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Beständeübersicht

Bestand

21782 Nachlass Paul Beyer

Datierung1911 - 1981
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)0,60
Zur Biografie von Paul Beyer

Paul Emil Beyer, ein bekannter Leipziger Intellektueller, war als jahrelanger Cheflektor des VEB F. A. Brockhaus Verlages ein hervorragender Repräsentant des Buchwesens der Stadt Leipzig und ein verdienter Mitarbeiter beim Aufbau des Verlagswesens in der DDR.
Er wurde am 18. Januar 1901 als einziges Kind des Ehepaares Minna und Emil Beyer in Dresden geboren. Sein Vater, der bereits 1905 starb, war Volksschullehrer. Von 1911 bis 1920 besuchte er das König-Georg-Gymnasium in seiner Heimatstadt, wo er im Februar 1920 die Reifeprüfung mit "gut" bestand. Danach studierte er in Marburg, München, Berlin und Leipzig. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit Philosophie und Philologie, nahm aber auch an Seminaren zur Geschichte, zur Germanistik und Kunstgeschichte teil. Während seiner Leipziger Studentenzeit verband ihn eine enge Freundschaft mit Erich Kästner, der bereits 1919 mit ihm die Oberprima in Dresden besucht hatte. In der Anfangszeit wurde Beyers Studium durch eine finanzielle Unterstützung aus den Begabtenförderungsmitteln ermöglicht, die ihm das städtische Schulamt in Dresden zuerkannte. Während der Inflationszeit verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als "Werkstudent", das heißt er arbeitete nebenbei in Industriebetrieben und Verlagen. In dieser Zeit begann er auch schriftstellerisch an Zeitschriften und Zeitungen mitzuarbeiten.
Paul Beyer war Assistent bei Georg Witkowski an der Universität Leipzig, wo er sein Doktor-Examen mit "sehr gut" bestand. Er befasste sich in seiner Dissertation mit dem Thema "Die Mittel der Charakteristik in Gottfried Kellers ‚Grünem Heinrich'". Am 28. Oktober 1925 ernannte ihn der Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig zum Doktor der Philosophie. In der darauffolgenden Zeit arbeitete er hauptsächlich als Feuilletonist. Vom 1. Januar 1925 bis 31. Oktober 1927 war er zuerst als Volontär, dann als Redakteur bei der "Neuen Leipziger Zeitung" beschäftigt. Er schrieb Theater- und Filmkritiken, Aufsätze und Glossen. Im November 1927 wechselte er zu den "Leipziger Neuesten Nachrichten", wo er im Oktober 1931 Leiter des Kultur- und Unterhaltungsteiles wurde. Als er nach dem II. Weltkrieg aus dem französischen Kriegsgefangenenlager Bad Kreuznach nach Leipzig zurückgekehrt war, arbeitete er freiberuflich als Journalist. Zum Beispiel verfasste er unter dem Pseudonym "Sinclair" politische Glossen. Im September 1948 wurde er Leiter des Ressorts "Frauenbeilage" und Mitarbeiter des Feuilletons bei der "Leipziger Volkszeitung". Im Januar 1949 nahm Beyer im Auftrage des Leipziger Messeamtes und der Mecklenburgischen Industrie- und Handelskammer an Werbevorträgen in Mecklenburg teil. Bis etwa 1952 war er maßgeblich an der Messeberichterstattung beteiligt. Seine besondere Aufmerksamkeit galt der Buchmesse. Dem "Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel" leistete er journalistische Zuarbeiten. Jetzt entstanden auch die ersten Kontakte zu Verlagen, wie dem Verlag der Nation Berlin, dem Sachverlag Dresden und dem Verlag Volk und Buch, wo Beyer bei der Herausgabe des Leipziger Kalenders 1949 mitwirkte. Auch als dieser Verlag im März 1952 dem Bibliographischen Institut unterstellt wurde, blieben die Verbindungen bestehen. Beyer gab hier sein Buch "Trinkt o Augen … Ausgewählte Selbstzeugnisse, Briefe und Gedichte von Gottfried Keller" heraus, dessen 1. Auflage 1952 bereits in einem Monat restlos ausverkauft war. 1953 folgte schon die 2. Auflage. Als der Brockhaus-Verlag im April 1953 in Volkseigentum überging und man Beyer gleichzeitig die Herausgabe der Reiseliteratur des ehemaligen Verlages Volk und Buch übertrug, wurde er Leiter dieses Lektorats. In der Funktion des Cheflektors bestimmte er zielstrebig den neuen Abschnitt in der Verlagsgeschichte mit. Er schuf Kontakte zu anderen Verlagen, besuchte Buchmessen im Ausland, baute vor allem die engen Beziehungen zur Sowjetunion auf und entdeckte Autoren.
Besondere Würdigung gebührt seiner Teilnahme am Aufbau des Lektorates "Andere Länder" und bei der Profilierung der Heimatliteratur. Unter seiner Leitung wurden 1953 bis 1965 etwa 300 Neuerscheinungen publiziert. Darunter zählen auch die bekannten Brockhaus-Weltkalender, die er selbst zusammenstellte. 1963 übernahm der Brockhaus-Verlag vom Sachsenverlag Dresden die Veröffentlichung von Heimat- und Touristikliteratur. Bei diesem Verlag hatte Beyer in den Vorjahren schon einige Werke herausgegeben. So zum Beispiel 1956 "Landschaft der Mittelgebirge", 1957 "Landschaft der Flüsse" und 1961 "Der Harz". Etwa ein halbes Jahr nach Erreichen des Rentenalters schied er als Cheflektor des Brockhaus-Verlages aus. Gleichzeitig wurde er auf eigenen Wunsch vom Vorsitz der Literaturarbeitsgemeinschaft "Andere Länder" entbunden. Er blieb trotz seines angegriffenen Gesundheitszustandes mit seiner ehemaligen Wirkungsstätte als Publizist in Verbindung. Zum Beispiel stellte er noch einige Jahre lang den Brockhaus-Weltkalender zusammen.
Am 14. September 1982 starb Paul Beyer im Alter von 81 Jahren in Leipzig.

