Beständeübersicht
Bestand
21765 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (I)
Datierung | 1825 - 1945 |
---|---|
Benutzung im | Staatsarchiv Leipzig |
Umfang (nur lfm) | 105,58 |
Geschichte des Börsenvereins der deutschen Buchhändler zu Leipzig bis 1945
Zur Geschichte des Börsenvereins liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Hier sollen nur die wichtigsten Entwicklungslinien dieses immerhin 120 Jahre umfassenden Zeitraumes dargestellt werden.
Am 30. April 1825 wurde der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig gegründet. Er ist damit die älteste dauerhaft bestehende Branchenorganisation in Deutschland. Vorläufer war die in Leipzig von Philipp Erasmus Reich 1765 errichtete Buchhandelsgesellschaft, die jedoch kurze Zeit später auseinanderbrach. Reich zählte seinerzeit zu den bedeutendsten Buchhändlern und bewirkte mit seiner Entscheidung, nicht mehr die Frankfurter Messe zu besuchen, den Durchbruch der Leipziger Messe und erklärte damit Leipzig zum Zentrum des Buchhandels.
Diese Vorgeschichte zeigt das Spannungsfeld auf, das für die Gründung des Börsenvereins und die ersten Jahre seiner Entwicklung prägend sein sollte. Auf der einen Seite ein Interesse der Branche, gegen Raubdrucke vorzugehen und die Einsicht, dass mit Blick auf den gewachsenen Markt ein korporativer Zusammenschluss sinnvoll sein kann, auf der anderen Seite die Vorbehalte insbesondere der süddeutschen Händler gegen die Leipziger, deren Macht marktbestimmend geworden war, die Vorteile aus der Messe zogen und den Nettohandel bzw. Geldverkehr durchgesetzt hatten. Das Geldgeschäft auf der Messe ließ gerade bei den Auswärtigen den Wunsch nach einer Börse aufkommen. 1792 hatte der Leipziger Buchhändler Paul Gotthelf Kummer eine solche eingerichtet. Vom Brühl zog sie 1797 in die theologische Fakultät, der Potsdamer Verleger Carl Christian Horvath hatte die Räume angemietet. Als er sich 1824 zur Ruhe setzen wollte, war der Zeitpunkt gekommen und am 30. April 1825 unterschrieben 99 Buchhändler eine Börsenordnung und gründeten den Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig.
Im Gründungsjahr 1825 war der Verein eine Gründung der Auswärtigen, lediglich 15 Prozent der Leipziger Händler gehörten der Organisation an. Dies änderte sich in den folgenden Jahren. Zum Zusammenwachsen trug bei, dass neben der zunächst im Mittelpunkt stehenden Abrechnungsorganisation mehr und mehr der Verein beim Besuch der Messe auch als Forum der Kommunikation genutzt wurde und mit der Herausgabe des Börsenblattes ab 1834 erste Dienstleistungsfunktionen erfolgreich erfüllt wurden. Davon profitierte die gesamte Branche. Vor diesem Hintergrund schwächten sich die regionalen Gegensätze ab. Mit Blick auf die Preisschleuderei und das nach wie vor ungelöste Nachdruckproblem bestand ein Bedürfnis, gemeinsam dagegen vorzugehen. Weitere verbindende Interessen waren die Entwicklung des Urheberrechts und das Eintreten gegen die Zensur.
Für die Geschichte des Börsenvereins bildeten die Jahre im Kaiserreich eine entscheidende Zäsur. Es vollzog sich ein Funktionswandel zu einem Wirtschaftsfachverband, beauftragt mit Dienstleistungs-, Vermittlungs- und Regulierungsfunktion für seine Mitglieder. Diese Entwicklung stand im Kontext eines weiteren Wachstumsprozesses, der mit den Schlagworten nationale Einheit und Aufstieg Deutschlands zur führenden Industriegesellschaft hier nur angedeutet werden kann.
Motor für den Funktionswandel waren die von Vorsteher Adolf Kröner umgesetzten Reformen ab den 1880er Jahren. Damit wurde 1888 die Buchpreisbindung durchgesetzt; die schon in den Jahrzehnten zuvor lang geführte Usancendiskussion führte zu bleibenden Ergebnissen. Mit der Buchpreisbindung hatte der Börsenverein eine Machtstellung entwickelt und avancierte zur Dachorganisation des deutschen Buchhandels. Dies wurde insbesondere beim so genannten "Bücher-Streit" 1903 deutlich, als der Leipziger Volkswirtschaftslehrer Karl Bücher vergeblich für einen freien Wettbewerb im Buchhandel warb. Ausdruck der professionalisierten Branchenvertretung war auch die Errichtung einer Geschäftsstelle als ständige organisatorische Zentrale. Sie entwickelte sich aus dem seit 1880 bestehenden "Centralbureau". Die Geschäftsführer hatten erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, was auch in späteren Bezeichnungen wie "Generaldirektor" und "Generalsekretär" zum Ausdruck kommen sollte. Von einer modernen Interessenvertretung erwarteten die Mitglieder Auskünfte und Informationen. In den folgenden Jahren wurde die Geschäftsstelle zum Multiplikator des in den Ausschüssen erarbeiteten Wissens. Mit der Reichsgründung waren die Chancen, verbindliche Regelungen in der Branche auch durchzusetzen zu können, ebenso gewachsen wie die Notwendigkeit, den Prozess der Verrechtlichung zu beeinflussen etwa bei der Entwicklung des Urheber- und Verlagsrechts. So entstand 1911 ein Ausschuss für Urheber- und Verlagsrecht, der auf einen 1890 angeregten außerordentlichen Ausschuss zurückging.
Ausdruck des Erfolgs und des gewachsenen Selbstbewusstseins war auch die engagierte Traditionspflege. 1876 wurde eine historische Kommission gegründet und 1888 in Anwesenheit des sächsischen Königs das Buchhändlerhaus eingeweiht.
Das Ansehen des Vereins entwickelte sich vor allem aus der Erfüllung von Dienstleistungsfunktionen, die für alle Buchhändler und Verleger eine wertvolle Arbeitshilfe waren. Dazu zählten die Herausgabe des Adressbuches ab 1888 und die Erarbeitung von Bibliografien. 1914 erhielt der Börsenverein eine bibliografische Abteilung, 1915 einen außerordentlichen Ausschuss und daraus entstand 1928 ein Ausschuss für Bibliografie. Der Börsenverein hatte zudem das Verlagsrecht am Kayserschen Bücher-Lexikon erworben, ab 1916 gab er die Deutsche Nationalbibliografie heraus. Das bibliografische Engagement war zugleich Ausdruck eines nationalen Kulturinteresses, von dem auch das Bibliothekswesen profitierte. Zu einem Hauptanliegen des Vorstandes wurde die Errichtung der Deutschen Bücherei, die 1912 gegründet werden konnte. Sie wurde zu einer Art deutschem Bucharchiv, der Börsenverein popularisierte die Idee der Deutschen Bücherei im Reich und die kostenlose Abgabe von Exemplaren, die später als Abgabe von Pflichtexemplaren durchgesetzt wurde. Die Deutsche Bücherei stärkte den Buchhandelsplatz Leipzig, der trotz des durch die Reichsgründung aufgewerteten Standortes Berlin seine Rolle als führender Kommissionshandelsplatz und Sitz bedeutender Verlagskonzerne bewahren konnte.
