Beständeübersicht
Bestand
21702 NDPD-Bezirksverband Leipzig
Datierung | 1948 - 1990 |
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Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 14,50 |
Zur Geschichte der NDPD
Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) entstand im Frühjahr 1948 auf Betreiben und mit Unterstützung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Ihre Gründung resultierte vor allem aus der schweren Krise, in die die Blockpolitik der SED seit Dezember 1947 geraten war. Die bürgerlichen Parteien LDP und CDU verweigerten trotz zahlreicher Repressalien die Anerkennung des kommunistischen Führungsanspruchs und verfolgten eigenständige Konzeptionen in zahlreichen politischen Grundfragen. [01] Ein zweiter wichtiger Ausgangspunkt war das Ende der Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands: Der Befehl Nr. 35 der SMAD vom 26. Februar 1948 erlaubte früheren Nationalsozialisten die Betätigung in den politischen Parteien. Die etwa zwei Millionen "Ehemaligen" stellten ein beachtliches Potential dar, das Besatzungsmacht und SED in die "antifaschistisch-demokratische Ordnung" integrieren, aber nicht den bürgerlichen Konkurrenzparteien überlassen wollten. Diesem Ziel diente auch die zweite Neugründung des Frühjahrs 1948, die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). [02]
Als offizielles Gründungsdatum der NDPD wurde bis 1989 der 25. Mai 1948 angegeben. An diesem Tag hatte in Potsdam eine Beratung der Vorsitzenden der Landes- und Gründungsausschüsse stattgefunden. Am 12. Juni 1948 schlossen sich die Gründungsausschüsse der fünf Länder der SBZ (ohne Berlin) zu einem vorläufigen Zonenausschuss zusammen. [03] Anschließend begann der Ausbau der Kreisverbände. Die Gründung der Partei von oben nach unten begünstigte von vornherein den Aufbau einer zentralistisch und autoritär geführten Kaderpartei, die zugleich das Vorbild für die von den Sowjets angestrebte Gleichschaltung von LDP und CDU war. [04] Die SMAD erteilte der NDPD am 16. Juni 1948 die Lizenz. Sechs Tage später beantragte der Parteivorstand, die im Herbst 1948 fälligen Gemeindewahlen um zunächst ein Jahr zu verschieben. Nachdem sich die DBD und mehrere gesellschaftliche Organisationen angeschlossen hatten, entsprach die sowjetische Besatzungsmacht dieser Bitte und verhinderte so die befürchtete Wahlniederlage der SED.
Im September 1948 existierten in allen fünf Ländern der sowjetischen Besatzungszone Landesvorstände der NDPD. Der starken Präsenz in Stadtgemeinden stand eine schwache Verankerung auf dem Lande gegenüber. Gleichwohl verfügte die Partei von Anfang an über einen großen Stab von hauptamtlichen Mitarbeitern, gut ausgestattete Büros und eigene Kraftfahrzeuge. Beim organisatorischen Aufbau erfuhr die NDPD massive Unterstützung seitens der SED, die u. a. bewährte Funktionäre in die Vorstände der neu gegründeten Partei entsandte. [05]
Die Mitgliederentwicklung der NDPD verlief anfangs äußerst schleppend. In der gesamten sowjetischen Besatzungszone zählte die Partei im Herbst 1948 nur 1.376 Mitglieder. In Sachsen gab es 15 Kreisverbände, aber nur 271 eingeschriebene "Parteifreunde". So gelang es anfangs kaum, in die Klientel der Konkurrenzparteien LDP und CDU einzubrechen: Frühere Liberaldemokraten machten noch Anfang 1950 nur etwa drei Prozent des Mitgliederbestandes aus. [06] Allerdings konnte die NDPD vereinzelt prominente Funktionäre aus der LDP herüberziehen. In Sachsen trat die Landtagsabgeordnete Marianne Legler zu den Nationaldemokraten über und verschaffte ihnen damit ihr erstes Parlamentsmandat. [07] Der spätere Vorsitzende des Bezirksverbandes Leipzig der NDPD, Klaus-Werner Jacobs, war bis April 1949 Referent für Sozialpolitik im thüringischen Landesvorstand der LDP. [08]
Auch die Integration von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern oder Wehrmachtangehörigen blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Ihr Anteil an der Mitgliederschaft betrug kaum mehr als zehn Prozent. Damit ist jedoch noch nichts über die Bedeutung und den Einfluss früherer Nationalsozialisten in der NDPD ausgesagt. Es deutet einiges darauf hin, dass sich unter den Funktionsträgern überdurchschnittlich viele "Ehemalige" befanden. [09]
Ungeachtet ihrer organisatorischen Schwäche wurde die NDPD am 30. Juli 1948 in den Deutschen Volksrat und am 7. September in den zentralen Blockausschuss aufgenommen, wo sie die Linie der SED vertrat und das Gewicht der bürgerlichen Parteien schwächte. Im November 1948 erhielt sie drei Präsidiumssitze in der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK), der Vorläuferin der DDR-Regierung. Ohne demokratische Legitimation und ohne nennenswerte Anhängerschaft erreichte die NDPD damit fast denselben Status wie LDP und CDU. [10]
In Sachsen verzögerte sich die Aufnahme in den Landesblock aufgrund des Widerstands der bürgerlichen Parteien noch bis Ende Mai 1949. Im Dezember traten Vertreter der NDPD sowie der Bauernpartei mit beratender Stimme in die Ausschüsse und das Plenum des Sächsischen Landtags ein. Die Nationaldemokraten reagierten auf die ablehnende Haltung von LDP und CDU, indem sie sich bereitwillig an den Säuberungsaktionen der SED im Frühjahr 1950 beteiligten. Für die Wahlen im Oktober 1950, die nach dem Einheitslistenprinzip stattfanden, erhielt die NDPD 35 von 400 Sitzen in der Volkskammer und 17 von 120 Sitzen im Sächsischen Landtag zugebilligt. Im Wahlkampf gebärdete sich die Partei zwar demonstrativ antimarxistisch, unterstützte aber andererseits die Positionen der SED in wichtigen politischen Fragen (gesamtdeutscher Anspruch, Verhältnis zur Sowjetunion, Oder-Neiße-Grenze).
Der organisatorische Aufbau war zu diesem Zeitpunkt auch auf Kreis- und Ortsebene weitgehend abgeschlossen. Laut Parteistatistik stieg die Zahl der Mitglieder von 17.000 Mitte 1949 auf 39.000 im März 1950 und auf 71.000 Anfang 1951. Ende Dezember 1952 erreichte die Entwicklung mit rund 106.000 Mitgliedern einen vorläufigen Höhepunkt, weshalb die SED massiv intervenierte: So wurde Anfang 1953 beschlossen, dass die NDPD keine Arbeiter mehr aufnehmen durfte. Wie bei den anderen Blockparteien auch, mussten die Betriebsgruppen ihre Arbeit einstellen. Nach der Zustimmung der NDPD-Führung zum propagierten "Aufbau des Sozialismus" im Juli 1952 gingen die Mitgliederzahlen bis auf 82.000 im Sommer 1953 zurück. Die Integration von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und Wehrmachtsangehörigen verlor zudem an Stellenwert und wurde 1956 für abgeschlossen erklärt. In den späten 1950er und den frühen 1960er Jahren scheint die Mitgliederzahl um 80.000 stagniert zu haben. [11]
Seitdem verstand sich die NDPD vor allem als Partei der städtischen Mittelschichten. Der Mitgliederanteil von Handwerkern und Gewerbetreibenden, die als bevorzugte Zielgruppe galten, nahm aber langsam ab, wie überhaupt der Anteil der Selbstständigen an der Gesamtbevölkerung der DDR zurückging. Die NDPD bemühte sich verstärkt um Angestellte, Akademiker und Angehörige "sonstiger" Bevölkerungsgruppen wie bspw. Rentner und Studenten, die auch im Leipziger Bezirksverband einen großen Teil des Mitgliederbestandes ausmachten. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass die Angestellten bis 1989 mit rund 40 Prozent das personelle Rückgrat der Partei bildeten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die meisten NDPD-Funktionäre hauptamtlich beschäftigt waren und das Verhältnis von Parteimitgliedern zu Funktions- bzw. Mandatsträgern bei vier zu eins lag. [12]
Spätestens seit dem 17. Juni 1953 bekannte sich die NDPD ohne Einschränkung zu den Zielen und zur politischen Praxis der SED. Dies galt besonders für die Deutschlandpolitik, deren taktische Wendungen die Nationaldemokraten meist kritiklos nachvollzogen. In den 1950er und 1960er Jahren versuchte die NDPD, Kontakt zu Bundesbürgern aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen herzustellen, Vorurteile gegenüber der DDR abzubauen und der SED politische Einflussmöglichkeiten anzubahnen. Nach der endgültigen Abkehr der SED vom Ziel der deutschen Einheit, das lange Zeit den Kern der nationaldemokratischen Programmatik darstellte, erlitt die NDPD einen erheblichen Identitätsverlust. Ähnliches gilt für die Zustimmung der Parteiführung zur 1972 erfolgten Verstaatlichung der letzten privaten bzw. halbstaatlichen Industrie- und Baubetriebe. [13]
Alle politischen Aktivitäten der NDPD wurden von der SED gelenkt oder mussten von ihr genehmigt werden. Die Anleitung und Kontrolle durch die Staatspartei erfolgte auf Bezirksebene vor allem durch die Abteilung "Befreundete Parteien und Massenorganisationen" der Bezirksleitung der SED. Bei regelmäßigen Treffen erläuterten führende SED-Funktionäre die Beschlüsse des Politbüros und gaben der NDPD "Empfehlungen" für deren Parteiarbeit. Die Nationaldemokraten konnten bei solchen Treffen ihre Positionen darlegen und auch eigene Projekte unterbreiten, mussten aber stets die Vormachtstellung der SED akzeptieren. Die SED hatte auch das letzte Wort bei allen personalpolitischen und organisatorischen Entscheidungen der NDPD, bei wichtigen Reden, öffentlichen Veranstaltungen oder Publikationen. [14]
Die enge Abhängigkeit von der SED schloss Kritik in Einzelfragen nicht aus. Die konstruktive Mitwirkung der NDPD war vor allem bei der Planerfüllung in der örtlichen Versorgungswirtschaft sowie im kommunalpolitischen Bereich erwünscht. Hier ergaben sich auch Möglichkeiten einer punktuellen Interessenvertretung für private und genossenschaftliche Handwerksbetriebe, Einzelhändler, Gastwirte oder andere Gewerbetreibende. Solche Perspektiven mögen dazu beigetragen haben, dass die Mitgliederzahl der Gesamtpartei bis auf 110.000 im Jahre 1987 anstieg. Letztlich aber war der NDPD nur eine eng begrenzte Mitbestimmung möglich, und schon seit den 1970er Jahren hielten Passivität und politische Trägheit Einzug in die Parteiarbeit. [15] Die propagandistischen Leerformeln der Parteidokumente und die Überanpassung führender Funktionäre an die SED scheint selbst von zahlreichen Mitgliedern abgelehnt worden zu sein, wie die schwache Beteiligung an Versammlungen oder zahlreiche Verfahren vor der Leipziger Bezirksparteikontrollkommission dokumentieren. [16]
Zur Geschichte der NDPD auf Bezirksebene
Nach der Auflösung der Länder im Juli 1952 waren die Landesverbände der NDPD in Bezirksverbände überführt worden. An die Stelle des Landesverbandes Sachsen traten die Bezirksorganisationen Dresden, Leipzig und Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt), die nach den Prinzipien des "demokratischen Zentralismus" direkt dem Ost-Berliner Parteiapparat unterstanden. In den folgenden Jahren glich die NDPD ihr Organisationsgefüge immer stärker dem der SED an, was sich auch im Schriftgut widerspiegelt.
