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Beständeübersicht

Bestand

21120 SPD-Bezirksvorstand Leipzig

Datierung(1927 - 1933) 1945 - 1946
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)0,45
Geschichte des SPD-Bezirksvorstandes Leipzig

Für die im Jahr 1869 gegründete SPD hatte Leipzig eine herausragende Bedeutung. Hier wirkten August Bebel und Wilhelm Liebknecht, Verlage und Druckereien der Arbeiterpresse waren über viele Jahre in der Messestadt angesiedelt. Nachdem 1890 das Sozialistengesetz außer Kraft trat, erlebte die SPD in den Folgejahren einen Mitgliederzulauf. Die Organisationsstrukturen, bis dahin Ortsgruppen und Kreise, mussten angepasst werden. In den Jahren 1907 und 1908 erfolgte die Einrichtung von Bezirksverbänden mit Bezirkssekretariaten. Waren die Parteifunktionäre bis dahin ehrenamtlich tätig gewesen, gab es seit dem einen fest angestellten hauptamtlichen Bezirkssekretär. Bezirksvorsitzender für Leipzig war von 1908 bis 1933 Richard Lipinski [01] . Er sah in den Bezirksverbänden Orte der innerparteilichen Willensbildung und Entscheidungsfindung. [02] Mit dem Verbot der SPD und der Beschlagnahme ihres Vermögens [03] im Jahr 1933 begann ein "Überwintern in der Diktatur", wobei der SPD ihre stabilen Strukturen auf der Basis von Ortsgruppen nützlich waren. [04] Der erhalten gebliebene Zusammenhalt äußerte sich im Jahre 1936 zur Trauerfeier für Richard Lipinski auf dem Leipziger Südfriedhof, an der etwa 1000 Personen teilnahmen. Mit der Leitung der illegalen Parteiorganisation wurde nun Lipinskis Schwiegersohn Stanislaw Trabalski [05] betraut. Dessen Tätigkeit bei der Konsumgenossenschaft Leipzig-Plagwitz in den Bereichen Mitgliederbetreuung und Werbung ermöglichte ihm das Aufrechterhalten von Kontakten zwischen SPD-Mitgliedern während der Illegalität.
Mit dem Einmarsch der amerikanischen Truppen im April 1945 in Leipzig war die Tätigkeit politischer Parteien verboten. Jedoch gelang es der SPD bei der Besetzung von Stellen der Leipziger Stadtverwaltung berücksichtigt zu werden. So wurden Heinrich Fleißner als Polizeipräsident, Hans Vierling als Oberbürgermeister und Erich Zeigner als Stadtrat für das Kulturwesen von der amerikanischen Besatzungsmacht ernannt. Im Mai 1945 wurde ein informeller SPD-Arbeitsausschuss gebildet, dessen Vorsitzender Stanislaw Trabalski wurde. Obwohl von den Leipziger Sozialdemokraten nach dem Ende der NS-Diktatur zunächst die Bildung einer einheitlichen Arbeiterpartei favorisiert wurde, verfolgte man dieses Ziel nicht weiter, weil bereits im April 1945 die KPD mit der Bildung einer Unterbezirksleitung ihre eigene Selbstständigkeit nach außen deutlich manifestiert hatte und ihre stalinistischen Strategien bei den Sozialdemokraten auf Ablehnung stießen. Mit dem Wechsel der Besatzungsmacht am 2. Juli 1945 wurde der SMAD-Befehl Nr. 2 vom 10. Juni 1945 über die Gründung antifaschistisch-demokratischer Parteien und Gewerkschaften unter der Kontrolle der sowjetischen Militäradministration wirksam. Damit war die Zulassung antifaschistischer Parteien möglich geworden. Im Gegensatz zur KPD, die bereits Anfang Juli 1945 erlaubt wurde, erhielt die SPD erst im August 1945 ihre Zulassung von der sowjetischen Besatzungsmacht.