Bestandsgeschichte und -bearbeitung

Nach dem Tode der Witwe von Paul Beyer nahm das Staatsarchiv Leipzig im Dezember 1983 Kontakt zu deren einzigen Tochter Frau Sabine Toro in Metz/Frankreich auf, um die persönlichen und wissenschaftlichen Dokumente ihres Vaters zu sichern. Dank der Unterstützung von Frau Toro erfolgte die Übernahme des grob nach Themengruppen geordneten Nachlasses im August 1984 in der ehemaligen Wohnung der Familie Beyer in Leipzig-Schleußig, Hüfferstraße 59. Im Rahmen eines Vorpraktikums wurde der Bestand Paul Beyer archivisch bearbeitet.
Sein Umfang liegt bei 0,6 lfm. Er umfasst einen Zeitraum von 1911 – 1981. Die Erschließung erfolgte im Jahr 1985 auf der Grundlage der Ordnungs- und Verzeichnungsgrundsätze für Nachlässe des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar. Die übernommenen Bücher wurden im Bestand unter den Rubriken Publikationen sowie Sammlungs- und Erinnerungsstücke belassen. Die Verzeichnung der Manuskripte und Zeitungsartikel gestaltete sich schwierig, da weder Datierung noch die Publikationsorgane erkennbar waren. Bei der Zuordnung der Manuskripte zu bestimmten Akteneinheiten wurde auf ihren Inhalt zurückgegriffen, da teilweise die Titelangaben fehlten. 2014 wurde das alte Findmittel retrokonvertiert, d. h. in die archivische Erschließungssoftware übertragen. Einleitung und Verzeichnungsangaben wurden lediglich redaktionell geringfügig überarbeitet.

