Hauptinhalt

Beständeübersicht

Bestand

21800 Nachlass Rudolf Kötzschke

Datierung(1772 - 1827) 1867 - 1949
Benutzung im Staatsarchiv Leipzig
Umfang (nur lfm)3,00
Zur Biographie von Rudolf Kötzschke

Als einer ihrer namhaften Wissenschaftler hat Rudolf Kötzschke (1867 – 1949) dem Lehrkörper der Leipziger Universität 50 Jahre - von der Habilitation 1899 bis zu seinem Tode – angehört. Er hat auch in Leipzig studiert und 1889 hier promoviert. Nach einer Assistententätigkeit bei Karl Lamprecht übernahm er 1906 die Leitung des als erstes dieser Art an einer deutschen Universität gegründeten Instituts für Landesgeschichte und Siedlungskunde. Er hatte sie bis 1936 und erneut von 1946 bis 1949 inne. Gleichzeitig war er 1906 Professor geworden. Ebenso gehörte er jahrzehntelang zu den der 1896 gebildeten Sächsischen Kommission für Geschichte verbundenen Gelehrten, wenngleich er offiziell erst während des Zweiten Weltkrieges Mitglied der Kommission geworden war.
In Lehre und Forschung hat sich Kötzschke vorwiegend mit Agrar- und Siedlungsgeschichte befasst. Auf beiden Gebieten leistete er Bleibendes. Seine Typologie der Flur- und Siedlungsformen hat sich als grundlegend, seine Auffassung von der Grundherrschaft als anregend erwiesen. Von seinen zahlreichen Veröffentlichungen wurden die "Grundzüge der deutschen Wirtschaftsgeschichte" (1921), die "Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters" (1924) und der erste Band der "Sächsischen Geschichte" (1935) zu Standardwerken ihrer Zeit. Nicht unumstritten waren seine Publikationen zur "Ostsiedlung".
Kötzschke hat eine große Anzahl Dissertationen angeregt und betraut. Auch durch gemeinschaftliche Arbeiten – u. a. mit Hans Beschorner, Theodor Frings und Hellmut Kretzschmar -, als Herausgeber zweier regionalgeschichtlicher Schriftenreihen, nicht zuletzt über seinen ausgedehnten Schülerkreis und die Aktivität in entsprechenden Gremien ist er zu einer nachhaltigen Wirkung seiner wissenschaftlichen Arbeit gelangt.
Viele seiner Schüler waren als Geschichtslehrer tätig und haben durch ihre Mitarbeit in heimatgeschichtlichen Vereinen, ihre Tätigkeit in der örtlichen Forschung und in entsprechenden Publikationsorganen ihr regionalgeschichtliches Studium umgesetzt. Zeitweilige Assistenten Kötzschkes waren an der Universität W. Schlesinger, H. Helbig und H. Schieckel. Zu den in der örtlichen Forschung tätigen Schülern und Mitarbeitern zählten z. B. J. Langer (Freiberg), J. Leipoldt (Reichenbach/Vgtl.), R. Lehmann (Wermsdorf), W.Schellhas (Freiberg) und S. Sieber (Aue).
Kötzschke hatte 1936 dem aus Österreich stammenden Historiker A. Helbok (1883-1968) Platz machen müssen, ein früherer Nationalsozialist, der 1945 von seiner Professur enthoben und zwangspensioniert wurde. Als dieser im Kriege nach Innsbruck zurückging, übernahm der zur Wehrmacht einberufene W. Schlesinger formal die Leitung des Instituts, das bei dem Bombenangriff am 4. Dezember 1943 völlig zerstört worden ist. Es war durchgehend über den Räumen des Instituts für Kultur- und Universalgeschichte im Gebäude des "Goldenen Bären" in der Universitätsstraße untergebracht gewesen.
Fast 80jährig stellte sich Kötzschke 1946 in den Dienst der neuen Universität und begann das Institut mit seiner Lehr- und Forschungsarbeit wieder aufzubauen. Eigene Arbeiten der letzten Jahre sind nach seinem Tode publiziert worden: die Studien "Karl der Große als Agrarpolitiker" (1952), "Salhof und Siedelhof" (1953) sowie das Buch "Ländliche Siedlung und Agrarwesen in Sachsen" (1953). In den wenigen Jahren nach 1945 entstanden, bilden diese Arbeiten den letzten Höhepunkt seiner Forschungstätigkeit. 1961 entstand in der Bundesrepublik Deutschland ein Band ausgewählter Aufsätze. In der DDR würdigte man Kötzschkes Leistungen u. a. in biographischen Beiträgen 1959 und 1963 sowie in einer Veröffentlichung aus Anlass des 50. Jahrestages der Institutsgründung 1956.