Mit gut 6.000 Mitgliedern zählte der Bezirksverband Leipzig von Anfang an zu den größten und wichtigsten Bezirksorganisationen der NDPD. Die Stadt Leipzig hatte wegen der zweimal jährlich stattfindenden Messen besondere Bedeutung für die nationaldemokratische Parteiarbeit, sowohl hinsichtlich ihrer Mittelstandsorientierung als auch ihrer "Westarbeit". Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass neun von insgesamt 14 NDPD-Parteitagen in Leipzig stattfanden, zuletzt der 13. Parteitag im Mai 1987. [17]
Der Bezirksverband bestand aus 13 Kreisverbänden, von denen der Stadtverband Leipzig der mit Abstand größte war. In der Messestadt gab es außerdem sieben Stadtbezirksverbände. Die Orts- bzw. Wohngebietsverbände bildeten die "Grundeinheiten der Partei", die monatliche Zusammenkünfte sowie "Jahresmitgliederversammlungen" samt Parteiwahlen durchführten. Im Rat des Bezirkes, in den Räten der Kreise und in den Leipziger Stadtbezirken war die NDPD mit Ratsmitgliedern vertreten. Dabei hatte sie nicht selten Ämter inne, die entweder politisch zweitrangig oder undankbar waren – im Rat des Bezirkes Leipzig das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden für Handel und Versorgung. Diese Position brachte allerdings auch Vorteile mit sich, etwa bei der materiellen Sicherstellung von Bezirkskonferenzen und anderen Parteiveranstaltungen.
Höchstes Organ des Bezirksverbandes war zunächst der Bezirksparteitag, der den Bezirksausschuss sowie die Delegierten für zentrale NDPD-Parteitage wählte. Der Bezirksausschuss bestimmte den Bezirksvorstand, die Bezirksparteikontrollkommission sowie ein Sekretariat, das die tägliche Parteiarbeit leitete. Seit Beginn der 1970er Jahre fanden statt Parteitagen Bezirkskonferenzen statt, die in der Regel zweimal in fünf Jahren zusammentraten.
Die Struktur des Bezirksvorstandes entsprach in ihren Grundzügen der Gliederung des Ost-Berliner Parteivorstandes (seit 1974 Präsidium des Hauptausschusses): Der Vorsitzende, sein Stellvertreter und ein Politischer Geschäftsführer [18] bildeten gemeinsam mit den Abteilungsleitern die engere Parteiführung. Gemäß den Prinzipien des "demokratischen Zentralismus" und der "doppelten Unterstellung" unterstanden der Politische Geschäftsführer und die Leiter der Abteilungen direkt den Hauptabteilungsleitern beim zentralen Parteivorstand. Entsprechend war das Verhältnis des Bezirksvorstandes zu den Kreisvorständen geregelt. Im Unterschied zu LDP (seit 1951 LDPD) und CDU war die NDPD von Anfang an eine zentralistisch geführte Kaderpartei, in der ein demokratischer Willensbildungsprozess von unten nach oben kaum zustande kam. Parteiversammlungen und Studienzirkel dienten der Indoktrination der Mitglieder, Parteiwahlen zur formalen Billigung der von höheren Instanzen ausgesuchten Vorstandsmitglieder. Parteitage oder Delegiertenkonferenzen waren keine Diskussionsforen, sondern Manifestationen der "Einheit und Geschlossenheit", die schon in den 1960er Jahren minutiösen Drehbüchern und Diskussionsplanungen folgten. [19]
Vorsitzende des Bezirksverbandes Leipzig waren: Kurt Lachner (1952/53), Helmut Mertins (1954), Hans Rüdiger (1954-1964), Klaus-Werner Jacobs (1965-1981), Dr. Harry Hegler (1981-1983), Dr. Siegfried Krause (1983-1990) sowie Peter Bach (1990).
Im Bezirksvorstand gab es 1952 folgende Abteilungen:
Organisation
Personalpolitik
Politisches Studium und Kultur
Propaganda
Wirtschaft und Staatliche Verwaltung
Finanzen
Prüfung
Die Abteilung Prüfung war die Vorläuferin der 1953 nach dem Vorbild der SED gebildeten Bezirksparteikontrollkommission. Die BPKK hatte u. a. den Auftrag, die Parteidisziplin zu gewährleisten und Verstöße gegen das Programm und die Satzung mit Parteistrafen zu ahnden. Zur Abteilung Propaganda gehörte anfangs auch das wichtige Gebiet "Gesamtdeutsche Arbeit", das seit 1962 die Bezeichnung "Nationale Beziehungen" führte. Infolge des deutschlandpolitischen Kurswechsels der SED wurde es am Ende der 1960er Jahre in den Bereich "Internationale Beziehungen" überführt (später "Internationale Verbindungen"), der schließlich nur noch auf zentraler Ebene bestand. [20]
In den Jahren nach 1952 gab es mehrmals Veränderungen in der Zuordnung und Abgrenzung der verschiedenen Arbeitsbereiche; die Struktur blieb jedoch im Wesentlichen erhalten. Während auf zentraler Ebene der Begriff "Abteilung" beibehalten wurde, kam für die Bezirks- und Kreisvorstände die Bezeichnung "Arbeitsgebiete" auf.
Die wichtigste Strukturveränderung erfolgte 1977, als die Bezirks- und Kreisausschüsse der NDPD aufgelöst wurden. Seitdem war der Bezirksvorstand das höchste Organ des Bezirksverbandes zwischen den Delegiertenkonferenzen. Das Sekretariat des Bezirksausschusses wurde zum Sekretariat des Bezirksvorstandes umgewandelt und rückte mehr und mehr in die maßgebliche Führungsrolle, während der Bezirksvorstand immer seltener zusammentrat. Mitte der 1980er Jahre bestanden folgende vier Sekretärbereiche, die zum Teil in Arbeitsgebiete oder Instrukteurbereiche untergliedert waren. [21]
I. Parteiorganisation (Parteiorganisation im engeren Sinne, Allgemeine Verwaltung und Personalpolitik, Finanzen)
II. Propaganda (Parteistudium, Mitarbeitschulung)
III. Wirtschaft
IV. Kultur
Neben dem Bezirksvorsitzenden und den Leitern der Sekretärbereiche gehörten dem Sekretariat weitere Mitglieder mit wichtigen Partei- und Staatsfunktionen an: die Leipziger Mitglieder des NDPD-Hauptausschusses, der Sekretär des Kreisvorstandes Leipzig-Stadt, der Chefredakteur des regionalen Parteiblatts "Mitteldeutsche Neueste Nachrichten", der Vertreter im Rat des Bezirkes sowie vorübergehend der Direktor der Industrie- und Handelskammer Leipzig.
Die Auflösung des SED-Regimes im Herbst 1989 stürzte die NDPD in eine schwere Krise, aus der sie sich durch eine personelle und programmatische Erneuerung zu befreien versuchte. Im Gegensatz zu den alten bürgerlichen Parteien LDP und CDU gelang es ihr indessen nicht, sich in den Wendemonaten 1989/90 als selbstständige politische Kraft zu profilieren. Dies lag zum einen daran, dass die teilerneuerte Parteispitze unter Günter Hartmann glaubte, am eingeübten zentralistischen und autoritären Führungsstil festhalten zu können. Ferner war die programmatische Neuausrichtung ebenso schwerfällig wie tagespolitisch unwirksam und daher nur wenig geeignet, den Mitgliedern neues Selbstbewusstsein zu verleihen. [22] Nachdem die NDPD jahrzehntelang die Deutschlandpolitik der SED nachvollzogen und ihre einstige "Westarbeit" fast völlig aufgegeben hatte, wirkte der Versuch, an die nationale Rhetorik der Gründungsjahre anzuknüpfen, weitgehend unglaubwürdig.