Scharfe Konflikte im Buchhandel markieren die Entwicklung in der Weimarer Republik. Die Branche litt unter der allgemeinen Kaufzurückhaltung, Inflation und einer rigiden Sparpolitik, die den Kulturbereich und insbesondere die Bibliotheken traf. Mehrere schwere Streikwellen 1919 in Leipzig (Leipziger Gehilfenstreiks) legten den Buchhandel zeitweise lahm. Mit dem System von Grund- und Schlüsselzahlen bemühte sich die Branchenorganisation 1922 im Krisenmanagement gegen die bereits zu Kriegsende aufgetretene Inflation vorzugehen.
Zudem verschärfte sich der Wettbewerb. Warenhäuser verkauften immer häufiger in ihren Schreibwarenhandlungen oder eigens eingerichteten Abteilungen Bücher. Auch der Vereins- und Verbandsbuchhandel nahm zu und lieferte Bücher und Fachzeitschriften unter Umgehung der Sortimenter direkt an die Kunden, darunter zahlungskräftige Berufsgruppen wie Ärzte, Rechtsanwälte, Chemiker und Ingenieure. Trotz der unterschiedlichen Interessen im Kontext eines umkämpfteren Marktes gelang es der Branchenorganisation, ihr Weiterbestehen zu sichern. Der Börsenverein konnte die Fachgruppen, die profiliert Partikularinteressen vertraten, integrieren und sich als Dachorganisation darüber stellen. Dazu diente der 1928 gebildete Fachausschuss, dessen Vorsitzender satzungsgemäß der Vorsteher des Börsenvereins war.
Begleitet war diese Entwicklung von einem weiteren Ausbau der Dienstleistungsfunktionen des Börsenvereins. Der Verein stellte sich den wirtschaftlichen Problemen der Branche: Gegen die so genannte Bücherkrise, neben den allgemeinen wirtschaftlichen Problemen litt das Buch unter der wachsenden Konkurrenz von Film und Funk, bemühte er sich um die Buchwerbung. In Anlehnung an Entwicklungen in den USA gewann sie nun auch in Deutschland an Bedeutung, so richtete der Börsenverein einen Ausschuss für Werbung ein. Als Reaktion auf die zurückgehende Nachfrage aus dem Ausland, auch eine Folge der Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges, übernahm der Börsenverein die 1919 gegründete Gesellschaft für den Auslandsbuchhandel. Es entstand eine Auslandsabteilung und 1923 ein Auslandsausschuss, der auch die Kontakte zu ausländischen Verbänden pflegte. Damit nicht genug, 1925 stiftete der Verein die erste europäische Professur für Buchhandelsbetriebslehre. Sie war an die Leipziger Handelshochschule angebunden. Erster Lehrstuhlinhaber war Gerhard Menz. 1927 entstand ein Ausschuss zur Förderung des buchhändlerischen Nachwuchses, 1928 übernahm der Börsenverein die Buchhändler-Lehranstalt, die 1853 vom Verein der Leipziger Buchhändler gegründet worden war. Hilfreich für den gesamten Buchhandel war zudem die Bildung des Ausschusses für Bibliografie 1928.
Der Verein konnte in schwieriger Zeit ein Auseinanderbrechen verhindern und seine Mitgliederzahl auf 5.600 Firmen erhöhen. Gegen die Konkurse und Massenarbeitslosigkeit auch im Buchhandel ab 1929 war er machtlos.
Wie alle Verbände, Vereine und Organisationen wurde der Börsenverein wenige Monate nach "Hitlers Machtergreifung" gleichgeschaltet. Zunächst erfolgte im November 1933 die Eingliederung des Börsenvereins in die Reichsschrifttumskammer. Diese war wiederum mit anderen Kammern in der Reichskulturkammer zusammengefasst. Der bislang privatrechtlich organisierte Börsenverein wandelte sich damit zu einer staatlich anerkannten Standesvertretung mit Zwangsmitgliedschaft, die alle buchhändlerischen Berufsgruppen umfasste. Zum Problem wurde nun, dass im Börsenverein auch Mitglieder aus dem deutschsprachigen Ausland organisiert waren. Dieser Umstand führte zur Ausgliederung des Börsenvereins aus der Reichsschrifttumskammer am 19. Oktober 1934 und zur Gründung des Bundes Reichsdeutscher Buchhändler, der anstelle des Börsenvereins der Reichsschrifttumskammer angehörte. Zum 1. Oktober 1936 wurde der Bund Reichsdeutscher Buchhändler aufgelöst und in die Gruppe Buchhandel in der Reichsschriftumskammer umgewandelt. Die Zwangsmitgliedschaft im Börsenverein wurde im Juni 1935 wieder aufgehoben. Strategisch diente der traditionsreiche Verein vor allem dazu, Irritationen im Ausland zu vermeiden und den Auslandsbuchhandel nicht weiter zu schwächen.
Obwohl der Börsenverein von Anfang an wesentliche Zielsetzungen der NS-Politik stützte, verlor er eine Vielzahl von Funktionen und fand in Buchhandelsfragen kaum Gehör. Am 31. März 1940 musste er seine Eigentumsrechte an der von ihm aufgebauten Deutschen Bücherei aufgeben, die in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt wurde.
Bereits mit seinem am 12. April 1933 verabschiedeten Sofortprogramm des deutschen Buchhandels entwickelte der Börsenverein ein deutlich antisemitisches Profil. In einer Erklärung am 13. Mai 1933 engagierte er sich drei Tage nach der Bücherverbrennung gegen die Verbreitung von Schriftstellern, die den Literaturkanon der Weimarer Republik geprägt hatten. Im Falle der Zuwiderhandlung drohte der Börsenverein von sich aus seinen Mitgliedern mit Ausschluss, was einem Berufsverbot gleichkam. Der Geschäftsführer des Börsenvereins, Dr. Max Albert Heß, nahm an den seit Juni 1934 durchgeführten Besprechungen in der Deutschen Bücherei teil, um zusammen mit Vertretern des Kampfbundes von Alfred Rosenberg und des Propagandaministeriums "schwarze Listen" zu erstellen. In der Hauptversammlung des Börsenvereins war personell quasi eine "Selbstgleichschaltung" eingeleitet worden, indem ein Aktionsausschuss neben den Vorstand gestellt wurde, dem bis auf Vorsteher Friedrich Oldenbourg stramme Nationalsozialisten angehörten.