Bestandgeschichte und –bearbeitung

Bei seinem Tode trat offenbar eine Zwei- oder sogar Dreiteilung der nachgelassenen Dokumente ein. Während einige Unterlagen zur Person bei der Witwe verblieben, die nach 1960 in einem Leipziger Altersheim verstarb (ohne dass sich später etwas über das Schicksal dieser Nachlassteile ermitteln ließ), gelangte ein Teil der privaten Arbeitsbibliothek mit Vorlesungsmanuskripten, Sonderdrucken usw. – d. h. dem jetzigen Bestand Kötzschke – an das Institut. Bücher und die meisten Sonderdrucke wurden in die Bibliothek eingegliedert, die sich durch große Anschaffungen in den 1950er Jahren schnell entwickelte. Die Manuskripte wurden gesondert in einem Schrank verwahrt. 1951 ordnete man sie erstmals grob, verzeichnete sie aber nicht. Die druckfertig hinterlassenen Arbeiten Kötzschkes waren entweder schon 1949 oder bald darauf über die Witwe an H. Helbig gelangt, der 1952 in die Bundesrepublik übersiedelte.
Als 1970 die Sektion Geschichte vom Gebäude Petersteinweg 2 – 8 in das neue Hochhaus umzog, wurde der größte Teil der Bibliothek dem Staatsarchiv Leipzig übereignet, da die Bibliotheksorganisation der Sektion völlig erneuert wurde. Während die umfangreichen Bibliotheken der ehemaligen Institute für Allgemeine Geschichte, für Deutsche Geschichte und für Geschichte der europäischen Volksdemokratien praktisch aufgelöst wurden, blieb allein die Bibliothek der ehemaligen Regionalgeschichtlichen Abteilung (so die Bezeichnung nach 1951) des Institutes für Deutsche Geschichte durch die Übernahme des Staatsarchivs Leipzig fast geschlossen erhalten. Sie wurde unter der Bezeichnung "Regionalgeschichtliche Bibliothek" aufgestellt. Nicht übernommen wurden unkatalogisierte Zeitschriftenreihen westdeutscher Territorien. An der Universität Leipzig verblieb eine Auswahl ausreichend für die wichtigsten Belange des Lehrstuhls. Ausgeliehene Bände wurden zurückgefordert, aber nur ein Teil kam tatsächlich zurück.
Mit übernommen wurden die Bücher aus der privaten Arbeitsbibliothek Kötzschkes, die Sonderdrucke und jene Papiere. Unter den Büchern fehlen allerdings solche von Kötzschke selbst, wie z. B. die "Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters".
Der Nachlass wurde 1980 mit dem Ziel bearbeitet, ihn in einer für die Benutzung ausreichenden Weise zu erschließen. Was die Abgrenzung betraf, so wurden die unter den Papieren überlieferten Sonderdrucke in den Bestand genommen, andere aber, die Kötzschke von den Verfassern zwar zugeschrieben, die aber in die Bibliothek gelangt und katalogisiert waren, dort belassen. Das gilt auch für die Bücher aus Kötzschkes Privatbesitz, obgleich sie als Bestandteile des Nachlasses gelten müssen. Im Überlieferungszusammenhang des Bestandes verblieben Nachlassteile von W. Stieda und H. Volkmann, die an Kötzschke gelangt waren.
An den Vorlesungsmanuskripten waren Ordnungsarbeiten nötig. Es musste darauf verzichtet werden, sie einzeln zu datieren. Im Zuge der Retrokonversion wurde zwar die Gruppenverzeichnung aufgelöst. Aus Gründen der Rationalität musste aber auf die Konkretisierung, z. B. bezüglich der Laufzeit, einzelner Verzeichnungseinheiten verzichtet werden.