Zum Jahreswechsel 1989/90 wurde die NDPD von einer ersten Austrittswelle erfasst. So hatte der Bezirksverband Leipzig vom Beginn des neuen Jahres bis zum 5. Februar 1990 ca. 800 Austritte zu verzeichnen, die insbesondere die städtischen Grundeinheiten betrafen. Andererseits spielten Leipziger Parteifunktionäre eine wichtige Rolle beim Versuch, der NDPD ein neues Profil und neue Organisationsformen zu geben. Der nach einem Mitglied des Bezirksvorstandes benannte "Mehlhorn-Plan" sah vor, die NDPD als "Demokratische Union" neu zu konstituieren und auch für Mitglieder der LDPD (ab Februar 1990 wieder LDP) sowie der CDU zu öffnen. Auch wenn der Plan weitgehend unwirksam blieb, reflektierte er den Wunsch einer breiten Mehrheit der Parteimitglieder, zusammen mit den Liberaldemokraten eine schlagkräftige politische Kraft zu bilden, alte Positionen und auch die Parteisymbolik aufzugeben und sich glaubwürdig von der bisherigen, SED-konformen Politik zu distanzieren. [23]
Der zentrale Parteiapparat wollte die Eigenständigkeit der NDPD aber um fast jeden Preis erhalten und stellte lediglich ein lockeres Wahlbündnis mit der LDP in Aussicht. Die Liberaldemokraten und die im Hintergrund agierende FDP waren jedoch wenig kooperationsbereit, da sie die Reformfähigkeit der NDPD bezweifelten. [24] Damit fehlte der NDPD auch ein westdeutscher Partner mit Blick auf die Volkskammerwahlen am 18. März 1990. Bei den Wahlen erhielt die NDPD nur 0,38 % der Wählerstimmen und zwei von 400 Abgeordnetenmandaten. Mit 44.292 Stimmen hatte sie nicht einmal ihr eigenes Mitgliederpotential von zu diesem Zeitpunkt noch etwa 80.000 ausgeschöpft. Aufgrund massenhafter Parteiaustritte gingen die Mitgliederzahlen in den nächsten Tagen weiter rapide zurück. Zehn Tage nach den Volkskammerwahlen trat die NDPD dem aus der LDP hervorgegangenen Bund Freier Demokraten bei, der im August 1990 in der gesamtdeutschen FDP aufging. Damit hörte die NDPD – ebenso wie die DBD – noch vor dem Ende der DDR auf zu existieren. [25]
Bestandsbearbeitung
Anders als beispielsweise die LDPD hat die NDPD keinen Wert auf eine funktionierende Schriftgutverwaltung und die Pflege ihres Parteiarchivs gelegt. Bereits 1951 musste das Sekretariat des NDPD-Hauptvorstandes feststellen, dass wichtige Akten aus der Gründungsphase nicht mehr aufzufinden waren. [26] Nach dem Vereinigungsparteitag der liberalen Parteien am 11./12. August 1990 erhoben weder die FDP noch die Friedrich-Naumann-Stiftung oder das ihr angeschlossene "Archiv des Deutschen Liberalismus" (ADL) Ansprüche auf die Akten der NDPD. Bei der sukzessiven Aufgabe der Parteizentrale in Berlin wurden die Handakten entweder mit nach Hause genommen oder in den Büros liegengelassen. Ein Teil war schon zuvor zum Altpapier geworfen worden. In die Archive der SAPMO gingen daher nur noch Reste ein, darunter das Schriftgut verschiedener Bezirksvorstände. [27]
Die Überlieferung der NDPD-Bezirksvorstände Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt wurde 1997/98 vom Bundesarchiv/SAPMO an die zuständigen sächsischen Staatsarchive übergeben. Der Bestand Bezirksvorstand Leipzig hat einen Umfang von ca. 16 lfm Schriftgut aus den Jahren 1949 bis 1990 und enthält auch Unterlagen des früheren Landesvorstandes Sachsen. Ebenfalls enthalten sind Unterlagen des Landesvorstandes Sachsen-Anhalt, die die Zusammenarbeit mit den Kreisverbänden Delitzsch und Torgau betreffen. [28] Bei der Auflösung der Länder und der Bildung von Bezirken im Juli 1952 waren die neu formierten Kreise Delitzsch, Eilenburg und Torgau dem Bezirk Leipzig zugeordnet worden. Die entsprechenden Materialien wurden deshalb Ende 1952 vom Bezirksvorstand Halle an den Bezirksvorstand Leipzig übergeben. [29]
Große Überlieferungslücken sind vor allem für die zweite Hälfte der 1950er und die erste Hälfte der 1960er Jahre zu verzeichnen, also für die Amtszeiten der Bezirksvorsitzenden Mertins und Lachner. Von Ausnahmen abgesehen, haben auch die Entwicklungen des Herbstes 1989 und die Auflösung der NDPD nur wenige Spuren in den überlieferten Akten hinterlassen. Bei der Überlieferung handelt sich nicht um einen gewachsenen Schriftgutkörper mit nach Aktenplan und Organisationskennzeichen strukturierten Zusammenhängen, sondern um Überlieferungsrudimente, wie schon der Umfang von nur 16 lfm aus über 40 Jahren zeigt. Diese Rudimente gleichen größtenteils Materialsammlungen: wie bei der SED dominieren Protokolle, Berichte und Informationen. Die Überlieferung ist folglich kontextarm und ermöglicht nur selten das Nachvollziehen von Entwicklungen und Entscheidungsprozessen.
Der Bestand beinhaltet auch Unterlagen, die beim Kreisvorstand Leipzig-Stadt und Stadtbezirksverband Leipzig-Süd entstanden sind. Wir wissen nicht, wie das Schriftgut der nachgeordneten Parteigliederungen zum Bezirksvorstand gekommen ist. Auf eine Provenienzentrennung wurde daher verzichtet, zumal sie die Entkontextualisierung weiter verschärft hätte. Die Bezeichnung des Bestandes änderte sich demzufolge von "NDPD-Bezirksvorstand" in "Bezirksverband der NDPD". Aus historischer Sicht sprechen für diese Vorgehensweise
a.) das besondere Gewicht des Kreisverbandes Leipzig-Stadt innerhalb der Bezirksorganisation,
b.) die engen personellen Verflechtungen zwischen Bezirks- und Kreisvorstand.
In den 1980er Jahren war Leipzig-Stadt mit rund 2.000 Mitgliedern der größte städtische Kreisverband der NDPD in der gesamten DDR. In den Unterlagen des Kreisvorstandes finden sich auch einige aussagekräftige Materialien zur politischen "Wende" 1989/90, darunter das stenografische Protokoll der Kreisdelegiertenkonferenz am 11. Januar 1990 sowie Protokolle und Beschlussvorlagen des Rundes Tisches in Leipzig. [30]
Bei der Übergabe an das Sächsische Staatsarchiv Leipzig befanden sich die Unterlagen in einem weitgehend ungeordneten und unsystematischen Zustand. Das Ablieferungsverzeichnis gab den Inhalt nur sehr ungenau und teilweise unzutreffend wieder. Im Zuge der Erschließung wurden die etwa 90 Aktenbündel auseinandergenommen und das Schriftgut aus den ursprünglichen Ordnern, Heftern oder Lose-Blatt-Ablagen in Archivmappen umgebettet. Die Verzeichnung erfolgte nach numerus currens. Die gebildeten "Enthält-Vermerke" wurden für wichtige Unterlagengruppen wie z. B. Sekretariatsprotokolle, Parteiinformationen oder Materialsammlungen im Laufe der Erschließung weiter vertieft. Lose-Blatt-Ablagen wurden zu Akten zusammengefasst, in Einzelfällen auch vorhandenen Akten zum selben Gegenstand zugeordnet. Sofern erkennbar, war für die Ordnung der Entstehungszusammenhang maßgeblich.
Die Klassifikation orientiert sich weitgehend am organisatorischen Aufbau der NDPD. Eine Abgabeordnung oder ein Registraturwesen scheint es allerdings nicht gegeben zu haben. Das Schriftgut wurde in den einzelnen Büros und Sekretariaten aufbewahrt und nur sporadisch zusammengefasst. Die Aktenbildung lässt sich deshalb nur teilweise nachvollziehen, zumal sich auch frühere Parteifunktionäre nicht mehr vollständig an die Strukturen und die Ablageordnung des Bezirksvorstandes erinnern können. [31] Zahlreiche wichtige Unterlagen scheinen in den Handakten oder Ablagen der Bezirksvorsitzenden verblieben zu sein, was auch in der Klassifikation zum Ausdruck kommt. Dies gilt besonders für die Amtszeit des Bezirksvorsitzenden Klaus-Werner Jacobs (1965-1981), aus der nur wenige Unterlagen anderer Bereiche überliefert sind. Teile dieser Ablagen, besonders laufende Parteiinformationen, Protokolle von Vorstands- bzw. Sekretariatssitzungen oder Unterlagen zu Bezirkskonferenzen, wurden bei der Verzeichnung allgemeinen Klassifikationspunkten zugeordnet, um den Zugriff für den Benutzer zu erleichtern.
Das Schriftgut des Sekretariats, bestimmter Abteilungen und Fachgebiete ist in sehr unterschiedlichem Umfang überliefert, weist aber insgesamt massive Lücken auf. Besonders auffällig ist das Fehlen von Kaderakten und anderen personenbezogenen Materialien. Die Unterlagen der Sekretärbereiche aus den 1980er Jahren geben insgesamt nur wenig Aufschluss über die Tätigkeit der einzelnen Instrukteurgebiete und tragen eher den Charakter einer allgemeinen Ablage.
Überlieferungsschwerpunkte
Größtenteils überliefert sind die Sitzungsprotokolle des Bezirksvorstandes und des Sekretariats des Bezirksausschusses (ab 1977 Sekretariat des Bezirksvorstandes), die die gesamte Bandbreite der Parteiarbeit und deren Veränderungen im Laufe der Parteigeschichte abbilden. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Ergebnisprotokolle, die nur äußerst selten Kontextinformationen etwa zum Beratungsverlauf und zum Stellenwert der einzelnen Beratungsgegenstände vermitteln. Die Inhalte von Beschlüssen oder Festlegungen müssen über die Beschlussvorlagen und die Zuarbeiten einzelner Sekretariatsmitglieder bzw. Arbeitsgebiete erschlossen werden. Für die Sekretariatssitzungen zwischen Januar 1984 und Juni 1989 wurden Ergebnisprotokolle und Vorlagen gemeinsam abgelegt, was einen schnellen Zugang ermöglicht. Für die Sekretariatssitzungen vor 1984 und die Sitzungen des Bezirksvorstandes sind die Vorlagen hingegen nur zum Teil und an verschiedenen Stellen überliefert.
Neben den Protokollen des Bezirksvorstandes und des Sekretariats gehören Tätigkeits- und Zahlenberichte, Arbeitspläne sowie Parteiinformationen zu den wichtigsten überlieferten Unterlagen. Sie dienten vor allem der Anleitung und Kontrolle der Parteiorganisationen nach den Grundsätzen des "demokratischen Zentralismus". Die Arbeits- und Maßnahmepläne des Bezirksvorstandes mussten dem zentralen Vorstand regelmäßig zur Bestätigung vorgelegt werden. Sie dienten zugleich als Grundlage für die Arbeitspläne der Kreisvorstände, die vom Bezirksvorstand genehmigt wurden. Der zentrale Ost-Berliner Vorstand konnte aber auch direkt "Empfehlungen" und "Richtlinien" für die Grundeinheiten und Kreisverbände herausgeben, die vom Bezirksvorstand nur weitergeleitet wurden.