Die traditionsreiche Standesorganisation unterstützte auch die Zwangsarisierung jüdischer Verlage, die vor allem vom Propagandaministerium und der Reichskulturkammer betrieben wurde. Er gab wichtige Informationen an NS-Stellen weiter, die auch zur Ausschaltung emigrierter jüdischer Verleger dienen sollten. In seiner Mitgliederkartei löschte er die jüdischen Mitglieder und vermerkte die "Arisierung" in den von ihm geführten Firmenakten. Viele jüdische Buchhändler und Verleger starben in den Konzentrationslagern, andere konnten ins Exil gehen, fanden dort Schutz und blieben auch nach 1945 in Großbritannien und den USA. Im Ergebnis verlor Deutschland damit nicht nur einen Teil seiner intellektuellen Elite, sondern auch seine Weltstellung in bestimmten Buchhandelsbereichen wie etwa im Musikalienhandel. Leipzig erlitt durch alliierte Bombenangriffe am 4. Dezember 1943 schwere Schäden und verlor seine Bedeutung als Buchhandelszentrum des Deutschen Reiches, die Buchstadt wurde zur Trümmerlandschaft, von 600 Buchhandelsfirmen waren 381 völlig und 110 teilweise zerstört.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Kurz vor Abschluss des Erschließungsprojektes Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig 1945-1990 im Dezember 2004 fiel die Entscheidung, das Findbuch digital bzw. auf CD zu veröffentlichen. Mit Blick auf die zur Verfügung stehende Speicherkapazität dieses Informationsträgers bot es sich an, das Findbuch zum Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig 1825-1945 im Rahmen der Retrokonversion daneben zu stellen.
1994 war dieses Findbuch in der Reihe der Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig als Broschüre erschienen. Seit einigen Jahren ist sie vergriffen. Sie basierte auf einem 1984 verfassten Findbuch, das auf Vorarbeiten aus dem Jahr 1970 aufbaute und das 1994 von Gertraude Gebauer und Manfred Unger nochmals redaktionell durchgesehen und um Judaica ergänzt wurde. Es handelte sich dabei um die Firmenakten von zwangsarisierten Unternehmen. Der große Teil der rd. 28.000 Firmenakten blieb aber über eine Gruppenverzeichnung nur pauschal als "Firmenakten" erschlossen und erschien deshalb nicht in der retrokonvertierten Fassung. An der Verzeichnungsintensität der übrigen Archivalieneinheiten wurden keine grundlegenden Änderungen vorgenommen. Lediglich die Archivalieneinheiten 586, 600, 604, 635 bis 640, 745, 755, 762, 768, 770, 777, 778, 788, 791, 792, 817 bis 819, 825, 828 und 829 wurden mit aussagekräftigeren Aktentiteln oder veränderten Enthält-Vermerken versehen, einige andere wurden formal überarbeitet. Die Findbucheinleitung wurde vollständig neu gefasst und die Verzeichnung überprüft, hierbei wurden die doppelt vorkommenden Nummern 370/371, 436/437, 572 und 574/575 korrigiert.
Die früheren Bearbeiter nutzten verschiedene Verzeichnungsstufen. So sind einige Archivalieneinheiten nur einfach verzeichnet. Andere sind mit Enthält-Vermerken versehen und damit erweitert verzeichnet. Für einige Aktengruppen wie die Generalversammlungen oder Akten der Leitung und Verwaltung wurde die Gruppenverzeichnung gewählt. Sie fasst eine Vielzahl gleichförmiger Archivalieneinheiten in einer Verzeichnungseinheit zusammen. Leider wurde die Gruppenverzeichnung bei besonders wichtigen Aktengruppen wie etwa den Generalversammlungen gewählt. Gruppenverzeichnung war in der DDR seinerzeit üblich, um dem Mengenproblem bei der Erschließung Rechnung zu tragen. Eine Vielzahl gleichförmiger oder zusammenhängender Archivalieneinheiten wird dabei in einer Verzeichnungseinheit zusammengefasst. Ein großer Enthält-Vermerk weist wichtige Inhalte, die in dieser Gruppe enthalten sind, aus. Zur Identifizierung von bestimmten Inhalten einer relevanten Archivalieneinheit müssten aber die Signaturen im Enthält-Vermerk hinter dem betreffenden Begriff in runden Klammern aufgeführt sein. Diese wichtige Information fehlt im Findbuch aus dem Jahr 1994, und diese Defizite ließen sich durch die vorgenommene Retrokonversion nicht mehr ausgleichen, eine Neuerschließung in größerem Umfang wäre dazu erforderlich gewesen.
Zur Retrokonversion übertrug eine Schreibkraft das alte Findbuch in eine Excel-Tabelle, diese wurde in AUGIAS und von dort in MIDOSA konvertiert - mit der Unterstützung von Dr. Nils Brübach, Abteilungsleiter im Hauptstaatsarchiv Dresden. Da keine Module für die Gruppenverzeichnung zur Verfügung standen, wurde jede Archivalieneinheit der alten Gruppenverzeichnung einzeln aufgeführt, die Enthält-Vermerke mussten entsprechend angepasst werden.
Im Jahr 2012 wurden die so entstandenen Verzeichnungsangaben in ein online-Findbuch überführt und stehen seitdem für die online-Recherche zur Verfügung.
Verzeichnung der Firmenakten
Den quantitativen Schwerpunkt des Bestandes bilden die Firmenakten. In den bisherigen Findmitteln waren – wie oben beschrieben – nur Firmenakten von zwangsarisierten Unternehmen erfasst. Ende 2013 begann dank des persönlichen Einsatzes des Vorsitzenden der Historischen Kommission, Klaus G. Saur, und der Unterstützung der Horst Kliemann Stiftung für Geschichte des Buchwesens ein Projekt zur Verzeichnung der noch nicht erfassten Firmenakten. Dieses Projekt wurde durch Axel Frey durchgeführt und konnte 2016 abgeschlossen werden. Die Verzeichnung der rd. 22.000 Firmenakten erfolgte in der Reihenfolge der Signaturen (beginnend ab F 00001), die Akten wurden in das Ordnungsschema von Firmen mit Namensanfang A bis Z eingeordnet. Die bereits vor 2013 und zwischenzeitlich unter einem Punkt 13.30 erfassten Firmenakten wurden mit Fortschreiten des Projektes sukzessive geprüft und ebenfalls in das Ordnungsschema von Firmen A bis Z eingeordnet.
