übernehmen, um eine Wiedergabe der Kunstwerke in hoher Qualität zu ermöglichen.
Ein weiteres verlegerisches Großprojekt bildete seit 1911 die Herausgabe des vom Verlag Walter Engelmann übernommenen "Allgemeinen Lexikons der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart", das in der Fachwelt nach seinen Bearbeitern als "Thieme-Becker" bezeichnet wird. Die Arbeit an dem umfassenden Werk wurde 1950 mit Band 37 durch Hans Vollmer abgeschlossen.
Ebenfalls seit 1911 produzierte E. A. Seemann als "Seemanns Lichtbildanstalt" die sog. Seestern-Lichtbilder, Diapositivreihen für Lehr- und Unterrichtszwecke.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Der vorliegende Bestand stellt mit 2,6 lfm Schriftgut und 31500 Fotos nur einen geringen Bruchteil des ursprünglichen Verlagsarchivs dar, das beim Bombenangriff am 4. Dezember 1943 zusammen mit den Verlagsgebäuden fast vollständig vernichtet wurde. Außerdem wurden nach dem Krieg weitere Unterlagen zum Zweck der Verlagsgründung von Irmgard Nußbaum-Seemann nach München gebracht, so dass weitere Überlieferungslücken entstanden.
Die ersten Unterlagen des Bestandes wurden im Verwaltungsarchiv des VEB E. A. Seemann Verlag Leipzig 1982 unter Leitung von G. Gebauer und C. Fritzsche erschlossen und technisch bearbeitet. Aufgrund des großen historischen Wertes und der geringen Überlieferungsdichte wurde keine Kassation durchgeführt. Die Unterlagen der Firmen E. A. Seemann, Leipzig; Seemann & Co., Leipzig sowie Gute Bücher und Bilder, Irmgard Nußbaum wurden aufgrund ihrer engen Verflechtung zu einem Bestand E. A. Seemann, Leipzig zusammengefasst.
Mit dem Übergang des Verlages in die Dornier-Gruppe 1992, seinem Umzug nach Berlin bzw. in das Haus des Buches Leipzig, wurden die Reste des Verlagsarchivs 1996 an das Sächsische Staatsarchiv Leipzig übergeben. Diese zuerst als Nachtrag chronologisch verzeichneten Akten wurden im Zuge der 2010 durchgeführten Retrokonversion in die Klassifikation eingearbeitet. 2011 kaufte das Sächsische Staatsarchiv zahlreiche mit Fotos, v. a. kunsthistorischen Inhalts, beklebte Tafeln aus Privathand an, die in Seemanns Lichtbildanstalt entstanden waren. 2015 erfolgte die Übernahme von 1,28 lfm Schriftgut von der Seemann Henschel Gmbh & Co. KG. Diese Unterlagen und Bildtafeln wurden 2015 erschlossen. 2016 erfolgte eine inhaltliche Überarbeitung des Bestandes und seiner Klassifikation. Dabei wurden auch alle Verlagsverträge erfasst.
Einige Akten weisen so starke Brandschäden auf, dass eine Einsicht in die Originale nicht möglich ist. Die Akten Nr. 1 – 140 sind verfilmt.
Überlieferungsschwerpunkte
Besonders hervorzuheben sind die Verlagsverträge mit Autoren und Künstlern, die wertvolle Autographen enthalten. Einen guten Einblick in das Verlagsprogramm im Bereich Lichtbildreihen bieten die o. g. Bildtafeln.[16] Eine Besonderheit im Bestand bilden die Akten mit der Verlagskorrespondenz des Marées-Reproduktions-Verlags, Halle. Dieser Verlag, der sich ausschließlich mit der Vermarktung der Werke Hans von Marées befasste, trat seine Verlagsrechte an E. A. Seemann ab und übergab offensichtlich seine Unterlagen an den neuen Besitzer.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Sächsisches Staatsarchiv Leipzig:
21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I)
20124 Amtsgericht Leipzig, Handelsregister
Sächsisches Wirtschaftsarchiv e. V. Leipzig:
U 83 Redaktion Allgemeines Künstlerlexikon, Leipzig
Katrin Heil
Juni 2016
[01] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 208, Bl. I b.
[02] Ebenda, Bl. 50.
[03] Ebenda, Bl. 87.
[04] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRB 154, HRA 208, Bl. I.
[05] Knopf, Sabine, Buchstadt Leipzig: der historische Reiseführer, S. 13 f.
[06] Langer, Alfred, Kunstliteratur und Reproduktion, Leipzig 1983, S. 134.
[07] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 22460.
[08] 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Nr. F 8584 Bl. 50.
[09] Ebenda, Bl. 32f.
[10] 21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Nr. F 713, Bl. 33b.
[11] 21082 E. A. Seemann, Leipzig, Nr. 26.
[12] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 208, Bl. 83.
[13] 20124 Amtsgericht Leipzig, HRA 208, Bl. 97ff.
[14] Langer, Alfred, Kunstliteratur und Reproduktion, Leipzig 1983, S. 29f.
[15] Ebenda, S. 46 ff.
[16] s. a. Dienstbibliothek, Hauptkatalog der Seestern-Lichtbilder, Leipzig 1926, Signatur 321533. Entsprechende Diapositive befinden sich u. a. im Dia-Archiv des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg, siehe http://www.dia-archiv-kunstgeschichte.uni-hamburg.de/ (Abruf 16.06.2016).
Verlag E. A. Seemann, Leipzig: 90 Jahre Verlag E. A. Seemann, Leipzig 1858 - 1948
Autorenkorrespondenz.- Verlagsverträge.- Hauptbücher.- Personal.- Familiengeschichtliche Unterlagen.- Foto-Tafeln zu Seestern-Lichtbildreihen.
Ernst Elert Arthur Heinrich Seemann eröffnete 1858 in Essen eine Sortiments- und Verlagsbuchhandlung mit Kunst-, Musikalien- und Antiquariatsabteilung. Damit entstand Deutschlands ältester Kunstverlag. 1861 siedelte Seemann nach Leipzig über, um sich stärker der verlegerischen Tätigkeit zu widmen. Die Verlagsproduktion setzte sich v. a. aus kunsthistorischen und kunstwissenschaftlichen Werken insbesondere auch aus farbigen Gemäldereproduktionen zusammen. 1911 übernahm der Verlag das Allgemeine Lexikon der bildenden Künstler, den "Thieme-Becker". Im August 1952 wurde der Verlag volkseigen und führte seitdem den Namen VEB E. A. Seemann Buch- und Kunstverlag Leipzig.
Der Bestand enthält Unterlagen der familiär verbundenen Firmen Verlag E. A. Seemann, Seemann & Co. sowie Bildungsdienst Irmgard Nußbaum.
Der Bestand enthält Unterlagen der familiär verbundenen Firmen Verlag E. A. Seemann, Seemann & Co. sowie Bildungsdienst Irmgard Nußbaum.
- 2016 | Findbuch / Datenbank
- 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5