Die regelmäßigen Parteiinformationen wurden von den Kreisvorständen an den Bezirksvorstand übermittelt, dort zusammengefasst und bearbeitet und an das Sekretariat des Hauptausschusses weitergegeben. Sie sollten vor allem über die Erfüllung der zentralen Parteibeschlüsse, die Parteiarbeit vor Ort sowie die Meinungsbildung unter den Parteimitgliedern berichten. Zugleich dienten sie als Grundlage für die Selbstdarstellung der NDPD. Zu bestimmten aktuell-politischen Ereignissen (z. B. SED-Parteitage, Wahlen, Staatsbesuche) wurden Sonderberichte erbeten oder unaufgefordert von den Kreis- und Stadtbezirkssekretären eingereicht. Obwohl die Informationen "aussagekräftig", "ausgewogen" und auch "objektiv" sein sollten, überwogen schon früh affirmative Einschätzungen, Worthülsen und ermüdende Erfolgsbilanzen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Informationsberichte nicht nur für das Sekretariat des Hauptausschusses bestimmt waren, sondern auch dem Apparat der SED-Bezirksleitung vorgelegt werden mussten. Dennoch enthalten die Parteiinformationen zahlreiche wertvolle Hinweise auf die Stimmung an der Parteibasis und auf Themen der innerparteilichen Diskussion. Der Vergleich der aus den Kreisen übermittelten Informationen mit den letztlich vom Bezirksvorstand verfassten Texten ermöglicht zugleich Erkenntnisse über innerparteiliche "Zensurmaßnahmen", die Grenzen des politischen Spielraums der NDPD und die vorauseilende Anpassung mancher Funktionäre an die Erwartungen übergeordneter Leitungen.
Die Überlieferung der Bezirksparteikontrollkommission (BPKK) enthält vor allem Sitzungsprotokolle, Tätigkeitsberichte und Analysen zu verschiedenen Vorgängen, z. B. zur Mitgliederbewegung in den 1950er Jahren und zu "Republikfluchten" im Bezirk Leipzig. Für den Zeitraum 1952 bis 1957 hat die BPKK auch Unterlagen aus der Tätigkeit der anderen Arbeitsgebiete des Bezirksvorstandes gesammelt, die die erwähnte Überlieferungslücke schließen helfen. Im Schriftgut des Stadtbezirksverbandes Leipzig-Süd sind zudem zahlreiche Unterlagen zu Parteiverfahren vor der BPKK enthalten, die trotz des völlig ungeordneten Zustands die Rekonstruktion vieler Fälle von der Antragstellung auf Verfahrenseröffnung bis zum abschließenden Beschluss erlauben. Sie gehören damit zu den wenigen Sachakten im Gesamtbestand, anhand derer die Parteiarbeit nicht nur im Ergebnis, sondern auch in ihrer Entwicklung nachvollzogen werden kann.
Hinweise für die Benutzung
Wegen zahlreicher schutzwürdiger personenbezogener Daten unterliegt der Bestand Benutzungsbeschränkungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsArchivG.
Verweis auf korrespondierende Bestände
Hier sind in erster Linie die Bestände SED-Bezirksleitung Leipzig (21123) und SED-Stadtleitung Leipzig (21145) sowie die Überlieferungen der SED-Kreisleitungen zu nennen.
Christian Kurzweg
Leipzig 2008
Literaturhinweise
Michael Walter: National-Demokratische Partei Deutschlands, in: Gerd-Rüdiger Stephan u. a. (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 366-401.
Bernd Gottberg: Die Gründung und die ersten Jahre der NDPD 1948-1954, in: Jürgen Frölich (Hrsg.): "Bürgerliche" Parteien in der SBZ/DDR. Zur Geschichte von CDU, LDP(D), DBD und NDPD 1945 bis 1953, Köln 1995, S. 73-87.
Ders.: Die Nationaldemokraten und die Entstehung der gesamtdeutschen F.D.P. 1989/90, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 13. Jg., Baden-Baden 2001, S. 222-232.
Roland Höhne: Aufstieg und Niedergang einer nationalen Blockpartei 1948-1990, in: Heiner Timmermann (Hrsg.): Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre, Berlin 2001, S. 269-312.Dr. Christian Kurzweg
Abkürzungen
Abt. Abteilung
ADL Archiv des Deutschen Liberalismus
ADN Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst
AfNS Amt für Nationale Sicherheit (Nachfolgebehörde des MfS)
Agit./Prop. Agitation und Propaganda
B.F.D. Bund Freier Demokraten
BPKK Bezirksparteikontrollkommission
BRD Bundesrepublik Deutschland
BV Bezirksverband
CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands
CSSR Ceskoslovenská Socialistická Republiká
D 66 Demokraten 66 (Liberale Partei in den Niederlanden)
DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands
DDR Deutsche Demokratische Republik
DEWAG Deutsche Werbe- und Anzeigen-Gesellschaft
DRK Deutsches Rotes Kreuz der DDR
DSF Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
DWK Deutsche Wirtschaftskommission
FDP Freie Demokratische Partei
IHK Industrie- und Handelskammer
IPW Institut für internationale Politik und Wirtschaft
KMU Karl-Marx-Universität Leipzig
KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion
KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
KV Kreisverband
LDP(D) Liberal-Demokratische Partei Deutschland
LPG Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft(en)
MfS Ministerium für Staatssicherheit
MNN Mitteldeutsche Neueste Nachrichten
NAW Nationales Aufbauwerk
NDPD National-Demokratische Partei Deutschlands
NFJ National-Demokratische Jugend
NÖS, NÖSPL Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung
NPD Nationaldemokratische Partei Deutschland (in der Bundesrepublik)
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei
NVA Nationale Volksarmee
OBM Oberbürgermeister
PGH Produktionsgenossenschaft(en) des Handwerks
PKW Personenkraftwagen
SALT Strategic Arms Limitation Talks
SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR
SBV Stadtbezirksverband
SBZ Sowjetische Besatzungszone Deutschlands
SDP Sozialdemokratische Partei in der DDR
SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SKK Sowjetische Kontrollkommission in Deutschland
SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VEB Volkseigener Betrieb
[01] Günther Heydemann, Die Innenpolitik der DDR, München 2003, S. 11 f.
[02] Dietrich Staritz, National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), in: SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, München 1990, S. 574.
[03] Michael Walter, National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), in: Gerd-Rüdiger Stephan u. a. (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 370.
[04] Vgl. Jürgen Frölich, Transmissionsriemen, Interessenvertretung des Handwerks oder Nischenpartei? Zu Rolle, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der NDPD, Materialien der Enquête-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), Band II/2, S. 1574.
[05] Staritz (wie Anm. 2). S. 576.
[06] Archiv des Deutschen Liberalismus (ADL), Nr. 24886, und Frölich (wie Anm. 4), S. 1548.
[07] Sächsisches Staatsarchiv Leipzig (im folgenden StA-L), 21123, SED-BL Leipzig, IV 2/15/666, Bl. 95 ff. Vgl. Christian Kurzweg, Die Vertriebenenpolitik der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands. Das Beispiel Sachsen 1945-1950, S. 259.
[08] Josef Haas, Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). Geschichte, Struktur und Funktion einer DDR-Blockpartei, Diss. Bamberg 1988, S. 41.
[09] Frölich (wie Anm. 4), S. 1555.
[10] Staritz (wie Anm. 2), S. 578.
[11] Roland Höhne, Aufstieg und Niedergang einer nationalen Blockpartei 1948-1990, in: Heiner Timmermann (Hrsg.): Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre, Berlin 2001, S. 287.
[12] Frölich (wie Anm. 4), S. 1559.
[13] Interessanterweise hat die Verstaatlichung so gut wie keinen Niederschlag in den überlieferten Akten des Bezirksverbandes Leipzig gefunden.
[14] Höhne (wie Anm. 11), S. 277.
[15] Haas (wie Anm. 8), S. 273.
[16] StA-L, 21702, NDPD-Bezirksverband Leipzig, Nr. 332.
[17] Ebd., Nr. 677-680.
[18] Die Position des Politischen Geschäftsführers wurde schon Mitte der 1950er Jahre wieder abgeschafft.
[19] Höhne (wie Anm. 11), S. 276.
[20] Haas (wie Anm. 8), S. 181 f.
[21] Telefonische Auskunft des früheren Sekretärs des Bezirksvorstandes Rudolf Moran, Dezember 2007.
[22] Höhne (wie Anm. 11), S. 269, und Bernd Gottberg, Die Nationaldemokraten und die Entstehung der gesamtdeutschen F.D.P. 1989/90, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 13. Jg., Baden-Baden 2001, S. 226.
[23] Ebd., S. 227.
[24] Ebd.
[25] Höhne (wie Anm. 11), S. 269.
[26] Frölich (wie Anm. 4), S. 1544.
[27] Gottberg (wie Anm. 21), S. 225.
[28] Ein Teil dieser Akten wurde 1999 an das Landesarchiv Merseburg übergeben.
[29] StA-L, 21702, NDPD-Bezirksverband Leipzig, Nr. 266.
[30] Ebd., Nr. 417.
[31] Im Zuge der Bestandsbearbeitung wurden telefonische Auskünfte bei den früheren Vorstandsmitgliedern Rudolf Moran (Sekretär des Bezirksvorstandes) und Prof. Dr. Manfred Mühlmann (Volkskammerabgeordneter und Mitglied des Hauptausschusses der NDPD) eingeholt.
Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) entstand im Frühjahr 1948 auf Betreiben und mit Unterstützung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD). Ihre Gründung resultierte vor allem aus der schweren Krise, in die die Blockpolitik der SED seit Dezember 1947 geraten war. Die bürgerlichen Parteien LDP und CDU verweigerten trotz zahlreicher Repressalien die Anerkennung des kommunistischen Führungsanspruchs und verfolgten eigenständige Konzeptionen in zahlreichen politischen Grundfragen. [01] Ein zweiter wichtiger Ausgangspunkt war das Ende der Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands: Der Befehl Nr. 35 der SMAD vom 26. Februar 1948 erlaubte früheren Nationalsozialisten die Betätigung in den politischen Parteien. Die etwa zwei Millionen "Ehemaligen" stellten ein beachtliches Potential dar, das Besatzungsmacht und SED in die "antifaschistisch-demokratische Ordnung" integrieren, aber nicht den bürgerlichen Konkurrenzparteien überlassen wollten. Diesem Ziel diente auch die zweite Neugründung des Frühjahrs 1948, die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). [02]
Als offizielles Gründungsdatum der NDPD wurde bis 1989 der 25. Mai 1948 angegeben. An diesem Tag hatte in Potsdam eine Beratung der Vorsitzenden der Landes- und Gründungsausschüsse stattgefunden. Am 12. Juni 1948 schlossen sich die Gründungsausschüsse der fünf Länder der SBZ (ohne Berlin) zu einem vorläufigen Zonenausschuss zusammen. [03] Anschließend begann der Ausbau der Kreisverbände. Die Gründung der Partei von oben nach unten begünstigte von vornherein den Aufbau einer zentralistisch und autoritär geführten Kaderpartei, die zugleich das Vorbild für die von den Sowjets angestrebte Gleichschaltung von LDP und CDU war. [04] Die SMAD erteilte der NDPD am 16. Juni 1948 die Lizenz. Sechs Tage später beantragte der Parteivorstand, die im Herbst 1948 fälligen Gemeindewahlen um zunächst ein Jahr zu verschieben. Nachdem sich die DBD und mehrere gesellschaftliche Organisationen angeschlossen hatten, entsprach die sowjetische Besatzungsmacht dieser Bitte und verhinderte so die befürchtete Wahlniederlage der SED.