Überlieferungsschwerpunkte
Bei der Bombardierung Leipzigs am 4. Dezember 1943 war auch das Buchhändlerhaus zerstört worden. Lange Zeit ging man in Leipzig davon aus, dass die Geschäftsakten des Börsenvereins dem Brand zum Opfer gefallen seien. 1970 entdeckte man in einem feuchten Schuppen auf dem Gelände des zerstörten Buchhändlerhauses am Gerichtsweg einen kleinen Teil von Unterlagen. Nach Schätzungen des damaligen Archivleiters, Dr. Manfred Unger, sind 90 Prozent der Überlieferung des Börsenvereins verloren gegangen.
Der Bestand umfasst die noch erhaltenen Unterlagen der Geschäftsstelle des Börsenvereins. Kern der Überlieferung bilden die Akten der Generalversammlung (Ziff. 1.3), die bis 1854 reicht. Sie bildet eine wichtige Grundlage für die Erforschung der allgemeinen Buchhandelsgeschichte und gibt zu den großen Themen der jeweiligen Zeitabschnitte umfassend Auskunft wie etwa zu Raub- und Nachdruck, Rabatt- und Preisschleuderei, Entwicklung der buchhändlerischen Verkaufsordnung, aber auch zur Zensur und zum Schutz der Urheberrechte. Zugleich sind die Generalversammlungen für die Geschichte des Vereins selbst heranzuziehen, mit Blick auf die Statuten siehe auch die Archivalieneinheiten unter Ziff. 1.1 und die Akten des Verwaltungsausschusses unter Ziff. 1.4.1. Diese Unterlagengruppen sind neben den Akten zur Entstehung der Deutschen Bücherei unter Ziff. 4 auch hilfreich für die Erforschung von Leipzig als Buch- und Verlagsstadt.
Weitere Überlieferungsschwerpunkte sind die Entwicklung des Verlags- und Urheberrechts, die Buchhandelskrise der Weimarer Republik und der Auslandsbuchhandel.
Wohl zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sind auf Weisung des Geschäftsführers Dr. Max Albert Heß von dem Mitarbeiter Otto Schwarz, der über gute Kenntnisse in der Arbeit des Börsenvereins verfügte, Aktenauszüge und Notizen erstellt worden, die eine weitere Unterlagengruppe darstellen. Heß wollte dieses Material für die Fortsetzung der Geschichte des Deutschen Buchhandels von Kapp/Goldfriedrich verwenden.
Seit 1934/1935 wurden in der Geschäftsstelle des Börsenvereins Firmenakten angelegt. Sie betreffen alle Firmen, die damals und bis zum Jahr 1945 mit dem Börsenverein als Mitglied oder durch Aufnahme ins Adressbuch des Deutschen Buchhandels in Verbindung standen oder über den Börsenverein abgefragt worden sind. Sie enthalten in der Regel die 1937 von der Reichsschrifttumskammer versandten Fragebögen und ggf. auch Korrespondenzen des Börsenvereins mit der Deutschen Bücherei und NS-Stellen. Sie beinhalten Informationen über die Mitgliedschaft im Börsenverein, Adressbuchangelegenheiten, Inhaber und Sortiment. Nach 1945 sind noch Fragebögen hinzugekommen, um die Informationen für das zusammen mit dem Buchhandel in den westlichen Besatzungszonen einmalig 1948 herausgegebene Adressbuch zu erhalten. Insofern bietet ein Teil der Unterlagen Informationen zur Lizenzerteilung und zur Enteignung in der SBZ/DDR. Die Kartei wurde auch nach dem Erscheinen des Adressbuches noch weitergepflegt, so dass einige Firmenakten teilweise bis in 1960er Jahre reichen. Dies zeigt die Überlappungen zum Bestand 21766 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1945-1990. Da der Überlieferungsschwerpunkt dieser Unterlagengruppe aber auf der Zeit vor 1945 liegt, blieb diese bestehende Zuordnung erhalten.
Ferner kann der Bestand generell für lokalgeschichtliche Fragestellungen eine Fundgrube sein, dies erklärt sich aus den überlieferten Akten der Kreis-, Landes- und Ortsvereine unter Ziff. 9, aber etwa mit Blick auf örtliche Verlage und Buchhandlungen auch aus den Firmenakten.
Hinweise für die Benutzung
Die seinerzeit teilweise feucht gelagerten Unterlagen sind nach ihrer Übernahme ins Staatsarchiv konservatorisch bearbeitet worden. Teile des Bestandes wurden noch vor 1990 sicherungsverfilmt, von diesen Filmen wurden später Benutzerkopien erstellt. Lediglich die Firmenakten wurde nicht sicherungsverfilmt und werden für die Benutzung im Original vorgelegt. Eine Digitalisierungsmaßnahme ist angelaufen.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Eine Vielzahl von Beständen anderer Archive bietet ergänzende und weiterführende Informationen. Für die Geschichte des Börsenvereins im Dritten Reich sind zu nennen: das Hausarchiv der Deutschen Bücherei in Leipzig, das Bundesarchiv mit seinen NS-Beständen und den Beständen der Reichsministerien. Für die Zeit davor, insbesondere für Entwicklungen des Buchhandels im 19. und frühen 20. Jahrhundert sind neben dem Staatsarchiv Leipzig das Stadtarchiv Leipzig, das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden und vor allem das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin zu nennen. Zum Auslandsbuchhandel der 1920er Jahre gibt es eine reiche Überlieferung im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Literatur
Barbian, Jan-Pieter, Literaturpolitik im "Dritten Reich". Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, München 1995.
Frey, Axel: Die Firmenakten des Börsenvereins im Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 70 (2015), S. 269-275.
Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1: Das Kaiserreich 1812 - 1918, Teil 1 und 2, im Auftrag der Historischen Kommission hrsg. von Georg Jäger in Verbindung mit Dieter Langewiesche und Wolfram Siemann, Frankfurt/Main 2001 und 2003.
Keiderling, Thomas, Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels von 1830 bis 1888, Berlin 2000.
Seifert, Otto, Die große Säuberung des Schrifttums. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1933 bis 1945, Schkeuditz 2000.
Staniek, Carola: die Mitgliedsakten des Börsenvereins. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 77 (2022), S. 201-206.
Titel, Volker, Das Wort erwuchs zur Tat. Zur Frühgeschichte des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Beucha 1995.
Hans-Christian Herrmann
Juli 2005
Aktualisierung durch Thekla Kluttig im Juni 2023
Zur Geschichte des Börsenvereins liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Hier sollen nur die wichtigsten Entwicklungslinien dieses immerhin 120 Jahre umfassenden Zeitraumes dargestellt werden.
Am 30. April 1825 wurde der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig gegründet. Er ist damit die älteste dauerhaft bestehende Branchenorganisation in Deutschland. Vorläufer war die in Leipzig von Philipp Erasmus Reich 1765 errichtete Buchhandelsgesellschaft, die jedoch kurze Zeit später auseinanderbrach. Reich zählte seinerzeit zu den bedeutendsten Buchhändlern und bewirkte mit seiner Entscheidung, nicht mehr die Frankfurter Messe zu besuchen, den Durchbruch der Leipziger Messe und erklärte damit Leipzig zum Zentrum des Buchhandels.