Gefördert von der sowjetischen Besatzungsmacht war die KPD in der Lage, wichtige Bereiche in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung für sich zu beanspruchen. So kam es im August 1945 zur Entlassung von Heinrich Fleißner und zur Ernennung des Chemnitzer Kommunisten Kurt Wagner zum Polizeipräsidenten von Leipzig. Es gelang der SPD jedoch, die Funktion des Leipziger Oberbürgermeisters mit dem früheren sächsischen Ministerpräsidenten Erich Zeigner zu besetzen.
Der Leipziger Bezirksvorstand hatte bereits im Juli 1945 einen provisorischen Bezirksvorstand, den sogenannten 17er Ausschuss, gebildet. Auf dem ersten SPD-Bezirkstag am 26. August 1945 wurde der Bezirksvorstand mit seinem Vorsitzenden Stanislaw Trabalski bestätigt. Die auf dem Bezirkstag offen zu Tage getretenen Unstimmigkeiten mit der KPD führten in der Folge zur Herausgabe von Richtlinien, keine örtlichen Ausspracheabende mit Kommunisten mehr zu organisieren. [06] Nach dem von Wilhelm Pieck am 19. September 1945 auf einer Berliner KPD-Kundgebung postulierten Ziel einer einheitlichen Arbeiterpartei, das massiv von der Sowjetischen Militäradministration unterstützt wurde, kam es zu Auseinandersetzungen innerhalb der SPD. Der Leipziger Bezirksvorstand wandte sich gegen regionale Alleingänge, die Entscheidung über eine Fusion mit der KPD müsse einem Reichsparteitag vorbehalten bleiben. [07] Dies stand im Gegensatz zur Auffassung des Landesvorstandes, der unter der Führung von Otto Buchwitz die Vereinigungspläne guthieß. Die sowjetische Militäradministration übte massiven Druck auf den SPD-Bezirksvorstand aus. So wurde z. B. der im Februar 1946 geplante Bezirksparteitag verboten. Schließlich einigten sich KPD und SPD in Leipzig auf die Einrichtung eines paritätisch besetzten Einheitsbüros und entsprechenden Kommissionen zur Vorbereitung der Einheitspartei. Auf dem Bezirksparteitag am 30. März 1946 wurde der Vereinigung mit der KPD zugestimmt.
Die traditionelle Organisation der SPD in Ortsgruppen wurde im Hinblick auf die betriebsgruppenorientierte KPD-Struktur im Jahr 1945 erweitert. In den Betrieben wurden eigene Gruppen gebildet und Betriebsvertrauensleute der SPD eingesetzt. Die Ortsgruppen gehörten einem Unterbezirksverband an, dieser dem Bezirksverband. Zur Leitung des Bezirksverbandes wurde der Bezirksvorstand gebildet. Die Geschäftsführung lag beim engeren Bezirksvorstand, der aus neun Personen bestand und vom Bezirksparteitag gewählt wurde. [08] Abweichend von den sozialdemokratischen Traditionen wurde ein Landesvorstand Sachsen eingerichtet, der zwischen Zentralvorstand und Bezirksvorständen agierte.
Der Bezirksverband Leipzig umfasste die Unterbezirke in Rochlitz-Burgstädt-Mittweida, Borna, Döbeln, Grimma-Wurzen, Oschatz und Stadt und Landkreis Leipzig