Im September 1948 existierten in allen fünf Ländern der sowjetischen Besatzungszone Landesvorstände der NDPD. Der starken Präsenz in Stadtgemeinden stand eine schwache Verankerung auf dem Lande gegenüber. Gleichwohl verfügte die Partei von Anfang an über einen großen Stab von hauptamtlichen Mitarbeitern, gut ausgestattete Büros und eigene Kraftfahrzeuge. Beim organisatorischen Aufbau erfuhr die NDPD massive Unterstützung seitens der SED, die u. a. bewährte Funktionäre in die Vorstände der neu gegründeten Partei entsandte. [05]
Die Mitgliederentwicklung der NDPD verlief anfangs äußerst schleppend. In der gesamten sowjetischen Besatzungszone zählte die Partei im Herbst 1948 nur 1.376 Mitglieder. In Sachsen gab es 15 Kreisverbände, aber nur 271 eingeschriebene "Parteifreunde". So gelang es anfangs kaum, in die Klientel der Konkurrenzparteien LDP und CDU einzubrechen: Frühere Liberaldemokraten machten noch Anfang 1950 nur etwa drei Prozent des Mitgliederbestandes aus. [06] Allerdings konnte die NDPD vereinzelt prominente Funktionäre aus der LDP herüberziehen. In Sachsen trat die Landtagsabgeordnete Marianne Legler zu den Nationaldemokraten über und verschaffte ihnen damit ihr erstes Parlamentsmandat. [07] Der spätere Vorsitzende des Bezirksverbandes Leipzig der NDPD, Klaus-Werner Jacobs, war bis April 1949 Referent für Sozialpolitik im thüringischen Landesvorstand der LDP. [08]
Auch die Integration von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern oder Wehrmachtangehörigen blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Ihr Anteil an der Mitgliederschaft betrug kaum mehr als zehn Prozent. Damit ist jedoch noch nichts über die Bedeutung und den Einfluss früherer Nationalsozialisten in der NDPD ausgesagt. Es deutet einiges darauf hin, dass sich unter den Funktionsträgern überdurchschnittlich viele "Ehemalige" befanden. [09]
Ungeachtet ihrer organisatorischen Schwäche wurde die NDPD am 30. Juli 1948 in den Deutschen Volksrat und am 7. September in den zentralen Blockausschuss aufgenommen, wo sie die Linie der SED vertrat und das Gewicht der bürgerlichen Parteien schwächte. Im November 1948 erhielt sie drei Präsidiumssitze in der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK), der Vorläuferin der DDR-Regierung. Ohne demokratische Legitimation und ohne nennenswerte Anhängerschaft erreichte die NDPD damit fast denselben Status wie LDP und CDU. [10]
In Sachsen verzögerte sich die Aufnahme in den Landesblock aufgrund des Widerstands der bürgerlichen Parteien noch bis Ende Mai 1949. Im Dezember traten Vertreter der NDPD sowie der Bauernpartei mit beratender Stimme in die Ausschüsse und das Plenum des Sächsischen Landtags ein. Die Nationaldemokraten reagierten auf die ablehnende Haltung von LDP und CDU, indem sie sich bereitwillig an den Säuberungsaktionen der SED im Frühjahr 1950 beteiligten. Für die Wahlen im Oktober 1950, die nach dem Einheitslistenprinzip stattfanden, erhielt die NDPD 35 von 400 Sitzen in der Volkskammer und 17 von 120 Sitzen im Sächsischen Landtag zugebilligt. Im Wahlkampf gebärdete sich die Partei zwar demonstrativ antimarxistisch, unterstützte aber andererseits die Positionen der SED in wichtigen politischen Fragen (gesamtdeutscher Anspruch, Verhältnis zur Sowjetunion, Oder-Neiße-Grenze).
Der organisatorische Aufbau war zu diesem Zeitpunkt auch auf Kreis- und Ortsebene weitgehend abgeschlossen. Laut Parteistatistik stieg die Zahl der Mitglieder von 17.000 Mitte 1949 auf 39.000 im März 1950 und auf 71.000 Anfang 1951. Ende Dezember 1952 erreichte die Entwicklung mit rund 106.000 Mitgliedern einen vorläufigen Höhepunkt, weshalb die SED massiv intervenierte: So wurde Anfang 1953 beschlossen, dass die NDPD keine Arbeiter mehr aufnehmen durfte. Wie bei den anderen Blockparteien auch, mussten die Betriebsgruppen ihre Arbeit einstellen. Nach der Zustimmung der NDPD-Führung zum propagierten "Aufbau des Sozialismus" im Juli 1952 gingen die Mitgliederzahlen bis auf 82.000 im Sommer 1953 zurück. Die Integration von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern und Wehrmachtsangehörigen verlor zudem an Stellenwert und wurde 1956 für abgeschlossen erklärt. In den späten 1950er und den frühen 1960er Jahren scheint die Mitgliederzahl um 80.000 stagniert zu haben. [11]
Seitdem verstand sich die NDPD vor allem als Partei der städtischen Mittelschichten. Der Mitgliederanteil von Handwerkern und Gewerbetreibenden, die als bevorzugte Zielgruppe galten, nahm aber langsam ab, wie überhaupt der Anteil der Selbstständigen an der Gesamtbevölkerung der DDR zurückging. Die NDPD bemühte sich verstärkt um Angestellte, Akademiker und Angehörige "sonstiger" Bevölkerungsgruppen wie bspw. Rentner und Studenten, die auch im Leipziger Bezirksverband einen großen Teil des Mitgliederbestandes ausmachten. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass die Angestellten bis 1989 mit rund 40 Prozent das personelle Rückgrat der Partei bildeten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die meisten NDPD-Funktionäre hauptamtlich beschäftigt waren und das Verhältnis von Parteimitgliedern zu Funktions- bzw. Mandatsträgern bei vier zu eins lag. [12]
Spätestens seit dem 17. Juni 1953 bekannte sich die NDPD ohne Einschränkung zu den Zielen und zur politischen Praxis der SED. Dies galt besonders für die Deutschlandpolitik, deren taktische Wendungen die Nationaldemokraten meist kritiklos nachvollzogen. In den 1950er und 1960er Jahren versuchte die NDPD, Kontakt zu Bundesbürgern aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen herzustellen, Vorurteile gegenüber der DDR abzubauen und der SED politische Einflussmöglichkeiten anzubahnen. Nach der endgültigen Abkehr der SED vom Ziel der deutschen Einheit, das lange Zeit den Kern der nationaldemokratischen Programmatik darstellte, erlitt die NDPD einen erheblichen Identitätsverlust. Ähnliches gilt für die Zustimmung der Parteiführung zur 1972 erfolgten Verstaatlichung der letzten privaten bzw. halbstaatlichen Industrie- und Baubetriebe. [13]
Alle politischen Aktivitäten der NDPD wurden von der SED gelenkt oder mussten von ihr genehmigt werden. Die Anleitung und Kontrolle durch die Staatspartei erfolgte auf Bezirksebene vor allem durch die Abteilung "Befreundete Parteien und Massenorganisationen" der Bezirksleitung der SED. Bei regelmäßigen Treffen erläuterten führende SED-Funktionäre die Beschlüsse des Politbüros und gaben der NDPD "Empfehlungen" für deren Parteiarbeit. Die Nationaldemokraten konnten bei solchen Treffen ihre Positionen darlegen und auch eigene Projekte unterbreiten, mussten aber stets die Vormachtstellung der SED akzeptieren. Die SED hatte auch das letzte Wort bei allen personalpolitischen und organisatorischen Entscheidungen der NDPD, bei wichtigen Reden, öffentlichen Veranstaltungen oder Publikationen. [14]
Die enge Abhängigkeit von der SED schloss Kritik in Einzelfragen nicht aus. Die konstruktive Mitwirkung der NDPD war vor allem bei der Planerfüllung in der örtlichen Versorgungswirtschaft sowie im kommunalpolitischen Bereich erwünscht. Hier ergaben sich auch Möglichkeiten einer punktuellen Interessenvertretung für private und genossenschaftliche Handwerksbetriebe, Einzelhändler, Gastwirte oder andere Gewerbetreibende. Solche Perspektiven mögen dazu beigetragen haben, dass die Mitgliederzahl der Gesamtpartei bis auf 110.000 im Jahre 1987 anstieg. Letztlich aber war der NDPD nur eine eng begrenzte Mitbestimmung möglich, und schon seit den 1970er Jahren hielten Passivität und politische Trägheit Einzug in die Parteiarbeit. [15] Die propagandistischen Leerformeln der Parteidokumente und die Überanpassung führender Funktionäre an die SED scheint selbst von zahlreichen Mitgliedern abgelehnt worden zu sein, wie die schwache Beteiligung an Versammlungen oder zahlreiche Verfahren vor der Leipziger Bezirksparteikontrollkommission dokumentieren. [16]
Zur Geschichte der NDPD auf Bezirksebene
Nach der Auflösung der Länder im Juli 1952 waren die Landesverbände der NDPD in Bezirksverbände überführt worden. An die Stelle des Landesverbandes Sachsen traten die Bezirksorganisationen Dresden, Leipzig und Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt), die nach den Prinzipien des "demokratischen Zentralismus" direkt dem Ost-Berliner Parteiapparat unterstanden. In den folgenden Jahren glich die NDPD ihr Organisationsgefüge immer stärker dem der SED an, was sich auch im Schriftgut widerspiegelt.