Diese Vorgeschichte zeigt das Spannungsfeld auf, das für die Gründung des Börsenvereins und die ersten Jahre seiner Entwicklung prägend sein sollte. Auf der einen Seite ein Interesse der Branche, gegen Raubdrucke vorzugehen und die Einsicht, dass mit Blick auf den gewachsenen Markt ein korporativer Zusammenschluss sinnvoll sein kann, auf der anderen Seite die Vorbehalte insbesondere der süddeutschen Händler gegen die Leipziger, deren Macht marktbestimmend geworden war, die Vorteile aus der Messe zogen und den Nettohandel bzw. Geldverkehr durchgesetzt hatten. Das Geldgeschäft auf der Messe ließ gerade bei den Auswärtigen den Wunsch nach einer Börse aufkommen. 1792 hatte der Leipziger Buchhändler Paul Gotthelf Kummer eine solche eingerichtet. Vom Brühl zog sie 1797 in die theologische Fakultät, der Potsdamer Verleger Carl Christian Horvath hatte die Räume angemietet. Als er sich 1824 zur Ruhe setzen wollte, war der Zeitpunkt gekommen und am 30. April 1825 unterschrieben 99 Buchhändler eine Börsenordnung und gründeten den Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig.
Im Gründungsjahr 1825 war der Verein eine Gründung der Auswärtigen, lediglich 15 Prozent der Leipziger Händler gehörten der Organisation an. Dies änderte sich in den folgenden Jahren. Zum Zusammenwachsen trug bei, dass neben der zunächst im Mittelpunkt stehenden Abrechnungsorganisation mehr und mehr der Verein beim Besuch der Messe auch als Forum der Kommunikation genutzt wurde und mit der Herausgabe des Börsenblattes ab 1834 erste Dienstleistungsfunktionen erfolgreich erfüllt wurden. Davon profitierte die gesamte Branche. Vor diesem Hintergrund schwächten sich die regionalen Gegensätze ab. Mit Blick auf die Preisschleuderei und das nach wie vor ungelöste Nachdruckproblem bestand ein Bedürfnis, gemeinsam dagegen vorzugehen. Weitere verbindende Interessen waren die Entwicklung des Urheberrechts und das Eintreten gegen die Zensur.
Für die Geschichte des Börsenvereins bildeten die Jahre im Kaiserreich eine entscheidende Zäsur. Es vollzog sich ein Funktionswandel zu einem Wirtschaftsfachverband, beauftragt mit Dienstleistungs-, Vermittlungs- und Regulierungsfunktion für seine Mitglieder. Diese Entwicklung stand im Kontext eines weiteren Wachstumsprozesses, der mit den Schlagworten nationale Einheit und Aufstieg Deutschlands zur führenden Industriegesellschaft hier nur angedeutet werden kann.
Motor für den Funktionswandel waren die von Vorsteher Adolf Kröner umgesetzten Reformen ab den 1880er Jahren. Damit wurde 1888 die Buchpreisbindung durchgesetzt; die schon in den Jahrzehnten zuvor lang geführte Usancendiskussion führte zu bleibenden Ergebnissen. Mit der Buchpreisbindung hatte der Börsenverein eine Machtstellung entwickelt und avancierte zur Dachorganisation des deutschen Buchhandels. Dies wurde insbesondere beim so genannten "Bücher-Streit" 1903 deutlich, als der Leipziger Volkswirtschaftslehrer Karl Bücher vergeblich für einen freien Wettbewerb im Buchhandel warb. Ausdruck der professionalisierten Branchenvertretung war auch die Errichtung einer Geschäftsstelle als ständige organisatorische Zentrale. Sie entwickelte sich aus dem seit 1880 bestehenden "Centralbureau". Die Geschäftsführer hatten erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, was auch in späteren Bezeichnungen wie "Generaldirektor" und "Generalsekretär" zum Ausdruck kommen sollte. Von einer modernen Interessenvertretung erwarteten die Mitglieder Auskünfte und Informationen. In den folgenden Jahren wurde die Geschäftsstelle zum Multiplikator des in den Ausschüssen erarbeiteten Wissens. Mit der Reichsgründung waren die Chancen, verbindliche Regelungen in der Branche auch durchzusetzen zu können, ebenso gewachsen wie die Notwendigkeit, den Prozess der Verrechtlichung zu beeinflussen etwa bei der Entwicklung des Urheber- und Verlagsrechts. So entstand 1911 ein Ausschuss für Urheber- und Verlagsrecht, der auf einen 1890 angeregten außerordentlichen Ausschuss zurückging.
Ausdruck des Erfolgs und des gewachsenen Selbstbewusstseins war auch die engagierte Traditionspflege. 1876 wurde eine historische Kommission gegründet und 1888 in Anwesenheit des sächsischen Königs das Buchhändlerhaus eingeweiht.
Das Ansehen des Vereins entwickelte sich vor allem aus der Erfüllung von Dienstleistungsfunktionen, die für alle Buchhändler und Verleger eine wertvolle Arbeitshilfe waren. Dazu zählten die Herausgabe des Adressbuches ab 1888 und die Erarbeitung von Bibliografien. 1914 erhielt der Börsenverein eine bibliografische Abteilung, 1915 einen außerordentlichen Ausschuss und daraus entstand 1928 ein Ausschuss für Bibliografie. Der Börsenverein hatte zudem das Verlagsrecht am Kayserschen Bücher-Lexikon erworben, ab 1916 gab er die Deutsche Nationalbibliografie heraus. Das bibliografische Engagement war zugleich Ausdruck eines nationalen Kulturinteresses, von dem auch das Bibliothekswesen profitierte. Zu einem Hauptanliegen des Vorstandes wurde die Errichtung der Deutschen Bücherei, die 1912 gegründet werden konnte. Sie wurde zu einer Art deutschem Bucharchiv, der Börsenverein popularisierte die Idee der Deutschen Bücherei im Reich und die kostenlose Abgabe von Exemplaren, die später als Abgabe von Pflichtexemplaren durchgesetzt wurde. Die Deutsche Bücherei stärkte den Buchhandelsplatz Leipzig, der trotz des durch die Reichsgründung aufgewerteten Standortes Berlin seine Rolle als führender Kommissionshandelsplatz und Sitz bedeutender Verlagskonzerne bewahren konnte.
Scharfe Konflikte im Buchhandel markieren die Entwicklung in der Weimarer Republik. Die Branche litt unter der allgemeinen Kaufzurückhaltung, Inflation und einer rigiden Sparpolitik, die den Kulturbereich und insbesondere die Bibliotheken traf. Mehrere schwere Streikwellen 1919 in Leipzig (Leipziger Gehilfenstreiks) legten den Buchhandel zeitweise lahm. Mit dem System von Grund- und Schlüsselzahlen bemühte sich die Branchenorganisation 1922 im Krisenmanagement gegen die bereits zu Kriegsende aufgetretene Inflation vorzugehen.