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Für die Unterlagen der SED-Bezirksorganisationen sowie der KPD und der SPD aus dem Zeitraum April 1945 bis April 1946 unterhielt die SED in den Bezirken der DDR Bezirksparteiarchive. So auch im Bezirk Leipzig. Auf der Grundlage des Vertrages zwischen dem Freistaat Sachsen und der PDS vom 17. Dezember 1992 werden diese Unterlagen seit 1993 im Staatsarchiv Leipzig verwahrt. Mit übergeben wurde die im Bezirksparteiarchiv erstellte Findkartei, in der die Unterlagen vorwiegend einfach verzeichnet waren. Im Staatsarchiv Leipzig erfolgte im Jahr 1999 eine erste PC-Eingabe. Die weitere Bearbeitung wurde im Jahr 2007 im Verzeichnungsprogramm Augias Archiv 7.4 vorgenommen. Der zu Beginn der Verzeichnungsarbeiten angelegte Index wurde im Hinblick auf eine künftig vorrangige Volltextrecherchemöglichkeit nicht weitergeführt.

Bei dem Bestand handelt es sich um einen zusammengefassten Bestand, der die Provenienzen SPD-Bezirksvorstand Leipzig (23 Archivalieneinheiten) und SPD-Ortsgruppe Leipzig-Großzschocher (1 Archivalieneinheit) enthält. Bei der Archivalieneinheit aus der Ortsgruppe Leipzig-Großzschocher handelt es sich um das Protokollbuch der Ortsgruppe in dem handschriftliche Niederschriften zu Mitgliederversammlungen, Funktionärssitzungen und Vorstandssitzungen aus den Jahren 1927 bis 1933 enthalten sind.

Überlieferungsschwerpunkte

Die Überlieferung im Bestand ist lückenhaft. Das ergibt sich schon aus der geringen Anzahl der überlieferten Archivalieneinheiten. Es fehlen oftmals auch Antworten auf Schreiben an die sowjetische Besatzungsmacht. Wie diese Überlieferungslücken zustande kamen ist nicht bekannt. Das Bezirksparteiarchiv der SED wurde erst im Jahr 1963 eingerichtet. Über den Verbleib der Unterlagen in der Zwischenzeit und über möglicherweise vorgenommene Bearbeitungen liegen keine Informationen vor.

Schwerpunktmäßig finden sich in den Unterlagen Informationen aus der Stadt und dem Landkreis Leipzig über den Parteiaufbau, Mitgliederangelegenheiten einschließlich Mitgliederwerbung und die Auseinandersetzungen mit der KPD u. a. bei Besetzungen von Stellen in öffentlichen Verwaltungen. Es sind eine Reihe von Unterlagen zu Personen wie z. B. Personalbögen, Rehabilitierungsanträge und Darstellungen politischer Tätigkeiten überliefert, u. a. von Erich Zeigner [09] und Hans Schüler [10] . Auffällig ist, dass die Aktenführung von guter Qualität ist. Inhaltliche Kompetenz und sprachliche Gestaltung fallen im Gegensatz zur Überlieferung der KPD-Kreisleitungen Westsachsen auf. Dem SPD-Bezirksvorstand Leipzig kamen bei seiner Tätigkeit die Verwaltungserfahrungen von SPD-Mitgliedern wie Erich Zeigner, Heinrich Fleißner und Stanislaw Trabalski zugute. Außerdem unterhielt die SPD ein Zentrales Parteiarchiv in Berlin, das bereits 1945 wieder tätig wurde. So wurde z. B. von dort versucht, die Rückgabe der Parteizeitung "Vorwärts" aus der Deutschen Bücherei zu erreichen [11] .
Im Bestand sind umfangreiche Informationen über die Probleme der Vereinigung mit der KPD enthalten. Neben innerparteilichen Auseinandersetzungen über Ziele und Wege der Sozialdemokratie finden sich Unterlagen über die Auseinandersetzungen mit KPD-Mitgliedern. Dabei geht es um Stellenbesetzungen, die politische Streitkultur und vor allem um die Frage der einheitlichen Arbeiterpartei. Auch zu den Problemen des täglichen Lebens in der Nachkriegszeit finden sich Informationen, so z. B. zum Wiederaufbau der kriegszerstörten Infrastruktur, zur Nahrungsmittelversorgung, zu Gesundheits- und Hygienefragen, zu Versorgung und Unterbringung von Vertriebenen und Heimkehrern und zur Wohnraumvergabe.

Hinweise für die Benutzung

Im Bestand sind in erheblichem Umfang personenbezogene Daten enthalten. Er unterliegt daher den Schutzfristen gemäß § 10 Sächsisches Archivgesetz. Das gilt nicht für dieses Findbuch, denn die Aktentitel und Enthältvermerke sind in ihrer Formulierung so gewählt worden, dass gesetzliche Schutzfristen bei der Benutzung des Findmittels nicht beachtet werden müssen.
Der Bestand wurde im Staatsarchiv Leipzig technisch bearbeitet und dabei teilweise umsigniert. Bei der Benutzung ist daher die anliegende Konkordanz zu beachten.