Mit gut 6.000 Mitgliedern zählte der Bezirksverband Leipzig von Anfang an zu den größten und wichtigsten Bezirksorganisationen der NDPD. Die Stadt Leipzig hatte wegen der zweimal jährlich stattfindenden Messen besondere Bedeutung für die nationaldemokratische Parteiarbeit, sowohl hinsichtlich ihrer Mittelstandsorientierung als auch ihrer "Westarbeit". Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass neun von insgesamt 14 NDPD-Parteitagen in Leipzig stattfanden, zuletzt der 13. Parteitag im Mai 1987. [17]
Der Bezirksverband bestand aus 13 Kreisverbänden, von denen der Stadtverband Leipzig der mit Abstand größte war. In der Messestadt gab es außerdem sieben Stadtbezirksverbände. Die Orts- bzw. Wohngebietsverbände bildeten die "Grundeinheiten der Partei", die monatliche Zusammenkünfte sowie "Jahresmitgliederversammlungen" samt Parteiwahlen durchführten. Im Rat des Bezirkes, in den Räten der Kreise und in den Leipziger Stadtbezirken war die NDPD mit Ratsmitgliedern vertreten. Dabei hatte sie nicht selten Ämter inne, die entweder politisch zweitrangig oder undankbar waren – im Rat des Bezirkes Leipzig das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden für Handel und Versorgung. Diese Position brachte allerdings auch Vorteile mit sich, etwa bei der materiellen Sicherstellung von Bezirkskonferenzen und anderen Parteiveranstaltungen.
Höchstes Organ des Bezirksverbandes war zunächst der Bezirksparteitag, der den Bezirksausschuss sowie die Delegierten für zentrale NDPD-Parteitage wählte. Der Bezirksausschuss bestimmte den Bezirksvorstand, die Bezirksparteikontrollkommission sowie ein Sekretariat, das die tägliche Parteiarbeit leitete. Seit Beginn der 1970er Jahre fanden statt Parteitagen Bezirkskonferenzen statt, die in der Regel zweimal in fünf Jahren zusammentraten.
Die Struktur des Bezirksvorstandes entsprach in ihren Grundzügen der Gliederung des Ost-Berliner Parteivorstandes (seit 1974 Präsidium des Hauptausschusses): Der Vorsitzende, sein Stellvertreter und ein Politischer Geschäftsführer [18] bildeten gemeinsam mit den Abteilungsleitern die engere Parteiführung. Gemäß den Prinzipien des "demokratischen Zentralismus" und der "doppelten Unterstellung" unterstanden der Politische Geschäftsführer und die Leiter der Abteilungen direkt den Hauptabteilungsleitern beim zentralen Parteivorstand. Entsprechend war das Verhältnis des Bezirksvorstandes zu den Kreisvorständen geregelt. Im Unterschied zu LDP (seit 1951 LDPD) und CDU war die NDPD von Anfang an eine zentralistisch geführte Kaderpartei, in der ein demokratischer Willensbildungsprozess von unten nach oben kaum zustande kam. Parteiversammlungen und Studienzirkel dienten der Indoktrination der Mitglieder, Parteiwahlen zur formalen Billigung der von höheren Instanzen ausgesuchten Vorstandsmitglieder. Parteitage oder Delegiertenkonferenzen waren keine Diskussionsforen, sondern Manifestationen der "Einheit und Geschlossenheit", die schon in den 1960er Jahren minutiösen Drehbüchern und Diskussionsplanungen folgten. [19]
Vorsitzende des Bezirksverbandes Leipzig waren: Kurt Lachner (1952/53), Helmut Mertins (1954), Hans Rüdiger (1954-1964), Klaus-Werner Jacobs (1965-1981), Dr. Harry Hegler (1981-1983), Dr. Siegfried Krause (1983-1990) sowie Peter Bach (1990).
Im Bezirksvorstand gab es 1952 folgende Abteilungen:
Organisation
Personalpolitik
Politisches Studium und Kultur
Propaganda
Wirtschaft und Staatliche Verwaltung
Finanzen
Prüfung
Die Abteilung Prüfung war die Vorläuferin der 1953 nach dem Vorbild der SED gebildeten Bezirksparteikontrollkommission. Die BPKK hatte u. a. den Auftrag, die Parteidisziplin zu gewährleisten und Verstöße gegen das Programm und die Satzung mit Parteistrafen zu ahnden. Zur Abteilung Propaganda gehörte anfangs auch das wichtige Gebiet "Gesamtdeutsche Arbeit", das seit 1962 die Bezeichnung "Nationale Beziehungen" führte. Infolge des deutschlandpolitischen Kurswechsels der SED wurde es am Ende der 1960er Jahre in den Bereich "Internationale Beziehungen" überführt (später "Internationale Verbindungen"), der schließlich nur noch auf zentraler Ebene bestand. [20]
In den Jahren nach 1952 gab es mehrmals Veränderungen in der Zuordnung und Abgrenzung der verschiedenen Arbeitsbereiche; die Struktur blieb jedoch im Wesentlichen erhalten. Während auf zentraler Ebene der Begriff "Abteilung" beibehalten wurde, kam für die Bezirks- und Kreisvorstände die Bezeichnung "Arbeitsgebiete" auf.
Die wichtigste Strukturveränderung erfolgte 1977, als die Bezirks- und Kreisausschüsse der NDPD aufgelöst wurden. Seitdem war der Bezirksvorstand das höchste Organ des Bezirksverbandes zwischen den Delegiertenkonferenzen. Das Sekretariat des Bezirksausschusses wurde zum Sekretariat des Bezirksvorstandes umgewandelt und rückte mehr und mehr in die maßgebliche Führungsrolle, während der Bezirksvorstand immer seltener zusammentrat. Mitte der 1980er Jahre bestanden folgende vier Sekretärbereiche, die zum Teil in Arbeitsgebiete oder Instrukteurbereiche untergliedert waren. [21]
I. Parteiorganisation (Parteiorganisation im engeren Sinne, Allgemeine Verwaltung und Personalpolitik, Finanzen)
II. Propaganda (Parteistudium, Mitarbeitschulung)
III. Wirtschaft
IV. Kultur
Neben dem Bezirksvorsitzenden und den Leitern der Sekretärbereiche gehörten dem Sekretariat weitere Mitglieder mit wichtigen Partei- und Staatsfunktionen an: die Leipziger Mitglieder des NDPD-Hauptausschusses, der Sekretär des Kreisvorstandes Leipzig-Stadt, der Chefredakteur des regionalen Parteiblatts "Mitteldeutsche Neueste Nachrichten", der Vertreter im Rat des Bezirkes sowie vorübergehend der Direktor der Industrie- und Handelskammer Leipzig.
Die Auflösung des SED-Regimes im Herbst 1989 stürzte die NDPD in eine schwere Krise, aus der sie sich durch eine personelle und programmatische Erneuerung zu befreien versuchte. Im Gegensatz zu den alten bürgerlichen Parteien LDP und CDU gelang es ihr indessen nicht, sich in den Wendemonaten 1989/90 als selbstständige politische Kraft zu profilieren. Dies lag zum einen daran, dass die teilerneuerte Parteispitze unter Günter Hartmann glaubte, am eingeübten zentralistischen und autoritären Führungsstil festhalten zu können. Ferner war die programmatische Neuausrichtung ebenso schwerfällig wie tagespolitisch unwirksam und daher nur wenig geeignet, den Mitgliedern neues Selbstbewusstsein zu verleihen. [22] Nachdem die NDPD jahrzehntelang die Deutschlandpolitik der SED nachvollzogen und ihre einstige "Westarbeit" fast völlig aufgegeben hatte, wirkte der Versuch, an die nationale Rhetorik der Gründungsjahre anzuknüpfen, weitgehend unglaubwürdig.
Zum Jahreswechsel 1989/90 wurde die NDPD von einer ersten Austrittswelle erfasst. So hatte der Bezirksverband Leipzig vom Beginn des neuen Jahres bis zum 5. Februar 1990 ca. 800 Austritte zu verzeichnen, die insbesondere die städtischen Grundeinheiten betrafen. Andererseits spielten Leipziger Parteifunktionäre eine wichtige Rolle beim Versuch, der NDPD ein neues Profil und neue Organisationsformen zu geben. Der nach einem Mitglied des Bezirksvorstandes benannte "Mehlhorn-Plan" sah vor, die NDPD als "Demokratische Union" neu zu konstituieren und auch für Mitglieder der LDPD (ab Februar 1990 wieder LDP) sowie der CDU zu öffnen. Auch wenn der Plan weitgehend unwirksam blieb, reflektierte er den Wunsch einer breiten Mehrheit der Parteimitglieder, zusammen mit den Liberaldemokraten eine schlagkräftige politische Kraft zu bilden, alte Positionen und auch die Parteisymbolik aufzugeben und sich glaubwürdig von der bisherigen, SED-konformen Politik zu distanzieren. [23]
Der zentrale Parteiapparat wollte die Eigenständigkeit der NDPD aber um fast jeden Preis erhalten und stellte lediglich ein lockeres Wahlbündnis mit der LDP in Aussicht. Die Liberaldemokraten und die im Hintergrund agierende FDP waren jedoch wenig kooperationsbereit, da sie die Reformfähigkeit der NDPD bezweifelten. [24] Damit fehlte der NDPD auch ein westdeutscher Partner mit Blick auf die Volkskammerwahlen am 18. März 1990. Bei den Wahlen erhielt die NDPD nur 0,38 % der Wählerstimmen und zwei von 400 Abgeordnetenmandaten. Mit 44.292 Stimmen hatte sie nicht einmal ihr eigenes Mitgliederpotential von zu diesem Zeitpunkt noch etwa 80.000 ausgeschöpft. Aufgrund massenhafter Parteiaustritte gingen die Mitgliederzahlen in den nächsten Tagen weiter rapide zurück. Zehn Tage nach den Volkskammerwahlen trat die NDPD dem aus der LDP hervorgegangenen Bund Freier Demokraten bei, der im August 1990 in der gesamtdeutschen FDP aufging. Damit hörte die NDPD – ebenso wie die DBD – noch vor dem Ende der DDR auf zu existieren. [25]
Bestandsbearbeitung
Anders als beispielsweise die LDPD hat die NDPD keinen Wert auf eine funktionierende Schriftgutverwaltung und die Pflege ihres Parteiarchivs gelegt. Bereits 1951 musste das Sekretariat des NDPD-Hauptvorstandes feststellen, dass wichtige Akten aus der Gründungsphase nicht mehr aufzufinden waren. [26] Nach dem Vereinigungsparteitag der liberalen Parteien am 11./12. August 1990 erhoben weder die FDP noch die Friedrich-Naumann-Stiftung oder das ihr angeschlossene "Archiv des Deutschen Liberalismus" (ADL) Ansprüche auf die Akten der NDPD. Bei der sukzessiven Aufgabe der Parteizentrale in Berlin wurden die Handakten entweder mit nach Hause genommen oder in den Büros liegengelassen. Ein Teil war schon zuvor zum Altpapier geworfen worden. In die Archive der SAPMO gingen daher nur noch Reste ein, darunter das Schriftgut verschiedener Bezirksvorstände. [27]
Die Überlieferung der NDPD-Bezirksvorstände Dresden, Leipzig und Karl-Marx-Stadt wurde 1997/98 vom Bundesarchiv/SAPMO an die zuständigen sächsischen Staatsarchive übergeben. Der Bestand Bezirksvorstand Leipzig hat einen Umfang von ca. 16 lfm Schriftgut aus den Jahren 1949 bis 1990 und enthält auch Unterlagen des früheren Landesvorstandes Sachsen. Ebenfalls enthalten sind Unterlagen des Landesvorstandes Sachsen-Anhalt, die die Zusammenarbeit mit den Kreisverbänden Delitzsch und Torgau betreffen. [28] Bei der Auflösung der Länder und der Bildung von Bezirken im Juli 1952 waren die neu formierten Kreise Delitzsch, Eilenburg und Torgau dem Bezirk Leipzig zugeordnet worden. Die entsprechenden Materialien wurden deshalb Ende 1952 vom Bezirksvorstand Halle an den Bezirksvorstand Leipzig übergeben. [29]
Große Überlieferungslücken sind vor allem für die zweite Hälfte der 1950er und die erste Hälfte der 1960er Jahre zu verzeichnen, also für die Amtszeiten der Bezirksvorsitzenden Mertins und Lachner. Von Ausnahmen abgesehen, haben auch die Entwicklungen des Herbstes 1989 und die Auflösung der NDPD nur wenige Spuren in den überlieferten Akten hinterlassen. Bei der Überlieferung handelt sich nicht um einen gewachsenen Schriftgutkörper mit nach Aktenplan und Organisationskennzeichen strukturierten Zusammenhängen, sondern um Überlieferungsrudimente, wie schon der Umfang von nur 16 lfm aus über 40 Jahren zeigt. Diese Rudimente gleichen größtenteils Materialsammlungen: wie bei der SED dominieren Protokolle, Berichte und Informationen. Die Überlieferung ist folglich kontextarm und ermöglicht nur selten das Nachvollziehen von Entwicklungen und Entscheidungsprozessen.