Zudem verschärfte sich der Wettbewerb. Warenhäuser verkauften immer häufiger in ihren Schreibwarenhandlungen oder eigens eingerichteten Abteilungen Bücher. Auch der Vereins- und Verbandsbuchhandel nahm zu und lieferte Bücher und Fachzeitschriften unter Umgehung der Sortimenter direkt an die Kunden, darunter zahlungskräftige Berufsgruppen wie Ärzte, Rechtsanwälte, Chemiker und Ingenieure. Trotz der unterschiedlichen Interessen im Kontext eines umkämpfteren Marktes gelang es der Branchenorganisation, ihr Weiterbestehen zu sichern. Der Börsenverein konnte die Fachgruppen, die profiliert Partikularinteressen vertraten, integrieren und sich als Dachorganisation darüber stellen. Dazu diente der 1928 gebildete Fachausschuss, dessen Vorsitzender satzungsgemäß der Vorsteher des Börsenvereins war.
Begleitet war diese Entwicklung von einem weiteren Ausbau der Dienstleistungsfunktionen des Börsenvereins. Der Verein stellte sich den wirtschaftlichen Problemen der Branche: Gegen die so genannte Bücherkrise, neben den allgemeinen wirtschaftlichen Problemen litt das Buch unter der wachsenden Konkurrenz von Film und Funk, bemühte er sich um die Buchwerbung. In Anlehnung an Entwicklungen in den USA gewann sie nun auch in Deutschland an Bedeutung, so richtete der Börsenverein einen Ausschuss für Werbung ein. Als Reaktion auf die zurückgehende Nachfrage aus dem Ausland, auch eine Folge der Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges, übernahm der Börsenverein die 1919 gegründete Gesellschaft für den Auslandsbuchhandel. Es entstand eine Auslandsabteilung und 1923 ein Auslandsausschuss, der auch die Kontakte zu ausländischen Verbänden pflegte. Damit nicht genug, 1925 stiftete der Verein die erste europäische Professur für Buchhandelsbetriebslehre. Sie war an die Leipziger Handelshochschule angebunden. Erster Lehrstuhlinhaber war Gerhard Menz. 1927 entstand ein Ausschuss zur Förderung des buchhändlerischen Nachwuchses, 1928 übernahm der Börsenverein die Buchhändler-Lehranstalt, die 1853 vom Verein der Leipziger Buchhändler gegründet worden war. Hilfreich für den gesamten Buchhandel war zudem die Bildung des Ausschusses für Bibliografie 1928.
Der Verein konnte in schwieriger Zeit ein Auseinanderbrechen verhindern und seine Mitgliederzahl auf 5.600 Firmen erhöhen. Gegen die Konkurse und Massenarbeitslosigkeit auch im Buchhandel ab 1929 war er machtlos.
Wie alle Verbände, Vereine und Organisationen wurde der Börsenverein wenige Monate nach "Hitlers Machtergreifung" gleichgeschaltet. Zunächst erfolgte im November 1933 die Eingliederung des Börsenvereins in die Reichsschrifttumskammer. Diese war wiederum mit anderen Kammern in der Reichskulturkammer zusammengefasst. Der bislang privatrechtlich organisierte Börsenverein wandelte sich damit zu einer staatlich anerkannten Standesvertretung mit Zwangsmitgliedschaft, die alle buchhändlerischen Berufsgruppen umfasste. Zum Problem wurde nun, dass im Börsenverein auch Mitglieder aus dem deutschsprachigen Ausland organisiert waren. Dieser Umstand führte zur Ausgliederung des Börsenvereins aus der Reichsschrifttumskammer am 19. Oktober 1934 und zur Gründung des Bundes Reichsdeutscher Buchhändler, der anstelle des Börsenvereins der Reichsschrifttumskammer angehörte. Zum 1. Oktober 1936 wurde der Bund Reichsdeutscher Buchhändler aufgelöst und in die Gruppe Buchhandel in der Reichsschriftumskammer umgewandelt. Die Zwangsmitgliedschaft im Börsenverein wurde im Juni 1935 wieder aufgehoben. Strategisch diente der traditionsreiche Verein vor allem dazu, Irritationen im Ausland zu vermeiden und den Auslandsbuchhandel nicht weiter zu schwächen.
Obwohl der Börsenverein von Anfang an wesentliche Zielsetzungen der NS-Politik stützte, verlor er eine Vielzahl von Funktionen und fand in Buchhandelsfragen kaum Gehör. Am 31. März 1940 musste er seine Eigentumsrechte an der von ihm aufgebauten Deutschen Bücherei aufgeben, die in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt wurde.
Bereits mit seinem am 12. April 1933 verabschiedeten Sofortprogramm des deutschen Buchhandels entwickelte der Börsenverein ein deutlich antisemitisches Profil. In einer Erklärung am 13. Mai 1933 engagierte er sich drei Tage nach der Bücherverbrennung gegen die Verbreitung von Schriftstellern, die den Literaturkanon der Weimarer Republik geprägt hatten. Im Falle der Zuwiderhandlung drohte der Börsenverein von sich aus seinen Mitgliedern mit Ausschluss, was einem Berufsverbot gleichkam. Der Geschäftsführer des Börsenvereins, Dr. Max Albert Heß, nahm an den seit Juni 1934 durchgeführten Besprechungen in der Deutschen Bücherei teil, um zusammen mit Vertretern des Kampfbundes von Alfred Rosenberg und des Propagandaministeriums "schwarze Listen" zu erstellen. In der Hauptversammlung des Börsenvereins war personell quasi eine "Selbstgleichschaltung" eingeleitet worden, indem ein Aktionsausschuss neben den Vorstand gestellt wurde, dem bis auf Vorsteher Friedrich Oldenbourg stramme Nationalsozialisten angehörten.
Die traditionsreiche Standesorganisation unterstützte auch die Zwangsarisierung jüdischer Verlage, die vor allem vom Propagandaministerium und der Reichskulturkammer betrieben wurde. Er gab wichtige Informationen an NS-Stellen weiter, die auch zur Ausschaltung emigrierter jüdischer Verleger dienen sollten. In seiner Mitgliederkartei löschte er die jüdischen Mitglieder und vermerkte die "Arisierung" in den von ihm geführten Firmenakten. Viele jüdische Buchhändler und Verleger starben in den Konzentrationslagern, andere konnten ins Exil gehen, fanden dort Schutz und blieben auch nach 1945 in Großbritannien und den USA. Im Ergebnis verlor Deutschland damit nicht nur einen Teil seiner intellektuellen Elite, sondern auch seine Weltstellung in bestimmten Buchhandelsbereichen wie etwa im Musikalienhandel. Leipzig erlitt durch alliierte Bombenangriffe am 4. Dezember 1943 schwere Schäden und verlor seine Bedeutung als Buchhandelszentrum des Deutschen Reiches, die Buchstadt wurde zur Trümmerlandschaft, von 600 Buchhandelsfirmen waren 381 völlig und 110 teilweise zerstört.