Überlieferungsschwerpunkte

Der Bestand umfasst: Manuskripte zu Lehrveranstaltungen, für Vorträge und aus Forschungsarbeiten, u. a. "Germanische Stämme in der Völkerwanderung", "Einführung in die Geschichte des Mittelalters", "Historisch-politische Geographie Europas", "Meißnisch-sächsische Geschichte des 10. bis 16. Jahrhunderts", über Siedlungsgeschichte, Stadtwirtschaftsgeschichte, zu "Aufgaben und Methoden der Landes- und Heimatkunde" sowie die Einleitung zum Flurkartenatlas (später "Ländliche Siedlung und Agrarwesen Sachsens"), 42 Bände um 1906 bis 1949. – Manuskripte und Arbeitsmaterial von W. Stieda über Ludwig Heinrich v. Jakob, um 1925. – Seminarprotokolle, 1944, 1946 bis 1948. – Empfangene Sonderdrucke, u. a. von W. Andreas, G. v. Below, H. Beschorner, H. Ermisch, W. Goetz, O. Hötzsch, H. Krabbe, K. Lamprecht, F. Rörig, G. Seeliger, W. Stieda (32 Bände) – um 1900 bis 1935. – Tageszeitungen und Zeitungsausschnitte, 1917. – Sonderdrucke eigener Arbeiten, um 1930 bis um 1940. – Vorlesungsnachschriften während des Studiums, die Promotionsurkunde von 1889, Gratulationen zum 80. Geburtstag 1947, Schriftwechsel, Fotos, Nachrufe, 1949.

Die Dokumente sind aussagekräftig für die Biographie der Gelehrten. Der Bestand überliefert, was in den Lehrveranstaltungen behandelt wurde; er ist universitätsgeschichtlich und für die Geschichte der Forschung und Lehre auf landesgeschichtlichem Gebiet bedeutsam.

Hinweise zur Benutzung

Die Erfassung erfolgte mit der Archivsoftware AUGIAS. Bei der Bestellung und Zitierung ist anzugeben: StA-L, 21800, Nachlass Rudolf Kötzschke, Nr. (fettgedruckte Zahl).
Das vorliegende Findbuch ist das Ergebnis einer Konversion des bereits zu diesem Bestand vorhandenen maschinenschriftlichen Findbuches aus dem Jahr 1982. Ziel der Konversion war die Verbesserung der Recherchemöglichkeiten durch die Eingabe in die Erschließungsdatenbank Augias-Archiv. Dabei wurden die maschinenschriftlich vorliegenden Angaben ohne inhaltliche Veränderung in die digitale Form überführt

Literatur

G. Heitz, Rudolf Kötzschke (1867 – 1949). Sein Beitrag zur Pflege der Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte in Leipzig, in: Karl-Marx-Universität Leipzig, 1409 – 1959, Leipzig 1959, Band 2.
H. Walther, Rudolf Kötzschke (1867 – 1949), in: Bedeutende Gelehrte in Leipzig, Bd. 1, hrg. von M. Steinmetz, Leipzig 1963.

Quellen

PP-V 687 Gesellschaft für soziale Reform, Ortsgruppe Leipzig


M. Unger
M. Heilmann
Helbig, Herbert: Rudolf Kötzschke und seine Arbeiten zur deutschen Landeskunde, in : Berichte zur deutschen Landeskunde, 9, H. 1, 1950.- Schriften der Rudolf-Kötzschke-Gesellschaft, Rudolf Kötzschke und das Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde an der Universität Leipzig, hrsg. von Wieland Held und Uwe Schirmer, Beucha 1999.
Persönliche Dokumente.- Publikationen und Manuskripte.- Briefe des Hallenser Professors Heinrich von Jacobs (1805 - 1827).- Briefe des Franzosen Dupont an Johann August Schlettwein (1772).- Vorlesungsmanuskripte.- Kötzschkes Interpretation der Ostkolonisation.
Rudolf Kötzschke wurde am 8. Juli 1867 in Dresden geboren. Er studierte und promovierte an der Universität Leipzig und arbeitete danach zunächst als Lehrer an einer Privatschule. 1899 habilitierte er sich an der Leipziger Universität. Kötzschke gehörte zusammen mit Karl Lamprecht zu den Begründern der modernen Landesgeschichtsforschung in Deutschland. 1906 wurde er Direktor des ersten Seminars für Landesgeschichte und Siedlungskunde, angesiedelt an der Leipziger Alma mater. Bis 1936 übte er dieses Amt aus, nach dem Krieg konnte er diese Aufgabe wieder übernehmen und gehörte bis 1949 dem Lehrkörper der Leipziger Universität an. Publikationen wie die Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters, Sächsische Geschichte bis zur Reformationszeit und Ländliche Siedlung und Agrarwesen in Sachsen (aus dem Nachlass publiziert) markieren Höhepunkte seiner Forschungsarbeiten, wobei die zusammen mit Helmut Kretzschmar 1935 veröffentlichte Geschichte Sachsens bis heute immer noch als einzigartig gilt. Am 8. August 1949 starb Kötzschke in Leipzig. Der Bestand repräsentiert nur einen Teil des Nachlasses, seine Auswertbarkeit ist begrenzt.
  • 2009 | Findbuch / Datenbank
  • 2024-02-13 | Diese Ausgabe über AWAX 2.0.1.5
Sitemap-XML zurück zum Seitenanfang