Der Bestand beinhaltet auch Unterlagen, die beim Kreisvorstand Leipzig-Stadt und Stadtbezirksverband Leipzig-Süd entstanden sind. Wir wissen nicht, wie das Schriftgut der nachgeordneten Parteigliederungen zum Bezirksvorstand gekommen ist. Auf eine Provenienzentrennung wurde daher verzichtet, zumal sie die Entkontextualisierung weiter verschärft hätte. Die Bezeichnung des Bestandes änderte sich demzufolge von "NDPD-Bezirksvorstand" in "Bezirksverband der NDPD". Aus historischer Sicht sprechen für diese Vorgehensweise
a.) das besondere Gewicht des Kreisverbandes Leipzig-Stadt innerhalb der Bezirksorganisation,
b.) die engen personellen Verflechtungen zwischen Bezirks- und Kreisvorstand.
In den 1980er Jahren war Leipzig-Stadt mit rund 2.000 Mitgliedern der größte städtische Kreisverband der NDPD in der gesamten DDR. In den Unterlagen des Kreisvorstandes finden sich auch einige aussagekräftige Materialien zur politischen "Wende" 1989/90, darunter das stenografische Protokoll der Kreisdelegiertenkonferenz am 11. Januar 1990 sowie Protokolle und Beschlussvorlagen des Rundes Tisches in Leipzig. [30]
Bei der Übergabe an das Sächsische Staatsarchiv Leipzig befanden sich die Unterlagen in einem weitgehend ungeordneten und unsystematischen Zustand. Das Ablieferungsverzeichnis gab den Inhalt nur sehr ungenau und teilweise unzutreffend wieder. Im Zuge der Erschließung wurden die etwa 90 Aktenbündel auseinandergenommen und das Schriftgut aus den ursprünglichen Ordnern, Heftern oder Lose-Blatt-Ablagen in Archivmappen umgebettet. Die Verzeichnung erfolgte nach numerus currens. Die gebildeten "Enthält-Vermerke" wurden für wichtige Unterlagengruppen wie z. B. Sekretariatsprotokolle, Parteiinformationen oder Materialsammlungen im Laufe der Erschließung weiter vertieft. Lose-Blatt-Ablagen wurden zu Akten zusammengefasst, in Einzelfällen auch vorhandenen Akten zum selben Gegenstand zugeordnet. Sofern erkennbar, war für die Ordnung der Entstehungszusammenhang maßgeblich.
Die Klassifikation orientiert sich weitgehend am organisatorischen Aufbau der NDPD. Eine Abgabeordnung oder ein Registraturwesen scheint es allerdings nicht gegeben zu haben. Das Schriftgut wurde in den einzelnen Büros und Sekretariaten aufbewahrt und nur sporadisch zusammengefasst. Die Aktenbildung lässt sich deshalb nur teilweise nachvollziehen, zumal sich auch frühere Parteifunktionäre nicht mehr vollständig an die Strukturen und die Ablageordnung des Bezirksvorstandes erinnern können. [31] Zahlreiche wichtige Unterlagen scheinen in den Handakten oder Ablagen der Bezirksvorsitzenden verblieben zu sein, was auch in der Klassifikation zum Ausdruck kommt. Dies gilt besonders für die Amtszeit des Bezirksvorsitzenden Klaus-Werner Jacobs (1965-1981), aus der nur wenige Unterlagen anderer Bereiche überliefert sind. Teile dieser Ablagen, besonders laufende Parteiinformationen, Protokolle von Vorstands- bzw. Sekretariatssitzungen oder Unterlagen zu Bezirkskonferenzen, wurden bei der Verzeichnung allgemeinen Klassifikationspunkten zugeordnet, um den Zugriff für den Benutzer zu erleichtern.
Das Schriftgut des Sekretariats, bestimmter Abteilungen und Fachgebiete ist in sehr unterschiedlichem Umfang überliefert, weist aber insgesamt massive Lücken auf. Besonders auffällig ist das Fehlen von Kaderakten und anderen personenbezogenen Materialien. Die Unterlagen der Sekretärbereiche aus den 1980er Jahren geben insgesamt nur wenig Aufschluss über die Tätigkeit der einzelnen Instrukteurgebiete und tragen eher den Charakter einer allgemeinen Ablage.
Überlieferungsschwerpunkte
Größtenteils überliefert sind die Sitzungsprotokolle des Bezirksvorstandes und des Sekretariats des Bezirksausschusses (ab 1977 Sekretariat des Bezirksvorstandes), die die gesamte Bandbreite der Parteiarbeit und deren Veränderungen im Laufe der Parteigeschichte abbilden. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Ergebnisprotokolle, die nur äußerst selten Kontextinformationen etwa zum Beratungsverlauf und zum Stellenwert der einzelnen Beratungsgegenstände vermitteln. Die Inhalte von Beschlüssen oder Festlegungen müssen über die Beschlussvorlagen und die Zuarbeiten einzelner Sekretariatsmitglieder bzw. Arbeitsgebiete erschlossen werden. Für die Sekretariatssitzungen zwischen Januar 1984 und Juni 1989 wurden Ergebnisprotokolle und Vorlagen gemeinsam abgelegt, was einen schnellen Zugang ermöglicht. Für die Sekretariatssitzungen vor 1984 und die Sitzungen des Bezirksvorstandes sind die Vorlagen hingegen nur zum Teil und an verschiedenen Stellen überliefert.
Neben den Protokollen des Bezirksvorstandes und des Sekretariats gehören Tätigkeits- und Zahlenberichte, Arbeitspläne sowie Parteiinformationen zu den wichtigsten überlieferten Unterlagen. Sie dienten vor allem der Anleitung und Kontrolle der Parteiorganisationen nach den Grundsätzen des "demokratischen Zentralismus". Die Arbeits- und Maßnahmepläne des Bezirksvorstandes mussten dem zentralen Vorstand regelmäßig zur Bestätigung vorgelegt werden. Sie dienten zugleich als Grundlage für die Arbeitspläne der Kreisvorstände, die vom Bezirksvorstand genehmigt wurden. Der zentrale Ost-Berliner Vorstand konnte aber auch direkt "Empfehlungen" und "Richtlinien" für die Grundeinheiten und Kreisverbände herausgeben, die vom Bezirksvorstand nur weitergeleitet wurden.
Die regelmäßigen Parteiinformationen wurden von den Kreisvorständen an den Bezirksvorstand übermittelt, dort zusammengefasst und bearbeitet und an das Sekretariat des Hauptausschusses weitergegeben. Sie sollten vor allem über die Erfüllung der zentralen Parteibeschlüsse, die Parteiarbeit vor Ort sowie die Meinungsbildung unter den Parteimitgliedern berichten. Zugleich dienten sie als Grundlage für die Selbstdarstellung der NDPD. Zu bestimmten aktuell-politischen Ereignissen (z. B. SED-Parteitage, Wahlen, Staatsbesuche) wurden Sonderberichte erbeten oder unaufgefordert von den Kreis- und Stadtbezirkssekretären eingereicht. Obwohl die Informationen "aussagekräftig", "ausgewogen" und auch "objektiv" sein sollten, überwogen schon früh affirmative Einschätzungen, Worthülsen und ermüdende Erfolgsbilanzen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Informationsberichte nicht nur für das Sekretariat des Hauptausschusses bestimmt waren, sondern auch dem Apparat der SED-Bezirksleitung vorgelegt werden mussten. Dennoch enthalten die Parteiinformationen zahlreiche wertvolle Hinweise auf die Stimmung an der Parteibasis und auf Themen der innerparteilichen Diskussion. Der Vergleich der aus den Kreisen übermittelten Informationen mit den letztlich vom Bezirksvorstand verfassten Texten ermöglicht zugleich Erkenntnisse über innerparteiliche "Zensurmaßnahmen", die Grenzen des politischen Spielraums der NDPD und die vorauseilende Anpassung mancher Funktionäre an die Erwartungen übergeordneter Leitungen.