Bestandsgeschichte und -bearbeitung
Kurz vor Abschluss des Erschließungsprojektes Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig 1945-1990 im Dezember 2004 fiel die Entscheidung, das Findbuch digital bzw. auf CD zu veröffentlichen. Mit Blick auf die zur Verfügung stehende Speicherkapazität dieses Informationsträgers bot es sich an, das Findbuch zum Börsenverein der deutschen Buchhändler zu Leipzig 1825-1945 im Rahmen der Retrokonversion daneben zu stellen.
1994 war dieses Findbuch in der Reihe der Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig als Broschüre erschienen. Seit einigen Jahren ist sie vergriffen. Sie basierte auf einem 1984 verfassten Findbuch, das auf Vorarbeiten aus dem Jahr 1970 aufbaute und das 1994 von Gertraude Gebauer und Manfred Unger nochmals redaktionell durchgesehen und um Judaica ergänzt wurde. Es handelte sich dabei um die Firmenakten von zwangsarisierten Unternehmen. Der große Teil der rd. 28.000 Firmenakten blieb aber über eine Gruppenverzeichnung nur pauschal als "Firmenakten" erschlossen und erschien deshalb nicht in der retrokonvertierten Fassung. An der Verzeichnungsintensität der übrigen Archivalieneinheiten wurden keine grundlegenden Änderungen vorgenommen. Lediglich die Archivalieneinheiten 586, 600, 604, 635 bis 640, 745, 755, 762, 768, 770, 777, 778, 788, 791, 792, 817 bis 819, 825, 828 und 829 wurden mit aussagekräftigeren Aktentiteln oder veränderten Enthält-Vermerken versehen, einige andere wurden formal überarbeitet. Die Findbucheinleitung wurde vollständig neu gefasst und die Verzeichnung überprüft, hierbei wurden die doppelt vorkommenden Nummern 370/371, 436/437, 572 und 574/575 korrigiert.
Die früheren Bearbeiter nutzten verschiedene Verzeichnungsstufen. So sind einige Archivalieneinheiten nur einfach verzeichnet. Andere sind mit Enthält-Vermerken versehen und damit erweitert verzeichnet. Für einige Aktengruppen wie die Generalversammlungen oder Akten der Leitung und Verwaltung wurde die Gruppenverzeichnung gewählt. Sie fasst eine Vielzahl gleichförmiger Archivalieneinheiten in einer Verzeichnungseinheit zusammen. Leider wurde die Gruppenverzeichnung bei besonders wichtigen Aktengruppen wie etwa den Generalversammlungen gewählt. Gruppenverzeichnung war in der DDR seinerzeit üblich, um dem Mengenproblem bei der Erschließung Rechnung zu tragen. Eine Vielzahl gleichförmiger oder zusammenhängender Archivalieneinheiten wird dabei in einer Verzeichnungseinheit zusammengefasst. Ein großer Enthält-Vermerk weist wichtige Inhalte, die in dieser Gruppe enthalten sind, aus. Zur Identifizierung von bestimmten Inhalten einer relevanten Archivalieneinheit müssten aber die Signaturen im Enthält-Vermerk hinter dem betreffenden Begriff in runden Klammern aufgeführt sein. Diese wichtige Information fehlt im Findbuch aus dem Jahr 1994, und diese Defizite ließen sich durch die vorgenommene Retrokonversion nicht mehr ausgleichen, eine Neuerschließung in größerem Umfang wäre dazu erforderlich gewesen.
Zur Retrokonversion übertrug eine Schreibkraft das alte Findbuch in eine Excel-Tabelle, diese wurde in AUGIAS und von dort in MIDOSA konvertiert - mit der Unterstützung von Dr. Nils Brübach, Abteilungsleiter im Hauptstaatsarchiv Dresden. Da keine Module für die Gruppenverzeichnung zur Verfügung standen, wurde jede Archivalieneinheit der alten Gruppenverzeichnung einzeln aufgeführt, die Enthält-Vermerke mussten entsprechend angepasst werden.
Im Jahr 2012 wurden die so entstandenen Verzeichnungsangaben in ein online-Findbuch überführt und stehen seitdem für die online-Recherche zur Verfügung.
Verzeichnung der Firmenakten
Den quantitativen Schwerpunkt des Bestandes bilden die Firmenakten. In den bisherigen Findmitteln waren – wie oben beschrieben – nur Firmenakten von zwangsarisierten Unternehmen erfasst. Ende 2013 begann dank des persönlichen Einsatzes des Vorsitzenden der Historischen Kommission, Klaus G. Saur, und der Unterstützung der Horst Kliemann Stiftung für Geschichte des Buchwesens ein Projekt zur Verzeichnung der noch nicht erfassten Firmenakten. Dieses Projekt wurde durch Axel Frey durchgeführt und konnte 2016 abgeschlossen werden. Die Verzeichnung der rd. 22.000 Firmenakten erfolgte in der Reihenfolge der Signaturen (beginnend ab F 00001), die Akten wurden in das Ordnungsschema von Firmen mit Namensanfang A bis Z eingeordnet. Die bereits vor 2013 und zwischenzeitlich unter einem Punkt 13.30 erfassten Firmenakten wurden mit Fortschreiten des Projektes sukzessive geprüft und ebenfalls in das Ordnungsschema von Firmen A bis Z eingeordnet.
Überlieferungsschwerpunkte
Bei der Bombardierung Leipzigs am 4. Dezember 1943 war auch das Buchhändlerhaus zerstört worden. Lange Zeit ging man in Leipzig davon aus, dass die Geschäftsakten des Börsenvereins dem Brand zum Opfer gefallen seien. 1970 entdeckte man in einem feuchten Schuppen auf dem Gelände des zerstörten Buchhändlerhauses am Gerichtsweg einen kleinen Teil von Unterlagen. Nach Schätzungen des damaligen Archivleiters, Dr. Manfred Unger, sind 90 Prozent der Überlieferung des Börsenvereins verloren gegangen.