Verweise auf korrespondierende Bestände

20231 Kreistag/Kreisrat Borna
20232 Kreistag/Kreisrat Döbeln
20233 Kreistag/Kreisrat Grimma
20234 Kreistag/Kreisrat Leipzig
20235 Kreistag/Kreisrat Oschatz
21119 KPD-Kreisleitungen Westsachsen mit Altenburg und Delitzsch
21121 Aktionsgemeinschaft der KPD und SPD Westsachsen
21122 SED-Bezirksvorstand Westsachsen
21079 Universalverlag Leipzig
21679 Nachlass Stanislaw Trabalski

Birgit Giese

Oktober 2007




[01] Richard Lipinski (geb. 6. Februar 1867, gest. 18. April 1936).
[02] Michael Rudloff und Thomas Adam, Leipzig, Wiege der deutschen Sozialdemokratie, Berlin 1996, S. 72 ff.
[03] Dazu gehörten u. a. die Leipziger Buchdruckerei AG, die Volkshaus GmbH und der Arbeiter-Turn-Verlag in Leipzig.
[04] Michael Rudloff und Thomas Adam, Leipzig, Wiege der deutschen Sozialdemokratie, S. 157.
[05] Stanislaw Trabalski, geb. 25.10.1896 in Leipzig, gest. 12.11.1985 in Leipzig, Feinmechaniker, Sekretär in der Konsumgenossenschaft Leipzig-Plagwitz, mehrere Verhaftungen 1933 – 1945, SPD-Bezirksvorsitzender Leipzig 1945 – 1946, 1946 paritätischer Vorsitzender der SED-Bezirksleitung Leipzig, bis 1948 Mitglied des SED-Landessekretariats, danach mehrere Verhaftungen, 1960 Werbesachbearbeiter im Bibliographischen Institut in Leipzig. Teile seines Nachlasses befinden sich im Archiv der sozialen Demokratie und im Staatsarchiv Leipzig.
[06] StA-L, 21120, SPD-Bezirksvorstand Leipzig, Nr. 7
[07] Michael Rudloff und Thomas Adam, Leipzig, Wiege der deutschen Sozialdemokratie, S. 199.
[08] StA-L, 21120, SPD-Bezirksvorstand Leipzig, Nr. 3
[09] Erich Zeigner, geb. 17. Februar 1886, gest. 9. April 1949. Sein Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Leipzig
[10] Hans Schüler, geb. 18. November 1897, gest. 23. Juni 1963, Generalintendant der Leipziger Bühnen 1936 bis 1947. Sein Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Mannheim
[11] StA-L, 21120, SPD-Bezirksvorstand Leipzig, Nr. 10.
Protokoll des 1. Bezirksparteitags 1945.- Sitzungen des Bezirksvorstands.- Funktionärskonferenzen und Tagungen.- Rundschreiben des Bezirksvorstands.- Schriftverkehr mit Behörden und Institutionen, anderen Parteien und Mitgliedern der SPD.- Arbeitsgemeinschaft SPD-Studenten.- Mitgliederangelegenheiten und -statistik.- Materialien von Betriebs- und Ortsgruppen der Stadt und des Kreises Leipzig.
Sachsen und Leipzig galten als Wiege der Sozialdemokratie. Wilhelm Liebknecht gewann 1879 den Wahlkreis Leipzig Land, 1903 siegte die SPD mit einer Ausnahme in allen sächsischen Reichstagswahlkreisen - Stichwort "Rotes Königreich". In diese Phase fällt auch die Bildung des SPD-Bezirksvorstands Leipzig im Kontext des Zusammenschlusses der sozialdemokratischen Ortsvereine der Reichstagswahlkreise zu Kreisvereinen und der Bildung von Bezirkssekretariaten. Zwischen 1917 und 1926 schwächten Richtungskämpfe und Abspaltungen (USPD/MSPD/ASPS) die Partei. Am 23. Juni 1933 wurde die SPD auch in Sachsen verboten. Am 27. Mai 1945 bildete sich in Leipzig ein Arbeitsausschuss, aus dem später der Bezirksvorstand Leipzig der SPD hervorging. Dieser Ausschuss trat als so genannter 17er Ausschuss am 11. Juli 1945 an die Öffentlichkeit, am 26. August fand der erste Bezirksparteitag statt. In die Phase der Zwangsvereinigung fällt der Beschluss des Bezirksparteitags am 30. März 1946 zum Zusammenschluss mit der KPD. Am 31. März 1946 erfolgte die Vereinigung von KPD und SPD zur SED, an die Stelle des SPD-Bezirksvorstands trat der Bezirksvorstand Westsachsen der SED.
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