Die Überlieferung der Bezirksparteikontrollkommission (BPKK) enthält vor allem Sitzungsprotokolle, Tätigkeitsberichte und Analysen zu verschiedenen Vorgängen, z. B. zur Mitgliederbewegung in den 1950er Jahren und zu "Republikfluchten" im Bezirk Leipzig. Für den Zeitraum 1952 bis 1957 hat die BPKK auch Unterlagen aus der Tätigkeit der anderen Arbeitsgebiete des Bezirksvorstandes gesammelt, die die erwähnte Überlieferungslücke schließen helfen. Im Schriftgut des Stadtbezirksverbandes Leipzig-Süd sind zudem zahlreiche Unterlagen zu Parteiverfahren vor der BPKK enthalten, die trotz des völlig ungeordneten Zustands die Rekonstruktion vieler Fälle von der Antragstellung auf Verfahrenseröffnung bis zum abschließenden Beschluss erlauben. Sie gehören damit zu den wenigen Sachakten im Gesamtbestand, anhand derer die Parteiarbeit nicht nur im Ergebnis, sondern auch in ihrer Entwicklung nachvollzogen werden kann.
Hinweise für die Benutzung
Wegen zahlreicher schutzwürdiger personenbezogener Daten unterliegt der Bestand Benutzungsbeschränkungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 SächsArchivG.
Verweis auf korrespondierende Bestände
Hier sind in erster Linie die Bestände SED-Bezirksleitung Leipzig (21123) und SED-Stadtleitung Leipzig (21145) sowie die Überlieferungen der SED-Kreisleitungen zu nennen.
Christian Kurzweg
Leipzig 2008
Literaturhinweise
Michael Walter: National-Demokratische Partei Deutschlands, in: Gerd-Rüdiger Stephan u. a. (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 366-401.
Bernd Gottberg: Die Gründung und die ersten Jahre der NDPD 1948-1954, in: Jürgen Frölich (Hrsg.): "Bürgerliche" Parteien in der SBZ/DDR. Zur Geschichte von CDU, LDP(D), DBD und NDPD 1945 bis 1953, Köln 1995, S. 73-87.
Ders.: Die Nationaldemokraten und die Entstehung der gesamtdeutschen F.D.P. 1989/90, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 13. Jg., Baden-Baden 2001, S. 222-232.
Roland Höhne: Aufstieg und Niedergang einer nationalen Blockpartei 1948-1990, in: Heiner Timmermann (Hrsg.): Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre, Berlin 2001, S. 269-312.Dr. Christian Kurzweg
Abkürzungen
Abt. Abteilung
ADL Archiv des Deutschen Liberalismus
ADN Allgemeiner Deutscher Nachrichtendienst
AfNS Amt für Nationale Sicherheit (Nachfolgebehörde des MfS)
Agit./Prop. Agitation und Propaganda
B.F.D. Bund Freier Demokraten
BPKK Bezirksparteikontrollkommission
BRD Bundesrepublik Deutschland
BV Bezirksverband
CDU Christlich-Demokratische Union Deutschlands
CSSR Ceskoslovenská Socialistická Republiká
D 66 Demokraten 66 (Liberale Partei in den Niederlanden)
DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands
DDR Deutsche Demokratische Republik
DEWAG Deutsche Werbe- und Anzeigen-Gesellschaft
DRK Deutsches Rotes Kreuz der DDR
DSF Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
DWK Deutsche Wirtschaftskommission
FDP Freie Demokratische Partei
IHK Industrie- und Handelskammer
IPW Institut für internationale Politik und Wirtschaft
KMU Karl-Marx-Universität Leipzig
KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion
KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
KV Kreisverband
LDP(D) Liberal-Demokratische Partei Deutschland
LPG Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft(en)
MfS Ministerium für Staatssicherheit
MNN Mitteldeutsche Neueste Nachrichten
NAW Nationales Aufbauwerk
NDPD National-Demokratische Partei Deutschlands
NFJ National-Demokratische Jugend
NÖS, NÖSPL Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung
NPD Nationaldemokratische Partei Deutschland (in der Bundesrepublik)
NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter-Partei
NVA Nationale Volksarmee
OBM Oberbürgermeister
PGH Produktionsgenossenschaft(en) des Handwerks
PKW Personenkraftwagen
SALT Strategic Arms Limitation Talks
SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR
SBV Stadtbezirksverband
SBZ Sowjetische Besatzungszone Deutschlands
SDP Sozialdemokratische Partei in der DDR
SED Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
SKK Sowjetische Kontrollkommission in Deutschland
SMAD Sowjetische Militäradministration in Deutschland
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
VEB Volkseigener Betrieb
[01] Günther Heydemann, Die Innenpolitik der DDR, München 2003, S. 11 f.
[02] Dietrich Staritz, National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), in: SBZ-Handbuch. Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945-1949, München 1990, S. 574.
[03] Michael Walter, National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD), in: Gerd-Rüdiger Stephan u. a. (Hrsg.): Die Parteien und Organisationen der DDR. Ein Handbuch, Berlin 2002, S. 370.
[04] Vgl. Jürgen Frölich, Transmissionsriemen, Interessenvertretung des Handwerks oder Nischenpartei? Zu Rolle, Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten der NDPD, Materialien der Enquête-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland (12. Wahlperiode des Deutschen Bundestages), Band II/2, S. 1574.
[05] Staritz (wie Anm. 2). S. 576.
[06] Archiv des Deutschen Liberalismus (ADL), Nr. 24886, und Frölich (wie Anm. 4), S. 1548.
[07] Sächsisches Staatsarchiv Leipzig (im folgenden StA-L), 21123, SED-BL Leipzig, IV 2/15/666, Bl. 95 ff. Vgl. Christian Kurzweg, Die Vertriebenenpolitik der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands. Das Beispiel Sachsen 1945-1950, S. 259.
[08] Josef Haas, Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD). Geschichte, Struktur und Funktion einer DDR-Blockpartei, Diss. Bamberg 1988, S. 41.
[09] Frölich (wie Anm. 4), S. 1555.
[10] Staritz (wie Anm. 2), S. 578.
[11] Roland Höhne, Aufstieg und Niedergang einer nationalen Blockpartei 1948-1990, in: Heiner Timmermann (Hrsg.): Die DDR in Deutschland. Ein Rückblick auf 50 Jahre, Berlin 2001, S. 287.
[12] Frölich (wie Anm. 4), S. 1559.
[13] Interessanterweise hat die Verstaatlichung so gut wie keinen Niederschlag in den überlieferten Akten des Bezirksverbandes Leipzig gefunden.
[14] Höhne (wie Anm. 11), S. 277.
[15] Haas (wie Anm. 8), S. 273.
[16] StA-L, 21702, NDPD-Bezirksverband Leipzig, Nr. 332.
[17] Ebd., Nr. 677-680.
[18] Die Position des Politischen Geschäftsführers wurde schon Mitte der 1950er Jahre wieder abgeschafft.
[19] Höhne (wie Anm. 11), S. 276.
[20] Haas (wie Anm. 8), S. 181 f.
[21] Telefonische Auskunft des früheren Sekretärs des Bezirksvorstandes Rudolf Moran, Dezember 2007.
[22] Höhne (wie Anm. 11), S. 269, und Bernd Gottberg, Die Nationaldemokraten und die Entstehung der gesamtdeutschen F.D.P. 1989/90, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung, 13. Jg., Baden-Baden 2001, S. 226.
[23] Ebd., S. 227.
[24] Ebd.
[25] Höhne (wie Anm. 11), S. 269.
[26] Frölich (wie Anm. 4), S. 1544.
[27] Gottberg (wie Anm. 21), S. 225.
[28] Ein Teil dieser Akten wurde 1999 an das Landesarchiv Merseburg übergeben.
[29] StA-L, 21702, NDPD-Bezirksverband Leipzig, Nr. 266.
[30] Ebd., Nr. 417.
[31] Im Zuge der Bestandsbearbeitung wurden telefonische Auskünfte bei den früheren Vorstandsmitgliedern Rudolf Moran (Sekretär des Bezirksvorstandes) und Prof. Dr. Manfred Mühlmann (Volkskammerabgeordneter und Mitglied des Hauptausschusses der NDPD) eingeholt.
Parteiarbeit in der Stadt Leipzig und den Kreisen im Bezirk Leipzig.- Protokolle des Bezirksvorstandes und des Sekretariats (Abstimmung mit der zentralen Ebene).- Tätigkeitsberichte und Statistiken.- Bezirksparteikontrollkommission (Mitgliederbewegung, "Republikflucht").
Nach der Auflösung der Länder im Juli 1952 waren die Landesverbände der NDPD in Bezirksverbände überführt worden. An die Stelle des Landesverbandes Sachsen traten die Bezirksparteiporganisationen Dresden, Leipzig und Chemnitz (ab 1953 Karl-Marx-Stadt). Sie waren im Sinne des so genannten "demokratischen Zentralismus" direkt dem Ost-Berliner-Parteiapparat unterstellt. Mit gut 6.000 Mitgliedern zählte der Bezirksverband Leipzig von Anfang an zu den größten und wichtigsten Bezirksorganisationen der NDPD. Leipzig hatte wegen der beiden Messen eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Mittelstandsorientierung der Partei als auch für ihre besondere Aufgabe bei der Westarbeit. Neun von insgesamt 14 Parteitagen der NDPD fanden in Leipzig statt. Der Bezirksverband bestand aus 12 Kreisverbänden. Höchstes Organ des Bezirksverbandes war zunächst der Bezirksparteitag. Mit Unterstützung der Sowjetischen Militärtadministration in Deutschland war die NDPD im Frühjahr 1948 gegründet worden. Hintergrund war die schwere Krise, in die die Blockpolitik der SED seit Dezember 1947 geraten war. Sie zeigte sich im Widerstand der bürgerlichen Parteien CDU und LDP gegen den kommunistischen Führungsanspruch. Ehemalige Nazis sollten mit der NDPD in die "antifaschistisch-demokratische Ordnung" integriert und nicht LDP und CDU überlassen werden. Diesem Ziel diente auch die zweite Neugründung des Frühjahrs 1948, die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). Die Mitgliederentwicklung verlief schleppend, ab den 1950er Jahren sollte die NDPD vor allem städtische Mittelschichten, Handwerker und Gewerbetreibende ansprechen. Alle politischen Aktivitäten der NDPD wurden von der SED gelenkt oder mussten von ihr genehmigt werden. Die enge Abhängigkeit schloss Kritik in Einzelfragen nicht aus. Erster Vorsitzender des Bezirksverbandes Leipzig war Kurt Lachner, längere Amtszeiten hatten Hans Rüdiger (1954 - 1964) und Klaus-Werner Jacobs (1965 - 1981). Analog zur SED-Bezirksleitung gab es Abteilungen und eine Bezirksparteikontrollkommission. Die wichtigste Strukturveränderung erfolgte 1955 mit der Auflösung der Bezirks- und Kreisausschüsse. Seitdem war der Bezirksvorstand das höchste Organ des Bezirksverbandes zwischen den Delegiertenkonferenzen.
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