Der Bestand umfasst die noch erhaltenen Unterlagen der Geschäftsstelle des Börsenvereins. Kern der Überlieferung bilden die Akten der Generalversammlung (Ziff. 1.3), die bis 1854 reicht. Sie bildet eine wichtige Grundlage für die Erforschung der allgemeinen Buchhandelsgeschichte und gibt zu den großen Themen der jeweiligen Zeitabschnitte umfassend Auskunft wie etwa zu Raub- und Nachdruck, Rabatt- und Preisschleuderei, Entwicklung der buchhändlerischen Verkaufsordnung, aber auch zur Zensur und zum Schutz der Urheberrechte. Zugleich sind die Generalversammlungen für die Geschichte des Vereins selbst heranzuziehen, mit Blick auf die Statuten siehe auch die Archivalieneinheiten unter Ziff. 1.1 und die Akten des Verwaltungsausschusses unter Ziff. 1.4.1. Diese Unterlagengruppen sind neben den Akten zur Entstehung der Deutschen Bücherei unter Ziff. 4 auch hilfreich für die Erforschung von Leipzig als Buch- und Verlagsstadt.
Weitere Überlieferungsschwerpunkte sind die Entwicklung des Verlags- und Urheberrechts, die Buchhandelskrise der Weimarer Republik und der Auslandsbuchhandel.
Wohl zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sind auf Weisung des Geschäftsführers Dr. Max Albert Heß von dem Mitarbeiter Otto Schwarz, der über gute Kenntnisse in der Arbeit des Börsenvereins verfügte, Aktenauszüge und Notizen erstellt worden, die eine weitere Unterlagengruppe darstellen. Heß wollte dieses Material für die Fortsetzung der Geschichte des Deutschen Buchhandels von Kapp/Goldfriedrich verwenden.
Seit 1934/1935 wurden in der Geschäftsstelle des Börsenvereins Firmenakten angelegt. Sie betreffen alle Firmen, die damals und bis zum Jahr 1945 mit dem Börsenverein als Mitglied oder durch Aufnahme ins Adressbuch des Deutschen Buchhandels in Verbindung standen oder über den Börsenverein abgefragt worden sind. Sie enthalten in der Regel die 1937 von der Reichsschrifttumskammer versandten Fragebögen und ggf. auch Korrespondenzen des Börsenvereins mit der Deutschen Bücherei und NS-Stellen. Sie beinhalten Informationen über die Mitgliedschaft im Börsenverein, Adressbuchangelegenheiten, Inhaber und Sortiment. Nach 1945 sind noch Fragebögen hinzugekommen, um die Informationen für das zusammen mit dem Buchhandel in den westlichen Besatzungszonen einmalig 1948 herausgegebene Adressbuch zu erhalten. Insofern bietet ein Teil der Unterlagen Informationen zur Lizenzerteilung und zur Enteignung in der SBZ/DDR. Die Kartei wurde auch nach dem Erscheinen des Adressbuches noch weitergepflegt, so dass einige Firmenakten teilweise bis in 1960er Jahre reichen. Dies zeigt die Überlappungen zum Bestand 21766 Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1945-1990. Da der Überlieferungsschwerpunkt dieser Unterlagengruppe aber auf der Zeit vor 1945 liegt, blieb diese bestehende Zuordnung erhalten.
Ferner kann der Bestand generell für lokalgeschichtliche Fragestellungen eine Fundgrube sein, dies erklärt sich aus den überlieferten Akten der Kreis-, Landes- und Ortsvereine unter Ziff. 9, aber etwa mit Blick auf örtliche Verlage und Buchhandlungen auch aus den Firmenakten.
Hinweise für die Benutzung
Die seinerzeit teilweise feucht gelagerten Unterlagen sind nach ihrer Übernahme ins Staatsarchiv konservatorisch bearbeitet worden. Teile des Bestandes wurden noch vor 1990 sicherungsverfilmt, von diesen Filmen wurden später Benutzerkopien erstellt. Lediglich die Firmenakten wurde nicht sicherungsverfilmt und werden für die Benutzung im Original vorgelegt. Eine Digitalisierungsmaßnahme ist angelaufen.
Verweise auf korrespondierende Bestände
Eine Vielzahl von Beständen anderer Archive bietet ergänzende und weiterführende Informationen. Für die Geschichte des Börsenvereins im Dritten Reich sind zu nennen: das Hausarchiv der Deutschen Bücherei in Leipzig, das Bundesarchiv mit seinen NS-Beständen und den Beständen der Reichsministerien. Für die Zeit davor, insbesondere für Entwicklungen des Buchhandels im 19. und frühen 20. Jahrhundert sind neben dem Staatsarchiv Leipzig das Stadtarchiv Leipzig, das Sächsische Hauptstaatsarchiv in Dresden und vor allem das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin zu nennen. Zum Auslandsbuchhandel der 1920er Jahre gibt es eine reiche Überlieferung im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin.
Literatur
Barbian, Jan-Pieter, Literaturpolitik im "Dritten Reich". Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder, München 1995.
Frey, Axel: Die Firmenakten des Börsenvereins im Sächsischen Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 70 (2015), S. 269-275.
Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1: Das Kaiserreich 1812 - 1918, Teil 1 und 2, im Auftrag der Historischen Kommission hrsg. von Georg Jäger in Verbindung mit Dieter Langewiesche und Wolfram Siemann, Frankfurt/Main 2001 und 2003.
Keiderling, Thomas, Die Modernisierung des Leipziger Kommissionsbuchhandels von 1830 bis 1888, Berlin 2000.
Seifert, Otto, Die große Säuberung des Schrifttums. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig 1933 bis 1945, Schkeuditz 2000.
Staniek, Carola: die Mitgliedsakten des Börsenvereins. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens, Bd. 77 (2022), S. 201-206.
Titel, Volker, Das Wort erwuchs zur Tat. Zur Frühgeschichte des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Beucha 1995.
Hans-Christian Herrmann
Juli 2005
Aktualisierung durch Thekla Kluttig im Juni 2023
Buchhändlerbörse und Buchhändlerhaus.- Börsenblatt.- Verlags- und Urheberrecht.- Buchhandel.- Leipziger Buchmesse.- Gründung der Deutschen Bücherei.- Firmenakten zu buchhändlerischen Firmen (regionale Aspekte der Buchhandelsgeschichte und der Verlage, Arisierung).
Am 30. April 1825 setzten fast 100 Buchhändler in Leipzig ihre Unterschrift unter eine Börsenordnung und hoben damit den Börsenverein der Deutschen Buchhändler aus der Taufe. Er hat den deutschen Buchhhandel ebenso nachhaltig (Buchpreisbindung, Kommissionsbuchhandel) geprägt wie Leipzig als Buchstadt gestärkt: Seit 1834 erschien ein eigenes "Börsenblatt für den deutschen Buchhandel", 1853 entstand die Buchhändler-Lehranstalt, 1893 erschien die erste Verlagsordnung, die die Grundlage für das Verlagsrecht von 1901 wurde. Maßgeblich trug der Verein zur Gründung der Deutsche Bücherei bei. Im Dritten Reich verlor er an Substanz, wurde gleichgeschaltet und wirkte an der Arisierung des Buch- und Verlagswesens mit.
- 1984 | Findbuch
- 2016 | Elektronisches Findmittel
- 2024-11-19 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5