Überlieferungsschwerpunkte

Trotz der lückenhaften Überlieferung der Dokumente kann man deutliche Grenzen zwischen den einzelnen Schaffensperioden von Paul Beyer ziehen. Seine Tätigkeit als Feuilletonist bis etwa 1945 spiegeln am besten die in großer Anzahl übernommenen Theater- und Filmkritiken wider. Diese lassen auch Schlüsse auf den Stand des kulturellen Lebens in Leipzig zu. Eine besondere Bedeutung erhält der Bestand durch einige persönliche Briefe von Erich Kästner, die überwiegend aus den 1920er Jahren stammen. In einem Brief beispielsweise beschreibt er seinem Jugendfreund ironisch seine Eindrücke von Leipzig. Außerdem ist ein illustriertes Gedicht zum 20. Geburtstag Paul Beyers erhalten.
Nach dem II. Weltkrieg veröffentlichte Beyer Beiträge zu den verschiedensten Themen. Im Vordergrund stand die Messeberichterstattung. Hier können die von ihm verfassten und gesammelten Zeitungsartikel zur Dokumentation des Neuaufbaus der Buchstadt Leipzig und der kulturpolitischen Entwicklung in den Nachkriegsjahren genannt werden. Interessant sind weiterhin die geschäftliche Korrespondenz, in der sich auch zwei Briefe von Thomas Mann befinden, und seine Bücher. Auskunft, auch über die Erfolge des Brockhaus-Verlages, gibt das "Buch der Bücher", das A. Lange und K. Selle, tätig beim Ministerium für Kultur, anlässlich des 65. Geburtstages ihres gemeinsamen Kollegen Paul Beyer zusammenstellten. Darin sind z. B. alle in den Jahren von 1953 – 1965 unter dem Cheflektor Beyer erschienenen Bücher aufgeführt.
Die Dokumentation nach seinem Ausscheiden aus dem Verlag beschränkt sich lediglich auf Auszeichnungen, Glückwunschschreiben, persönliche Briefe und einige Bücher und Kalender. Besonders wenige Unterlagen sind über seine persönlichen Lebensumstände vorhanden. Bei der Erarbeitung seiner Biografie musste deshalb auch auf die Aussagen seiner ehemaligen Kollegin Frau Ochsmann zurückgegriffen werden.

Hinweise für die Benutzung

Bei der Zitierung ist anzugeben: StA-L 21782 Nachlass Paul Beyer, Nr. (fettgedruckte Zahl).

B. Heusterberg / I. Jach

1985 / 2014
Theaterkritiken und Filmkritiken aus den 1920er Jahren.- Berichte zur Buchstadt Leipzig.- Messeberichterstattung (DDR-Zeit).- Persönliche Briefe.- Bücher von Paul Beyer.- Auszeichnungen.
Paul Beyer wurde am 18. Januar 1901 in Dresden geboren. Er studierte in Marburg, München, Berlin und Leipzig, dort promovierte er 1925. Nach dem Studium arbeitete er als Redakteur und freier Mitarbeiter für verschiedene Zeitungen. Das Feuilleton wurde zu seiner Profession wie seine zahlreichen Filmkritiken und Theaterkommentare zeigen. Ende der 1920er Jahre erhielt er einen Auftrag für einen Reisebericht in Paris. Die Reiseliteratur sollte im DDR-Verlagswesen sein berufliches Werk bestimmen, von 1953 bis 1965 leitete Beyer u. a. als Cheflektor das Lektorat Reiseliteratur des VEB Brockhaus-Verlags Leipzig. Paul Beyer und Erich Kästner sollen Jugendfreunde gewesen sein. Beyer, ein umfassend gebildeter Mann, genoss in der Leipziger Verlagswelt hohe Anerkennung. Er starb am 14. September 1982 in Leipzig. Der Nachlass wurde dem Staatsarchiv Leipzig 1984 von der seit 1959 in Frankreich lebenden Tochter Beyers als Depositum übergeben. Beyer verfügte nicht zuletzt durch seine Arbeit als Cheflektor über ein in den Westen gehendes Netz von Beziehungen, das sich in der Überlieferung leider nicht widerspiegelt.
  • 2017 | Findbuch / Datenbank
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